Vergaberecht als Schlüssel zu Innovation und Nachhaltigkeit? Claudia Fuchs

Transkript

1 Vergaberecht als Schlüssel zu Innovation und Nachhaltigkeit? Claudia Fuchs 30. September 2015

2 Vergaberecht als Schlüssel? Regelungsidee? Innovation Nachhaltigkeit Umweltorientierte Beschaffung Buying Social Funktionsweise? Vergaberecht Gestaltungsmöglichkeiten? SEITE 2

3 Öffentliche Auftragsvergabe und Vergaberecht Auftreten des Staates als Nachfrager von Leistungen am Markt Zweck der staatlichen Auftragsvergabe in ihrem ureigensten Sinn: Bedarfsdeckung (Sachgüter, Dienstleistungen) Erledigung der Verwaltungsaufgabe Staat Markt öffentlicher Auftrag Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen SEITE 3

4 Regelungshintergrund Besonderheiten des Staates in seiner Eigenschaft als Nachfrager am Markt nicht den Kräften des freien Markts ausgesetzt Einsatz öffentlicher Gelder Handeln im öffentlichen Interesse spezifische Rechtsbindungen (Verfassungsrecht, Grundrechte) strukturelle Funktionsschwächen staatlicher Beschaffungsvorgänge fehlende Wirtschaftlichkeitskontrolle durch Markterfolg Staat unterliegt keinem Anbieterwettbewerb, ist nicht vergleichbar an Gewinnmaximierung ausgerichtet, prinzipiell marktunabhängiger Zugang zu Finanzmitteln Nähe zum politischen System Informationsdefizite SEITE 4 spezifische Bedarfsstruktur intransparente Märkte

5 Ziele des Vergaberechts Sicherung der Wirtschaftlichkeit staatlicher Beschaffung sparsame Haushaltsführung Standardisierung Korruptionsbekämpfung Marktöffnung Herstellung eines grenzüberschreitenden Bieterwettbewerbs Vergabebinnenmarkt für öffentliche Aufträge Rechtsschutz für interessierte Unternehmen und Bieter Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit SEITE 5

6 Regelungsidee Vergaberecht als Recht eines rechtlich geschaffenen Wettbewerbs formalisierte Vergabeverfahren Parallelwettbewerb der Bieter vergabespezifischer Rechtsschutz Vergaberecht als Vergabeverfahrensrecht Allgemeine Vergabegrundsätze freier, fairer, lauterer Wettbewerb Gleichbehandlung Transparenz Vertraulichkeit Mindeststandards für das Vergabeverfahren SEITE 6

7 Öffentliche Auftragsvergabe als politisches Gestaltungsinstrument? staatliche Auftragsvergabe traditionell als Instrument allgemeinpolitischer Gestaltung ökonomische Relevanz zum Teil starke Nachfrageposition der öffentlichen Hand Verwirklichungsmodus staatlicher Investitionspolitik öffentliche Auftragsvergabe seit jeher auch wirkmächtiges Instrument insbesondere der Wirtschaftspolitik sachpolitische Zwecke jenseits des Beschaffungsziels im engeren Sinn (des eigentlichen Bedarfsdeckungszwecks) zb Regional-, Struktur-, Mittelstandsförderung soziale, ökologische Belange Innovationsförderung SEITE 7

8 Spannungsfelder protektionistische Beschaffungspolitik? politische Wertneutralität des Vergaberechts? strenges Ökonomisierungsanliegen des Vergaberechts?? echter Vergabebinnenmarkt? gesamtwirtschaftliche Verantwortung des Staates auch als Nachfrager? rationale Nachprüfbarkeit der Vergabeentscheidung? wettbewerbliche Chancengleichheit? Kostenwahrheit? SEITE 8

9 Grundsatzentscheidung Berücksichtigung von Sekundärzwecken 19 Abs 5-7 BVergG 2006 ( Grundsätze ) Umweltgerechtheit der Leistung sozialpolitische Belange innovative Aspekte Konkretisierungen in verschiedenen Detailbestimmungen EU-Vergaberechtsreform 2014: politische Instrumentalisierung der Vergabe als europäische Strategie umweltorientierte Vergabe, sozialverantwortliche Auftragsvergabe, innovationsfördernde Beschaffung smart procurement neue bzw erweiterte vergaberechtliche Ansatzpunkte und Möglichkeiten für strategische Beschaffung wirtschaftlich günstigstes Angebot, Gütezeichen, Lebenszykluskosten, Innovationspartnerschaft, aber: grundsätzliche Fragestellungen / Spannungslagen bleiben SEITE 9

10 Anknüpfungspunkte und Gestaltungsmöglichkeiten für eine nachhaltige Beschaffung Ausschreibung/ Leistungsbeschreibung Eignungsprüfung Zuschlagsentscheidung Leistungsdurchführung SEITE 10 Beschaffungsermessen Funktionale Leistungsbeschreibung Technische Spezifikationen Wahl des Vergabeverfahrens Ausschlussgründe Wirtschaftliche, technische, finanzielle Leistungsfähigkeit Preis Qualitative Zuschlagskriterien sonstige Aspekte Lebenszykluskostenrechnung Vertragliche Ausführungsbestimmungen Vertragsstrafen Mit dem Auftragsgegenstand verbunden? Objektivität gesichert? Nichtdiskriminierend? Verhältnismäßig?

11 Fazit Politische Sachziele wie Innovation, Nachhaltigkeit, Sozialverantwortlichkeit gewinnen als eigenständige Zwecksetzungen im Vergaberecht immer stärkere Bedeutung. Vorbildrolle der öffentlichen Hand als change agents in Sachen Nachhaltigkeit und Innovation. Gemeinwohlverantwortung des Staates (auch) als Nachfrager wird betont. Auf diese Weise findet eine verstärkte sachpolitische Steuerung durch öffentliche Auftragsvergabe statt. Schutz vor Wettbewerbsverfälschungen und Diskriminierung wird wichtiger. Besondere Anforderungen an den Auftraggeber, für Transparenz, Objektivität, klar formulierte Kriterien, Verhältnismäßigkeit, Gleichbehandlung, präzise Begründungen etc zu sorgen. Vielzahl möglicher berücksichtigungsfähiger politischer Interessen immer mehr und vielfältigere vergaberechtliche Gestaltungsmöglichkeiten. Gefahr der Überforderung im Alltag der Vergabepraxis. SEITE 11

12 DEPARTMENT FÜR ÖFFENTLICHES RECHT UND STEUERRECHT Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht Welthandelsplatz 1, Gebäude D Wien Ass.-Prof. Dr. Claudia Fuchs, LL.M. Danke für Ihre Aufmerksamkeit! T F claudia.fuchs@wu.ac.at SEITE 12