Deutscher Mietgerichtstag e. V. Herbstakademie 2016 Die vermietete Eigentumswohnung Eine Einführung in das WEG-Recht
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- Michaela Kappel
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1 Deutscher Mietgerichtstag e. V. Herbstakademie 2016 Die vermietete Eigentumswohnung Eine Einführung in das WEG-Recht Prof. Dr. Florian Jacoby
2 Prinzipielle Unterschiede Mietrecht - Vertragsprinzip Einstimmigkeit Grundsätzlich keine Anpassung/Dynamik - Mieterschutz Zwingende Regelungen AGB-Kontrolle Wohnungseigentumsrecht - Beschlusskompetenzen begründen Mehrheitsprinzip - Dynamik durch zumindest jährliche Eigentümerversammlung Folie 2
3 Typische Konfliktfelder Ableitung der Betriebskostenabrechnung aus der Jahresabrechnung Gebrauchsregelungen Instandsetzung und Modernisierung Versorgungssperren Umwandlung eines vermieteten Zinshauses in Wohnungseigentum Folie 3
4 Agenda I. Grundlagen des Wohnungseigentumsrechts 1. Was ist Wohnungseigentum 2. Was ist die Wohnungseigentümergemeinschaft? 3. Was ist der Wohnungseigentumsverwalter? 4. Wie entscheidet die Gemeinschaft? II. Bedeutung von Gebrauchsregelungen bei der Vermietung von Wohnungseigentum Folie 4
5 Vorgaben des BGB Einheit von Grundstück und wesentlichen Bestandteilen ( 93 f. BGB) Gemeinsame Berechtigung an Grundstück bedeutet Miteigentum ( 741 ff., 1008 ff. BGB) Folie 5
6 1 WEG - Begriffsbestimmungen (1) Nach Maßgabe dieses Gesetzes kann an Wohnungen das Wohnungseigentum, an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes das Teileigentum begründet werden. (2) Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört. (5) Gemeinschaftliches Eigentum im Sinne dieses Gesetzes sind das Grundstück sowie die Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die nicht im Sondereigentum oder im Eigentum eines Dritten stehen. Folie 6
7 Gesetzliche Weichenstellung Wenn ein Gebäudeteil im gemeinschaftlichen Eigentum steht, dann haben grundsätzlich die Wohnungseigentümer - in der Eigentümerversammlung über die Instandhaltung und Instandsetzung zu entscheiden (Verwaltung, 21 WEG) und - die Kosten der Maßnahme nach Miteigentumsanteilen zu tragen (Kostentragung, 16 WEG). Wenn eine Sache im Sondereigentum steht, dann - hat der Sondereigentümer zu entscheiden und die Kosten (aus seiner eigenen Beauftragung) selbst zu zahlen, - Beschlüsse der Wohnungseigentümer sind mangels Beschlusskompetenz nichtig. Folie 7
8 Zuordnung von Gebäudebestandteilen Bestandteile der zum Sondereigentum zählenden Räume sind grds. Sondereigentum ( 5 Abs. 1 WEG) Ausnahmsweise sind nach 5 Abs.1 3 WEG die Bestandteile Gemeinschaftseigentum, wenn - Veränderung wäre Beeinträchtigung isv 14 (Schall unterbrechende Wand), - Äußere Gestaltung des Gebäudes bestimmt (Fenster, Balkone, Wohnungsabschlusstüren, Außenwände), - Für Bestand oder Sicherheit erforderlich ist (tragende Wände), - Dient zum gemeinschaftlichen Gebrauch (Leitungen, überwiegend), - Zu Gemeinschaftseigentum erklärt (Vereinbarung der Eigentümer) Folie 8
9 2. Gemeinschaft der Eigentümer 10 Abs. 6 WEG Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen. (...) Die Gemeinschaft muss die Bezeichnung "Wohnungseigentümergemeinschaft" gefolgt von der bestimmten Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks führen. Sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden. Folie 9
10 Vorteile der Rechtsfähigkeit Befund: Verträge zur Verwaltung (mit Versorgern, Verwalter, Handwerkern) schließen - nicht alle Eigentümer, - sondern die Gemeinschaft Vorteile: - Haftung Vertragspartner haftet voll, jetzt: Gemeinschaft, Eigentümer haften nach Gesetz ( 10 Abs. 8 WEG) - Eigentümerwechsel erfordert keinen Vertragsübergang Folie 10
11 Beispiel: Hausgeld Frage: Ein Eigentümer zahlt sein Hausgeld nicht. Was kann die Gemeinschaft unternehmen? Antwort: Die rechtsfähige Gemeinschaft - ist Inhaberin des Anspruchs auf Zahlung des Hausgelds, - kann als Klägerin im eigenen Namen auf Zahlung klagen. - kann im eigenen Namen vollstrecken, insbesondere auf ihren Namen Zwangshypothek eintragen lassen. Folie 11
12 3. Verwalter Persönliche Rechtsstellung: - Bestellung durch Beschluss der Eigentümerversammlung ( 26 WEG) - Abschluss eines Verwaltervertrags mit der Gemeinschaft Amtsstellung - Art der Stellung Organ der rechtsfähigen Gemeinschaft ( 27 Abs. 3 WEG) Vertreter der einzelnen Eigentümer ( 27 Abs. 2 WEG) - Umfang Im Unterschied zum GesR kaum Entscheidungsmacht Vorbereitungs- und Ausführungsorgan ( 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG) Folie 12
13 4. Innenverhältnis der Eigentümer Gebrauch und Nutzung von Gemeinschaftseigentum (und Sondereigentum), 13 ff. WEG Verwaltung (Instandhaltung) des Gemeinschaftseigentums, 20 ff. WEG Kostenverteilung, 16 WEG Folie 13
14 Regelungsinstrumente Vertrag - Einigung aller Eigentümer - Wirkung gegen Rechtsnachfolger bei Eintragung ( 10 Abs. 3 WEG) Beschluss - Regelmäßig Mehrheitsbeschluss ausreichend ( 21 Abs. 3 WEG) - Wirkung gegenüber Rechtsnachfolger ohne Eintragung ( 10 Abs. 4 WEG), aber Beschluss-Sammlung ( 24 Abs. 7 u. 8 WEG) Folie 14
15 Beispiel: Instandsetzung Die Eigentümer streiten, wie die marode Außenfassade instand zu setzen ist (Farbe, Umfang der Dämmung etc.). Wie finden sie eine Lösung? Welcher Minderheitenschutz besteht? Folie 15
16 21 WEG (3) Soweit die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer geregelt ist, können die Wohnungseigentümer eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung durch Stimmenmehrheit beschließen. (...) (5) Zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung gehört insbesondere: (...) 2. die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums; Folie 16
17 Ergebnis Beispiel Instandsetzung Die Eigentümer entscheiden durch Mehrheitsbeschluss. Der Beschluss ist binnen Monatsfrist anfechtbar, soweit der Beschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Folie 17
18 Beispiel: Beschlusskompetenzen In einer Eigentümerversammlung wird diskutiert, wie der Winterdienst hinsichtlich der straßenseitigen Gehwege und Stellplätze organisiert werden soll. Zur Wahl steht - die entgeltliche Vergabe an eine Fachfirma durch die Gemeinschaft oder - die beschlussweise Verpflichtung der Eigentümer zur Ausführung des Winterdienstes. Was ist zu bedenken? Folie 18
19 Beschlusskompetenz BGH v V ZB 58/99 Durch Beschlussfassung (= Mehrheitsmacht) können nur solche Angelegenheiten geordnet werden, über die nach dem WEG (= gesetzliche Beschlusskompetenz) oder nach einer Vereinbarung (= Öffnungsklausel) die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden dürfen, anderenfalls (= keine Beschlusskompetenz) bedarf es einer Vereinbarung. Ein ohne Beschlusskompetenz gefasster Beschluss ist nichtig. Ein mit Beschlusskompetenz gefasster rechtswidriger Beschluss ist grds. wirksam, nur anfechtbar. Folie 19
20 Gesetzliche Beschlusskompetenzen 12 Abs. 4 Satz 1: Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung 15 Abs. 2: Gebrauchsregelung 16 Abs. 3: Erfassung und Verteilung von Betriebs- und Verwaltungskosten 16 Abs. 4: Kostentragung von baulichen Maßnahmen im Einzelfall 18 Abs. 3: Entziehung des Wohnungseigentums 21 Abs. 3: Ordnungsmäßige Verwaltung 21 Abs. 7: Besondere finanzielle Angelegenheiten 22 Abs. 1: Bauliche Veränderungen 22 Abs. 2: Modernisierungsmaßnahmen 22 Abs. 3: Modernisierende Instandsetzung 26 Abs. 1: Bestellung und Abberufung des Verwalters 27 Abs. 2 Nr. 3: Ermächtigung des Verwalters zur Anspruchsdurchsetzung im Namen der Eigentümer 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7: Ermächtigung des Verwalters zur Vornahme sonstiger Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer 27 Abs. 3 Satz 3: Ermächtigung von Eigentümern zur Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer 27 Abs. 5 Satz 2: Abhängigkeit der Vermögensverfügung durch den Verwalter von der Zustimmung eines Wohnungseigentümers oder eines Dritten 28 Abs. 5: Wirtschaftsplan, Abrechnung und Rechnungslegung 29 Abs. 1 Satz 1: Bestellung eines Verwaltungsbeirats 45 Abs. 2 Satz 1: Ersatzzustellungsvertreter und Vertreter Folie 20
21 Keine Leistungspflichten BGH v V ZR 82/10: Wohnungseigentümern fehlt die Kompetenz, Leistungspflichten außerhalb des Bereichs der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten durch Mehrheitsbeschluss zu begründen. BGH v V ZR 161/11: Eine Verpflichtung der einzelnen Wohnungseigentümer, die Räum- und Streupflicht im Wechsel zu erfüllen, kann nicht durch Mehrheitsbeschluss, sondern nur durch Vereinbarung begründet werden. Folie 21
22 Teil 2: Bedeutung von Gebrauchsregelungen bei der Vermietung von Wohnungseigentum Folie 22
23 Beispielsfall: Gebrauchsregelung In einer Wohnungseigentumsanlage wird beschlossen, dass die Beförderung von Tieren in beiden Personenaufzügen des Hauses nicht gestattet ist. Ein Eigentümer vermietet seine Wohnung unter Verwendung eines Standardvertrags und ohne Hinweis auf den Beschluss. Der Mieter benutzt den Aufzug regelmäßig mit seinem Hund. Wie ist die Rechtslage: 1. Was gilt unter den Eigentümern? 2. Können die Eigentümer gegen den Mieter vorgehen? 3. Was gilt zwischen Mieter und vermietendem Eigentümer? 4. Was wäre dem vermietenden Eigentümer zu raten gewesen? Folie 23
24 Gebrauchsregelungen E1 E2 E3 E4 E5 E6 E7 E... Vielzahl an Wohnungseigentümern Gebrauchsregelung nach WEG Ansprüche wegen Mietergebrauch? Vermietender Wohnungseigentümer Gebrauchsregelung nach Mietrecht Mieter Folie 24
25 1. Unter Eigentümern nach WEG Es liegt ein bestandskräftiger wirksamer Beschluss vor, der die Eigentümer bindet, - weil Beschlusskompetenz aus 15 Abs. 2 WEG folgt, - weil sonst kein Nichtigkeitsgrund vorliegt (insbesondere kein Kernbereichsverstoß), - weil sich die Umsetzbarkeit im Mietverhältnis nicht auf das Verhältnis der Eigentümer auswirkt, - weil eine möglicherweise fehlende Ordnungsmäßigkeit nach Ablauf der Anfechtungsfrist nicht mehr geltend gemacht werden kann. Die Beförderung von Tieren im Aufzug ist unter den Eigentümern verboten. Folie 25
26 2. Anspruch der Eigentümer gegen Mieter E1 E2 E3 E4 E5 E6 E7 E... Vielzahl an Wohnungseigentümern Vermietender Wohnungseigentümer Gebrauchsregelung kann Mietergebrauch erlauben Gebrauchsregelung nach Mietrecht Ansprüche aus gemeinschaftlichem Eigentum ( 1004 BGB) wegen Mietergebrauch? Mieter 1. E1-E7 steht mit dem gemeinschaftlichen Eigentum absolutes Recht zu. 2. Mieter hat Gebrauchsrecht nur über die Befugnisse des vermietenden Eigentümers. Folie 26
27 Anspruch der Eigentümer Den Eigentümern steht gegen den Mieter ein Anspruch auf Unterlassung aus 1004 BGB zu, im Aufzug Tiere zu transportieren. Denn jeder Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums durch den Mieter stellt eine Beeinträchtigung des den Eigentümern zustehenden und von 1004 BGB geschützten gemeinschaftlichen Eigentums dar. Das Verhalten des Mieters kann gegenüber den Eigentümern nur dann gerechtfertigt sein, wenn es von der Gebrauchsregelung unter den Eigentümern gedeckt ist. Daran fehlt es hier. Folie 27
28 3. Sanktionen im Mietverhältnis Verspricht der Vermieter dem Mieter einen vertragsgemäßen Gebrauch, den er dem Mieter wegen Beschränkungen in der Gemeinschaftsordnung nicht gewähren kann, greifen die typischen Rechtsbehelfe des Mieters: - Nachbesserung (aber wohl unmöglich) - Minderung - Schadensersatz - Kündigungsgrund Folie 28
29 4. Ausrichtung des Mietvertrags an der Gemeinschaftsordnung Statischer Verweis auf (gegenwärtige) Gemeinschaftsordnung Dynamischer Verweis auf (gegenwärtige und künftige) Gemeinschaftsordnung Folie 29
30 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Florian Jacoby Direktor der Forschungsstelle für Immobilienrecht, Universität Bielefeld Universitätsstr. 25, Bielefeld
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