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1 ;;---~ ~~----~~--- s..:: c <0 0 0 N cn N. C) - Drogentrends in Frankfurt am Main Cannabis: Gefahr für die Jugend? Rauchen als Aspekt der Gruppenidentität Das letzte Jahr der Zigarettenwerbung in Österreich Beziehungsstrukturen und Konfliktlösestrategien bei primären und sekundären Alkoholikern Intendiertes Freizeitverhalten und Abstinenz Ästhetik und Anästhetik - Das Schöne als Therapeutikum der Sucht anton-proksch-lnstitut lud ig-boltzm nn-lnstitut für suchhorschung

2 Hinweise für Autorinnen Grundlegende Richtung:.... Die.Wiener Zeitschrift für Suchtforschung" ist eine wissenschaflhc~. tn vte.rleljahrlichen Abständen erscheinende Zeitschrift, in der Beiträge aus der tnterdisztphnären Forschung Ober Gebrauch und Abhängigkeit von psychotropen Substanzen sowte Ober Theorie und Praxis der Behandung der Suchtkrankheit veröffenuicht werden. Einreichen von Manuskripten: 1. Allgemein Es d0r1en nur Arbeilen in deutscher On Ausnahmefällen auch englischer) Sprache eingereicht werden, die in deutscher Sprache noch nicht publiziert wurden und nicht gjeichzeijig einer anderen Zeitschrift in deutscher Sprache zur VeröffenUtchu~ angeboten wurden. Außerdem ist zu überprüfen, ob Utheberrechte ~ritter berührt werden. Autorinnen stimmen mit der Einsendung des Manusknpts emer Begutachtung durch HerausgeberJMijglieder des wissenschaftlichen Beirats zu. Mit_ der Annahme gehl die Wahrnehmung der Verwertungsrechte auf den Verlag uber. Nachdrucke und andere Verbreitung in jedweder Fonn- auch auszugsweise -sind nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags 911stattet. Die Redaktion behält sich aße edijorisch und typografisch notwendigen Anderungen bezüglich Text, Abbildungen und Tabellen vor. VeröffenUicht werden wissenschaftliche Arbeiten aus Theorie und Praxis, Rezensionen und kurze MiU&ijungen über laufende Forschungsprojekte. 2. Adressen 2.1 Adresse zur Einsendung der Arbeiten Einsendungen der Arbeijen, Fragen, Anliegen bitte an: Arrton-Proksch-lnstitut Dr. Allred lh Mackgasse 7-11 A-1230Wien E-Matl: Tel.: Q-951 Fax: Q Adressen der Autorinnen Angabe einer Adresse für Rückfragen Mij jedem Manuskript sollte auch die Angabe einer Person m Adresse und Erreichbarl<ell (Telefon und ) für eventuelle Rückfragen zum Manuskript seitens der Redaktion mgeschickt werden Konespondenzadresse Die Korrespondenzadresse wird bei VerölfenUichung am Ende des Artikels abgedruckt und sollte zumindest die Angabe einer Person m allen vorhandenen Erreichbar1<ellen (Post, Telefon, Fax, E MaiQ beinhalten- vgl. Punkt Die Adresse für Rückfragen und die Korrespondenzadnesse können auch ldent sein. 3. Datenträger, Datenformate 3.1 Dalenträger, Datenübermittlung Die Arbeitensolen ko!rpiett (Text. Tabellen, Grafiken,. ) in elektronischverarbeitbarer Fonn (Diskette, E Matl, CD-ROM) übermitten werden. via E Mail an wzls@api.or.at (bevorzugte Varianle) via Post als CD-ROM oder Diskette 3.5", DOSIWindows Format 3.2 Daterrlormate Ohne Rückfrage können Daleien in folgenden Formaten verarbeitet werden: MS-DOS ASCII.Siandard" Textverarbeitungen wie z.b. MS-Word Grafiken in den Formaten JPG, GIF, TIF Vermerken Sie Betriebssystem, Programm und Versionsnummer auf der Diskette bzw. am beiliegenden Schreiben Tabellen, Bilder und Greliken Erscheinen Im ßeijrag!abellen, Bilder und/oder Grafiken, ist die Weiterverarbeitung ~ter, we~ neben 91ner (oplionalen) Einbindung in das Textdokument die Originaldat91. separat mitgeliefert wird, z.b. eine mit Microsoft EJa:el ersteltte Balkengraphik als Ela:ei-Datel. Bei Tabelien soihen die TabellenspaHen per.tabu lator"-taste erzeugt.werden, nicht mit der Leertaste. Im Textin Klammem den Hinweos auf die Abbildung/Tabelle anbringen und die dafür gewünschte Stelle kennz~chnen. Bitte ~araul achten, dass alle Tabellen und Grafiken für den Ausdruck tn schwarz-wetß tauglich sind. 4. Formale Struktur der Manuskripte 4.1. Algemeine layoutregeln Uberschr111en Im Text (inklusive Einleitung) bis zu 3 Ebenen durchnummerieren (z.b.1.,1.1,1.1.1) Texte möglichst urr1ormatier1 Obermitteln ZeiHervienschaltungen nur nach Absatzende, Zellenumbruch nicht händisch eingeben orhebungen kursw hahen 4.2 Länge des Manuskripts Wissenschaftliche Arbeiten sollen 5-25 Seiten unseres Layouts (ca bis Zeichen inkl. Leerzeichen) einschließlich Tabellen, Abbildungen und Literaturverzeichnis umfassen. Tagungsberichte und Rezensionen SOllen bis zu 1 Seite (5.500 Zeichen lnkl. Leerzeichen) und Kurzmitteilungen bis zu einer halben Seite (2.750 Zeichen lnkl. Leerzeichen) lang sein. 4.3 Aufbau des Manuskripts Die Reihenfolge der folgenden Unterpunkte entspricht der gewünschten Reihenfolge im Manuskript: Titel - Haupttitel (nach Möglichkeit nicht langer als 60 Anschläge) - Untertitel ( optional) Namen der Autorinnen Namen aller Autorinnen mit vorangestellten vollständigen Vomamen zu allen Autorinnen ein Hinweis auf die zugehörige Institution, Behandlungseinrichtung, Universijät etc. Beispiel: Wollgang Beiglböck (1 ), Allred Springer (2), Senta Feselmayer (1) (1) Anton-Proksch-lnstitut (2) Ludwig Boitzmann-lnstiM für Suchtforschung Zusammenfassung und Schlüsselwörter in deutscher Sprache Die Zusammenfassung SOllte max Zeichen inkl.leerzeichen lang sein. Mit wenigen Sätzen sollen das Thema, die Zielsetzung sowie die zentralen Fragestel Iungen und Hypothesen der Arbeit vorgestellt werden. Außerdem soll eine Liste von 3 bis 5 Schlüsselwörtem zusammengestellt werden Textteil - keine Formatierungen mit Ausnahme der Ausprägungen.kursiv" - Uteratuminweise im Text in der Form Autorln, Jahr, Seitenangabe (z.b.: Beiglböck et al. 1989, S.45ff, oder. Springer/Uhl 1988) - ln den Text zu integrierende oder nach dem Text anzuführende Abbildungen und Tabeilen mit der Bezeichnung.Abb." oder.tab." durchnummerieren (z.b. Tab. 1, Abb.1) "Summary" und,.keywords" ln englischer Sprache Die englische Zusammenfassung sollte ebenfalls max Anschläge umfassen; anschließend soll ebenfalls eine Liste von 3 bis 5,Keywords" zusammengestellt werden. Vergleiche Punkt Literaturverzeichnis Die Literaturliste sollte alphabetisch nach Autorinnen sortiert sein. Sie soll nur Arbeiten aufführen, auf die im Text Bezug genommen wird. Nach jedem Literatur hinweis ist eine Zeilenschaltung zu setzen. Form der literatumlnweise: Bücher: Autorinnen (Jahr): Buchtitel. Ort: Verlag z.b.: Brosch. R./Mader, R. (Hrsg.) (2001 ): Alkohol am Arbeitsplatz. Wien: Orac Zeitschriften: Autorinnen (Jahr): Titel des Artikels. Name der Zeitschrift, Jahr gang, Nummer. Seitenangaben z.b.: Uhl, A. (2004): Möglichkeiten und Grenzen des Capture-Recepture Ansatzes. Sucht, 50, 1: Buchkapl1el: Autorinnen (Jahr): Titel des Artikels. ln: Autorinnen des Buches: Titel des Buchs. Ort Verlag, Seitenangaben z.b.: Springer, A. (2004): Jugendkultur und Drogengebrauch. in: Brosch, RJMader, R. (Hrsg.): Sucht und Suchtbehandlung Problematik und Therapie in Österreich. Wien: LexisNexis, Korrespondenzadresse Angabe einer Korrespondenzadresse mit Angabe zumindest einer Person mit allen Erreichbarl<eilen (Post, Tel, Fax, )- vgl. Punkt Korrekturen Mit Ausnahme von Kurzmeldungen emalten erstgenannte Autorinnen einen Satzabzug Ihres Beitrags zur Korrektur, der termingerecht an die Redaktton (vgl. Punkt 2.1) zurückgesandt werden soll. 8. Gendersensible Schreibwelse Es wird gebeten, in den Texten nach Möglichkeit geschlechtssensible Formulierungen zu verwenden. 7. Autorinnenexemplare Alleinautorinnen bekommen drei Belegexemplare an die von Ihnen genannte Korrespondenzadresse kostanlas zugesandt. Bei mehraren Autorinnen wird für jede weitere Aulor1n ein zusätzliches Exemplar übermittelt.

3 Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 Wiener Zeitschrift für SUCHTFORSCHUNG Jahrgang Nr. 1/2 Editorielle Vorbemerkung ln dieser Ausgabe unserer Zeitschrift bringen wir sehr unterschiedliche Aufsätze zu diversen Aspekten des Umgangs mit psychoaktiven Substanzen zum Abdruck. Diese Unterschiede _betreffen sowohl die wissenschaftliche Zugangsweise als auch inhaltliche Aspekte und d1e Gestaltung der Beiträge. Im breit geöffneten Rahmen wird zunächst eine Studie zur Epidemiologie des Rauschmittelkonsums in Frankfurt veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass der Gebrauch illegalisierter Substanzen unter Jugendlichen im Beobachtungszeitraum nicht zugenommen hat und hinsichtlich des Cannabisgebrauchs rückläufige Tendenzen aufweist. Hingegen besteht hinsichtlich des Tabakkonsums eine leichte und hinsichtlich des Alkoholkonsums eine merkliche Zunahme. Interessant ist, dass es in der gleichen Zeit zu einer neuen Intensivierung der Diskussion um die Schädlichkeit des Cannabiskonsums gekommen ist. Es mutet recht archaisch an, dass in diesem Kontext eine Argumentation weitergeführt wird, die seit Jahrzehnten in recht fruchtloser Weise den Diskurs um den Gebrauch von Hanfdrogen bestimmt. ln der aktuellen Situation lässt sich eine erneute Aktualisierung von bereits als obsolet gegolten habenden Gefährlichkeitszuschreibungen an den Cannabisgebrauch beobachten, zum andern werden neurophysiologische Erklärungsansätze der Cannabisabhängigkeit entwickelt. Im öffentlichen Diskurs und zum Teil auch in der professionellen Auseinandersetzung werden Erkenntnisse bzw. Spekulationen aus diesen Forschungsbereichen nach dem Grundsatz ausgewählt, die traditionellen Diskursmuster aufrecht zu erhalten und dazu benutzt, die verbotsorientierte politische Strategie fortzuführen. Der von uns veröffentlichte Beitrag repräsentiert eine kritische Analyse dieses Zustands. Die Problematik des Tabakgebrauchs Jugendlicher und Probleme der Prävention dieses Verhaltens werden in zwei Aufsätzen behandelt. Dabei wird zum einen aus systemtheoretischer Sicht die Bedeutung des Tabakkonsums für die Gruppenidentität als wesentlicher Komponente der Lebensweit der Jugendlichen erarbeitet und aus den dabei gewonnenen Erkenntnissen werden Empfehlungen zur Prävention abgeleitet, zum andem werden in einer form- und inhaltsanalytischen Untersuchung die Tricks der Tabakindustrie aufgezeigt, ihr für ihre Werbestrategien noch verbleibende Freiräume dafür zu nutzen, auf lebensweltliche und altersmäßig interessensgebundene Inhalte abzuzielen. Ein weiterer Beitrag widmet sich der Bedeutung der Differenzierung von primärem und sekundärem Alkoholismus. Primärer Alkoholismus entwickelt sich bekanntlich auf der Basis übermäßigen Alkoholkonsums - meist vergleichsweise langsam -, wobei in der Folge psychische, körperliche und soziale Probleme auftreten. Der überhöhte Konsum repräsentiert in diesem Prozess die Primärproblematik, die Folgeerscheinungen die Sekundärproblematik. Sekundärer Alkoholismus hingegen entsteht, wenn Personen aufgrund einer Primärproblematik, im Sinne psychischer, körperlicher und/oder sozialer Auffälligkeiten, beginnen, in großem Umfang Alkohol zur Selbstmedikation einzusetzen um dann - meist recht rasch -vom Alkohol abhängig werden. Die Alkoholabhängigkeit ist in diesen Fällen die Sekundärproblematik. ln der Alkoholismusforschung besteht Konsens darüber, dass es immer mehr Indizien dafür gibt, dass Alkoholismus in einer Vielzahl der Fälle sekundärer Natur ist. ln der hier veröffentlichten Arbeit konnte die Autorin mittels umfassender Interviews feststellen, dass rund die Hälfte der im Anton-Proksch-lnstitut stationär behandelten männlichen Alkoholiker und 94% der im Anton-Proksch-lnstitut stationär behandelten Alkoholikerinnen bereits vor Beginn des problematischen Alkoholkonsums an gravierenden psychiatrischen Erkrankungen gelitten hatten, was sie eindeutig als sekundäre Alkoholikerinnen ausweist. 3

4 Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 Therapeutische Fragestellungen werden ebenfalls in zwei Aufsätzen abgehandelt, die innovative Therapieansätze, die im Anion Proksch-lnstitut zur Anwendung gelangen, vorstellen. Zum einen wird anhand der günstigen Ergebnisse eines resourcenorientierten Therapieangebots (der freien Werkstatt) die Bedeutung kreativer Tätigkeiten und der Planung kreativer Freizeitgestaltungen als Rückfallsprophylaxe zur Darstellung gebracht, zum andern wird der therapeutischen Valenz philosophischer Reflexionen innerhalb der Behandlung der Abhän.~igkeit nachgespürt und hinterfragt, welcher Rang in diesem Kontext der Kategorie des Asthelischen als Widersacher der "drogeninduzierten Anästhetisierung" zukommt. Diskutiert wird in diesem Kontext inwieweit in Anbetracht der Erfahrung des Horriblen in Suchtkarrieren "das Schöne" Hoffnung spenden und eine Neuerschließung von Sinn- und Wertmöglichkeiten ermöglichen kann. Insgesamt lässt sich der Vielgestaltigkeit der Beiträge auf besonders eindrucksvolle Weise entnehmen, um welch komplexes Phänomen es sich beim Umgang mit psychoaktiven Substanzen handelt und welches Ausmaß an Komplexität die Auseinandersetzung mit diesem Phänomen angenommen hat. Altred Springer 4

5 Originalarbeit S Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 Drogentrends in Frankfurt am Main Fünf Jahre Monitoring-System Drogentrends in Frankfurt: Hintergründe, Konzept, Zusammenfassung der aktuellen Ergebnisse Bernd Werse (1), Oliver Müller (1), Christiane Bernard (2) (1) Centre for Drug Research/CDR, Johann-Wolfgang-Goethe- Universität, Frankfurt a.m. (2) CDR, Frankfurt a.m.; Queens College, New York City Zusammenfassung Seit 2002 führt das Centre for Drug Research an der Universität Frankfurt am Main ein aus vier verschiedenen Erhebungen bestehendes lokales Drogen-Monitoringsystem ( MoSyD ) für die Stadt Frankfurt durch. Der Artikel stellt die verwendeten Methoden, Erfahrungen mit den unterschiedlichen Erhebungsformen sowie Ergebnisse aus den ersten fünf Erhebungsjahren vor. In diesem Untersuchungszeitraum konnte ein deutlicher Rückgang des Konsums von Cannabis, zum Teil auch anderer illegaler Drogen, beobachtet werden. Weniger eindeutige Verschiebungen sind beim Konsum legaler Drogen zu beobachten. In der offenen Szene lässt sich vor allem im Vergleich zu früheren Studien ein deutlicher Wandel der Konsummuster feststellen. Schlüsselwörter Prävalenz, lokales Monitoring, Trends, Konsummuster 1. Hintergrund Frankfurt am Main, mit ca Einwohnern die fünftgrößte Stadt Deutschlands, nimmt wie Hamburg im Vergleich zu anderen deutschen Städten seit längerer Zeit eine Sonderrolle im Hinblick auf die Verbreitung des Konsums illegaler Drogen, wie auch bezüglich der Drogenpolitik, ein. Dies hängt zunächst damit zusammen, dass die Stadt traditionell einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt darstellt. Das hohe Personen- und Frachtverkehrsaufkommen mit Flugzeug, Bahn, Auto und Schiff bringt einen vergleichsweise großen Umfang an illegalem Handel mit sich, weshalb die Stadt bereits aufgrund dieser Bedingungen einen Anziehungspunkt für an illegalen Drogen Interessierte darstellt. Im Laufe der 1970er Jahre hatte sich im Windschatten der Protestbewegungen eine große Szene problematischer Drogenkonsumenten entwickelt. Dieses Umfeld, in dem überwiegend intravenös Heroin konsumiert wurde, war aufgrund der relativen Enge der Frankfurter Innenstadt deutlicher als in anderen Großstädten für Außenstehende sichtbar. Die Lokalpolitik versuchte dem Problem mit unterschiedlichen Mitteln Herr zu werden. Nachdem die repressiven Maßnahmen der 1980er Jahre nur wenig Wirkung zeigten, wurden seit Ende des Jahrzehnts offene Szeneansammlungen toleriert, mit denen allerdings relativ bald unhaltbare Zustände im Hinblick auf Hygiene, Gesundheit und die Sicherheit im öffentlichen Raum einhergingen. Da sich zu diesem Zeitpunkt nicht nur die Zahl der Drogentoten drastisch erhöht hatte, sondern auch die HIV-Infektionsrate unter den Drogenabhängigen im Steigen begriffen war, wurde diese offene Szene mit polizeilichen Mitteln wieder aufgelöst, gleichzeitig wurden aber auch diverse niedrigschwellige Angebote implementiert. Dadurch wurde im Laufe der Jahre eine deutliche Reduzierung der Präsenz der Szene im Stadtbild, der Drogentotenzahlen wie auch der Durchseuchung mit HIV/AIDS erreicht, der problematische Drogenkonsum insgesamt aber nur in geringem Maße bekämpft. Zudem hatte die Szene seit Ende der 1980er Jahre zunehmend polytoxikomane Gebrauchsmuster entwickelt: Vor allem Kokain und Benzodiazepine, aber auch andere legale und illegale Drogen wurden gleichzeitig oder abwechselnd mit Heroin und anderen Opiaten konsumiert. Ende der 1990er Jahre schließlich wurde in der Szene offenbar vor allem im Zusammenhang mit Veränderungen auf der Angebotsseite das zumeist intravenös konsumierte Kokain weitgehend durch das rauchbare Crack ersetzt. Diese unvorhergesehene Entwicklung, die sich innerhalb von 2 bis 3 Jahren abspielte, bildete gemeinsam mit dem hohen Ausmaß des Drogenproblems (Schätzungen belaufen sich auf bis problematische Konsumenten in der Stadt) einen wichtigen Anstoß für die Implementierung einer regelmäßigen Befragung innerhalb der offenen Szene. 1 Parallel zu den beschriebenen Entwicklungen in der Gruppe hoch problematischer Drogengebraucher hatte sich die Stadt Frankfurt auch zu einem Zentrum der Techno-Musik und des Konsums illegaler Partydrogen (insbesondere Ecstasy und Amphetamine) entwickelt. In dieser Konsumentengruppe ist insbesondere ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre eine hohe Experimentierfreude hinsichtlich diverser Halluzinogene, synthetischer Drogen und anderer psychoaktiver Substanzen zu beobachten. Auf europäischer Ebene führte das wenn auch oft nur punktuelle Auftauchen neuer Drogen (vor allem in Partyszenen) zu Bemühungen, die Gefahrenpotenziale solcher Substanzen möglichst frühzeitig zu erfassen, um ggf. Gegenmaßnahmen ergreifen zu können (rapid assessment bzw. early warning systems; Stimson et al. 1998, EMCDDA 2002). Generell wurde auf der europäischen Ebene zudem seit den 1990er Jahren verstärkt über den Nutzen lokal gestützter Erhebungen zum Drogenkonsum diskutiert (Bless 2000). Diese Diskussion aufgreifend, entwickelte Uwe E. Kemmesies, einer der Gründer des Centre for Drug Research (CDR) 1 Es gab bereits seit Beginn der 1990er Jahre mehrere Erhebungen innerhalb der Szene, die jedoch nur bedingt vergleichbar waren (u.a. Vogt 1992, Barth et al. 1997). Eine dieser Studien, die zur Evaluation der Maßnahmen der niedrigschwelligen Drogenhilfe durchgeführt wurde (Kemmesies 1995), wurde zum Vorbild für die später im Rahmen des Monitoring-Systems durchgeführte Szenebefragung. 5

6 an der Universität Frankfurt, u.a. auf Basis der Erfahrungen aus dem ersten derartigen europäischen Projekt, Antenne Amsterdam (aktuell: Nabben et al. 2007), ein Konzept für ein Monitoring-System Drogentrends (MoSyD). In diesem ist neben einer zweijährlichen Befragung in der Szene der problematischen Gebraucher, für die ein gesonderter Bericht herausgegeben wird (aktuell: Müller et al. 2007), eine vornehmlich auf Ausgehszenen fokussierte qualitative Trendscout-Erhebung sowie eine Expertenbefragung enthalten. Um schließlich die generelle Verbreitung sowie das mögliche Aufkommen neuer Drogentrends in der Gruppe der Jugendlichen erfassen zu können, die stets im besonderen Blickpunkt von Präventionsbemühungen stehen, wurde zusätzlich eine jährliche quantitative Schülerbefragung in das Konzept einbezogen (für nähere Details siehe folgender Abschnitt). Da die Verantwortlichen in der Lokalpolitik (insbesondere: Gesundheitsdezernat und Drogenreferat) dem Konzept einer regelmäßigen drogenbezogenen Erhebung in Frankfurt ein hohes Interesse entgegenbrachten und die Finanzierung der Studie übernahmen, konnten bereits ein Jahr nach Vorlage des Projektentwurfs, im Jahr 2002, die ersten Erhebungen durchgeführt werden; 2003 wurde der erste Jahresbericht veröffentlicht (Kemmesies/Werse 2003). Neben dem Local Monitoring System (LMS) in Hamburg (aktuell: Baumgärtner 2006) ist MoSyD in Deutschland nach wie vor die einzige regelmäßig durchgeführte lokale Drogen-Monitoring-Studie. In diesem Artikel werden einige der zahlreichen Einzelresultate im Hinblick auf einzelne Drogen und/oder Konsument(inn)engruppen aus dem nunmehr fünften Jahresbericht (2006; Werse et al. 2007) präsentiert. 2. Methoden Das Frankfurter Monitoring-System ist ein Komplex unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Teilstudien, mit dem es ermöglicht wird, ein umfassendes Bild von der Drogengebrauchssituation in Frankfurt am Main zu erschließen, um so drogenpolitische wie drogenhilfepraktische Entscheidungen unmittelbarer und präziser treffen und umsetzen zu können. Das Drogengebrauchsphänomen wird in seiner gesamten Bandbreite kontinuierlich beobachtet, um so Entwicklungen in deren qualitativen sowie quantitativen Ausprägungen abbilden zu können. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel des MoSyD, neue Trends im Bereich des Konsums legaler sowie illegaler Drogen frühzeitig und verlässlich aufspüren zu können. 2 Das Forschungsdesign mit seinen einzelnen Modulen ist darauf ausgerichtet, sich immer wieder selbst zu informieren bzw. zu justieren, indem beispielsweise das eingesetzte quantitative Modul der Schülerbreitenbefragung durch im Rahmen des Trendscout-Panels gewonnene 2 Ein Trend ist in einem weiten soziologischen Sinn als Entwicklung einer (gesellschaftlichen) zukünftigen Grundströmung zu verstehen, die ein verändertes, neues Zusammenspiel von Kräften des sozialen Lebens in seiner materiellen (etwa: Kleidung, Lebensmittel, Sprachcodes wie auch Drogen etc.) und/oder immateriellen (wesentlich: Einstellungsmuster) Erscheinungsformen beinhaltet. Informationen unmittelbar auf neue Entwicklungen innerhalb des Phänomenfelds abgestimmt wird. Umgekehrt werden z.b. bemerkenswerte Ergebnisse der Fragebogenerhebung in die qualitativen Befragungen der Experten und Trendscouts eingebracht. MoSyD deckt das gesamte Spektrum des Drogenumgangs ab vom Konsum in etablierten, sozial integrierten und sozial unauffälligen Sozialkontexten bis hin zum sozialen, äußerst problembehafteten Umfeld der offenen Drogenszene. Es werden alle Lebensweltbereiche berücksichtigt, in denen a) Drogen unmittelbar konsumiert werden (differente Drogenszenen bzw. Freizeitmilieus, in denen mit Drogen umgegangen wird) oder b) in deren beruflichen Alltagspraxis sich unmittelbare Berührungspunkte mit dem Drogengebrauchsphänomen ergeben. In der Absicht, hoch auflösende Bilder von Entwicklungstrends beim Umgang mit Drogen zu produzieren, basiert MoSyD auf insgesamt vier Forschungsmodulen. Dabei handelt es sich um eigens für das Projekt durchgeführte quantitative und qualitative Erhebungen. Drogenbezogene Daten, die im institutionellen Kontext erhoben werden (z.b. Drogendelikte, Drogentote, Dokumentation der Drogenhilfe) fließen an einigen relevanten Stellen in die Jahresberichte ein, sind aber kein fester Bestandteil des Monitoring-Systems. 2.1 Expertenrunde Im Rahmen der Expertenbefragung werden Vertreter phänomennaher Institutionen (wesentlich: Drogenhilfe, Jugendhilfe, Polizei und Ausbildungswesen) im Rahmen eines Focus-Group-Verfahrens (Krueger 1994) interviewt. Dieses Modul wird in Form einer Panelerhebung durchgeführt: Ein möglichst gleich bleibender Kreis von aktuell elf Experten berichtet im halbjährlichen Turnus im Rahmen einer Gruppendiskussion aus der Perspektive des jeweiligen institutionellen Kontextes über den Stand und über neue Entwicklungen zum Phänomen des Drogenkonsums. Mitarbeiter des CDR sind bei den Gruppeninterviews nicht als Fragensteller, sondern als Moderatoren aktiv. Hauptaufgabe ist es, darauf zu achten, dass der Diskussionsprozess nicht von einzelnen Teilnehmern oder Teilgruppen dominiert wird. Der diskursive Austausch der Experten untereinander im Rahmen des Gruppeninterviews eröffnet umfassendere, vergleichende Einblicke in das Drogengebrauchsphänomen, womit es leichter wird, Entwicklungsrichtungen aufzuspüren. Vor allem aber sensibilisiert das Verfahren die Gruppenteilnehmer, inwieweit Beobachtungen aus anderen institutionellen Kontexten auch Geltung für den eigenen Bereich beanspruchen können. Insofern ergibt sich im Rahmen der Diskussion automatisch eine Art Validierungsmoment: Einzelne Beobachtungen, die von Einzelnen vorschnell generalisiert bzw. zu einem Breitenphänomen erklärt werden könnten, können unmittelbar im Kontext der Aussagen anderer Expert(inn)en betrachtet und ggf. relativiert werden. Im weiteren Verlauf des MoSyD erhöht sich damit automatisch die Beobachtungsqualität dieses spezifischen Erhebungsmoduls. Bei der Auswahl der Expert(inn)en wurde darauf geachtet, dass die relevanten Institutionen vertreten sind, die 6

7 mehr oder weniger unmittelbar mit dem Drogengebrauchsphänomen konfrontiert sind. Der Bereich der Drogenhilfe ist durch jeweils eine Person aus dem szenenahen Streetwork, der niedrigschwelligen Arbeit (Injektionsraum/Kontaktcafé), der stationären Entzugsbehandlung und der Jugend- und Drogenberatung repräsentiert. Der Themenbereich des Drogenkonsums unter Jugendlichen ist über die Arbeitsfelder Jugend-Streetwork, Jugend-Freizeit-Pädagogik (Jugendzentrum) und eine Suchtexpertin aus dem Schulamt vertreten. Die Institutionen der strafrechtlichen Phänomenkontrolle sind über Vertreter der Polizei und Staatsanwaltschaft präsent. Für den professionellen Freizeitbereich (Techno-Party- Szene) konnte ein Mitarbeiter eines Szenemagazins zur Mitarbeit gewonnen werden; zudem repräsentiert ein Vertreter eines szenebezogenen Peer-Präventionsprojekts die Schnittstelle zwischen Drogenberatung und Partyszene. 2.2 Schülerbefragung Das Forschungsmodul der Schülerbreitenbefragung bildet das quantitativ-epidemiologische Standbein des MoSyD und stellt die notwendige Ergänzung zu den qualitativ orientierten Forschungsmodulen Expertenrunde und Trendscout-Panel dar. Es kann als eine Art empirisches Korrektiv angesehen werden, insofern über die erhobenen Repräsentativdaten nachvollziehbar wird, inwieweit singuläre, für bestimmte Szenen typische Erscheinungen und Trends auch quantitativ bedeutsam sind. Durch den jährlichen Erhebungsturnus können derartige Trends im Substanzgebrauch sehr gut nachvollzogen werden. Im Rahmen der Schülerbreitenbefragung wird ein repräsentativer Ausschnitt der Altersgruppe der Spät- Adoleszenten (15- bis 18-Jährige) befragt. In dieser Altersgruppe entwickeln sich Drogengebrauchsvorlieben, weshalb sie für das Erkenntnisinteresse des MoSyD und im Hinblick auf die Konzeption drogenpräventiver Maßnahmen von besonderer Bedeutung ist: In welcher epidemiologischen Breite bilden sich (neue) Drogengebrauchsmuster ab; in welchem Umfang werden bestimmte Drogen konsumiert oder aber gemieden; gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen bestimmten Freizeitaktivitäten und Drogenkonsum; welches Wissen liegt zu Drogen vor und woher wird es bezogen; welche Beweggründe liegen vor, sich von illegalen Drogen fernzuhalten? Die Erhebung findet jedes Jahr innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten (November/Dezember) statt. Die Stichprobengröße beträgt Personen. Die Stichprobe bildet das Spektrum allgemein- und berufsbildender Schulen im Stadtgebiet Frankfurt ab. Die anonyme Befragung erfolgt in schriftlicher Form im Klassenverband. Da sich in den nach Kriterien der Repräsentativität ausgewählten Klassen nicht nur Schüler(innen) der Hauptzielgruppe 15- bis 18-Jährige befinden, können teilweise auch Aussagen über den Substanzkonsum der 19- Jährigen und der Älteren getroffen werden. Der Fragebogen umfasst das gesamte Spektrum legaler und illegaler Substanzen (eigener Konsum und Konsum im sozialen Umfeld), außerdem Meinungen und Wissen zu Drogen, lebensstilistische Vorlieben sowie die biographischen Standarddaten. Die Konstruktion des Fragebogens orientierte sich an Fragemodulen, wie sie sich in anderen einschlägigen Wiederholungsbefragungen in dieser Alterskohorte bewährt haben neben nationalen Erhebungen in Deutschland vor allem der europäischen Schülerbefragung ESPAD (Hibell et al. 2004). Diese Abgleichung der Fragemodule ermöglicht den Vergleich der erhobenen Daten mit Ergebnissen anderer Monitoring-Systeme aus deutschen oder anderen europäischen Städten sowie den Resultaten der im Vier-Jahres-Turnus durchgeführten ESPAD-Studie (zumindest in den Jahren, in denen eine ESPAD-Erhebung stattgefunden hat). 2.3 Trendscout-Panel Das Trendscout-Panel steht in besonderer Weise für die qualitative Orientierung des MoSyD. Um neue Drogenumgangsformen aufzuspüren, bedarf es eines Pools von Informanten, die sich unmittelbar in Umfeldern aufhalten, in denen ein Umgang mit Drogen geschieht. Auch dieses Modul ist als Panelerhebung konzipiert. Das heißt, dass ein gleich bleibender Stamm von Schlüsselpersonen in einem jährlichen Turnus auf der Grundlage eines halb offenen, leitfadengestützten Interviews befragt wird. Das aus 20 Personen bestehende Panel ist einerseits lebensweltlich breit gestreut, indem es sich über eine möglichst hohe Spannbreite differenter (Sozial- bzw. Erlebnis-) Milieus erstreckt, in denen Drogen (potenziell) gebraucht werden. Andererseits liegt ein Schwerpunkt auf solchen Freizeitszenen, in denen von einer besonders hohen Verbreitung illegaler Substanzen und/oder einer besonders hohen Experimentierfreude hinsichtlich Drogen auszugehen ist. Alle im Panel befragten Informanten bewegen sich allerdings jenseits des mit dem Drogengebrauchsphänomen assoziierten institutionellen Bereichs und mithin auch außerhalb der offenen Drogenszene, die bereits mit der Szenebefragung sowie der Expertenrunde abgedeckt ist. Entsprechend den Zielsetzungen dieses Erhebungsmoduls rekrutieren sich die befragten Trendscouts im Wesentlichen aus dem Bereich der Jugendkulturen, wobei hier wiederum ein Schwerpunkt auf Szenen aus dem erweiterten Bereich der Techno-Party-Kultur liegt. Entscheidend bei der Auswahl der Interviewpartner war bzw. ist, dass sie in der Lage sind, Einblicke in größere soziale Gruppierungen zu geben, die über die unmittelbaren mikrosozialen Netzwerke ihres Bekannten- und Freundeskreises hinausweisen. Mit dem Trendscout-Panel soll und kann wie angedeutet keine repräsentative Stichprobe abgebildet werden. Vielmehr geht es um eine Abbildung des Spektrums unterschiedlicher Szenen im Sinne exemplarischer Repräsentanz. Im Hinblick auf die Zusammensetzung des Trendscout-Panels muss permanent kritisch überprüft werden, ob es die im Fluss befindlichen Freizeit-Szenen gut abbildet. Zu erwähnen ist dabei, dass in gewissen Abständen Informanten aus dem Panel ausscheiden, da sie beispielsweise aus der jeweiligen Szene herauswachsen oder in eine andere Stadt ziehen ( Panelmortalität ; Gross Sobol 1959). Solche Ausfälle gab es bisher 7

8 in jedem Erhebungsjahr, wobei eine abnehmende Tendenz festzustellen ist. Aktuell sind im Trendscout-Panel 8 Personen aus diversen Subszenen des Techno-/House- Party-Bereichs vertreten, 5 weitere Repräsentanten aus diversen Jugendkulturen (HipHop, Reggae, Gothic, Punk), 3 Besucher von Jugendzentren, in denen sich überwiegend sozial schwache Migrantenjugendliche treffen, jeweils ein Vertreter der linksautonomen Szene und dem schwulen Club-Umfeld, ein Bodybuilder sowie eine Mitarbeiterin eines Headshops (Geschäft für Zubehör zum Drogenkonsum). 2.4 Szenestudie Das Forschungsmodul der Szenestudie fokussiert auf das Phänomen der offenen Drogenszene in Frankfurt. Wie das Phänomen des Umgangs mit illegalen sowie legalen Drogen insgesamt, ist auch der problembehaftete Phänomenausschnitt offene Drogenszen in permanentem Wandel befindlich. Die nähere Analyse solcher Wandlungsprozesse inwiefern diese als Folgen drogenund ordnungspolitischer sowie drogenhilfepraktischer Interventionen, als Ausdruck (sub-)kultureller Entwicklungstrends oder aber vielmehr als Produkt eines dialektischen Wechselspiels zwischen diesen Polen zu begreifen sind ist das hauptsächliche Ziel der zweijährlich durchgeführten Szenebefragung. Die Ergebnisse sind dabei insbesondere für die intensiv mit der entsprechenden Klientel befassten Einrichtungen der ambulanten Drogenhilfe von Bedeutung. Die Fragen, die den 150 Befragten in einem von Mitarbeiter(inne)n des CDR durchgeführten Face-to-face-Interview gestellt werden, beziehen sich auf die praktizierten Drogenkonsummuster, die Nutzung von Angeboten der Drogenhilfe, den physischen und mentalen Gesundheitszustand, die Alltagsbewältigung (Finanzierung, Beschäftigung) sowie auf das Drogenmarktgeschehen (v.a. Preise und Qualität). Um einem lebensweltorientierten Anspruch gerecht zu werden, werden die Befragten unmittelbar im Umfeld der offenen Drogenszene im Gebiet nahe des Frankfurter Hauptbahnhofs kontaktiert. Das Erhebungsinstrument bleibt dabei im Sinne einer bestmöglichen Vergleichbarkeit in jeder Erhebungswelle im Wesentlichen gleich, allerdings kann der Fragebogen aufgrund von Entwicklungen innerhalb des Umfelds auch kurzfristig erweitert bzw. verändert werden. Um jahreszeitliche Einflüsse konstant zu halten, erfolgt die Befragung jeweils in den Frühsommermonaten Mai und Juni. Die regelmäßig durchgeführte, quantitativ ausgerichtete Studie, deren Befragte direkt in der Szene problematischer Drogenkonsumenten angesprochen werden, stellt auch im Vergleich mit anderen lokalen Monitoring- Projekten in Europa eine Besonderheit dar. Möglich ist diese Form der Erhebung nur deshalb, da in Frankfurt nach wie vor ein vergleichsweise großes derartiges, im öffentlichen Raum sichtbares, Umfeld existiert und es somit grundsätzlich keine größeren Probleme mit der Kontaktierung der zu Befragenden gibt. Einschränkend sei dabei angeführt, dass die Sichtbarkeit der Szene in den letzten Jahren abgenommen hat, da die Ordnungsbehörden verstärkt darauf hinarbeiten, dass sich keine größeren Szeneansammlungen mehr bilden. Möglicherweise muss daher zukünftig das Forschungsdesign des Erhebungsmoduls (v.a. in Bezug auf die Kontaktierung) abgeändert werden. 3. Ergebnisse Einzelne Substanzen bzw. Substanzgruppen Alkohol Wie in sämtlichen Vorjahren ist Alkohol die mit Abstand meistkonsumierte Droge. So haben aktuell 89% der 15- bis 18-jährigen Schüler(innen) mindestens einmal in ihrem Leben Alkohol konsumiert und 71% auch im letzten Monat (vgl. Abb. 1). Abb. 1: Alkohol: 30-Tagesprävalenz, Trunkenheit im letzten Monat und mindestens 10maliger Konsum im letzten Monat (%) in der Altersgruppe der 15- bis 18-Jährigen, 2002 bis Tages-Prävalenz Trunkenheit letzter M onat M ind. 10x Konsum / M onat Während die Lifetime-Prävalenz leicht rückläufig ist, ist die Zahl derjenigen, die im letzten Monat betrunken waren, über alle Befragungen nahezu gleich geblieben. Besonders auffällig ist ein Anstieg des häufigen Alkoholkonsums (mindestens 10x im Monat) nachdem dieser Wert seit 2002 kontinuierlich rückläufig war, ist er 2006 mit 18% wieder genauso hoch wie im ersten Erhebungsjahr (2005: 12%). Auch die Verbreitung im sozialen Umfeld hat wieder leicht zugenommen. In (Techno-)Party- Szenen ist weiterhin ein hoher Stellenwert der legalen Droge zu beobachten, was sowohl in der Experten- als auch der Trendscoutbefragung deutlich wurde. Laut den Aussagen der Trendscouts hat die Bedeutung von Alkohol in diesen Umfeldern noch zugenommen, was neben dem konstant positiven Image zum Teil mit einem Rückgang des Konsums illegaler Drogen und dementsprechend einer Art substituierenden Alkoholkonsum in Verbindung gebracht wurde. Das Spektrum der konsumierten alkoholischen Getränke hat sich offenbar etwas erweitert; in vielen Umfeldern werden sowohl Bier und Biermixgetränke als auch Cocktails, Longdrinks und pure Spirituosen getrunken. Tabak Unverändert ist Tabak, nach Alkohol, die am weitesten verbreitete Droge. 78% der 15- bis 18-Jährigen haben mindestens ein Mal in ihrem Leben Tabak geraucht und 46% auch im letzten Monat (vgl. Abb. 2)

9 Abb. 2: Tabak: 30-Tagesprävalenz, Konsumhäufigkeit 1 bis 5 Zigaretten am Tag, mehr als 5 Zigaretten am Tag (%) in der Altersgruppe der 15- bis 18-Jährigen, 2002 bis Tages-Prävalenz 1-5 Zig. pro Tag >5 Zig. pro Tag Nachdem die Prävalenzraten 2004 relativ deutlich zurückgegangen waren, ist in den letzten beiden Jahren wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Allerdings hat 2006 noch einmal ein deutlicher Rückgang des starken Rauchens stattgefunden, nachdem bereits im Jahr 2004 ein ähnlicher Rückgang zu verzeichnen war (Abb. 2). Weiterhin rückläufig ist der Anteil derjenigen, die Zigaretten als Lieblingsdroge bezeichnen, was zumindest auf eine abnehmende subjektive Popularität des Rauchens hindeutet. Dieser Trend wird im Trendscout-Panel insofern bestätigt, als über einen anhaltend rückläufigen Trend beim Zigarettenkonsum berichtet wurde. Die Preiserhöhungen der letzten Jahre haben in Ausgehszenen zu einem Imagegewinn von Drehtabak beigetragen. Deutlich angestiegen ist der aktuelle Konsum der unter 15-Jährigen, bei denen im Vorjahr allerdings noch ein starker Rückgang zu beobachten war. Da der aktuelle und vor allem der intensive Konsum von Schülerinnen im Unterschied zu den Schülern zurückgegangen ist, zeigt sich 2006 erstmals ein signifikanter Geschlechtsunterschied. Die relativ hohen Lifetime- und 12-Monats- Prävalenzraten 2005 und 2006 hängen möglicherweise mit der hohen Verbreitung des Shisha-Rauchens zusammen. Vor allem bei den jüngeren Jugendlichen sind Shishas aktuell sehr populär. Insgesamt haben 62% der 15- bis 18-Jährigen Befragten in ihrem Leben mindestens einmal eine orientalische Wasserpfeife geraucht. Während die älteren Jugendlichen etwas häufiger Erfahrungen mit dem Shisharauchen haben als die 15- bis 16- Jährigen (Lifetime-Prävalenz 15- bis 16-Jährige: 57%, 17- bis 18-Jährige: 64%, 19-Jährige und Ältere: 60%), ist es beim aktuellen Konsum umgekehrt: 34% der 15- bis 16-Jährigen bzw. 35% der 17- bis 18-Jährigen haben im letzten Monat Shisha geraucht, aber nur 23% der älteren Jugendlichen. Noch deutlicher sind die Unterschiede beim regelmäßigen und intensiven Shisharauchen: 15% der 15- bis 16-Jährigen haben im letzten Monat mindestens 5mal und 8% mindestens 10mal Shisha geraucht. 19-Jährige und ältere Befragte rauchen dagegen deutlich seltener Shisha, hier waren es nur 6% (mind. 5mal) und 4% (mind. 10mal; 17- bis 18-Jährige: 13% bzw. 7%). Da das Rauchen von Zigaretten, genauso wie der Konsum aller anderen Drogen, innerhalb dieser Altersgruppe üblicherweise mit dem Alter ansteigt, ist dieser Unterschied besonders ungewöhnlich und bemerkenswert. Sowohl von den Trendscouts als auch von den Expert(inn)en wurde die hohe Popularität von Shishas bestätigt offenbar wird eine abnehmende Verbreitung des Zigarettenrauchens durch den Bedeutungsgewinn der Wasserpfeifen aufgewogen. In einigen jugendlichen Umfeldern haben Shishas allerdings bereits wieder an Popularität eingebüßt. Medikamente Erstmals wurde im Rahmen der Schülerbefragung nach dem Konsum von Medikamenten gefragt. Rund drei Viertel der 15- bis 18-Jährigen gaben (weitgehend unabhängig von Alter oder Geschlecht) an, schon einmal Schmerzmittel konsumiert zu haben, etwa jede(r) Siebte Beruhigungsmittel und 6% Aufputschmittel; gut ein Drittel hat in den letzten 30 Tagen Schmerzmittel genommen und jeweils jede(r) Dreißigste Beruhigungs- oder Aufputschmittel. Dabei ist zu beachten, dass sich weit über 90% der Nennungen für Schmerzmittel auf rezeptfreie Medikamente bezogen, der größte Teil der Beruhigungsmittel auf Baldrian und andere pflanzliche Produkte und der Großteil der Aufputschmittel auf Tabletten oder andere Präparate mit Koffein. Es gibt (auch aus den anderen Forschungsmodulen) keine Hinweise darauf, dass ein nennenswerter Anteil der Jugendlichen von Medikamentenmissbrauch oder -abhängigkeit betroffen wäre. Andere legale Drogen Andere legal gehandelte Naturdrogen wie Herbal Ecstasy, Salvia Divinorum oder Woodrose treten wie in den Vorjahren zwar gelegentlich in Erscheinung, allerdings offenbar nur bei einer kleinen Gruppe, überwiegend in Form von experimentellem Konsum. Unverändert haben z.b. nur 1% der Schüler(innen) Erfahrung mit Herbal Ecstasy, das in Partyszenen mittlerweile quasi gar nicht mehr auftaucht. Über einen Anstieg wurde hinsichtlich des Konsums von Energydrinks in Partyszenen berichtet; vor allem gemischt mit Alkohol erfreuen sie sich offenbar einer noch größeren Beliebtheit. Etwa jede(r) siebte 15- bis 18-Jährige hat Erfahrungen mit Schnüffelstoffen; die Prävalenzraten haben sich im Vergleich zum Vorjahr nicht geändert. Cannabis Nach wie vor ist Cannabis die insgesamt am weitesten verbreitete illegale Droge. 36% der befragten 15- bis 18- jährigen Schüler(innen) haben Erfahrungen mit der Droge, jede(r) Vierte hat in den zurückliegenden 12 Monaten und rund jede(r) Achte in den letzten 30 Tagen konsumiert. 12-Monats- und 30-Tages-Prävalenz sowie häufiger Konsum stagnieren seit einem deutlichen Rückgang im Jahr 2004 weitgehend, während die Lifetime- Prävalenz (vor allem bei Schülerinnen) kontinuierlich rückläufig ist (vgl. Abb. 3). Aus dem Expertenpanel wurde insbesondere für muslimische Jugendliche über eine abnehmende Popularität von Cannabis berichtet; eine Beobachtung, die allerdings durch entsprechende Daten der Schülerbefragung nicht gestützt wird. 9

10 Abb. 3: Cannabis: Lifetime-, 30-Tagesprävalenz, Konsum häufiger als 10-mal im letzten Monat (%) in der Altersgruppe der 15- bis 18-Jährigen, 2002 bis Lifetim e Prävalenz 30 -Tages-Prävalenz Konsum >10/ 30 Tage Weiterhin wird über eine hohe und möglicherweise noch gestiegene Nachfrage nach Behandlungsmöglichkeiten für cannabisbezogene Probleme berichtet, sowohl für Jugendliche als auch Erwachsene. Dies hängt womöglich u.a. mit einer höheren Bereitschaft seitens problematischer Konsument(inn)en zusammen, Beratungsstellen aufzusuchen. Mittlerweile deuten auch die Ergebnisse der Trendscoutbefragung darauf hin, dass die Popularität des Cannabiskonsums (auch unter Erwachsenen) nachgelassen hat. Teilweise ist die rückläufige Prävalenz offenbar auch auf eine verminderte Verfügbarkeit von Marihuana zurückzuführen, wegen der andere Konsumenten wieder stärker auf Haschisch umgestiegen sind. Auf eine insgesamt geringere Verfügbarkeit deuten auch die kontinuierlich rückläufigen Anteile der Schüler(innen), denen schon einmal Cannabis angeboten wurde, hin. Damit einher geht offenbar auch ein leichter Preisanstieg bei Marihuana: nachdem in sämtlichen Vorjahresberichten aus den Angaben der Trendscouts jeweils ein Durchschnittspreis von 7 /Gramm errechnet wurde, ist dieser 2006 auf 8 angestiegen. Der Preis für Haschisch blieb hingegen konstant bei etwa 5. Harte Drogen Jede(r) zehnte 15- bis 18-Jährige(r) hat im Jahr 2006 Erfahrungen mit mindestens einer der unter harte Drogen zusammengefassten Substanzen (illegale Drogen außer Cannabis; Abb. 4) gemacht; 6% haben im letzten Jahr eine dieser Substanzen konsumiert und 3% im zurückliegenden Monat. Abb. 4: Lifetime-Prävalenzraten diverser harter Drogen (%) in der Altersgruppe der 15- bis 18- Jährigen, 2002 bis mindestens eine "harte Droge" Psych.Pilze Ecstasy Kokain Speed Lifetime- und 12-Monats-Prävalenz sind seit dem Rückgang im Jahr 2004 etwa konstant (12-Monats-Prävalenz 2006: 6%, 2002: 8%); die 30-Tages-Prävalenz hat sich seit 2002 quasi nicht verändert. Stagnierende bzw. nicht signifikant angestiegene Werte zeigen sich hinsichtlich der in den Vorjahren rückläufigen Kennzahlen für den Konsum harter Drogen im Freundeskreis und für Angebote harter Drogen. Aus der Trendscoutstudie wurde über einen insgesamt etwa stagnierenden Konsum dieser Substanzen berichtet. Ecstasy Der Anteil der Schüler(innen), die schon einmal Ecstasy probiert haben, ist 2006 um einen Prozentpunkt auf 4% gestiegen, liegt damit aber nach wie vor signifikant unter den Werten der Erhebungen 2002/2003 (Abb. 4). Dass die Verbreitung der Droge nicht weiter rückläufig ist, hängt möglicherweise mit der im Vorjahr vermuteten leichten Renaissance der Techno-Szene unter Jugendlichen zusammen, die sich angesichts der Angaben zu Musikvorlieben fortzusetzen scheint. Im Unterschied zu 2005 wurde allerdings seitens der Trendscouts keine Steigerung, sondern tendenziell wieder eine Verminderung des Ecstasykonsums beobachtet, wobei sich das Bild in den einzelnen Szenen als ambivalent präsentiert. Die Qualität der Substanz ist im Berichtszeitraum offenbar starken Schwankungen unterworfen; der Preis ist über den gesamten Berichtszeitraum hinweg gesunken und liegt 2006 bei rund 7 /Pille. Amphetamine (Speed) Auch die Lifetime-Prävalenz von Amphetaminen ist bei den 15- bis 18-Jährigen nicht signifikant, auf nunmehr 5%, angestiegen; insgesamt präsentiert sich die Verbreitung der Substanz trotz gewisser Schwankungen seit 2002 als weitgehend konstant (Abb. 4). Auch innerhalb von Partyszenen wird die Verbreitung von Speed als etwas höher als im Vorjahr eingeschätzt, was offenbar mit einer relativ hohen Verfügbarkeit und einem niedrigen Preis der Droge im Berichtszeitraum (aktuell: ca. 13 /Gramm) zusammenhängt. Insgesamt lässt sich im Hinblick auf die so genannten Partydrogen in den letzten Jahren ein offenbar stark mit der Marktlage zusammenhängender rascher Wandel der Konsumgewohnheiten feststellen; Speed ist dabei aber wie auch in der Expertenrunde bestätigt wurde seit längerem die am stärksten verbreitete harte Droge. Kokain Die Prävalenzraten für Kokain unter 15- bis 18-jährigen Schüler(inne)n sind über den gesamten Erhebungszeitraum hinweg etwa konstant (Abb. 4). 5% haben die Droge mindestens einmal probiert; der Anteil derer, die auch im letzten Monat Kokain konsumiert haben, ist nach einem leichten Anstieg 2005 wieder auf 1% zurückgegangen. Auch andere Anzeichen für eine etwaige steigende Verbreitung aus der Schülerbefragung des Vorjahres haben sich nicht bestätigt. Demgegenüber gibt es aus der Trendscoutbefragung gewisse Hinweise auf einen möglichen Kokain-Trend: Es wurde über eine leicht erhöhte Verfügbarkeit und einen Konsumanstieg in einzelnen Szenen berichtet. Zudem wurde der Droge am ehes- 10

11 ten das Potenzial zu einer zukünftigen Erhöhung der Verbreitung zugeschrieben. Der Kokainpreis liegt seit 2002 unverändert bei etwa 60 /Gramm. Crack/Heroin Wie in sämtlichen Vorjahreserhebungen sind Heroin und Crack (als Junkiedrogen ) außerhalb der offenen Szene die am stärksten geächteten Drogen; dies gilt sowohl für Partyszenen als auch für die Schüler(innen), unter denen unverändert jeweils 1% über Konsumerfahrungen verfügen, ein aktueller Konsum jedoch nur in Einzelfällen beobachtet werden kann. Zum Konsum in der offenen Szene siehe 3.2. Halluzinogene Nachdem die Verbreitung psychoaktiver Pilze in den Vorjahren den deutlichsten Abwärtstrend aller illegalen Drogen aufgewiesen hatte, ist die Lifetime-Prävalenz 2006 wieder leicht von 4% auf 6% angestiegen (Abb. 4). Nach wie vor hat im Vergleich zu anderen illegalen Drogen nur ein sehr geringer Anteil der Konsumerfahrenen die Substanz häufiger und/oder in den letzten 30 Tagen konsumiert. Dasselbe gilt für LSD, dessen Prävalenz sich als etwa konstant präsentiert; 3% der Schüler(innen) verfügen hier über Konsumerfahrungen. Eine nochmals gesunkene Bedeutung von Halluzinogenen wurde innerhalb von Partyszenen beobachtet, wo nur noch in eng umgrenzten Teilbereichen v.a. Pilze in gewissem Maße verbreitet sind. Sonstige Drogen 2% der befragten Schüler und damit etwas weniger als im Vorjahr haben schon einmal Hormonpräparate zum Muskelaufbau eingenommen. Die Einschätzung einer relativ hohen Verbreitung dieser Stoffe unter muslimischen Jugendlichen aus dem letzten Jahr (die 2006 aber offenbar bereits wieder rückläufig ist) bestätigte sich zum Teil durch die Ergebnisse der Schülerbefragung: männliche Jugendliche mit muslimischen Eltern haben etwas häufiger Erfahrungen mit diesen Stoffen als die übrigen Schüler. 5% der 15- bis 18-Jährigen haben (zumeist ein oder wenige Male) Lachgas ausprobiert; in Partyszenen spielt die Substanz kaum noch eine Rolle. In der Expertenrunde etwas stärker thematisiert wurden insbesondere die spezifischen Gefahren von GHB bzw. GBL ( Liquid Ecstasy ). Weder bei den Trendscouts noch in der Schülerbefragung gab es indes Anzeichen für eine nennenswerte Verbreitung der Droge. Ebenfalls keine Berichte mehr gab es bezüglich des 2005 noch geringfügig stärker thematisierten Opium, mit dem 1% der Schüler(innen) Konsumerfahrungen haben. Demgegenüber wurde von mehreren Trendscouts über den Konsum von Ketamin ( Special K ) in Partyszenen berichtet; für eine etwaige zunehmende Verbreitung gibt es aus den anderen Modulen jedoch keine Anzeichen. Zumindest als Gesprächsthema hat auch Crystal (Methamphetamin) an Bedeutung gewonnen, wobei auch hier (u.a. entsprechend den Aussagen der Expert(inn)en) derzeit nicht mit einem ansteigenden Konsum zu rechnen ist. Abstinenz und Risikokonsum Die Lifetime-Abstinenzquote, d.h. der Anteil von Schüler(inne)n, die noch nie in ihrem Leben eine legale oder illegale Substanz konsumiert haben, ist über alle Befragungen mit 5% quasi unverändert. Allerdings lassen sich signifikante Veränderungen bei der 30-Tages-Abstinenzquote feststellen: sie ist seit 2002 kontinuierlich auf knapp ein Viertel der Befragten angestiegen (vgl. Abb. 5). Abb. 5: Abstinenz im letzten Monat und Risikokonsum a von psychoaktiven Substanzen Abstinenz 30 Tage Risikokonsum 30 Tage a Risikokonsum: Alkohol >20 im Vormonat und mind. 5 KE beim letzten Konsum, Cannabis täglich, eine harte Droge mind. 3x im Vormonat oder Lifetime-Prävalenz Heroin bzw. Crack mind. 3x 9% der Befragten sind im Jahr 2006 als Risikokonsument(inn)en zu bezeichnen, da sie intensiv Alkohol (mindestens 20 Mal im Vormonat sowie mindestens 5 Konsumeinheiten beim letzten Mal), Cannabis (täglich) oder harte Drogen (mindestens 3 Mal im Vormonat) konsumieren oder über nennenswerte Erfahrungen mit Heroin oder Crack (eine der beiden Drogen mindestens 3x im Leben) verfügen (Abb. 5). Der Anteil der Schüler(innen), auf die mindestens eines dieser Kriterien zutrifft, ist abgesehen von einem Ausreißer im Jahr 2003 über alle Erhebungen in etwa gleich geblieben. Den größten Anteil dieser Gruppe bilden seit der ersten Erhebung die intensiven Alkohol- und täglichen Cannabiskonsument(inn)en. 3.2 Bestimmte Konsumkontexte/Konsment(inn)engruppen Offene Drogenszene 3 Eine strukturelle Veränderung der Konsummuster bei den im Rahmen der Szenestudie befragten problematischen Konsument(inn)en harter Drogen ist in Tab. 1 abzulesen: Während im Jahr 1995 die meisten Befragten intensiv Heroin und Kokain intravenös konsumierten, ist Kokain in Pulverform seit 2002 nur noch in geringem Maße verbreitet. Dagegen rauchen seitdem die meisten der Befragten regelmäßig Crack. Auch der Heroinkonsum ist in diesem Zeitraum zurückgegangen. Aktuell ist aller- 3 Der Begriff ist in Anführungszeichen gesetzt, da die Frankfurter Straßenszene problematischer Drogenkonsumenten nicht mehr wie zu Beginn der 1990er Jahre (oder wie z.b. zur selben Zeit in Zürich) an einem bestimmten Ort im öffentlichen Raum anzutreffen ist, an dem sie faktisch von den Ordnungsbehörden geduldet wird. Dennoch hat der Terminus noch insofern eine Aussagekraft, als die betreffenden Personen sich nach wie vor überwiegend im öffentlichen Raum aufhalten

12 dings wieder ein leichter Bedeutungszuwachs bei der Verbreitung von Heroin und ein vergleichsweise deutlicher bei Pulverkokain zu beobachten. Beides hängt offenbar mit Angebotsstrukturen des Schwarzmarkts zusammen: So ist im Jahr 2006 wesentlich preisgünstigeres und zudem qualitativ hochwertigeres Heroin auf dem Markt, und auch Kokain in Pulverform scheint von Szene- Dealern wieder verstärkt angeboten zu werden. Beim Crackkonsum zeigt sich eine weitgehende Stabilisierung des aktuellen Konsums auf hohem Niveau (Tab. 1). Im Hinblick auf Heroin, und noch deutlicher bei Crack zeichnet sich eine Tendenz zu intensiveren Konsummustern ab. Tab. 1: 30-Tages- und 24-Stunden-Prävalenzraten (%) von Alkohol, Cannabis, Heroin, Benzodiazepinen, Kokain und Crack unter den im Rahmen der Szenestudie befragten Angehörigen der offenen Drogenszene nach dem Jahr der Befragung Sig. a 30-Tages-Prävalenz Alkohol n.s. Cannabis ** Heroin *** Benzodiazepine c b * Kokain *** Crack *** 24-Stunden-Prävalenz Alkohol n.s. Cannabis n.s. Heroin *** Benzodiazepine c b n.s. Kokain *** Crack *** a Statistische Signifikanz (Chi²-Test): *= p < 0,05; **= p < 0,01; *** = p < 0,001; n.s.: nicht signifikant b nicht erhoben c 2002 und 2003: nicht verschriebene Medikamente In Reaktion auf ordnungspolitische Maßnahmen, im Rahmen derer seit 2004 verstärkt darauf abgezielt wird, Szeneansammlungen zu vermeiden, ist der im öffentlichen Raum sichtbare intravenöse Konsum rückläufig; größere zusammenhängende Gruppen von Konsumenten sind seltener zu beobachten. Die Konsumenten versuchen, sich möglichst unauffällig zu verhalten. Ein Teil der Szeneangehörigen weicht stärker auf andere Stadtteile außerhalb des Frankfurter Bahnhofsviertels sowie auf private Räumlichkeiten aus, ein anderer Teil nutzt stärker die Angebote der Drogenhilfe; so ist seit 2004 z.b. ein deutlicher Anstieg der Nutzungszahlen für die Injektionsräume zu beobachten. Aktuell geben 63% der Befragten an, dass der intravenöse Konsum überwiegend in Konsumräumen stattfindet; nur 12% konsumieren überwiegend auf der Straße. Dagegen wird Crack (weiterhin) überwiegend in der Öffentlichkeit geraucht (73%). Das Durchschnittsalter der Szene hat sich zwischen 1991 (als eine Befragung mit der gleichen Zielgruppe, aber abweichender Methodik durchgeführt wurde) und 2003 von 27,7 auf 36,3 Jahre erhöht; seitdem stagniert der Wert in etwa auf diesem Niveau (aktuell: 35,7). Diese Entwicklung ist durchaus als Erfolg der Harm-Reduction- Angebote zu sehen, die ein längeres Überleben in der Szene ermöglichen; zudem ist der Anteil der neu hinzukommenden, jugendlichen Szenemitglieder sehr niedrig. Allerdings deutet die Beobachtung auch darauf hin, dass nur ein geringer Anteil der Konsumenten langfristig den Ausstieg aus der Sucht schafft. Die Wohnsituation hat sich für die Männer im Laufe der Jahre etwas verbessert, stellt sich aber bei den weiblichen Befragten immer noch als relativ unverändert und (insbesondere hinsichtlich Obdachlosigkeit) tendenziell schlechter als bei den Männern dar. 13% der Befragten sind HIV-positiv; dieser Wert hat seit 1995 um die Hälfte abgenommen. Seit 2002 etwa unverändert tragen 61% den Hepatitis C-Virus in sich. Was die Nutzung des Frankfurter Drogenhilfesystems betrifft, so ist hinsichtlich der befragten Konsumenten eine sehr hohe Reichweite zu beobachten: Fast alle Befragten haben in den zurückliegenden drei Monaten eines der Angebote genutzt. Vor allem niedrigschwellige Maßnahmen (z.b. Kontaktladen: 75%, Konsumraum: 70%), inzwischen aber auch Angebote wie Beratungsgespräche (62%) werden vergleichsweise häufig genutzt. Jugendkulturen Der sich in den letzten Jahren abzeichnende Trend einer tendenziellen Angleichung stilistischer Ausdrucksformen in Ausgehszenen hält im Jahr 2006 offensichtlich an. Seit etwa drei Jahren ist solches innerhalb der an elektronischer Tanzmusik orientierten Umfelder zu beobachten; neu hingegen ist eine partielle Vermischung von Szenen, zwischen denen es zuvor nur geringe Überschneidungen gab, so etwa Gothic- und Techno-Szene sowie vereinzelte Veranstaltungen, bei denen HipHop- und Techno-Fans aufeinander treffen. Das gesamte, mit dem Oberbegriff Techno-Party-Szene zu umschreibende Umfeld scheint 12

13 Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 trotz derartiger Diffusionsprozesse seitens der Jugendlichen eher noch an Bedeutung gewonnen zu haben hierauf deutet die nochmals gestiegene Anzahl an Schüler(innen) hin, die eine ausdrückliche Vorliebe für Techno äußerten (aktuell 17% gegenüber 11% 2004). Noch deutlicher als in den Vorjahren zeichnen sich für diese Gruppe erhöhte Prävalenzraten legaler und vor allem illegaler Drogen ab. Diese Resultate aus der Schülerbefragung lassen sich zum Teil durch die Trendscoutbefragung bestätigen, insofern als von einer nochmals gestiegenen Prävalenz von Alkohol (oft gemischt mit Energy-Drinks) sowie einer wieder leicht angestiegenen Verbreitung der klassischen Partydrogen Ecstasy, Speed und Kokain berichtet wurde. Demgegenüber hat die Bedeutung von Cannabis und Halluzinogenen offenbar abgenommen. Neben dem Bedeutungsgewinn von Techno sind weitere kleine Verschiebungen der musikstilistischen Vorlieben unter Schüler(inne)n zu beobachten: Hip-Hop als der ohnehin deutlich beliebteste Musikstil hat nochmals v.a. bei Schülerinnen leicht zugelegt. Pop, Rock und Techno folgen auf den nächsten Rängen. Leicht abgenommen hat die Beliebtheit von Reggae und dem ohnehin nur von wenigen sehr gerne gehörten Gothic. Die Einschätzung aus den Vorjahren, dass Schüler(innen), die stärker mit abweichenden Stilen sympathisieren, einen höheren Substanzkonsum aufweisen, bestätigt sich 2006 insbesondere anhand der Beobachtung, dass Schüler(innen), die überhaupt explizite Vorlieben für Musikstile außer Pop äußern, deutlich höhere Prävalenzraten insbesondere bei illegalen Drogen aufweisen (z.b. Cannabis- Lifetime-Prävalenz bei Befragten ohne eine solche Vorliebe: 24%; Befragte mit einer sehr gerne gehörten Musikrichtung: 51%; Befragte mit zwei sehr gerne gehörten Stilen: 55%). 4. Bewertung Insgesamt präsentiert sich das Bild der aktuellen Entwicklungen und Konsummuster legaler und illegaler Drogen in Frankfurt im Jahr 2006 als uneinheitlich. Die Prävalenzraten für diverse illegale Drogen unter Schülerinnen und Schülern, die insbesondere im Jahr 2004 deutlich gesunken waren, können abgesehen von kleineren Verschiebungen als weitgehend gleichbleibend beschrieben werden. Die seit zwei Jahren wieder leicht ansteigenden Prävalenzraten beim Rauchen sind vermutlich zu einem wesentlichen Teil auf die hohe Popularität von Shishas zurückzuführen, zumal die Kennzahlen für intensiven Tabakkonsum insbesondere bei Schülerinnen rückläufig sind. Demgegenüber zeigt sich bei Alkohol, dessen generelle Verbreitung etwa stagniert, nach einem mehrjährigen Rückgang wieder ein Anstieg intensiverer Gebrauchsmuster. All diese Beobachtungen, die größtenteils durch die Expert(inn)en und Trendscouts bestätigt werden, deuten in der Tendenz auf keine auffälligen Veränderungen im Drogengebrauchsgeschehen unter Jugendlichen, in Partyszenen und der Allgemeinbevölkerung hin. Zudem deuten vereinzelte Vermutungen hinsichtlich der Verbreitung von eher exotischen Substanzen wie Ketamin, Methamphetamin und GHB/GBL sowie bezüglich einer etwaigen zukünftigen Zunahme des Kokainkonsums bislang nicht auf neue Drogentrends hin. Dass den seit 2002 jährlich erhobenen MoSyD- Ergebnissen eine Art Vorreiterrolle zukommt, belegen die jüngsten Resultate der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur bundesweit rückläufigen Cannabisprävalenz unter Jugendlichen (BZgA 2007) über einen Rückgang des Cannabiskonsums konnte im Rahmen von MoSyD bereits zwei Jahre zuvor berichtet werden. Es bleibt abzuwarten, ob auch in Hamburg und Bremen, aus deren SchülerInnenbefragungen in diesem Jahr nur Vergleichsresultate von 2005 vorlagen, der Konsum illegaler Drogen unter Jugendlichen (dessen Prävalenzraten dort zum Teil deutlich höher ausfallen als in Frankfurt) zukünftig abnehmen wird. Summary Since the year 2002, the Frankfurt-based Centre for Drug Research carries out a local drug monitoring system for the city of Frankfurt. Research design and experiences with the four different survey methods as well as results from the first five years of inquiry are presented in this article. Within the five-year period, a significant decrease of cannabis use among students could be observed; some other prevalence rates for illicit drugs have declined too. More ambiguous changes became apparent with regard to the use of legal drugs. In the open scene of problematic hard-drug users, clear variations in the patterns of use could be observed particularly compared to surveys that have been conducted some years earlier. Keywords prevalence, local monitoring, trends, patterns of use Literatur Barth, V./Meyer, I./Ostheimer, I./Steinmetz, J. (1997): Druckraumstudie. Informationen aus Befragungsdaten. Frankfurt a. M.: Integrative Drogenhilfe e.v. Baumgärtner, T. (2006): Epidemiologie des Drogengebrauchs bei Jugendlichen und Heranwachsenden in Hamburg Zusammenfassender Basisbericht der Schüler- und Lehrerbefragungen zum Umgang mit Suchtmitteln Hamburger SCHULBUS. Teilmodul SchülerInnenbefragung. Hamburg: Büro für Suchtprävention Bless, R. (Ed.) (2000): 3rd Multicity study. Drug use trends in 42 European cities in the 1990s. Strasbourg: Pompidou Group Council of Europe. hrb.ie/attached/ pdf BZgA (2007): Cannabiskonsum der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland. Ergebnisse der Repräsentativbefragungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Köln: BZgA 13

14 Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 EMCDDA (Ed.) (2002): Early-warning system on new synthetic drugs. Guidance on implementation. Lisbon: European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction. =public.attachmentdownload&nnodeid=2626&languag eiso=en Gross Sobol, M. (1959): Panel Mortality and Panel Bias. Journal of the American Statistical Association, Vol. 54, No. 285., pp Hibell, B./Andersson, B./Bjarnason, T./ Ahlström, S./ Balakireva, O./ Kokkevi, A./ Morgan, M. (2004): The ESPAD Report Alcohol and Other Drug Use Among Students in 35 European Countries, Stockholm: The Swedish Council for Information on Alcohol and Other Drugs Kemmesies, U.E. (1995): Szenebefragung Frankfurt am Main Die offene Drogenszene und das Gesundheitsraumangebot in Ffm. Münster: INDRO Kemmesies, U.E./Werse, B. (2003): Jahresbericht MoSyD. Drogentrends in Frankfurt am Main Frankfurt a.m.: Centre for Drug Research Johann-Wolfgang- Goethe-Universität Krueger, R.A. (1994): Focus Groups: a practical guide for applied research. 2nd ed. Sage, London/New Delhi: Thousand Oaks Müller, O./Bernard, C./Werse, B. (2007): MoSyD Szenestudie. Die offene Drogenszene in Frankfurt am Main Frankfurt a.m.: Centre for Drug Research Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Nabben, T./Benschop, A./Korf, D.J. (2007): Antenne Trends in alcohol, tabak en drugs bij jonge Amsterdammers. Amsterdam: Rozenberg Publishers Stimson, G.V./Fitch, C./Rhodes, T. (Eds.) (1998): The Rapid Assessment and Response Guide on Psychoactive Substance Use and Prevention. New York: World Health Organization Programme on Substance Abuse Vogt, I. (1992): Abschlussbericht der Studie Offene Drogenszene in Frankfurt am Main. Frankfurt a.m.: Fachhochschule Werse, B./Müller, O./Bernard, C. (2007): Jahresbericht MoSyD. Drogentrends in Frankfurt am Main Frankfurt a.m.: Centre for Drug Research Johann-Wolfgang- Goethe-Universität Korrespondenzadresse Dr. Bernd Werse Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung Centre for Drug Research Postfach , D Frankfurt am Main Tel.: +49-(0) werse@cdr-uni-frankfurt.de Web: 14

15 Originalarbeit S Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 Cannabis: Gefahr für die Jugend? Kritische Anmerkungen zur aktuellen Cannabisdebatte Wolfgang Schneider INDRO e.v. Drogenhilfezentrum Zusammenfassung Laut Medienberichten und wissenschaftlichen Studien konsumieren immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene problematisch hochpotente Cannabisprodukte und werden somit behandlungsbedürftig. Zudem wird dramatisierend ein sinkendes Einstiegsalter festgestellt. Dieser Beitrag versucht nun einerseits die Fakten für diese Thesen zu rekonstruieren und diese andererseits im Zusammenhang bestehender Cannabismythen aufzuarbeiten. Abschließend werden präventive Konsequenzen im Sinne einer pragmatisch begründeten Konsumentenberatung diskutiert und eine drogenpolitische Neubewertung der Cannabispolitik gefordert. Schlüsselwörter Jugendliche, Cannabiskonsum, Cannabisforschung, Cannabismythen, Verbraucherberatung, Cannabispolitik 1. Problem + Gefahr = Cannabis? Neue alte Dramenszenarien überschwemmen das Land: Immer mehr und jüngere Jugendliche konsumieren laut Medienberichten und wissenschaftlichen Studien problematisch hochpotente Cannabisprodukte und werden somit behandlungsbedürftig. Dabei schien der Mythos Cannabis durch die Anerkennung von Cannabis als Medizin (mögliches Linderungsmittel bei verschiedenen Krankheiten) und durch die Gewinnung von Faserhanf weitestgehend entzaubert zu sein (etwa: Grotenhermen 2004). Im Hinblick auf Cannabis als ein Genuss- und Rauschmittel bestimmen jedoch weiterhin Diabolisierungs- und Dramatisierungsszenarien die wissenschaftliche und öffentliche Diskussion in der Bundesrepublik. Das politische Cannabisthema wird zugunsten psychiatrischer und pathologischer Konstrukte als Beschreibung von Folgeproblemen des Gebrauchs von Cannabisprodukten immer mehr an den Rand gedrängt. Eine politische Neubewertung des Themas Cannabis scheint zu Grabe getragen worden zu sein. Mediale Dramatisierungsszenarien haben Hochkonjunktur: Eine neue Drogenwelle bedroht die deutschen Schulen: Immer mehr Jugendliche und sogar Kinder rauchen Cannabis bis zum Totalabsturz. Seit hochgezüchtetes Power-Kraut geraucht wird, steigt die Zahl von Schwerstabhängigen mit lebenslangen Psychoschäden (Der Spiegel 27/2004, S. 70), Schon 13-Jährige sind süchtig, Cannabis gehört zu den gefährlichsten aller Einstiegsdrogen (Westfälische Nachrichten vom ). Derartige Ängste erzeugende Pauschalisierungen werden hier immer sensibilisierte Eltern sicherlich kaum beruhigen. So lesen wir von einem Leiter einer Drogenberatungsstelle als Antwort, wenn Jugendliche Kiffen als weniger schädlich einschätzen als Alkohol: Das ist so, als wenn man sagt, es ist weniger schlimm vom Auto überfahren zu werden als bei einem Flugzeugabsturz zu sterben (Hamburger Abendblatt vom ). Schließlich werden wir unaufhörlich mit epidemiologischen Untersuchungen und Prävalenzstudien zur beängstigenden Zunahme des Cannabiskonsums und cannabisbezogener Störungen überschwemmt und durch entsprechende große Zahlen und besorgniserregende Einzelfälle (9-jährige Kiffer, 13- jährige Süchtige) geradezu erschlagen. Der Jahresbericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht zum Stand der Drogenproblematik in der Europäischen Union 2005 gibt an, dass in Deutschland die Behandlungsnachfragen bei Cannabis als Primärdroge rapide zugenommen haben (problematischer, behandlungsbedürftiger Cannabiskonsum). Ähnliches berichtet eine neuere Expertise zum drogenhilfepraktischen Zugang zu jungen Cannabiskonsumentinnen (LWL 2007). In dieser vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Expertise wird festgestellt, dass die Zahl der jugendlichen Cannabiskonsumentinnen ebenso wie die Nachfrage nach Hilfe steigt. 128 Einrichtungen mit annähernd 180 (!) so genannten Good-Practice- Projekten, die sich jugendlichen Cannabiskonsumentinnen unter der Problem- und Missbrauchsperspektive widmen, werden in dieser Expertise aufgelistet. Sie verstehen sich als spezifische Angebote zur Erreichbarkeit und Behandlung/Betreuung problematischer Cannabiskonsumenten. 162 Projekte (deren Angaben vorlagen) erreichten 2005 insgesamt problematisch Cannabis konsumierende Jugendliche und junge Erwachsene. Bei einer geschätzten Anzahl von mindestens Cannabis konsumierenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der BRD wären dies ca. 0,15% (!), die als problematisch Konsumierende erreicht werden. Wenn das nun aber doch alles stimmt, dass immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene Cannabisprodukte konsumieren und die Zahl der problematischen Konsumenten immens zunimmt, dann kann daraus eigentlich nur eine Schlussfolgerung gezogen werden: Die jahrzehntelange, aufwendige und kostenintensive, massenhaft wissenschaftlich (und positiv natürlich) evaluierte, meist abstinenzbezogene Suchtprävention als Lebenskompetenzförderung, Gesundheitsstärkung, Ressourcenstützung, Abschreckung, Immunisierung, Frühintervention und Vermittlung von peergestützten Alternativen (funktionalen Äquivalenten) zum Drogenkonsum hat anscheinend versagt. Immer noch handelt es sich bei ca. 50% der polizeilich erfassten Rauschgiftdelikte um allgemeine Verstöße gegen das BtMG, wobei ca. 50% auf Cannabisprodukte entfallen. Die so genannte Life-Time-Prävalenz (jemals 15

16 im Leben Cannabisprodukte konsumiert) liegt nach der letzten Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland (so genannte Bundesstudie des Instituts für Therapieforschung 2005) bei den 18- bis 59-jährigen Männern bei 30,5% (Frauen: 18,3%). Für die Altersgruppe der Jugendlichen zeigt die repräsentative Untersuchung der Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA 2004), dass 35% der männlichen und 27% der weiblichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 12 und 25 Jahren Cannabiserfahrungen haben (Tossmann 2006, S. 74f.). Schaut man sich nun die 30-Tage-Prävalenz an, so stellt man fest, dass bei den 18- bis 29-Jährigen die Konsumrate nur noch bei ca. 13% in Westdeutschland und 5% in Ostdeutschland liegt. Insgesamt liegt die 30-Tage-Prävalenz (also in den letzten dreißig Tagen Cannabisprodukte konsumiert) bei den 18- bis 59-Jährigen in West- und Ostdeutschland bei lediglich 3,4%. In der neusten Erhebung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), die passend zum so genannten Weltdrogentag 2007 (sic?) veröffentlicht wurde, konnte indes angeblich ein Rückgang des Cannabiskonsums bei Jugendlichen der Altersgruppe der 14- bis 17-Jährigen festgestellt werden (Life-Time- Prävalenz). Bei den 18- und 19-Jährigen hingegen hatten bereits 32% der befragten Schüler(inne)n einmaligen Kontakt mit Cannabisprodukten (Münstersche Zeitung vom ). Bei allen Studien werden die bekannten erhebungskritischen Momente, insbesondere bei SchülerInnenbefragungen, wie subjektive und soziale Erwünschtheit sowie die aktuelle Befindlichkeit, weder erfasst und empirisch kontrolliert, noch bei der Dateninterpretation mit einbezogen. In den Medien werden Life-Time-Prävalenzen dem Publikum so präsentiert, als handle es sich um einen gewohnheitsmäßigen Missbrauch bei immer jüngeren Jugendlichen. Dabei sinkt das Alter beim erstmaligen Cannabiskonsum nur unwesentlich: 1997 liegt der Altersdurchschnitt beim Erstkonsum illegalisierter Drogen bei 16,7, 2001 bei 16,5 und 2004 bei 16,4 Jahren (vgl. Kalke/Verthein 2006). Kalke et al. kommen in ihrer sekundäranalytischen Aufarbeitung aktueller epidemiologischer Erhebungen zum Cannabiskonsum ferner zu der Schlussfolgerung, dass eine gravierende ( besorgniserregende ) Zunahme des Cannabiskonsums aufgrund widersprüchlicher Ergebnisse verschiedenster Untersuchungen wie der Repräsentativerhebung Epidemiologischer Suchtsurvey, der Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der so genannten Bundesstudie sowie regionaler Erhebungen in Hamburg und Frankfurt nicht feststellbar ist. Eine selektive Ergebnisdarstellung, einseitige Interpretationen und der Einsatz teilweise kritikwürdiger methodischer Erhebungsinstrumente und Diagnosepraktiken haben zu einer öffentlichen Dramatisierung und einer damit verbundenen Pathologisierung des Cannabis-Konsums geführt (Kalke/Verthein/Stöver 2005, S. 114). Zudem konnten Forschungsergebnisse zeigen, dass mit der Übernahme konventioneller Rollen der legalisierte wie illegalisierte Drogenkonsum rapide abnimmt (Maturing Out). Cannabiskonsum ist und bleibt für die allermeisten Konsumentinnen unproblematisch und ein vorübergehendes Verhalten, das oftmals im dritten Lebensjahrzehnt eingestellt wird (Kolte/Schmidt-Semisch/Stöver 2006, S. 7). Cannabisprodukte sind in der Tat die am weitest verbreiteten illegalisierten Drogen in der Europäischen Union. Der Jahresbericht 2005 über den Stand der Drogenproblematik in der EU, herausgegeben von der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht weist aus, dass mindestens 15 Millionen Menschen (zwischen 15 und 64 Jahren) in Europa wenigstens einmal Cannabisprodukte konsumiert haben (Life-Time-Prävalenz). Bei den 18-Jährigen liegt der Anteil der Life-Time-Probierer bei ca. 40%. In jüngster Zeit häufen sich demnach wieder die gesellschaftlichen Zuschreibungen von drogengebrauchenden Jugendlichen als soziale Problemjugendliche. Nur diesmal ist nicht eine neue Hippiebewegung gemeint, sondern die mischkonsumdominierten Wirkungszusammenhänge von Droge, Sound und Lightshow kombiniert mit dem so genannten neuen Phänomen des Rauschtrinkens oder Koma- bzw. Flatrate-Saufens sowie der Joint für die große Pause (Der Spiegel 27/2004, S. 70). Wiederum zeigt sich und da wiederholt sich die Geschichte dass spezifische Ausdrucks- und Verhaltensweisen drogengebrauchender Jugendlicher, die medienwirksam aufgebrüht als spektakulär und vor allen Dingen als brisant, (vermeintlich) fremd und angsterzeugend erscheinen, gleichsam dem Terror der Aktualität (Amery) und der Einschaltquotenerhöhungsverpflichtung unterliegen. Drogenwellen geben sich zudem geradezu die Türklinke in die Hand: von der Kokain- zur Crackwelle, von der Ecstasy- zur Pilzwelle, von der Ketamin- und Lachgaswelle zur Heroin- und Amphetaminwelle (Horrordroge Meth-Amphetamin), über die immerwährende Cannabiswelle mit Super-Skunk-Qualitäten zurück zur Dauerwelle. In der Tat: Immer wieder werden neue Drogenwellen gesichtet, Gefährdungsherde (Yaba, Liquid Ecstasy, Christal-Amphetamin, PMA, Crack und hochgezüchtetes Cannabis) ausgemacht und aus Schmankerln ( Mottenkugeln machen high (Konturen 3/2007, S. 42), die in den jeweiligen Gebrauchsszenen dem staunenden Journalisten, Sozialpädagogen und Sozialforscher hinter vorgehaltener Hand erzählt werden, je nach konjunktureller Lage hitverdächtige Trends abgeleitet. Die Szenetrendforschung (Monitoring) tritt auf den Plan, neue Forschungsprojekte werden bewilligt, Kompetenzplattformen Suchtforschung werden gegründet, europäische Beobachtungsstellen lassen beobachten und zielgruppennahe Präventionsstrategien bis zur Entdeckung neuer Drogenwellen werden entwickelt. Wobei bei allen wissenschaftlichen Aktivitäten beobachtbar ist: Alle Erhebungen und Studien zur so genannten Drogenproblematik gelangen immer nur an ein vorläufiges Ende. Die wissenschaftlichen Untersuchungen schließen ihre Studien unisono mit der dringenden Anmeldung weiteren Forschungsbedarfs ab. Die wissenschaftlich gestützten Medieninszenierungen haben aber nun keineswegs abschreckende Wirkungen. 16

17 Jede Publikation, jeder filmische Beitrag, jeder jugendschützerische und primärpräventive (universale) Immunisierungsversuch unterstreicht die Attraktivität des dargestellten, normwidrigen Verhaltens: Sie wirken als negative Propaganda. Schätzungen belaufen sich auf ca. 2-4 Millionen cannabiserfahrene Menschen in der BRD (Probierer, Gelegenheitskonsumenten, gewohnheitsmäßige Freizeitkonsumenten, gewohnheitsmäßige Individualkonsumenten, gewohnheitsmäßige Dauerkonsumenten: Typenkonstruktion nach Kleiber/Soellner 1998). Mit rund 70% machen so genannte konsumnahe Delikte, wie der Besitz, der Erwerb und die Abgabe von Rauschgiften sowie ähnliche Delikte, den größten Anteil an den Rauschgiftdelikten aus (Stempel 2007, S. 86). Im Jahr 2005 wurden insgesamt allgemeine Verstöße als konsumnahe Delikte erfasst. Mehrheitlich ging es hier um Cannabisdelikte, wovon ca Delikte als allgemeine Verstöße gegen das BtMG zur Strafanzeige gelangten. Die meisten Verfahren wurden jedoch nach 31a eingestellt (Nord-Süd-Gefälle: im Norden mehr, im Süden/Osten wesentlich weniger) (Quellen: Bundeskriminalamt 2004; Jahrbuch Sucht 2006; Schäfer/Paoli 2006). Die unterschiedliche Rechtspraxis in den einzelnen Bundesländern führt zudem zu einer rechtlichen Ungleichbehandlung von Cannabiskonsumenten. Nach einer neueren Untersuchung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht verfuhren nur etwa 20% der Strafverfolgungsbehörden der Bundesländer in etwa gleich (Kolte/Schmidt-Semisch/Stöver 2006, S. 9). Die Anwendungshäufigkeit des 31a als Einstellung eines Verfahrens aufgrund von Geringfügigkeit (geringe Menge) ohne richterlichen Beschluss durch die Staatsanwaltschaft ist beispielsweise in Schleswig-Holstein und Berlin am größten, in Bayern und Sachsen am niedrigsten (vgl. Schäfer/Paoli 2006). Diese unterschiedliche Rechtspraxis wird auf die uneinheitliche Anwendung und Definition eines gelegentlichen Konsums (S. 392f.) zurückgeführt. Hinsichtlich der Einstellungen von Verfahren nach 31a verschärft zur Zeit das Land NRW den so genannten Kampf gegen die Drogenkriminalität (vgl. vom Die Justizministerin ordnete an, dass die Eigenbedarfsgrenze für Cannabisprodukte von 10 auf nur noch 6 Gramm abgesenkt, für Heroin, Kokain und Amphetamin ganz aufgegeben wird. Ermittlungsverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende sollen nur noch unter Auflagen wie regelmäßigen Drogenscreenings, Teilnahme an Drogenberatungsseminaren, Therapien oder Sozialstunden eingestellt werden können (siehe: ebd. 2007). Erstauffälligen Jugendlichen zwangsweise Drogenscreenings, Teilnahme an Drogenberatungsseminaren, Therapien oder Sozialstunden aufzuerlegen, schafft sicherlich großes Vertrauen in pädagogische Maßnahmen der jeweiligen Drogenhilfseinrichtungen. Eine Verminderung der zunehmenden Probierbereitschaft bei Jugendlichen (ebd. 2007) wird durch derartige Maßnahmen sicherlich nicht erreicht. Die Illegalisierung nicht nur von Cannabis bewirkt doch erst die Probleme (Drogenkriege, organisierte Kriminalität, illegaler Drogenmarkt, Verpanschung der Substanzen, Profitmaximierung, Kriminalisierung etc.), die eigentlich bekämpft werden sollen. Sozialwissenschaftliche Forschungen zeigen, dass der Gebrauch von Cannabisprodukten bei den meisten Jugendlichen ein vorübergehendes Phänomen ist. Werden diese Jugendliche frühzeitig als kriminell stigmatisiert, ist deren Lebensweg vorgezeichnet! Die Kriminalisierung produziert doch erst die eigentlichen Drogenkarrieren, oder glaubt man allen Ernstes, im Knast oder mit Zwangsmaßnahmen wird man geheilt. Die Realität sieht anders aus: Konsumiert wird so oder so, ob es verboten ist oder nicht. Bei Einigen ist der Reiz des Verbotenen besonders konsumfördernd. Konsumprobleme erfordern Pädagogik, Psychologie und Medizin und nicht das Strafrecht und Bedrohungsszenarien. 2. Sozialwissenschaftliche Aspekte Sozialwissenschaftliche Forschungsergebnisse zeigen, dass die dem Einstieg in den Gebrauch von Haschisch/Marihuana innewohnenden sozialpsychologischen Motive und sozialisationsbedingten Einflüsse auf ähnliche Faktoren zurückzuführen sind, die auch bei der Aufnahme des Konsums legaler Drogen bedeutsam sind (etwa: Weber/Schneider 1997). Die Beziehung zu den Eltern und deren Vorbildcharakter im Umgang mit Drogen, die Bewertung und Verfügbarkeit von Drogen innerhalb eines soziokulturellen Milieus, insbesondere aber der Einfluss der jeweiligen Peer Group (Clique) konnten in diesem Zusammenhang als gewichtig hinsichtlich der Bereitschaft, mit Drogen experimentieren zu wollen, ermittelt werden. Auch wenn dem Konsum von Haschisch/Marihuana mitunter die Funktion der Problemvermeidung bzw. Konfliktregelung zukommt, so ist doch wiederholt auf den Sachverhalt hingewiesen worden, dass für die Aufnahme des Cannabisgebrauchs eher undramatische Faktoren wie etwa Neugierde, Konsumbereitschaft als unterstützendes Element einer Positionsfindung in der jeweiligen Clique, Drogengebrauch als Verstärkung eines erfahrbaren Zusammengehörigkeitsgefühls, demonstrative Darstellung eines Erwachsenenstatus oder als Ausdruck des Wunsches nach Nonkonformismus (auch: Anders-Sein-Wollen, Sich-Abgrenzen) verantwortlich zu machen sind. Ob und in welcher Weise der Cannabisgebrauch in der Jugendentwicklungsphase einen negativen Einfluss auf die Schul- oder Berufsausbildung ausübt, dürfte entscheidend von dem Sachverhalt abhängen, welche psychosoziale Bedeutung, also welche Funktion jemand dem Drogengebrauch beimisst, welche Gebrauchspraktiken und Gebrauchsregeln angewandt, wie Konsumorte/Konsumsituationen und biographische Lebensumwelten erlebt werden. Konsummotive sind beispielsweise nicht zwangsläufig statisch. Sie können sich im Prozess der Drogengebrauchsentwicklung und der sozialen Integration auch verändern (Protestkonsum, Freizeitgebrauch, Problemgebrauch, Entspannungsgebrauch). Bei der Bewertung der Konsumhäufigkeit und der Dosisintensität sind allerdings ähnlich wie beim Alkohol (zwischen einem Saufgelage und einem Sektfrühstück liegen bekanntlich Welten) individuelle Unterschiede bei der Verträglichkeit (körperliche und psychische Konstitution) sowie hinsichtlich der Qualität von Cannabisprodukten zu berücksichtigen. 17

18 Die zur Zeit in Einzelfällen festgestellten, hochgezüchteten Cannabisprodukte (THC-Gehalt angeblich teilweise bei 15% bis 20%) sind eine zwangsläufige Folge der Substanzenillegalisierung und verlangen geradezu nach einer sachgerechten, risikominimierenden Substanzenaufklärung, einer staatlichen Qualitätskontrolle und/oder einem zielgruppennahen THC-Checking als Sofort- Maßnahme (szenenahe Analyse des THC-Gehalts). Zudem gab es vor zehn bis fünfzehn Jahren bereits Cannabiszüchtungen, insbesondere in den Niederlanden, die einen THC-Gehalt von ca. 20% aufwiesen (Super-Skunk- Züchtungen). So wird ohne jeglichen Beleg und wissenschaftlichen Nachweis behauptet, das derzeit erhältliche Cannabis sei in seinem Wirkstoffgehalt wesentlich konzentrierter als noch vor einigen Jahrzehnten, es sei somit ein Fehler, die Substanz als weiche und relativ harmlose Droge einzustufen (United Nations Office on Drug and Crime UNODC, zitiert nach: Konturen 5/2006, S. 40). Der Gehalt von Delta-9-Tetrahydrocannabinol, dem berauschenden und süchtigmachenden Agens im Cannabis, liegt in einigen speziellen Züchtungen inzwischen z.t. sogar weit über 12% und damit 3-4 mal höher als noch vor etwa Jahren. Aktuell geht der Trend zu Züchtungen mit immer größerem Delta-9-Tetrahydrocannabinol-Gehalt (oft schon > 30%) (Bonnet 2007, S. 34). Einen evidenzbasierten Nachweis für diese Behauptungen suchen wir hier vergeblich. Dabei liegen Untersuchungsergebnisse vor, die keine Hinweise auf einen bedeutsamen Anstieg des Wirkstoffgehalts der auf dem Markt erhältlichen Cannabisprodukte in den vergangenen Jahren geben (King 2005; Grotenhermen 2006, S. 31). Nach Angaben der Drogenbeobachtungsstelle der Europäischen Union in Lissabon dominieren in den meisten europäischen Ländern importierte Cannabiszubereitungen (Haschisch und Marihuana) den Markt. Diese importierten Cannabiszubereitungen weisen einen Wirkstoffgehalt von etwa 2-8 Prozent auf, der in den letzten Jahren nahezu konstant geblieben sei (ebd. S. 31f.). Skunk-Züchtungen in den Niederlanden weisen aufgrund spezieller Anbaumethoden wie Sinsemilla in Einzelfällen erfasste hochpotente THC- Gehalte auf, werden jedoch für den Selbstanbau verwendet und ihr Marktanteil ist bis auf niederländische Gefilde gering. Allerdings gibt es selbst in den Niederlanden keine Hinweise darauf, dass die Zunahme des Wirkstoffgehalts in direktem Zusammenhang mit einer Zunahme cannabis-assoziierter Probleme steht (ebd. S. 32). Bedenklicher erscheinen hier jedoch die jüngst gefunden Verunreinigungen (Schadstoffe wie Pilze und Bakterien) von Cannabisprodukten in den niederländischen Coffeeshops. Many coffeeshops samples were found to contain less weight than expected, and all were contaminated with bacteria and fungi (Hazekamp 2006, S. 1). Ein Grund mehr, über Teil-Legalisierung von Cannabisprodukten eine staatliche Qualitätskontrolle in der Gesamtrahmung von Safer-Use-Maßnahmen und Zugangsregelungen zu ermöglichen. 3. Cannabismythen Cannabismythen bestimmen weiterhin die wissenschaftliche und öffentliche Diskussion. Mythen als symbolische Sinnwelten organisieren die Welt der Gewissheit, also das, was uns im Alltag als gewiss und selbstverständlich erscheint. Sie suggerieren in ihrer Aussagekraft etwas Natürliches, Unhinterfragbares, dienen der Mehrdeutigkeitsreduktion, der Produktion von Sündenböcken, der Orientierungsvermittlung im Alltag. Mythen als emotionale Verdichtungssymbole haben die Tendenz, sich auf selbstverständlich Vorausgesetztes zu beziehen sowie dieses Wahrnehmungsmuster als richtig und zutreffend anzuerkennen. Sie gehen darüber hinaus eine Verbindung mit herrschenden Moralvorstellungen ein, wobei Moral als ein kommunikativer Prozess zu verstehen ist, als eine soziale Praxis der zwischenmenschlichen Mitteilung von Bedeutungen, die es ermöglicht, Handlungen, Situationen und Personen zu klassifizieren und zu bewerten: so das gemeinsam selbstverständliche Basiswissen von der Schädlichkeit der Substanz Cannabis. Mythen und Moral produzieren ein multistabiles System, das ungeachtet partieller Verluste sich und die in ihm eingelagerten unterschiedlichsten Interessen selber erhält (Quensel 2001, S. 124). Denken wir nur an folgende Mythen: der völlig verwahrloste und ich-entkernte Junkie als defizitäre und angstmachende Schreckensgestalt aus einer anderen Welt und der willensschwache, psychosegefährdete, amotivierte und flash-back geschüttelte Langzeitcannabiskonsument. 3.1 Mythos: Einstiegsdrogentheorie/Schrittmacherfunktionsthese Immer noch herrscht die Gruselvorstellung vor, dass jeder Cannabiskonsument zum süchtigen Frührentner wird: Cannabis gehört zu den gefährlichsten aller Einstiegsdrogen (Westfälische Nachrichten vom ). Bis heute konnte jedoch kein kausaler Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und späterem Heroin/Kokaingebrauch ermittelt werden. Ein chronologischer Zusammenhang (die meisten Heroinkonsumenten haben mit Cannabis als erste illegalisierte Droge ihre Drogenkarriere begonnen) ist noch kein ursächlicher. Der Umkehrschluss, dass Cannabiskonsumenten zwangsläufig zu härteren Drogen greifen, ist insofern unzulässig. Wenn denn diese These stimmen würde, dann hätten wir es mit Legionen von Drogenabhängigen zu tun (vgl. Schneider 1996). So kommen auch die Autoren der vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung geförderten Expertise zu den Auswirkungen des Cannabiskonsums zu der Schlussfolgerung, dass die These vom Cannabis als die typische Einstiegsdroge für den Gebrauch härterer Drogen nach dem heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht haltbar ist (Kleiber/Kovar 1998). Es sind demnach stärker drogenunabhängige Faktoren wie situationsspezifische Anreizbedingungen, diffuse Neugierde hinsichtlich der Wirkungsweise von anderen Substanzen, Zugangserleichterung zu und Positionsfindung in drogengebrauchende Gruppierungen, 18

19 Einfluss von Bezugspersonen, die ein mögliches Umsteigen fördern oder aber auch hemmen; jedenfalls nicht die pharmakologische Potenz (Wirkungsqualität) der Hanfpflanze. Die noch weitverbreitete Vorstellung vom Cannabisgebrauch als Einbahnstraße oder, um im Bild zu bleiben, als Sackgasse, die automatisch und zwangsläufig in den Gebrauch harter Drogen und damit zur körperlichen, psychischen und sozialen Verelendung führt, kann in ihrer Pauschalität und Simplifizierung nicht bestätigt werden. Trotzdem hält sich dieser Mythos beharrlich. Für Cannabis wirkt Nikotin als Geschmacksverstärker. THC wiederum wird biochemisch als ein Türöffner für Opiate (gate-opener) betrachtet (Eisenmeier 2003, S. 34). Auch die neuste Expertise zu den Auswirkungen von Cannabiskonsum und -missbrauch im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit kommt im Gegensatz zur Studie von Kleiber/Kovar (1998) zu der Schlussfolgerung: Insgesamt kann ein Einfluss des Cannabiskonsums auf späteren Konsum anderer Drogen als Befund festgehalten werden (Petersen/Thomasius 2007, S. 54). Oder es wird eine neue, verquere Umstiegstheorie konstruiert: In der Wissenschaft wird zur Zeit diskutiert, ob das körpereigene Belohnungssystem auch durch seltenen Cannabiskonsum dauerhaft gestört werden kann. Vermutet wird, dass (ehemalige) Cannabiskonsumenten anfälliger für die befriedigende Wirkung von Suchtmitteln als Personen ohne Cannabiserfahrung sind (Ginko 2007, S. 3). Es bleibt dabei: Die medial präsentierten exotischvoyeuristischen Reisen nach ganz unten bedingt durch die gefährlichste aller Einstiegsdogen Cannabis können also weitergehen. 3.2 Mythos: Drogendealer/Kulturfremdheit Immer noch dominiert insbesondere in den Medien der Mythos vom gefährlichen, gewissenlosen und unverantwortlichen Drogendealer, der die Schulhöfe bevölkert, Haschisch und Ecstasy mit Heroin und Kokain versetzt, LSD-Abziehbilder an Kinder verteilt und Kokain und Ecstasy in die Cola mischt. Dieses Verbrechen erscheint als das moralisch zu verurteilende Böse schlechthin, seine strafrechtliche und moralische Bekämpfung stets als das Gute. Oder anders ausgedrückt: Aus einer empirischen wird eine symbolische Gestalt, die als ganze das Böse darstellt. Die jeweilige Person verdichtet sich zur Totalität einer Bestie. Der Dealer-Mythos besagt weiterhin, dass erst der illegale Erwerb weicher Drogen bei den Drogendealern in den öffentlichen Drogenszenen zum Kontakt mit dem Fixermilieu führt. Die These der pharmakologischen Potenz der Hanfdroge als Schrittmacher wird nun durch die These einer sozial- und milieugeprägten Abfolge der Drogenwahl ersetzt. Insofern wird auch vereinzelt eine Entkriminalisierung mit dem Argument der Trennung der Märkte gefordert. Lebensweltnahe Forschungsstudien zeigen jedoch, dass im Gegensatz zu früher heute kein ausgeprägtes subkulturelles, cannabisdominierendes Drogenmilieu mehr existiert ( Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen ). Der Cannabisgebrauch ist inzwischen soweit in die Alltagspraxis (zunehmende Veralltäglichung) integriert und privatisiert, so dass von einem dealerorientierten, negativen Setting oder von einem Anreiz, aufgrund des Drogenmarkts härtere Drogen auszutesten, nicht mehr geredet werden kann. Zudem zeigt eine Studie zum Cannabisgebrauch in der Bundesrepublik von Kleiber/Soellner, dass der Kauf von Haschisch und Marihuana meist nicht in der öffentlichen Drogenszene getätigt wird, sondern über Freunde und Bekannte im privaten Bereich erfolgt (Kleiber/Soellner 1998, 2004). Eine Trennung der Märkte hat sich längst vollzogen, obwohl es natürlich aufgrund der Illegalität noch gewisse Berührungspunkte gibt. Der Gebrauch von Cannabisprodukten ist längst Bestandteil konventioneller Lebenspraxen und hat kaum mehr etwas mit einem rein subkulturbezogenen Lebensstil zu tun. Insofern ist auch der Mythos von der Kulturfremdheit von Cannabis obsolet geworden. Inzwischen gibt es Hanfzeitschriften (Hanf, Grouw, Hanfblatt etc.) und Hanfshops, und auch wenn nach der 10. BtMÄndV vom der Verkauf von Hanfsamen zum unerlaubten Eigenanbau verboten ist, haben diese längst darauf reagiert: sie verkaufen jetzt vitaminreiches Vogelfutter und hochwertigen Fischköder (in der Schweiz gibt es so genannte Duftsäckchen aus Hanf zu kaufen). 3.3 Mythos: Suchtgefahr/körperliche Schädigungen Sowohl in der Bewertung eines möglichen therapeutischen Nutzens als auch in der Beurteilung gesundheitsschädlicher Konsequenzen bezieht sich die bis heute dominierende naturwissenschaftlich orientierte Cannabisforschung eher auf hypothetische, experimentell an Tieren (meist Ratten und Affen) unter Laborbedingungen gewonnenen Annahmen als auf lebensweltnahe, verifizierte Erkenntnisse. Zumeist wird auf die Gefahr chronischer Schädigungen durch einen Langzeitkonsum verwiesen. Demzufolge fördert der exzessive Gebrauch von Cannabis Lungen- und Rachenkrebs (dies allerdings nur in Verbindung mit starkem Tabakkonsum), schwächt das Immunsystem (Widerspruch: THC-Produkte als Medizin bei AIDS- und Krebspatienten inzwischen zugelassen!), lässt in der Pubertät Psychosen entstehen und führe man höre und staune bei Männern zu einer Abnahme der Hodengröße und der Spermienproduktion (hier handelt es sich um nie bewiesene Behauptungen wie denn auch!!). Auch mit Hinweisen auf die Schädigung des Immunsystems, der Lunge, drohender Verweiblichung (sic?), Minderung der Spermatogenese (sic?), Tinnitus, parkinsonähnlichen Antriebsstörungen und verminderter Fahrtauglichkeit lassen sich THC-Begeisterte nicht von der idealisierten und offenbar stark ausgeprägten Sucht abhalten (Eisenmeier 2003, S. 35; Einfügung vom Verfasser). Fest steht jedenfalls: Cannabis erzeugt keine körperliche Abhängigkeit, eine letale Dosis ist nicht bekannt. Bei einem täglichen, meist exzessiven Gebrauch im Kontext entsprechender, prekär-sozialer Erlebnisumwelten ist die Entwicklung einer psychischen Abhängigkeit durchaus möglich. So fanden Kleiber/Soellner (1998) in ihrer Untersuchung 2% der interviewten Cannabiskonsumenten (von Befragten), die sich selbst als abhängig definierten (nach den Kriterien der Abhängigkeitsdiagnose nach ICD 10). Die Entwicklung hin zu einer möglichen psychischen Abhängigkeit von Cannabis ist jedoch immer 19

20 abhängig von den jeweiligen Konsum- und Umfeldbedingungen, vom Persönlichkeitsprofil, der psychischen Verfassung, von Erwartungshaltungen und Einstellungen, von der Gebrauchshäufigkeit, Gebrauchsdosis und insbesondere auch von der Gebrauchsfunktion im Lebenskontext (Konsum zur Rauscherzeugung, zum Genuss, zur Problembewältigung, zur Selbstmedikation, zur Entspannung, zur Selbstgratifikation). Wiewohl der Konsum von Cannabisprodukten ein schlechtes Problembewältigungsmittel ist: Es verstärkt die jeweiligen Grundstimmungen. Der Konsum von Cannabis führt keineswegs zwangsläufig zu einer psychischen Abhängigkeit, es kann jedoch zu einer Abhängigkeitsentwicklung kommen. Eine solche Abhängigkeit vom Cannabistyp kann jedoch nicht primär aus den pharmakologischen Wirkungen der Droge, sondern vielmehr aus vorab bestehenden psychischen Stimmungen und Problemen erklärt werden. Die Abhängigkeit von Cannabis sollte als Symptom solcher Probleme gesehen werden (Kleiber/Kovar 1998, S. 168). Trotzdem wird weiterhin argumentiert: Nach meiner Erfahrung entsteht durch THC eine äußerst starke Abhängigkeit. Nach dem Kindling-Modell (sic?) hat sich durch das Triggern (sic?) mit dem Suchtmittel ein Suchtgedächtnis ausgebildet, das ( point of no return ) plötzlich irreversibel, aber auch wie eine Währung gegen andere Suchtmittel austauschbar ist (Eisenmeier 2003, S. 36; Anmerkungen vom Verfasser). Wenn dem so ist (irreversibles Suchtgedächtnis), dann wäre die gesamte Drogen- und Suchthilfe, der ganze Drogenverwaltungsapparat, Drogenforschung und Drogenpolitik, wären die Rauschgiftdezernate und strafrechtliche Verfolgungspraxen überflüssig, hätten keinen Sinn mehr. Die weit verbreitete Kategorisierung von psychoaktiv wirksamen Substanzen pauschal als Suchtmittel negiert, dass Menschen psychoaktiv wirksame Mittel kaum konsumieren, um süchtig zu werden. Zudem suggeriert diese Etikettierung, es handele sich hierbei um ein Mittel, welches automatisch zur Ausbildung einer Sucht führe. Das Rauchen von Cannabis, ob in Form von Haschisch und Marihuana ( ) ist unter Jugendlichen zum Suchtmittel Nummer Eins geworden (Hoffmann 2005, S. 55). Es ist jedoch immer der jeweilige Konsument, der einen bestimmten, auch kontextgebundenen Zweck mit dem Konsum von Substanzen verbindet und meist entsprechende Konsummuster entwickelt. Insbesondere auch Forschungen zu den Bedingungen eines autonom kontrollierten, regelorientierten Gebrauchs psychoaktiv wirksamer Substanzen (zusammenfassend: Weber/Schneider 1997) verdeutlichen die Pluralität und Komplexität drogaler Entwicklungsverläufe. Sie belegen, dass die Bedeutung lebensgeschichtlicher und drogengebrauchsspezifischer Bedingungen sowie die Einbettung des Gebrauchs psychoaktiver Substanzen in (sub-) kulturelle Lebensformen ausschlaggebend für die Etablierung kontrollierter, sozial unauffälliger Drogengebrauchsmuster ebenso wie für dessen mögliche zwanghafte und exzessive Verfestigung ist. Die Möglichkeit der Entwicklung kompulsiver Drogengebrauchsmuster (von Sucht also) liegt nun nicht an der pharmakologischen Potenz der jeweiligen Substanz, sondern an einem falschen Umgang mit ihr, genauer: einer falschen Dosierung: zu schnell, zu oft, zu viel. Drogen führen nicht automatisch zur Sucht; die Sucht ist nicht Bestandteil der Droge (Dreitzel 1997, S. 2). Der Weg in den sanktionierten Drogengebrauch und seine mögliche zwanghafte Verhaltensverfestigung stellt eine in vielerlei Hinsicht offene Entwicklung dar, d.h. ist durch differenzierte Verläufe charakterisiert, die durch ein komplexes Gefüge subjektiver und soziokultureller Faktoren bedingt sind. Sie lassen sich nicht durch simple, abwärtsgerichtete Phasenmodelle abbilden. Auch in der neusten Expertise von Petersen/Thomasius (2007), gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit wird behauptet: Im Zusammenhang mit längerfristigen intensivem Cannabiskonsum entstehen häufig Abhängigkeitssyndrome, die auch die körperlichen Symptome der Toleranzentwicklung und Entzugssymptome umfassen (S. 160). Ferner wird die Entwicklung psychotischer Störungen durch die pharmakologische Wirkung von Cannabis als wissenschaftlich evident herausgestellt, um ein paar Seiten weiter etwas kleinlaut darauf hinzuweisen: So lange nicht erklärt werden kann, warum Cannabiskonsum nicht in allen Konsumenten die Drogenaffinität erhöht oder die Entwicklung einer psychischen Störung begünstigt, können von der pharmakologischen Wirkung des Cannabis unabhängige Erklärungsalternativen nicht ausgeschlossen werden (ebd. S. 161). Sic? Ausschließlich pharmakologische Substanzeffekte als Bedingung für die Entwicklung eines Abhängigkeitssyndroms und/oder psychotischer Störungen von welcher Substanz auch immer evidenzbasiert zu erschließen, setzt zum einen ein vom Einzelnen willentlich nicht regulierbares Konsumgeschehen voraus (Dollinger/Schmidt-Semisch 2007, S. 9). Zum anderen wird dadurch wie von den Autoren Petersen/Thomasius (S. 161) selbst eingeräumt das komplexe Interaktionsgeflecht aus subjektiven, soziokulturellen, drogengebrauchsspezifischen und temporalen Faktoren analytisch vernachlässigt. Es ist davon auszugehen, dass der Gebrauch psychoaktiver Substanzen und selbst der zwanghafte und exzessive Konsum weniger mit biologisch-physiologischen Prozessen oder pharmakologischen Substanzeigenschaften zu tun hat, sondern vielmehr mit sozialen Bedingungen sowie gesellschaftlichen und kulturellen Rahmungen des Konsums in Verbindung zu bringen ist (Dollinger/Schmidt-Semisch 2007, S. 17). Man fragt sich unwillkürlich, warum wird eine derartige Expertise vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegeben, die angebliche, meist auf Tierversuchen basierende Evidenzen behauptet, die später dann relativiert werden durch das Eingeständnis, dass auch andere Faktoren an der Entwicklung psychotischer Störungen und eines Abhängigkeitssyndroms bei Cannabis beteiligt sein könnten. Natürlich ist keine Droge völlig harmlos. Der Gebrauch von Cannabisprodukten birgt vielfältige Risiken für Konsumierende insbesondere in der Jugendphase bei der Bewältigung jugendtypischer Entwicklungsaufgaben. Je mehr Menschen Cannabis konsumieren, desto mehr wird es auch Menschen und insbesondere Jugendliche geben, die mit dieser Substanz nicht umgehen können (siehe Alkohol, Medikamente). Die missbräuchliche Ver- 20

21 wendung von allen legalisierten und illegalisierten Drogen wird es immer geben. Dies kann jedoch kein Grund sein, weiterhin mit der härtesten Maßnahme, die einem Staat zur Verfügung steht, nämlich dem Strafrecht, beispielsweise auf den Cannabiskonsum (Besitz und Handel) zu reagieren und somit Negativ-Karrieren erst recht zu produzieren. Im Hinblick auf einen sicherlich vorhandenen sozial und psychisch problematischen, missbräuchlichen Cannabiskonsum sind Pädagogik, Psychologie und Medizin gefragt und nicht das Strafrecht. 3.4 Mythos: Amotivationales Syndrom Vielfach wird noch angenommen, dass der langfristige Cannabisgebrauch zwangsläufig in ein so genanntes amotivationales Syndrom mündet: Er führe zu Inaktivität, Interessenlosigkeit, Leistungsverweigerung, Einsamkeit, Isolation, Abgeschlafftheit, zu orientalisch anmutender Gelassenheit (Täschner 1994, S. 13). In großangelegten Längsschnittstudien konnten keine Langzeiteffekte im Sinn eines amotivationalen Syndroms als pharmakologische Folge des Cannabiskonsums (nicht als Persönlichkeitsstruktur) festgestellt werden. Langzeiteffekte sind jedoch nicht vorhanden, so dass die These des amotivationalen Syndroms nicht belegt werden kann (Sieber 1993, S. 220). Ähnliches berichten auch die Autoren der bereits erwähnten Expertise im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (Kleiber/Kovar 1998). Nach dem heutigen wissenschaftlichen Forschungsstand muss die These, Cannabiskonsum führe nach längerer oder kürzerer Zeit, also quasi zwangsläufig, zu Demotivationserscheinungen, zurückgewiesen werden" (Kleiber/Kovar 1998, S. 216). Trotzdem wird dieser Mythos weiterhin intensiv gepflegt : Bei häufigem Gebrauch nimmt bei einigen Konsumenten ein Teil der gewünschten Cannabiswirkung ab. Die halluzinogene Wirkung (sic?) lässt nach, es dominiert der antriebsvermindernde Effekt. Die Konsumenten wirken leer, unsortiert und ausgebrannt. Typisch für chronische Kiffer sind eine allgemeine Antriebsverminderung bis hin zum völligen Amotivationssyndrom (Van Treeck 1999, S. 54; Einfügung vom Verfasser). Oder: Elemente einer Angststörung können schließlich bei Versagen aller Kompensationsmechanismen schlagartig in eine Psychose übergehen. Das so genannte amotivationale Syndrom kann mit den erwähnten Bildern vermischt sein. Panikattacken generalisieren und machen das Aufsuchen von Hilfsangeboten unmöglich (Eisenmeier 2003, S. 38). Internationale Forschungsergebnisse zeigen, dass der Begriff eines kausalen Einflusses von Cannabis auf die Entwicklung psychotischer Störungen, der vor dem Hintergrund dieser Befunde manchmal verwendet wird, irreführend ist. Cannabis scheint eine Rolle als ein möglicher auslösender Faktor bei psychotischen Erkrankungen zu spielen, nicht jedoch als ihre eigentliche Ursache (Schäfer 2004, S. 8). Cannabiskonsum kann also Auslöser derartiger Entwicklungen sein wie jedes andere kritische Lebensereignis auch. 3.5 Mythos: Dammbruchszenarien durch Entkriminalisierung/Legalisierung Immer wieder wird bei einer wie auch immer gearteten Entkriminalisierung/Legalisierung befürchtet, die Dämme würden brechen und fast alle Jugendliche würden dann Cannabis konsumieren. Eine Drogenwelle würde hereinbrechen und der Konsum auch harter Drogen würde sich dann genauso ausbreiten wie der Alkoholgebrauch. Bei diesem Mythos haben wir es mit der Überhöhung (Hypostasierung) einer Substanz unter Ausblendung ihrer (sub-)kulturellen Einbindung, Bedeutung und Funktionalität sowie von spezifischen Persönlichkeitsmerkmalen (wie Konsumbereitschaft) zu tun. Es ist so, als wenn die Droge uns nimmt und nicht umgekehrt. Die Übergefährlichkeit der illegalen Drogen macht die Menschen dann zu unmündigen Opfern, die vor sich selbst geschützt werden müssen (Stöver 1996, S. 102). Die Erfahrungen aus den Niederlanden zeigen: Seit der Entkriminalisierung von Cannabisprodukten in den Niederlanden 1976 (Baan-Kommission) ist es nicht zu einer Überflutung durch Drogen gekommen im Gegenteil. Zudem zeigt eine neuere Studie für die europäische Union, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Höhe der Strafen und der Häufigkeit des Konsums von Drogen gibt. Höhere Rechtsstrafen begrenzen nicht den Konsum von Cannabis. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass in den Niederlanden der Gebrauch von Cannabisprodukten erheblich niedriger ist als in Großbritannien, wo die Rechtsstrafen relativ hart sind (ähnlich: Reuband 2007). Dieser relativ niedrige Verbrauch in den Niederlanden ist trotz der weiten Verbreitung von so genannten Coffeeshops und Hausdealern (inzwischen gilt hier die so gennante 5g-Regel beim Einkauf von Cannabisprodukten) festzustellen. Durch den freieren Zugang zur Sicherung des Eigenbedarfs ist die geschätzte Zahl der aktiven Cannabiskonsumenten in den letzten zwanzig Jahren nicht epidemisch angestiegen, sondern eher in den letzten Jahren konstant geblieben bzw. zurückgegangen. Die absolute Mehrheit der niederländischen Jugendlichen konsumiert keine Cannabisprodukte. Der Besitz von 30g Cannabisprodukten wird in den Niederlanden bekanntlich als eine Ordnungswidrigkeit geahndet und nicht als Straftat behandelt (Opportunitätsprinzip). Im Rahmen der gegenwärtigen Drogenpolitik bleibt jedoch auch in den Niederlanden der Cannabismarkt (Handel) auf kriminelle Organisationen angewiesen, d.h. ein Großteil des Handels mit Cannabisprodukten bleibt insbesondere auch der heimische Anbau von Needer-Weed illegal und hat inzwischen vereinzelt auch zur Züchtung hochpotenter Marihuanasorten, die auch aus Profitgründen noch vielfach schadstoffbelastet sind, geführt. Um diese kriminellen Machenschaften zu stoppen, wäre eine Legalisierung des Eigenanbaus und THC-Checking als Bestandteil gesundheitspräventiver, risikominimierender Maßnahmen dringend umzusetzen. Untersuchungen zeigen auch, dass die Illegalität der Beschaffung von Cannabis für den Privatkonsumenten kein Problem darstellt. Ein Unrechtsbewusstsein existiert nicht. Konsumiert wird so oder so, ob es verboten ist oder nicht (obwohl natürlich immer noch der Reiz des Verbotenen für den Einsteiger existiert). Aber insgesamt gilt: Die strafrechtlichen Regelungen haben jedenfalls kaum generalpräventive Wirkungen. 21

22 4. Präventionspolitische Konsequenzen Zum Schluss sei noch auf notwendige präventionspolitische Konsequenzen einzugehen. Eine wie auch immer geartete Neubewertung von Cannabis muss mit einem veränderten Verständnis von Prävention einhergehen: Prävention sollte nicht mehr unter der Prämisse der Vermeidung/Verhinderung verstanden werden, sondern als akzeptanzorientierte Förderung und Stützung von genussfähiger Gebrauchskompetenz (vgl. Schneider 2000, 2006) zur Minimierung von Gebrauchsstabilisierungseffekten. Vorausgeschickt werden muss: Von einer Entzauberung der bis heute vorherrschenden Drogenmythen kann aber keine Rede sein. Der gesellschaftliche Drogenkult als Mythenproduzent, gespeist aus Drogenangst, Bedrohlichkeitsempfinden und Fehlinformation, bestimmt weiterhin von Ausnahmen abgesehen die Öffentlichkeit sowie die Medien- und Forschungslandschaft. So beispielsweise wenn schon vor der Daum und Friedmann Affäre und des Kokainnachweises auf den Toiletten des Bundestags Politiker im Drogen-Phobien- Rausch die Einführung von obligatorischen Drogentests an allen Schulen und Firmen fordern und Versandbetriebe Testverfahren auf dem Markt der unbegrenzten Möglichkeiten anpreisen, mit deren Hilfe besorgte Eltern ihre minderjährigen Kinder per Haaranalyse auf regelmäßigen Konsum von Cannabis testen lassen können... Frühzeitiges Erkennen ein wesentlicher Faktor effizienter Suchtprävention und für viele Kinder der erlösende Einstieg zum Ausstieg (HC DrugIdent, Flensburg 2000, Werbeschrift). Oder: Dem Gecko bleibt nichts verborgen Drogenschnelltests nun erhältlich. Seit Montag gibt es den Gecko-Test in Apotheken. 29,95 Euro kostet das Mini-Labor, mit dem feste Substanzen wie Pillen, Pflanzenteile oder Flüssigkeiten untersucht werden können. Auch Oberflächen sind vor dem Test nicht sicher: Mit einem Tupfer können Eltern einen Abstrich machen und verdächtige Spuren aufnehmen (Münstersche Zeitung vom ). Oder: In Neuseeland lassen ängstliche Eltern die Zimmer ihrer Kinder von Spürhunden nach Drogen durchsuchen. Der Schnüffelhunddienst rückt an, wenn die Kinder in der Schule sind (vgl. Der Spiegel vom ). Oder: Vati prüft jetzt deinen Urin. Vertrauen ist gut, Urinkontrolle ist besser. Nach dem Willen der Mailänder Gesundheitsbeauftragten sollen Eltern künftig überprüfen, ob ihre Kinder Drogen nehmen mit einem kostenlosen Test, ein Geschenk der Stadt (Spiegel Online, vom ). Darüber hinaus feiert die Verjüngungsthese immer mal wieder fröhliche Urstände. Die Aussage, insbesondere Ecstasy- und Cannabiskonsumenten werden immer jünger, ist genauso richtig wie die Wahrnehmung, dass die Studierenden immer jünger werden: sie sehen halt aus dem Blickwinkel von uns Älteren jung aus. Aber Scherz beiseite. In der Begründung zur Einführung des BtMG von 1972 (!) heißt es: Die Zahl der Jugendlichen, die den Einstieg in die Drogenwelt vollziehen, nimmt zu. Es zeigt sich dabei, dass die Altersschwelle, auf der der Einstieg erfolgt, sinkt. Selbst Kinder bleiben davon nicht verschont wurde festgestellt: Der immer frühere Einstieg in den Drogenkonsum ist wohl eine Folge der heute so typischen Verunsicherung der Eltern-Kind-Beziehung (Hurrelmann 1994, S. 27). Und 2005 heißt es: Tatsache ist: junge Menschen geraten immer früher mit Suchtmitteln in Kontakt, das Einstiegsalter sinkt (Hoffmann 2005, S. 55). Wie das Ungeheuer aus Loch Ness: So alle zwei Jahre scheinen die Konsumenten illegalisierter Drogen jünger zu werden. Inzwischen müssten dieser Logik zufolge schon bald Zweijährige Drogen konsumieren. Drogenexperten sind beunruhigt über die wachsende Zahl junger Kiffer. Denn der Griff zum ersten Joint erfolgt immer früher: Im Durchschnitt sind Jugendliche 16,4 Jahre alt, wenn sie erstmals Cannabis konsumieren, wie die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Bätzing, berichtet: Es ist kein Einzelfall mehr, wenn ein Zwölfjähriger kifft. Die Spirale nach unten sei vorhersehbar (Westfälische Nachrichten vom ). Da scheinen alle suchtpräventiven Maßnahmen und Frühinterventionsprojekte insgesamt gesehen sehr erfolgreich gewesen zu sein, jedenfalls wurden sie alle erfolgreich evaluiert. Die jährlich beunruhigten Drogenexperten müssten doch eigentlich längst beruhigt sein. Denn alle suchtpräventiven Maßnahmen seit ca. 35 Jahren wurden erfolgreich mit positiven Ergebnissen evaluiert (siehe: Schneider 2006). Beispielsweise wurde bereits 1994 festgestellt: Der Sonderforschungsbereich in Bielefeld betreibt gegenwärtig die systematisch und methodisch strenge Evaluation eines Programms zur Sucht- und Drogenprävention in der Schule. Dabei ergab sich bislang, dass sich in jenen Schulklassen, in denen ein modernes Programm zur Prävention durchgeführt wird, das Wissen über die Gefahren legaler und illegaler Drogen spürbar verbesserte. Auch die subjektive Haltung ist deutlich kritischer als in Schulen ohne ein solches Programm (Hurrelmann 1994, S. 33). Wichtig und notwendig ist es nun zu aller erst, eine Entdramatisierung und Entemotionalisierung der Drogendiskussion einzuleiten. Dies bedeutet notwendiger Weise auch eine Abkehr von der medialen und hilfepraktischen Inszenierung von Bedrohungsängsten (Barsch 2007, S. 79). Abschreckungs- und Immunisierungsstrategien, die sklerotischen Zeigefinger sollten eigentlich ausgedient haben. In einer Gesellschaft, in der Drogen (legalisierte wie illegalisierte) Wegbegleiter des Erwachsenwerdens sind, kann es nicht mehr um das Präventionsziel Drogenabstinenz gehen, sondern um den eigenverantwortlichen, mündigen Umgang mit Drogen. Eine lebensweltnahe Konsum- und Verbraucherberatung im Sinne einer sachgerechten, Vor- und Nachteile einbeziehenden Substanzaufklärung zumindest bei denjenigen, die so oder so gebrauchen oder gebrauchswillig sind scheint die Methode der Wahl zu sein. Es geht hier um die selbstpräventive Einübung eines risikobewussten, regelorientierten, selbstkontrollierenden Umgangs mit Cannabisprodukten. Ziel ist die selbstverantwortliche Entwicklung risikoarmer, gesundheitsschonender und genussorientierter Gebrauchsvarianten, also die Verringerung von möglichen exzessiven und zwanghaften Gebrauchsformen und damit die Etablierung von kontrollierten, selbstbestimmten und genussfähigen Umgangsweisen mit psychoaktiven Substanzen (vgl. Schneider 2004, Kim 2003). Nicht die jeweiligen Drogen sind gefährlich, sondern ihre individuell missbräuchliche Verwendungsweise, die 22

23 Kriminalisierung der Konsumierenden und die Illegalisierung der jeweiligen Substanzen mit den uns sattsam bekannten Folgen. Das Fixiertsein nur auf die negativen Eigenschaften und Auswirkungen von psychoaktiv wirksamen Substanzen, ohne auch nur die positiven, genussorientierten Momente zu erwähnen, ist unglaubwürdig und zementiert weiterhin die noch vorherrschende Doppelmoral. Allen Drogen wohnt die Ambivalenz von positivem Genuss und negativen Begleit- und Nebenwirkungen, von Chance und Risiko inne. Dem kann m.e. nur mit Hilfe von sachgerechter Substanzaufklärung ohne eine moralisierende Attitüde oder einer blauäugigen Diktion eines risikofreien Umgangs begegnet werden. Akzeptanzorientierte Verbraucher- und Konsumberatung hieße: Aufklärung über einzelne Substanzen, über Wirkstoffzusammensetzungen (bzw. THC-Gehalt, Verunreinigungen), Wirkweisen, Konsumformen, Nebenwirkungen und Gebrauchsrisiken. Dies hieße weiterhin: Die Vermittlung von Empfehlungen und Hinweisen für einen moderaten, regelorientierten Gebrauch als Safer-Use-Maßnahmen zur Einübung von notwendiger Risikokompetenz für den Umgang auch mit möglichen riskanten Räuschen. Verbraucherberatung in diesem Sinn setzt auf Bemündigung und Selbstbemächtigung mit dem möglichen Ziel einer selbstbestimmten, eigeninszenierten Lebensgestaltung mit und ohne Drogen: Es geht um genussfähige, risikobewusste Gebrauchskompetenz bei denen, die eine gebrauchswertbezogene Moral haben. Konzeptuell ist hier in den letzten Jahren vieles vorangetrieben und entwickelt worden, was nicht zuvörderst auf Abstinenz zielt: Über jugendnahe Cannabis-Kurse (Widmer 2006), Self-Control-Informations-Programme (Kolte/ Stöver 2006) als Stärkung und Vermittlung von Selbstkonrollregeln im Umgang mit Cannabisprodukten unter Einbezug der sozialen und drogalen Biografieverläufe bis hin zum Risflecting-Ansatz (Koller 2006) als selbstkontrollierende Kultivierung von Rausch und Risiko. Wir leben in einer Risikogesellschaft und Unvernunft, Unvorsichtigkeit und Fahrlässigkeit sind integraler Bestandteil dieser Gesellschaft und ebenso das Bedürfnis nach Rausch-Genuss-Erfahrung. Jedenfalls ist es an der Zeit, Drogenmythen zu entzaubern. 40 Jahre Drogendiskussionen zeigen: Es gibt kein Patentrezept zur Lösung des gesellschaftlichen Drogenproblems. Die Generalprävention über das Strafrecht hat den Drogengebrauch nicht einschränken können, nur sehr riskant werden lassen (Verunreinigungen der Substanzen, Kriminalisierung, Stigmatisierung, Psychiatrisierung). Es geht hier nicht um Verharmlosung oder gar um eine Aufforderung zum Konsum, sondern um eine tabulose Entdämonisierung von Cannabis und anderen Drogen, um eine Entdramatisierung der Folgen des Substanzgebrauchs und um einen pragmatischen und realitätsbezogenen Umgang mit Konsumenten jenseits einer angstgesteuerten, frühintervenierenden Sorgenfaltenpädagogik, die kaum eine Chance hat, drogenkonsumierende Jugendliche im wahrsten Sinn des Worts zu erreichen. Missbräuchliche, unvernünftige Gebrauchsmuster oder die Entwicklung süchtigen Verhaltens sind nicht per Dekret oder per Verordnung, nicht durch moralische Beeinflussungen und modulare Angstszenarien abschaffbar, schon gar nicht durch Strafandrohung und (sanfte) Abschreckungsstrategien. Wir werden damit leben müssen, dass es Drogengebrauch und Drogenmissbrauch immer geben wird. Der idealistische Traum von einer drogenfreien Gesellschaft ist zwar legitim, jedoch illusorisch. Zur Erinnerung: Etwa 2% bis 7% der Erwachsenen sind von einer massiven Suchterkrankung betroffen trotz aggressiver Kaufregung, Sensation Seeking (schneller, weiter, höher), trotz permanenter Werbeberieselung, trotz als dürftig beklagter Suchtprävention, trotz Ballermann 6 auf Mallorca und Oktoberfesten in Deutschland inklusive Flatrate-Saufen sowie trotz gesellschaftlicher Problem-, Konflikt- und Defizitlagen. Die Mehrheit vermag anscheinend ihren Konsum zu kontrollieren und daran sollte angeknüpft werden. 5. Drogenpolitische Situation und Forderungen Der sog. Haschisch-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom hat aus der bestehenden Kann-Vorschrift in 31a des BtMG eine Muss- Vorschrift gemacht, dass jedoch nur auf der Staatsanwaltschaftsebene (polizeilich muss weiter ermittelt werden) von der Strafverfolgung ohne richterlichen Beschluss grundsätzlich abgesehen werden kann, wenn Cannabisprodukte nur in geringen Mengen und ausschließlich zum gelegentlichen Eigenverbrauch erworben oder besessen werden. Die einzelnen Bundesländer wurden aufgefordert, eine einheitliche Regelung (Definition) einer geringen Menge als Rechtsverordnung festzulegen. Dies ist jedoch bis zum heutigen Tag nicht geschehen. Nach der Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften (10. BtMÄndV) vom ist auch der Cannabissamen als nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel eingestuft, wenn er zum unerlaubten Anbau bestimmt ist. Mit dieser Gesetzänderung findet nun eine neue Illegalisierung (Erwerb und Handel von THC-haltigen Hanfsamen) statt, obwohl gleichzeitig das synthetisch hergestellte Cannabinol (Marinol) für Krebsund AIDS-Patienten im Einzelfall verschrieben werden kann. Es ist zwar schon 13 Jahre her, aber bezüglich der Ergebnisse der 67. Gesundheitsministerkonferenz der Länder von 1994 wurde in einigen Bundesländern geprüft, wie eine Neubewertung von Cannabis im Rahmen der internationalen Gesetze umgesetzt werden kann. Zur Diskussion standen: Einführung des Opportunitätsprinzips wie in den Niederlanden, die Abgabe begrenzter Mengen in Apotheken, Unterstellung unter das Ordnungswidrigkeitenrecht, Länderrichtlinie zur Entpönalisierung des Kleinhandels durch Änderung des 153 Abs. 1 StPO oder eine weitere Begrenzung der Strafbarkeit. Bisher ist allerdings nichts umgesetzt worden. Im Gegenteil vollzog sich schleichend eine erneute Dramatisierung des Cannabiskonsums und Pathologisierung der Konsumierenden. In der Schweiz sollte eine Änderung des dortigen Betäubungsmittelgesetzes angestrebt und mit dem Ziel der Aufhebung der Bestrafung von Besitz und Konsum umgesetzt werden. Es sollte das Opportunitätsprinzip für die Strafverfolgung des Handels eingeführt werden. Aber auch in der Schweiz herrscht inzwischen Stagnation vor. Eine Umsetzung lässt auf sich warten. In Portugal, England und Belgien gibt es ähnliche Initiativen 23

24 zur Entkriminalisierung. In der Bundesrepublik begründete die ehemalige Bundesdrogenbeauftragte Frau Caspers-Merk ihr Nichtstun bezüglich der Umsetzung einer Cannabisreform weiterhin damit, dass nicht beim Umgang mit Tabak und Alkohol auf die Bremse getreten und bei Cannabis gleichzeitig Gas gegeben werden kann (vgl. Caspers-Merk 2001, S. 7). Vorschläge zu einer Abgaberegelung von Cannabisprodukten gehen auch in Richtung eines Lizenzmodells, einer vereinsrechtlichen Regelung oder einer Einfügung von Cannabis in das Lebens- und Genussmittelrecht. Eine Aufhebung der Illegalität würde endlich staatliche Qualitätskontrollen (Feststellung und Überprüfung des Wirkstoffgehalts, Grenzwertfestlegung, Jugendschutz, gezielte Konsumbegleitung etc.) ermöglichen. Insgesamt gesehen zeigt sich in der Bundesrepublik bezüglich einer Neubewertung der Cannabispolitik eine stagnative Situation, eine widersprüchliche und verworrene Diskussionslage. Für die Praxis gilt weiterhin: Der Umgang (Erwerb und Besitz) mit Cannabisprodukten ist immer noch strafbar. Vom Grundsatz her wird jedoch die Staatsanwaltschaft ein Verfahren einstellen, wenn es sich um eine geringe Menge zum Eigenverbrauch handelt und keine Fremdgefährdung vorliegt. Notwendig ist eine Entkriminalisierung der Konsumenten hinsichtlich des Besitzes und Erwerbs geringer Mengen von Cannabisprodukten zur Deckung des Eigenbedarfs als eine Herausnahme dieser Tatbestände aus dem Strafrecht und die Übernahme in das Ordnungswidrigkeitenrecht als ein erster wesentlicher Schritt. Folgende drogenpolitische Reformen (als vorläufiger Minimalkonsens) bis zur Ermöglichung staatlich kontrollierter Abgabemöglichkeiten über beispielsweise lizenzierte Coffeeshops wären dringend umzusetzen: Entkriminalisierung der KonsumentInnen: Straffreiheit für den Besitz geringer Mengen bis zu 30g Cannabis, Zulassung von Hanf als Medizin, Unterstützung der Erforschung weiterer therapeutischer Potentiale und medizinischer Einsatzgebiete, Straffreiheit des Anbaus von Cannabis für den Eigenbedarf, Zurücknahme der gegenwärtig diskriminierenden Führerscheinregelung: Differenzierung im Führerscheinrecht zwischen aktuellem und zurückliegendem Konsum von Cannabis, und Festlegung eines THC- Grenzwertes von 5 10ng, Durchführung von Qualitätskontrollen bezüglich Verunreinigungen und Ermöglichung eines anonymen THC-Checks (vgl. auch: Akzept 2001a/b). Summary According to media reports and scientific studies the number of adolescents and young adults problematically using highly potent cannabis products and thus needing treatment is constantly rising. In addition, it is reported in a dramatizing way that the age of first use has significantly been dropping over the past decade. On the one hand the author tries to reconstruct the facts upon which of these theses are based and on the other hand he examines them in the context of the myths surrounding the use of cannabis. Finally necessary consequences for prevention are discussed in terms of a pragmatically grounded counseling of users and a reassessment of how drug policy deals with cannabis products is demanded. Keywords adolescents, cannabis use, cannabis research, cannabis myths, user counseling, cannabis policy Literatur: Akzept e.v. (2001a): Cannabisreform in Deutschland: Argumente und Fakten. Eine politische Bestandsaufnahme. Materialien Nr. 5. Münster Akzept e.v. (2001b): Die Cannabiskampagne. In: Akzeptanz 9.Jg., Heft 2, S Barsch, G. (2007): Verhext und süchtig: Wahn Macht Sinn. Leipzig Bonnet, U. (2007): Moderne Behandlung der Cannabisabhängigkeit. In. Suchttherapie 8/2007, S Bundeskriminalamt (2004): Lagebericht Rauschgift. Stand Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2001): Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland Endbericht. Köln Caspers-Merk, M. (2001): Cannabispolitik in der Bundesrepublik Deutschland Antworten der Drogenbeauftragten der Bundesregierung zu aktuellen Fragestellungen. In: Akzeptanz, 9. Jg., Heft 1, S. 5 Dollinger, B./Schmidt-Semisch, H. (Hg.) (2007): Sozialwissenschaftliche Suchtforschung. Wiesbaden Dreitzel, H.P. (1997): Drogen für alle. Manuskript. Berlin 1997 Eisenmeier, S. (2003): Warum Cannabis doch gefährlich ist. In: Der Neurologe-Psychiater Heft 6, S Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (2005): Jahresbericht Stand der Drogenproblematik in der Europäischen Union und Norwegen. Lisboa Fahrenkrug, H. (1998): Risikokompetenz eine neue Leitlinie für den Umgang mit riskanten Räuschen. In: Akzeptanz, 6. Jg., Heft 2, S Fahrenkrug, H. (2004): Cannabispolitik in der Schweiz: Über Öffnung und Schließung des Reformfensters. In: DHS/Gassmann,R.(HG.): Cannabis. Neue Beiträge zu einer alten Diskussion. Freiburg 24

25 Ginko (2007): Cannabis. Neue Gefahren durch potentes Cannabis? Informationen zur Suchtvorbeugung 2. Mühlheim Grotenhermen, F. (2004): Hanf als Medizin. Baden und München Grotenhermen, F. (2006): Pharmakologie: Wirkungen von Cannabis auf Körper und Psyche. In: Kolte, B./Schmidt- Semisch, H./Stöver, H. (Hrsg.): Was tun, wenn Cannabis zum Problem wird? Frankfurt Hazekamp, A. (2006): An evaluation of the quality of medicinal grade cannabis in the Netherlands. In: Cannabinoids, 1 Jg., Heft 1, S. 1-9 Hurrelmann, K. (1994): Suchtprävention trotz gesellschaftlicher Ursachen? In: DHS (Hrsg.) (1994): Suchtprävention. Freiburg Hoffmann, K. (2005): Jugend im Rausch?! In: Sozialmagazin, 18. Jg., Heft 1/2, S Jahrbuch Sucht Neuland. Geesthacht Kalke, J./Verthein, U./Stöver, H. (2005): Seuche Cannabis? Kritische Anmerkungen zu neueren epidemiologischen Studien: In: Suchttherapie, 5. Jg., Heft 6, S Kalke, J./Verthein, U. (2006): Cannabiskonsum bei Jugendlichen Kritische Anmerkungen zu neueren epidemiologischen Untersuchungen. Vortrag auf dem 8. Internationalen akzept-kongress v Kim, Ju-Ill (2003): Drogenkonsum von Jugendlichen und suchtpräventive Arbeit. Frankfurt King, L.A../Carpentier, C./Griffiths, P. (2005): Cannabis potency in Europe. In : Addiction 7/2005, p Kleiber, D./Soellner, R. (1998): Cannabiskonsum. Entwicklungstendenzen, Konsummuster und Risiken. Weinheim Kleiber, D./Kovar, K.A. (1998): Auswirkungen des Cannabiskonsums. Stuttgart Kleiber, D./Soellner, R. (2004): Psychosoziale Risiken des Cannabis-Konsums. In: DHS/Gassmann, R. (Hrsg.): Cannabis. Neue Beiträge zu einer alten Diskussion. Freiburg Koller, G. (2006): Das Feuer hüten. Risflection Ein Handlungsmodell zur Entwicklung von Rausch- und Risikopädagogik im Cannabiskonsum. In: Kolte, B. et al. (Hrsg.): Was tun, wenn Cannabis zum Problem wird? Frankfurt Kolte, B./Schmidt-Semisch, H./Stöver, H. (2006): Cannabis: Zwischen Problem und Problematisierung. In: Kolte, B. et al (Hrsg.): Was tun, wenn Cannabis zum Problem wird? Frankfurt Kolte, B./Stöver, H.(2006): In einer Spirale nach oben Ein bibliotherapeutisches Programm für mehr Selbstkontrolle und reduzierten Drogengebrauch als Angebot für problematisch gebrauchende CannabiskonsumentInnen. In: Kolte, B. et al (Hrsg.): Was tun, wenn Cannabis zum Problem wird? Frankfurt Kraus, L./Augustin, R. (2001): Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland. Sonderheft der Zeitschrift Sucht. Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.) (2007): Expertise Zugang zu jungen Cannabiskonsumentinnen. Münster Petersen, K.U./Thomasius, R. (2007): Auswirkungen von Cannabiskonsum und -missbrauch. Lengerich Püschel, K./Iwersen-Bergmann, S. (2000): Drogen ihre Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen. In: Heudtlass, J.H. et al. (Hrsg.): Risiko mindern beim Drogengebrauch. Frankfurt Quensel, S. (2001): Cannabis, Straßenverkehr und junge Leute Ein Dispositiv im Generationenkonflikt. In: Grotenhermen, F./Karus, M. (Hrsg.): Cannabis, Straßenverkehr und Arbeitswelt. Berlin Raschke, P./Kalke, J. (1997): Cannabis in Apotheken. Freiburg Reuband, K.-H. (2007): Strafverfolgung als Mittel der Generalprävention? In: Dollinger, B./Schmidt-Semisch, H. (Hrsg.): Sozialwissenschaftliche Suchtforschung. Wiesbaden Schäfer, C./Paoli, L. (2006): Drogenkonsum und Strafverfolgungspraxis. Freiburg Schäfer, I. (2004): Cannabis und psychotische Störungen. Zusammenhänge und integrative Therapie. In: Konturen, Heft 3, S. 8/9 Schmidt-Semisch, H. (2000): Cannabis Legalisierungsmodelle. In: Schneider, W. et al (Hrsg.): Cannabis Eine Pflanze mit vielen Facetten. Berlin Schneider, W. (1995): Risiko Cannabis? Bedingungen und Auswirkungen eines kontrollierten, sozial-integrierten Gebrauchs von Haschisch und Marihuana. Berlin Schneider, W. (1996): Einstiegsdroge Cannabis? In: Akzept e.v. (Hrsg.): Wider besseres Wissen. Die Scheinheiligkeit der Drogenpolitik. Bremen Schneider, W. (2000): Drogenmythen. Zur sozialen Konstruktion von Drogenbildern in Drogenhilfe, Drogenforschung und Drogenpolitik. Berlin Schneider, W. (2004): Sinn und Unsinn suchtpräventiver Maßnahmen Zur gesellschaftlichen Konstruktion von Drogenproblemen. In: Schneider, W./Gerlach, R. (Hrsg..): DrogenLeben. Bilanz und Zukunftsvisionen akzeptanzorientierter Drogenhilfe und Drogenpolitik. Berlin Schneider, W. (2006): Die sanfte Kontrolle. Suchtprävention als Drogenpolitik. Berlin Sieber, M. (1993): Drogenkonsum. Einstieg und Konsequenzen. Bern Stempel,K. (2007): Rauschgiftlage In: Jahrbuch Sucht 07.Geesthacht Stöver, H. (1996): Dammbruchszenarien oder Aufklärung und Enkulturation. In: Akzept e.v.(hrsg.): Wider besseres Wissen. Die Scheinheiligkeit der Drogenpolitik. Bremen 25

26 Täschner, K.L. (1994): Drogen, Rausch und Sucht. Stuttgart Tossmann, P. (2006): Cannabis Zahlen und Fakten zum Konsum. In: Jahrbuch Sucht 2006 Van Treeck, B. (1999): Cannabis. In: Drogen-Report, Heft 2, S Weber, G./Schneider, W. (1997): Herauswachsen aus der Sucht. Berlin Widmer, A. (2006): Kiffen bei Jugendlichen: Kursangebot Spaß am Leben. In: Kolte, B. et. al. (Hrsg.): Was tun, wenn Cannabis zum Problem wird? Frankfurt Korrespondenzadresse Dr. Wolfgang Schneider INDRO e.v. Drogenhilfezentrum Bremer Platz Münster Tel.: +49-(0) Web: 26

27 Originalarbeit S Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 Rauchen als Aspekt der Gruppenidentität Systemtheoretische Überlegungen zu einem kaum beachteten Aspekt Martin Hafen HSA Hochschule für Soziale Arbeit Luzern Zusammenfassung Um die Jahrhundertwende konstatierten Präventionsfachleute mit Besorgnis, dass der Zigarettenkonsum bei Jugendlichen allen präventiven Bemühungen zum Trotz deutlich am Zunehmen war. Viele der bewährten Begründungen für Tabakkonsum von Jugendlichen konnten diese Entwicklung nicht oder nur teilweise erklären auch weil sie vornehmlich auf die Individuen ausgerichtet sind und nicht auf ihr soziales Umfeld. Dieser Artikel präsentiert mit den Mitteln der soziologischen Systemtheorie einen ergänzenden Erklärungsansatz. Die These ist, dass Rauchen in Gleichaltrigengruppen zur Stärkung der Gruppenidentität mit Symbolwert aufgeladen wird und, dass diese Symbolik die Inklusionschancen von Jugendlichen in diesen Gruppen beeinflusst. Zur Begründung werden bewährte Begriffe resp. Unterscheidungen der Systemtheorie (symbiotische Symbole, Inklusion/ Exklusion, Person) herangezogen, durch neuere Begriffsvorschläge wie Signatur und Gegenzeichnung ergänzt und mit Konzepten wie Gruppe konfrontiert, deren Status in der Systemtheorie eher unklar ist. Der Praxisbezug soll dadurch wieder hergestellt werden, dass Vorschläge für die professionelle Prävention abgeleitet und einige Überlegungen zu den Grenzen und Möglichkeiten der Prävention angestellt werden. Schlüsselwörter Prävention, Peer-Group, Rauchen, Verhaltensprävention, Gruppenidentität, Systemtheorie, Luhmann 1. Einleitung Folgt man den Wiederholungsbefragungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland (BzgA 2004, S. 16), dann sieht man, dass der Zigarettenkonsum bei Jugendlichen in Deutschland zwischen 1993 und 1997 deutlich zunahm, bis ins Jahr 2001 stagnierte und seither wieder am Sinken ist. Da die Jugendlichen seit Jahrzehnten die bevorzugte Zielgruppe der professionellen Prävention repräsentieren (s. Hafen 2004) und die Tabakprävention ein wichtiges Interventionsfeld darstellt, fühlen sich die Präventionsfachleute durch solche Entwicklungen verunsichert. Hat die Prävention versagt, oder wäre alles noch viel schlimmer gekommen, wenn man auf die präventiven Maßnahmen gänzlich verzichtet hätte? Hier ist nicht der Ort, Antworten auf diese Fragen der Wirkung (resp. Nichtwirkung) von präventiven Maßnahmen zu suchen. Die Aufgabe der Prävention, in der Gegenwart zukünftige Probleme durch die Verringerung von Risikofaktoren und die Stärkung von Schutzfaktoren zu verhindern, ist so komplex, dass sich bei einem Phänomen wie Sucht mit seinen zahlreichen möglichen psychischen, physischen und sozialen Einflussfaktoren enorme methodologische Probleme stellen, wenn man die Wirkung von präventiven Maßnahmen messen will (Uhl 1998) ganz abgesehen davon, dass sich die Frage nach dem, was ohne (oder auch: mit deutlich mehr) Prävention zu erwarten gewesen wäre, auch mit komplexen methodischen Designs nicht beantworten lässt. Hier stehen nicht Wirkungsfragen im Vordergrund, sondern ein Schritt, der bei der Konzipierung von präventiven Maßnahmen gewöhnlich am Anfang steht: die Suche nach möglichen Einflussfaktoren für das zu verhindernde Phänomen (in diesem Fall: das Rauchen von Jugendlichen). Der Blick wird dabei nicht, wie das in der professionellen Prävention immer noch mehrheitlich üblich ist, primär auf das Individuum (resp. sein psychisches System) gerichtet, das vor dem Rauchen bewahrt werden soll, sondern auf ein soziales System in seiner relevanten Umwelt (Setting-Ansatz): die Gleichaltrigen-Gruppe oder Peer-Group. Die zu prüfende dreiteilige These ist, dass Rauchen in diesen Systemen in unterschiedlichem Ausmaß symbolisch besetzt und damit kommunikativ relevant wird, dass diese kommunikative Relevanz die Inklusionschancen der Jugendlichen beeinflusst und, dass dieser Prozess ähnlich dem der Mode über gewisse Zeiträume verstärkt auftreten kann und so die Prävalenz des Rauchens in einem größeren Ausmaß zu beeinflussen vermag. Die Prüfung dieser Teilthesen wird mit den Mitteln der soziologischen Systemtheorie angestrebt (s. grundsätzlich Luhmann 1994). Diese Wahl bedingt, dass Jugendliche nicht als Menschen verstanden werden, die in einer Gruppe mit andern Jugendlichen kommunizieren. Getreu dem Luhmannschen (1998, S. 19) Diktum, dass nicht der Mensch, sondern ausschließlich die Kommunikation kommunizieren kann, werden die Systemebenen Kommunikation, Psyche und Körper analytisch strikt getrennt. In Hinblick auf das Rauchen, das in der professionellen Praxis wie andere Suchtformen als bio-psychosoziales Phänomen beschrieben wird, bedeutet dies, dass in diesem Aufsatz systemtheoretische Konzepte in Anspruch genommen werden, die den Bereich der Kopplung sozialer, psychischer und biologischer Systeme tangieren: Person, soziale Adresse, Inklusion/Exklusion, symbiotisches Symbol, Identität, Signatur/Gegenzeichnung. In einem ersten Schritt soll die Form von Gleichaltrigengruppen bestimmt werden. Dann wird es darum gehen zu schauen, wie Jugendliche als Gruppenmitglieder beschrieben werden können, wenn die Gruppe nicht als System beschrieben wird, das aus Jugendlichen (als 27

28 Menschen) besteht. In der Folge wird der Blick auf die Ebene der Psyche gelenkt und geprüft, wie Jugendliche sich (als Individuen ) in die Gruppe einzubringen versuchen. Schließlich wird es darum gehen, Rauchen als symbiotisches Symbol zu plausibilisieren und seinen Einfluss auf die Inklusionschancen von Jugendlichen zu beschreiben. Im letzten Kapitel soll der Blick wieder auf die professionelle Prävention gelenkt und danach gefragt werden, welche praktischen Maßnahmen die theoretischen Ausführungen allenfalls nahe legen. 2. Die Form der Gleichaltrigengruppen Es ist weithin unbestritten, dass Jugendgruppen in der Sozialisation von Jugendlichen eine wichtige Rolle spielen. Im Prozess der Ablösung von der Herkunftsfamilie orientieren sich die Heranwachsenden in zunehmendem Maß an Gleichaltrigen mit ähnlich gelagerten Interessen (Peers). Für die Beschreibung der entsprechenden sozialen Prozesse mit den Mitteln der soziologischen Systemtheorie ist als Erstes die Form der Gruppe zu bestimmen (vgl. auch Hafen 2005a, 2005b). Luhmann (1994a, S. 16) unterscheidet auf der Ebene sozialer Systeme Gesellschaft, Organisation und Interaktion Gesellschaft verstanden als Gesamtheit aller Kommunikationen (Fuchs 2001, S. 108ff.), Organisation als systemische Verkettung von Entscheidungen (Luhmann 2000) und Interaktion als Kommunikation unter der Bedingung wechselseitiger Wahrnehmbarkeit (Kieserling 1999). Ein System ist dabei nicht als Ding oder als Raum zu sehen, sondern als Differenz als Differenz von System und Umwelt (Luhmann 1994a, S. 35). Soziale Systeme reproduzieren durch ihre Verkettung von Kommunikationen demnach nicht nur sich selbst, sondern immer auch ihre spezifische Umwelt. Das bedeutet, dass weder das System noch irgend eine Umwelt (z.b. die Lebenswelt ) ontologisch als Dinge mit einem Wesen gegeben sind. Vielmehr stellen Systeme und ihre Umwelt systeminterne Konstruktionen dar, welche die Differenz von System und Umwelt im System reproduzieren (Fuchs 2001). Kommunikationen sind in diesem Sinn nicht Kommunikationen für sich, sondern werden erst zur Kommunikation, wenn andere Kommunikationen an sie anschließen. Der Kybernetiker Norbert Wiener drückt die Relevanz dieser theoretischen Annahme für die kommunikative Praxis folgendermaßen aus: Was ich gesagt habe, weiß ich erst, [ ] wenn ich die Antwort darauf kenne (zit. in Zwingmann et al. 1998, S. 64). Dabei ist es möglich, dass eine Kommunikation in unterschiedlichen Systemen zu Anschlüssen führt. So kann die Sitzung eines Aufsichtsrats zur gleichen Zeit als Interaktionssystem, als Subsystem einer Organisation und als gesellschaftliche Kommunikation beobachtet werden. Will man den Gruppenbegriff näher bestimmen, bietet sich an, zuerst nach dem Bezug zu diesen drei Systemtypen zu fragen. Wie jede Kommunikation sind auch Gruppenprozesse immer in das Netzwerk gesellschaftlicher Kommunikation eingespannt. Weiter ist erkennbar, dass sich Gruppen in einem großen Maß als Interaktion reproduzieren. Andererseits verfügen sie über Strukturen, die ihnen mehr Beständigkeit ermöglichen als ein loses Gespräch auf einer Parkbank. Auch bestimmen sie über Mitgliedschaften, ohne jedoch die gleichen formalen Bedingungen an eine Mitgliedschaft zu knüpfen wie Organisationen. Fuhse (2001), dem wir in unseren Ausführungen zur Gruppe weit gehend folgen, geht davon aus, dass das Sozialsystem Gruppe mit Hilfe einer symbolisch generalisierten Gruppenidentität deutlich zwischen dem Innen und dem Außen einer Gruppe unterscheidet. Wenn man in Anschluss an Fuchs (1999) zwischen Operation (der Kommunikation) und Beobachtung (dem was kommuniziert resp. konstruiert wird) unterscheidet, dann lässt sich festhalten, dass es sich bei der Gruppenidentität explizit um eine Konstruktionsleistung auf der Ebene der Beobachtung handelt, also um ein semantisches Konstrukt, welches sich von der operativen Identität unterscheidet. Anders formuliert: Gruppen zeichnen sich (z.b. gegenüber gewissen Interaktionssystemen) dadurch aus, dass sie ihre Identität immer wieder (explizit oder implizit) thematisieren und dass sich diese Thematisierung in der Gruppengeschichte niederschlägt, also für die weitere Kommunikation an Strukturwert gewinnt. Der Name ist für Fuhse (2001, S. 8) die wichtigste Komponente der Gruppenidentität. Über den Namen werde im System symbolisch zwischen System und Umwelt, zwischen dem Wir und den andern unterschieden. Damit wird es möglich, die Kommunikation direkt auf dieses Wir zu beziehen, ohne dass die Grenzziehung zwischen der Gruppe und dem Rest der Welt weiterer Begründung bedürfte. Andere Symbole, wie Kleidung, unterstreichen zwar die Grenzziehung; ihre Bedeutung ist aber gegenüber dem Namen sekundär. Im Kontext dieser Arbeit erscheint es nicht unbedingt zwingend, den Namen als zentrale Komponente der Gruppenidentität zu sehen. Viele Jugendliche halten sich regelmäßig auch in Gruppen (z.b. von Freunden/Freundinnen) auf, die eine sehr starke Gruppenidentität haben, diese aber nicht mit einem Namen bezeichnen. Die Identität kann nach Fuhse als Medium bezeichnet werden, das in bestimmten Situationen zu Formen geprägt wird, um die Einheit der Gruppe zu betonen. Dabei greifen die Gruppen, nach Fuhse (2001, S. 14), bei ihrer Identitätsbildung oft auch auf kollektive Identitäten zurück auf Schemata zur Bildung von Gruppenidentitäten, die auch in anderen Gruppen genutzt werden (Skater, Punks, Homeboys und wie die Bezeichnungen dann immer lauten). In der Sozialdimension strukturiert die Gruppenidentität die doppelte Kontingenz der Kommunikation auf drei Ebenen: auf der Ebene der Bindung der Gruppenmitglieder, auf der Ebene der Normierung von Verhaltenserwartungen und auf der Ebene der Reduktion von Unsicherheit im Bereich der persönlichen Beziehungen und der Lebensstile. Die Bindungsqualität lässt sich danach unterscheiden, ob die Gruppen eher auf den persönlichen Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern bestehen (Common-Bond-Gruppen) oder ob die generalisierte Gruppenidentität im Vordergrund steht (Common- Identity-Gruppen; Begriffe nach Prentice et al. 1994). Die 28

29 Common-Identity-Gruppen sind weniger anfällig für personelle Wechsel und für interne Konflikte, und zudem bleibt immer noch die generalisierte Gruppenidentität als Faktor der Restabilisierung. Die Gruppenmitglieder wiederum sind in einer Art informaler Mitgliedschaft in die Gruppe inkludiert eine Mitgliedschaft, die über die Wahrnehmung im Kontext von Interaktion hinausgeht, aber nicht reglementiert ist wie in Organisationen. Zudem verfügen sie, da sie weit gehend ohne Geld, Recht oder Macht auskommen müssen, kaum über Sanktionsmechanismen es sei denn im Rückgriff auf Gewalt (Fuhse 2001, S. 116ff.). Rechnet man psychische Formen von Gewalt dazu, ergibt sich doch ein beachtliches Sanktionspotenzial der Gruppe gegenüber ihren Mitgliedern. Trotz des Fehlens formaler Strukturen können sich in Gruppen Differenzen zwischen Zentrum und Peripherie sowie Hierarchisierungen herausbilden. Differenzen ergeben sich auch auf der Ebene der Mitgliedschaft. So haben Gruppen im Gegensatz zu Interaktionssystemen (die sich eindeutig über Anwesenheit konstituieren) und Organisationen (mit ihren formalen Mitgliedschaften) verschwommene Systemgrenzen. Das führt dazu, dass die Gruppe über ein Reservoir an potenziell aktiven Mitgliedern verfügt, die als stille Reserve oder einfach nur als weniger engagierte Mitglieder betrachtet werden. Da die Common-Identity-Gruppen neue Mitglieder nicht durch Arbeitsverträge an sich binden können, erfolgt die Inklusion graduell und unter verstärkter Orientierung an der Systemidentität (Fuhse 2001, S. 21ff.). Trotz des Fehlens schriftlich fixierter Erinnerungsleistungen verfügen auch Gruppen über ein Systemgedächtnis, das mit Hilfe des Mediums der Gruppenidentität aufgebaut wird und das (wenige) Erinnernswerte vom (massenhaft anfallenden) Nicht-Erinnernswerten trennt. Die Fixierung des Gedächtnisses an die Gruppenidentität erschwert es der Gruppe, sich auf sich verändernde Umweltbedingungen einzustellen, denn Veränderungen sind ja (anders als in Organisationen) nicht primär über Entscheidungen, sondern in erster Linie über die Veränderung der Gruppen-Identität möglich. Eine solche Veränderung ist nur langsam erreichbar, was bei drastischen Veränderungen in der Umwelt dazu führt, dass die Gruppenidentität nicht mehr den Erwartungen der psychischen Systeme der Gruppenmitglieder entspricht. Das wiederum führt zu Austritten oder zu Versuchen der Gruppe, die verlorene Bindung über Konflikte mit einer Outgroup, einer negativen Referenz-Gruppe wiederherzustellen (Fuhse 2001, S. 25ff.). 3. Jugendliche als Gruppenmitglieder In der Einleitung war die Rede davon, dass die Systemtheorie nicht davon ausgeht, dass Jugendliche (als Menschen) dadurch eine Gruppe bilden, dass sie zusammen kommunizieren. Gruppenkommunikation ist eigenständige (selbstreferentielle, spezifisch strukturierte) Kommunikation, die ebenso wenig in die psychische Umwelt der Jugendlichen ausgreifen kann, wie die Jugendlichen in die Kommunikation hinein denken können. Wir haben es mit Verhältnissen der Interpenetration, d.h. mit konditionierter Koproduktion (Fuchs 2002) und Koevolution zu tun und nicht mit Verhältnissen der Überschneidung oder Überlappung. Für das hier bearbeitete Thema bietet sich an, den Kommunikationsbegriff weiter zu spezifizieren und die Unterscheidung von Kommunikation und Handlung einzuführen. Durch die analytische Trennung von Kommunikation und psychischem System bekommt der Handlungsbegriff in der Systemtheorie Luhmanns eine ganz spezifische Gewichtung. Handlung bezeichnet bei Luhmann nicht die Letztelemente von sozialen Systemen wie etwa bei Parsons (1959) oder in nicht systemtheoretisch orientierten Handlungstheorien, sondern lediglich einen Ausschnitt des kommunikativen Geschehens, nämlich jenen der Mitteilung. Dabei reproduziert sich Kommunikation nicht nur über die Selektion von Mitteilungshandlungen (z.b. gesprochene Sätze), die aneinander anschließen, sondern auch über die Selektionen der Information und des Verstehens (Luhmann 1994a, S. 225). Die Mitteilungshandlung ist demnach um die bisherigen Ausführungen aufzunehmen das Resultat der (unbeobachtbaren) Beobachtungsoperation, die Konstruktion. Das Kommunikationssystem muss sich als Handlungssystem ausflaggen, um überhaupt beobachtet werden oder sich selbst beobachten zu können. Diese soziale Beschreibung von Einzelhandlungen macht den komplexen Kommunikationsprozess erfahrbar und ermöglicht dadurch Anschlussfähigkeit. Gerade in Hinblick auf ein Phänomen wie Rauchen bietet sich an, kommunikatives Handeln von nicht-kommunikativen Verhaltensweisen zu unterscheiden. Nach den bisherigen Ausführungen gibt es keine Maßgabe dafür, ob eine Handlung (wie das Rauchen) als kommunikatives oder nicht-kommunikatives Verhalten einzustufen ist; vielmehr ist es die Kommunikation selbst, die (im Zuge des operativen Verstehens) festlegt, ob eine Information mitgeteilt wurde oder nicht. Indem ein Kommunikationssystem Handlungen als kommunikative Konstrukte ausflaggt, konstruiert es gleichzeitig Handelnde, denen es die Kommunikationshandlungen zurechnen kann. Nach Fuchs (2003a, S. 23) erschaffen sich die sozialen Systeme auf diese Weise Subjekte, die ersichtlich nicht als Subjektwesenheiten in der Umwelt sozialer Systeme vorkommen. Wenn also im Rahmen dieser Arbeit von Jugendlichen, Präventionsfachleuten oder von Peer-Leaders die Rede ist, dann kann es nicht um real existierende Individuen gehen, sondern immer nur um kommunikative Konstruktionen. Luhmann (1994a, S. 429) schlägt vor, für diese Zuschreibung von Handlung den Begriff Person zu verwenden. Personen sind in diesem Sinn keine Systeme (weder psychische noch physische), sondern Strukturen des sozialen Systems, welche eine Zuschreibung (Selektion) einer Handlung ermöglichen und den Spielraum möglichen Verhaltens einschränken. Person als Form unterscheidet Person von Unperson : Während der Begriff der Person die individuell attribuierten Verhaltenseinschränkungen bezeichnet, steht Unperson für die Gesamtheit der aktuell ausgeschlossenen, aber auch möglichen Attributionen (Fuchs 2003a, S. 31). So wie in jeder 29

30 Mitteilung die Differenz von Information und Mitteilung und mit ihr die Systemstrukturen neu (re)konstruiert werden, so wird auch die Differenz von Person und Unperson aktualisiert. Bei jeder dieser Aktualisierungen kommen andere Aspekte der Struktur Person (als Einheit von Person und Unperson) zur Geltung und es werden vorher aktuelle weggelassen. Beispielsweise verändern sich die Erwartungen gegenüber einem Mitschüler, der in der Schulpause wegen seines uncoolen Outfits oder seiner übermäßigen Körperfülle von seinen Kameraden gemieden wird, wenn man ihn in der Mathematikprüfung als Banknachbarn hat und von seinen Kenntnissen in Trigonometrie zu profitieren hofft. Sehr nahe beim Begriff der Person anzusiedeln ist der Begriff der sozialen Adresse, der maßgeblich von Fuchs (1997) in die (system)theoretische Diskussion eingeführt wurde. Es geht wie beim Personenbegriff nicht um Leute oder Leuteäquivalente (Fuchs 2003a, S. 16), sondern um die Engführung von Erwartungen. In diesem Sinn kann man sagen, dass Personen in Kommunikationssystemen mit einer Adresse versehen werden, die Mitteilungshandeln präziser zurechenbar macht und eben: die Erwartungen lenkt. Adressabilität ist damit für Fuchs (2003a, S. 18) eine hoch brisante, sozusagen lebenstechnisch entscheidende Angelegenheit, da sie den Grad der Inklusion von Personen in soziale Systeme reguliert. Jugendliche sind demnach aus systemtheoretischer Perspektive als Personen zu verstehen, als kommunikative Konstrukte, die je nach System die Erwartungen ganz unterschiedlich strukturieren: in der Peer-Group anders als in der Familie, im Lehrbetrieb anders als im Sportverein. Dazu kommt, dass sich das Schema Jugend, das auf alle Jugendlichen angewendet wird, laufend weiter entwickelt. Jugend im Mittelalter hat eine ganz andere Bedeutung als Jugend zu Beginn des dritten Jahrtausends (Hermann 2001). Im Weiteren unterscheiden sich die Konzepte der Jugend auch synchron dergestalt, dass Jugendliche (als Jugendliche) in Afrika mit ganz andern Erwartungen konfrontiert sind als in den USA. Wie Jugendliche als Personen in unterschiedlichen Systemen (z.b. in einer Jugendgruppe) als relevant markiert werden dafür steht in der Systemtheorie die Unterscheidung Inklusion/Exklusion. Bei der Inklusion also bei der Aktualisierung der einen Seite der Unterscheidung um einen einschließenden Ausschluss, darum also, dass in der Kommunikation nichts Menschliches, Somatisches, Psychisches vorkommt (Fuchs 2003a, S. 26). In Anschluss an die bisherigen Ausführungen können wir sagen, dass immer dann von Inklusion die Rede ist, wenn Menschen als Personen (als Erwartungsbündel) Mitteilungen zugeschrieben oder sie als Adressaten von Mitteilungen markiert werden. Von Exklusion wäre dann die Rede, wenn die andere Seite der Unterscheidung, die nicht bezeichnete kommunikative Irrelevanz des Individuums (Göbel/Schmidt 1998, S. 95) ins Blickfeld rückt. Das Schema Inklusion/Exklusion ist an aktuelle (nur so mögliche) Koproduktion gebunden Fuchs (2003a, 30 S. 27f.). Es handelt sich also um eine Unterscheidung, die sich auf die Operativität von sozialen Systemen bezieht. Ein Jugendlicher, der sich am Bahnhof mit seinen Freunden unterhält, ist in dieses Interaktionssystem resp. seine Peer-Group inkludiert, nicht aber in seine Familie. Hier erfolgt die Inklusion erst am nächsten Morgen am Frühstückstisch. Dieses Beispiel soll andeuten, dass der Inklusionsbegriff hier explizit für die kommunikative Relevanz von Personen in jeglichen sozialen Systemen eingesetzt wird. Luhmann legt der Inklusions-/Exklusionsunterscheidung noch in Gesellschaft der Gesellschaft (1997, S. 619) die Systemreferenz Gesellschaft zugrunde. Es gehe nicht um Zugang zu Interaktionen oder Organisationen. Andererseits formuliert er früher (1994b, S. 193), dass Organisationen Inklusion und Exklusion durch Entscheidungen regulierten. Nassehi/Nollmann (1997) sind der Ansicht, dass die Inklusions-/Exklusionsunterscheidung nicht nur auf der Ebene der Gesellschaft, sondern auch auf der Ebene der Organisationen ausgearbeitet werden müsste. Da es sich bei der Inklusion in Jugendgruppen um eine Inklusionsform handelt, die sich weder auf Funktions- noch auf Organisationssysteme bezieht, wird hier vorgeschlagen, den Gebrauch der Unterscheidung Inklusion/Exklusion nicht vom Typus sozialer Systeme abhängig zu machen, sondern für alle drei Hauptkategorien (Gesellschaft, Organisation und Interaktion) sowie für weitere Formen sozialer Systeme einzusetzen. Für professionelle Tätigkeiten wie die Prävention ist die Ebene der Interaktion von besonderem Interesse, weil gerade Jugendliche (zumindest in ihrer Freizeit) immer wieder in Interaktionssysteme inkludiert sind, die keinen Organisationscharakter haben und deren Kommunikationen keinem Funktionssystem zugeschrieben werden können. Die hier verhandelten Peer-Groups mögen als Beispiel dafür dienen gerade auch, weil in auf Freundschaft basierenden Jugendgruppen (oben beschrieben als Common-Bond-Groups) ein breiteres Spektrum von personalen Aspekten zum Tragen kommt als in Funktionssystemen und Organisationen. 4. Das Streben nach Einbringung von Individualität in die Kommunikation Bis dahin wurde die Differenz von sozialem System (Peer-Group) und psychischer resp. körperlicher Umwelt aus der Perspektive des sozialen Systems beschrieben. In der Folge soll der Blick auf die Psyche gelegt und geschaut werden, wie sich die Inklusion von Jugendlichen (als Menschen oder Individuen) in ihre soziale Umwelt aus ihrer (psychischen) Perspektive darstellt. Inkludierte Personen fungieren nach Fuchs (2003a, S. 35) als strukturelle Kopplungen psychischer und sozialer Systeme. Sie seien damit Zweiseitigkeiten, die das Sozialsystem mit Führung versorgen (als Lösung des Problems doppelter Kontingenz) und das Bewusstsein mit der Wahlmöglichkeit ausstatten, sich mit der sozialen Zumutung einer Personadressierung entweder zu arrangieren (im Sinne einer wie immer gearteten Übernahme dieser Offerte) oder die Akzeptanz zu verweigern. Hier kann man gerade in Hinblick auf die Prävention anfügen, dass die (psychische) Akzeptanz/Nichtakzeptanz einer Personenadressierung und ihre kommunikativen Folgen

31 wiederum von der Adressierung der Person abhängen, der die Mitteilungshandlungen zugeschrieben werden. Der Einbezug von so genannten Peer-Leadern in die Prävention verdankt seine Popularität nicht zuletzt dem Umstand, dass sich die Präventionsfachleute eine größere Akzeptanz der präventiven Botschaften erhoffen, wenn die gleichen Botschaften einer besser akzeptierten Adresse zugeschrieben werden. Es ist die Differenz von Körper und Bewusstsein, die es gestattet, die Eigenheit des Bewusstseins so weit zu stimulieren, dass sie sich in Differenz setzen kann zu den Formen der Person, die ihr durch Kommunikation zugemutet werden (Fuchs 2003a, S. 42). Durch die Selbstbeschreibungen, die es von sich anfertigt, indem es sich in Differenz zu seiner (physischen und sozialen) Umwelt setzt, gewinnt das Bewusstsein eine Identität. Diese Identität ist keine identitas, keine Wesenseinheit, sondern eine laufend reproduzierte Differenz, deren Reproduktion in der modernen Gesellschaft unter nicht immer einfachen Bedingungen erfolgt: Zum einen wird das Bewusstsein laufend mit der Polykontexturalität einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft konfrontiert einer Gesellschaft also, die sich in der Form von unzähligen Systemen reproduziert, die alle nach eigenen Maßstäben kommunizieren und dabei in der Sozialdimension die unterschiedlichsten Personenzumutungen auswerfen. In der Sachdimension wiederum ist das psychische System zumindest seit Freud gesellschaftlichen Vorstellungen ausgesetzt, gewisse Aspekte seiner selbst (das Unbewusste ; vgl. auch Fuchs 1998) seien für es unkontrollierbar und bestimmten seine Operationen wie aus einem unzugänglichen Hintergrund. Dadurch wird das individuelle psychische System selbst-unsicher und unscharf in der Einschätzung dessen, wodurch es sich motiviert findet, was dazu führt, dass es seine Innen/Außendifferenz (seine Identität) nicht mehr trittsicher regulieren kann. In der Zeitdimension schließlich werden die Beständigkeiten aufgehoben, auf die das Bewusstsein sich zu verlassen gewöhnt war. Das Festhalten an einmal erwirtschafteter Identität wird sozial deplausibilisiert (Fuchs 2003a, S. 87f.) Wenn wir von Selbstbeschreibungen sprechen, geht es nicht nur um die Frage, wie und unter welchen Bedingungen das Bewusstsein diese Identitätskonstruktionen in seiner operativen Geschlossenheit herstellt; viel mehr interessiert auch, in welcher Form sich Kommunikation durch die Identitätskonstruktionen in seiner psychischen Umwelt irritiert. Fuchs (2003a, S. 93f.) leitet seine diesbezügliche Analyse mit der Bemerkung ein, dass das Bewusstsein keine Adresse hat und damit weder für sich noch für die Kommunikation erreichbar ist. Da die strukturelle Kopplung mit sozialen Systemen Überlappungen ausschließt (das Bewusstsein also auch über strukturelle Kopplung nicht in die sozialen Systeme hineinkommunizieren kann), ist von einer Differenz zwischen intern prozessierter und tatsächlich exponierter (tatsächlich mitgeteilter) Selbstbeschreibung (Fuchs 2003a, S. 96) auszugehen. In andern Worten: Das Individuum (z.b. eine Jugendliche) hat ein Bild von sich selbst, das einer intern laufend neu reproduzierten Konstruktion entspricht. Im sozialen Kontakt versucht die Jugendliche nun (z.b. im Zusammensein mit Freunden) sich so zu geben, wie sie sich selbst sieht, oder aber sie versucht sich anders darzustellen positiver wie etwa in einem Vorstellungsgespräch oder negativer etwa als Rebellin in der Schule. Diese soziale Fassung der individuellen Selbstbeschreibung, diese Signatur (Fuchs 2003a, S. 103) ist an soziale Erwartungen gebunden und gibt damit mehr oder weniger stringent vor, wie ein Ich oder ein Selbst zu sein hat. Diese Erwartungen (Schemata) unterscheiden sich synchron und diachron. So ist das moderne Ich-Schema (als Subjekt) ein anderes als im Mittelalter und die europäische Vorstellung der Identität eines Menschen unterscheidet sich von jener in Asien (Fuchs 2003a, S.95). Wir haben weiter oben gesehen, dass Kommunikation erst zu Stande kommt, wenn die Differenz von Information und Mitteilung durch eine nachfolgende Differenz von Information und Mitteilung (im Nachtrag) identifiziert, in systemtheoretischer Sprache: operativ verstanden wird. Folglich muss davon ausgegangen werden, dass auch die Signatur (diese Exposition der Selbstbeschreibung des Bewusstseins) eines Verstehens, einer Gegenzeichnung (Fuchs 2003a) bedarf, um als Signatur des Individuellen zu Stande zu kommen. Die Schwierigkeit ist, dass die Selektionsofferte nicht unbedingt Moment einer Äußerung ( ich bin so ) ist, sondern ein hoch komplexes Gesamtbild der Person resp. ihres Habitus (Bourdieu), das sozial rekonstruiert wird und dem Einfluss des Individuums entzogen ist. So besteht z.b. keine Möglichkeit, im Voraus zu bestimmen, welche Gegenzeichnung selbstsicheres Auftreten in unterschiedlichen sozialen Kontexten auslöst vielleicht Bewunderung, vielleicht Ablehnung. Es ist keine Frage, dass es in einer Zeit und Kultur, in der so hohes Gewicht auf individuelle Selbstdarstellung gelegt wird, gerade für Jugendliche eine enorm hohe Frustrationstoleranz für abgelehnte oder missverstandene Selbstdarstellungen braucht. 5. Rauchen als symbiotisches Symbol zur Stärkung der Gruppenidentität und der Inklusionschancen von Jugendlichen Wenn in der Folge Rauchen als symbiotisches Symbol eingeführt wird, soll die Doppelperspektive der Peer- Group als System und ihrer psychischen und körperlichen Umwelt weiterverfolgt werden. Das Ziel ist zu zeigen, dass Rauchen auf der einen Seite ein Aspekt der Gruppenidentität werden kann und dass dies auf der andern Seite Jugendliche dazu motivieren mag, Rauchen als Aspekt in die Signatur einzuschließen, um die Inklusionschancen in der Gruppe zu verbessern. Das Rauchen dient hier als Beispiel und könnte auch durch andere an den Körper gebundene Verhaltensweisen wie Rauschtrinken, Vandalismus oder Gewaltanwendung gegen Personen ersetzt werden. Luhmann (1993, S. 229) entwickelte das Theoriestück der symbiotischen Mechanismen (symbiotischen Symbole) insbesondere in Hinblick auf die Frage, wie symbolisch generalisierte oder gar mediengesteuerte motivierende Kommunikation möglich ist in Interaktionen, in 31

32 denen auch physische und organische Faktoren eine Rolle spielen. Selbstverständlich bestehen Zusammenhänge zahlreicher Art zwischen der Ebene sinnorientierter Kommunikation und physischen resp. psychischen Prozessen. So können Gähnen oder Erröten bei einem Rendezvous die Kommunikation maßgeblich und ganz unterschiedlich beeinflussen. Der Begriff symbiotisch zeigt an, dass die symbiotischen Symbole den Bezug der Kommunikation zur organischen Infrastruktur regeln, wobei sie selbst nicht als organische Mechanismen zu verstehen sind. Sie können nicht einmal psychologisch ausreichend erklärt werden, sondern stellen Einrichtungen des sozialen Systems dar, die es diesem ermöglichen, organische Ressourcen zu aktivieren und zu dirigieren sowie Störungen aus dem organischen Bereich in sozial behandelbare Form zu bringen (Luhmann 1993, S. 230). Das Verhältnis der symbiotischen Mechanismen zu organischen und psychischen Prozessen ist variabel. So kann physische Gewalt schon als bloße Möglichkeit wirken unabhängig von organischen Prozessen und von Unterschieden psychischer Dispositionen zu Furcht und Gewaltsamkeit. In Anschluss an die obigen Ausführungen kann man formulieren, dass die Androhung von körperlicher Gewalt schon in der Signatur (dieser exponierten Fassung der Selbstbeschreibung) integriert sein kann, dass sie ihre kommunikative Relevanz jedoch erst in der Gegenzeichnung erfährt. Die Drohung existiert demnach nicht für sich, sondern wird erst im Nachtrag (in der Gegenzeichnung) ausgemacht, und umgekehrt ist es denkbar, dass die Gegenzeichnung Drohung konstruiert, ohne dass die Signatur drohende Aspekte umfasst. So ist es möglich, dass eine bestimmte Körperhaltung, Springerstiefel oder ein kahler Schädel Furcht vor Gewaltanwendung auslösen, ohne dass das strukturell gekoppelte psychische System des Springerstiefelträgers in irgendeiner Form mit Gewalt drohen wollte. Das Beispiel deutet darauf hin, dass sich das Theoriestück der symbiotischen Mechanismen nicht nur auf die Symbolkraft von körperlichen Prozessen und Tätigkeiten beschränkt, sondern auch Aspekte umfasst, welche die körperlichen Faktoren modalisieren: Kleidung, Schminke, Schmuck oder eben: die Zigarette im Mundwinkel. Das Beispiel mit der Zigarette zeigt, dass gerade für die Prävention eine Verknüpfung des Theoriestücks der symbiotischen Symbole mit der Inklusions/Exlusions- Unterscheidung sinnvoll ist. Oben wurde argumentiert, dass von Inklusion die Rede ist, wenn in sozialen Systemen Menschen als Personen resp. Adressen (als Erwartungsbündel) Mitteilungen zugeschrieben oder sie als Adressaten von Mitteilungen markiert werden. Weiters wurde gezeigt, dass psychische Systeme ihre Identität in der sozialen Umwelt in der Form einer Signatur exponieren einer Signatur, die wiederum erst im Nachtrag durch eine Gegenzeichnung (die bei weitem nicht der psychischen Intention entsprechen muss) identifiziert wird. Schließlich wurde gezeigt, dass in diesem kommunikativen Prozess der Gegenzeichnung von Signaturen über symbiotische Symbole auch auf Körper und ihre Ausstattung (Kleidung etc.) Bezug genommen wird oder werden kann. Die These ist nun, dass mit dem Rückgriff auf symbiotische Symbole, also mit dem kommunikativen Bezug auf den Körper und seine Ausstattung die Inklusionswahrscheinlichkeit von Personen in Interaktionssystemen beeinflusst wird. So kann man davon auszugehen, dass sich bestimmte Kleidungsweisen, Haarschnitte, Körperformen (z.b. Schlankheit), aber auch Verhaltensweisen im Rahmen der Interpenetration von psychischen, organischen und sozialen Systemen im Sinn einer Koevolution im Gleichschritt mit dem kommunikativen Bezug auf diese Phänomene (ihrer Symbolik) entwickeln können. In andern Worten: Aus der Perspektive der Kommunikation kann die symbolische Repräsentanz von körperbezogenen Aspekten wie Rauchen oder Gewaltanwendung die Funktion haben, die Gruppenidentität zu stärken und die Bedingungen für die Inklusion resp. Exklusion von Personen in interaktiven Kontexten zu regeln. Eine daran anschließende, empirisch zu prüfende These wäre, dass die symbiotische Symbolik zu einem massiven Anstieg dieser Verhaltensweisen führt, wenn sich diese Verhaltensweisen zu kollektiven Identitäten (Fuhse) entwickeln: Schemata, die von vielen Gruppen für die Strukturierung der Gruppenidentität herangezogen werden. Die zunehmende symbolische Relevanz des Rauchens in Peer-Groups könnte dann eine Erklärung für die massive Zunahme des Tabakkonsums bei (vor allem weiblichen) Jugendlichen in den späten 90er-Jahren darstellen vergleichbar mit Phänomenen der Bekleidungsmode. Da wir hier von Phänomenen sprechen, die nicht ausschließlich sozialer, psychischer oder körperlicher Natur sind, sondern die Kopplungsbereiche dieser Systemebenen betreffen, wäre die (lediglich soziale) symbiotische Symbolik ohne Relevanz, wenn sie nicht auch zu Prozessen in psychischen und körperlichen Umwelt führen würde. So lässt sich argumentieren, dass die beschriebenen körperbezogenen Aspekte aus der Sicht der psychischen Systeme vermehrt in die Signatur integriert werden, um die Inklusionschancen in eine Gruppe zu erhöhen, wenn diese Aspekte in dieser Gruppe mit symbolischer Bedeutung aufgeladen und zur Stärkung der Gruppenidentität eingesetzt werden. In einer Gruppe nicht zu rauchen (oder zu trinken, zu schlagen, zu sprayen etc.), in der das Rauchen (Trinken, Schlagen, Sprayen etc.) als Teil der Gruppenidentität dazu gehört, kann die Inklusionschancen einer Person deutlich schmälern. Ganz ähnlich liegt der Fall beim Phänomen Schlankheit : Füllige Körperformen schmälern in unserem Kulturkreis tendenziell die Inklusionschancen zumindest aus der Perspektive der Betroffenen, was diese dazu motivieren kann zu hungern, um dem gängigen Körperideal eher zu entsprechen. Das Individuum muss in diesem Fall entscheiden, ob es der sozialen Zumutung nachgeben oder ob es sich ihr verweigern will auf die Gefahr hin, dass dies zur (längerfristigen) Exklusion aus der Peer-Group führt. Im Fall des Rauchens wird die Sachlage zusätzlich dadurch kompliziert, dass Nikotingebrauch auf neuronaler Ebene zu Abhängigkeitsmustern führt, die bewusst kaum kontrolliert werden können. Wenn also das Rauchen seine soziale Funktion der Stärkung der Gruppenidentität einbüßt und Inklusion in die Peer-Group nicht mehr im gleichen Maß von Zigarettenkonsum abhängig 32

33 gemacht wird, dann lässt sich das Rauchen oft nicht ablegen wie ein Kleidungsstück, das aus der Mode gekommen ist. Die zu Beginn dieses Textes erwähnte Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2004, S. 20) zeigt denn auch, dass 74% der 12- bis 15- jährigen und 65% der 16- bis 19-jährigen darüber nachdenken, ob sie in näherer Zukunft mit Rauchen aufhören wollen. 39% der jüngeren Gruppe wollen gar innerhalb der nächsten 30 Tage mit dem Rauchen aufhören. Bei den 16- bis 19-jährigen, sind es 29%, die einen kurzfristigen Rauchstopp planen. 6. Die Folgerungen für die Prävention Es wurde gezeigt, dass das Rauchen und andere durch Prävention zu verhindernde Tätigkeiten in bestimmten sozialen Systemen (Peer-Groups) als symbiotische Symbole und als Kommunikationsmedien eingesetzt werden, um die Gruppen-Identität zu stärken und die Bedingungen der Inklusion und Exklusion zu regeln. Weiters wurde argumentiert, dass die mediale Funktion dieser symbiotischen Symbole im Rahmen der Interpenetration von sozialen, physischen und psychischen Systemen das Bewusstsein dazu motivieren kann, seine Signatur durch ein Symbol wie Rauchen zu modifizieren, um seine Inklusionschancen in die Peer-Group zu steigern. Damit wurde das unternommen, was die Prävention in der Regel als erstes unternimmt, wenn sie ihre grundsätzlich paradoxe Aufgabe, ein noch nicht bestehendes Problem zu verhindern, erfüllen will: Sie muss (gegenwärtige) Einflussfaktoren für das zu verhindernde Problem definieren, denn nur durch die Beseitigung (bei Risikofaktoren) resp. Stärkung (bei Schutzfaktoren) dieser Einflussfaktoren kann sie erreichen, dass das Problem auch in der Zukunft nicht auftritt (Hafen 2005, S. 216ff.; 2007a, S. 59ff.). Dass der Erfolg der Prävention trotz dieses einleuchtenden Konzepts (die Einflussfaktoren, nicht die Phänomene zu bekämpfen) nicht so erfolgreich ist, wie man sich das wünscht, hängt mit verschiedenen Aspekten zusammen: Zuerst ist zu bemerken, dass jede Bestimmung von Einflussfaktoren keine Abbildung der Realität darstellt, sondern eine soziale Konstruktion, die mehr oder weniger zuverlässig ausfällt je nachdem, wie wissenschaftlich sie erstellt wurde. Gerade bei hoch komplexen ( biopsycho-sozialen ) Phänomenen wie Sucht oder Gewalt ergibt sich dabei eine so große Anzahl von möglichen, bisweilen voneinander abhängigen Einflussfaktoren, dass der Einfluss einzelner Faktoren kaum zuverlässig bestimmt werden kann. Das wirkt sich auch auf die Wirkung der einzelnen Maßnahmen aus. Wenn z.b. die Selbstwirksamkeitserwartung (Bandura 1997) von Jugendlichen verbessert oder die Werbung verboten wird, dann bleiben zahllose andere Einflussfaktoren unbehandelt, die ebenfalls dazu beitragen, dass Jugendliche mit dem Rauchen beginnen. Dazu kommt, dass die Prävention wie alle professionellen Tätigkeiten der Beschränkung unterworfen ist, dass sie Systeme (psychische oder soziale) nicht intervenieren kann. Sie bleibt darauf limitiert, Prävention in der Form Kommunikationssystemen zu inszenieren, d.h. Lärm in der Umwelt der zu beeinflussenden Systeme zu produzieren und zu hoffen, dass diese Systeme den Lärm im gewünschten Rahmen als Irritationsanlass nutzen. Damit sind mehrere Unwahrscheinlichkeiten verbunden. Zuerst muss die Prävention die Aufmerksamkeit der betreffenden Systeme auf sich ziehen; wenn diese Aufmerksamkeit erreicht ist, müssen die Botschaften (inhaltlich) so verstanden werden, wie sie intendiert waren; wenn sie wie gewünscht verstanden wurden, müssen sie von den Systemen angenommen und nicht abgelehnt werden; wenn sie angenommen wurden, müssen sie längerfristig zu den erwünschten Einstellungsänderungen führen, und wenn auch diese Hürde überwunden ist, muss noch gewährleistet sein, dass sich die gewünschte Verhaltensmodifikation einstellt und in der Folge stabilisiert wird (Hafen 2007b, S ). Die Prävention bleibt unter diesen Bedingungen wie jede Intervention eine sozial fungierende Konstruktion (Fuchs 1999, S. 12), die immer unter der Bedingung der Unsicherheit ihres eigenen Erfolgs operiert. Das wiederum unterscheidet sie nicht von andern intervenierenden Tätigkeiten, und es bleibt ihr wie diesen Tätigkeiten nichts anderes übrig, als sich möglichst gut auf die schwierigen Verhältnisse einzustellen. Das bedeutet, dass sie aufgerufen ist, die zu beseitigenden Ursachen und die Wirkungen der eigenen Interventionsversuche möglichst wissenschaftlich zu erforschen (und zwar empirisch und theoretisch; vgl. Ruckstuhl et al. 2001, S. 41ff.), die Fachleute durch Aus- und Weiterbildungen zu professionalisieren und möglichst optimale organisatorische Bedingungen für die einzelnen Maßnahmen bereit zu stellen. Die professionelle Prävention zeichnet sich durch eine enorme Vielfalt an (theoretisch und empirisch meist unzureichend abgestützten) Zugängen und Methoden aus (EMCDDA 1998, S. 7). Will man diese Heterogenität der Präventionsmaßnahmen gliedern, bietet sich an, die Systemreferenz zu beachten (Hafen 2007b, S. 195ff.), also zu prüfen, ob sich die Maßnahmen direkt an die psychischen Systeme der Zielpersonen richten (hier: der Jugendlichen) oder ob strukturelle Veränderungen in sozialen Systemen in der Umwelt der Jugendlichen angestrebt werden (hier: der Peer-Group) in der Hoffnung, dass diese Veränderungen zur Verhinderung des zur Diskussion stehenden Phänomens beitragen. Obwohl die Bedeutung der sozialsystem-orientierten Prävention in Fachkreisen weit gehend erkannt ist und auch immer mehr Präventionsmaßnahmen durchgeführt werden, die sich an soziale Systeme (Organisationen aller Art; Familien; Peer-Groups) richten, sind die präventiven Aktivitäten immer noch deutlich in der Überzahl, die (vermutete) psychische Einflussfaktoren zu beseitigen versuchen: Informations-, Sensibilisierungs- oder Abschreckungsmassnahmen resp. Maßnahmen, die anstreben, die Zielpersonen durch (behavioristisch gefärbte) Übungseinheiten zu befähigen, sich in Risikosituationen zu schützen (Hafen 2005, S. 449ff.). Das ist auch beim Rauchen nicht anders. Zwar wird der Einfluss der sozialen Umwelt auf das Individuum und seine Psyche gesehen, aber die Maßnahmen setzen in der Regel nicht bei den sozialen Ursachen an, sondern bei psychischen Defiziten wie unzureichender Abgrenzungsfähigkeit oder mangelnder Selbstwirksamkeitserwartung. Auch wenn Peer-Groups involviert sind, richtet sich die Prävention in erster Linie direkt an die Zielpersonen. Das bedeutet, dass die Gruppenstrukturen dafür genutzt werden, um 33

34 präventive Maßnahmen direkt an die Gruppenmitglieder (die gleichzeitig einer Zielgruppe zugerechnet werden) zu richten. Sollte sich empirisch bestätigen lassen, dass Rauchen ein Aspekt der Gruppenidentität darstellen kann und die Inklusionsbedingungen in eine Peer-Group mitbestimmt, dann macht es durchaus Sinn, die individuums-bezogenen Ansätze durch Maßnahmen zu ergänzen, die die Gruppe dabei unterstützen, funktionale Äquivalente zur Stärkung der Gruppenidentität zu entwickeln. Das gilt umso mehr, als der Appell an die Individuen, ihre Gesundheit zu schonen, indem sie auf das Rauchen verzichten, oft wirkungslos verhallt auch weil der Gesundheitsfaktor der gegenwärtigen sozialen Akzeptanz oft als wichtiger eingeschätzt wird, als gesundheitsmindernde Faktoren wie Lungenkrebs, die in 30 Jahren drohen. Wie oben angetönt, darf man sich infolge der operativen Geschlossenheit der zu beeinflussenden Systeme keine Illusionen über die Wirkung dieser Maßnahmen machen. Bei den psychischen Systemen (und ihrer neuronalen Umwelt) stellt sich das Problem, dass die Psychen individuell strukturiert sind und den präventiven Bemühungen in ihrer Umwelt demnach unterschiedliche Informationen abgewinnen, was zu unterschiedlichen Lernprozessen führt. So kann der Hinweis auf die gesundheitsschädigende Wirkung eines Suchtmittels bei den einen die erwünschte Wirkung zeigen, bei andern wirkungslos verhallen und bei Dritten zu einem Jetzt-erst-Recht führen. Doch auch der Versuch, die Strukturen der Peer- Group (hier: die Gruppenidentität) von außen zu verändern, ist kein Königsweg umso mehr als diese Gruppen noch schwerer fassbar sind als Organisationen: So haben Peer-Groups eine eher schwach ausgeprägte soziale Adresse, selbst wenn sie ihr Wir mit einem Namen markieren. Gerade in der Prävention hat man es zudem wie gezeigt immer auch mit Common-Bond-Groups zu tun Gruppen also, die ihre Bindung weniger über Heraushebung der gemeinsamen Gruppenidentität gewinnen als über persönliche Beziehungen. Das Wir der Gruppe erschwert gezielte Interventionen in Peer-Groups ungemein, insbesondere, wenn sich die Gruppenidentität weniger aus der Gruppe selbst (z.b. durch gemeinsame Interessen wie Street-Basketball, Umweltschutz oder zwischenmenschlichen Kontakt) ergibt als aus expliziter Abgrenzung (vor allem so genannten Autoritäten wie Eltern, Lehrkräften oder der Polizei gegenüber). Die Prävention reagiert auf die Adressierungs- und Zugangsschwierigkeiten wie erwähnt dadurch, dass sie Gruppenmitglieder für ihre Anliegen zu gewinnen versucht, die in der informalen Hierarchie der Gruppe eine hohe Stellung innehaben und die als Mediatoren oder als Multiplikatoren (Hafen 2005, S. 497ff.) eingesetzt werden können. Natürlich gewinnt die Prävention dadurch keinen Zugang zu der Gruppe; vielmehr erhofft sie sich, dass sie die Irritationsanlässe mit Unterstützung der Peer- Leader so gestalten kann, dass die Wahrscheinlichkeit der erwünschten Irritationen in der Gruppe und in der psychischen Umwelt der Gruppenmitglieder zunimmt. Die Hoffnung besteht dann in unserem Fall darin, dass die Gruppenmitglieder mit dem Rauchen aufhören oder nicht damit beginnen, wenn die Peer-Leader sich gegen das Rauchen aussprechen. Die Betonung der Schwierigkeiten, welche die Prävention überwinden muss, wenn sie zur Reduktion von Phänomenen wie dem Rauchen beitragen will, impliziert keineswegs, dass auf präventive Maßnahmen grundsätzlich verzichtet werden sollte. Auch andere (z.b. behandelnde Interventionsversuche) sind den gleichen systemischen Unwegsamkeiten ausgesetzt; auch sie bleiben sozial fungierende Konstruktionen, die darauf angewiesen sind, die unfassbare Komplexität der Welt zu reduzieren und damit Vieles unbeachtet zu lassen, das auch von Bedeutung sein könnte. Andererseits zeigen die Ausführungen, dass es für die Heilsphantasien, die bisweilen mit der Prävention in Verbindung gebracht werden, kaum Argumente gibt. Prävention ist kein Allzweckmittel gegen die Probleme in unserer Gesellschaft, sondern einer von unzähligen Steuerungsversuchen, die den evolutionären Prozess der Gesellschaft ausmachen. Daher ist weder Euphorie noch Resignation gefragt, sondern vielmehr eine respektvolle Bescheidenheit kombiniert mit dem Bestreben, sich so gut wie immer möglich auf die komplexen und undurchsichtigen Verhältnisse einzustellen. Summary Around the turn of the century prevention professionals stated with concern that the consumption of cigarettes among adolescents was growing distinctly, despite all efforts to prevent youths from smoking. It was not or only partly possible to explain this development with the established explanations for cigarette-consumption of adolescents. This article offers a complementary approach with the means of the sociological systems theory. The thesis is that smoking in peer-groups is charged with symbolic value in order to strengthen the group-identity, and that this symbolism influences the adolescents chances of inclusion in these groups. For the reasoning established terms and distinctions of the systems theory (symbiotic symbols, inclusion/exclusion, person/social address) are combined with more recent suggestions of terms as Signatur and Gegenzeichnung and confronted with concepts as group whose status in the systems theory is rather unclear. The connection to practice shall be re-established by deriving proposals for professional prevention and by stating some thoughts about the limitations and the possibilities of prevention. Keywords prevention, peer-group, smoking, behavior-oriented prevention, group identity, systems theory, Luhmann Literatur Bandura, A. (1997): Self-efficacy. The exercise of control. New York 34

35 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.) (2004): Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland Teilband Rauchen. Köln EMCDDA European Monitoring Centre for Drugs an Drug Addiction (Hrsg.) (1988): Evaluating Drug Prevention in the European Union. EMCDDA Scientific Monograph Series No. 2, Luxembourg Fuchs, P. (1992): Die Erreichbarkeit der Gesellschaft. Zur Konstruktion und Imagination gesellschaftlicher Einheit. Frankfurt Fuchs, P. (1997): Adressabilität als Grundbegriff der soziologischen Systemtheorie. Soziale Systeme , Heft 1: Fuchs, P. (1998): Das Unbewusste in Psychoanalyse und Systemtheorie. Die Herrschaft der Verlautbarung und die Erreichbarkeit des Bewusstseins. Frankfurt am Main Fuchs, P. (1999): Intervention und Erfahrung. Frankfurt am Main Fuchs, P. (2001): Die Metapher des Systems. Studie zur allgemein leitenden Frage, wie sich der Tanz vom Tänzer unterscheiden lasse. Weilerswist Fuchs, P. (2002): Die konditionierte Koproduktion von Kommunikation und Bewusstsein. In: Bernd Ternes (Hrsg.): Ver-Schiede der Kultur. Aufsätze zur Kippe kulturanthropologischen Nachdenkens (hrsg. von der Arbeitsgruppe menschen formen" am Institut für Soziologie der freien Universität Berlin). Marburg, 2002: Fuchs, P. (2003a): Der Eigen-Sinn des Bewusstseins. Die Person, die Psyche, die Signatur. Bielefeld Fuchs, P. (2003b): Das Unbewusste. Ms. Travenbrück (Verwendete Fassung: Download Version auf fen.ch/texte/gast_fuchs_unbewusst.htm, Downloaddatum ) Fuhse, J. A. (2001): Unser wir ein systemtheoretisches Modell von Gruppenidentitäten. SISS: Schriftenreihe des Instituts für Sozialwissenschaften der Universität Stuttgart Nr.1/2001. Stuttgart (Verwendete Fassung: Online-Version /780/pdf/gruppid.pdf, Downloaddatum: ) Göbel, M./Schmidt, J.F.K. (1998): Inklusion/Exklusion: Karriere, Probleme und Differenzierungen eines systemtheoretischen Begriffspaars. Soziale Systeme 1998, 4/98, Heft 1: Hafen, M. (2004): Jugendliche als bevorzugte Zielgruppe von präventiven Massnahmen ein theorie-geleiteter Blick auf eine Selbstverständlichkeit. Sozialpädagogik Nr. 2, Juni 2005: Hafen, M. (2005a): Systemische Prävention Grundlagen für eine Theorie präventiver Maßnahmen. Heidelberg Hafen, M. (2005b): Prävention und Peer-Groups. Sucht- Magazin 5/2005: Hafen, M. (2007a): Mythologie der Gesundheit. Zur Integration von Salutogenese und Pathogenese. Heidelberg Hafen, M.(2007b): Grundlagen der systemischen Prävention. Ein Theoriebuch für Lehre und Praxis. Heidelberg Herrmann, T. (2001): Kommunikation von Jugend. Analysen zur Jugend der Gesellschaft. Kiel (Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Internetversion von: Downloaddatum: ) Kieserling, A. (1999): Kommunikation unter Anwesenden: Studien über Interaktionssysteme. Frankfurt a.m. Künzel-Böhmer, J./Bühringer, G./Janik-Konecny, T. (1993): Expertise zur Primärprävention des Substanzenmissbrauchs. Baden-Baden Luhmann, N. (1987): Sozialisation und Erziehung. In: Luhmann, N.: Soziologische Aufklärung 4 Beiträge zur funktionalen Differenzierung der Gesellschaft. Opladen, 1987: Luhmann, N. (1990): Sozialsystem Familie. In: Luhmann, N.: Soziologische Aufklärung 5 Konstruktivistische Perspektiven. Opladen, 1990: Luhmann, N. (1993): Symbiotische Mechanismen. In: Luhmann, N.: Soziologische Aufklärung 3 Soziales System, Gesellschaft, Organisation. 3. Auflage. Opladen, 1993: Luhmann, N. (1994a): Soziale Systeme-Grundriss einer allgemeinen Theorie. 5. Auflage, Frankfurt am Main Luhmann, N. (1994b): Die Gesellschaft und ihre Organisationen In: Derlien, H.-U. (Hrsg.): Systemrationalität und Partialinteresse. Festschrift für Renate Mayntz. Baden- Baden, 1994b: Luhmann, N. (1998): Was ist Kommunikation? In: Simon, F.B. (Hrsg.): Lebende Systeme. Wirklichkeitskonstruktionen in der systemischen Therapie. 2. Auflage, Frankfurt am Main, 1998: Luhmann, N. (2000): Organisation und Entscheidung. Opladen/Wiesbaden Luhmann, N. (2002): Das Erziehungssystem der Gesellschaft. Hrsg. von Dieter Lenzen. Frankfurt am Main Parsons, T. (1959): Some Fundamental Categories of the Theory of Action: A General Statement. In: Parsons, T./ Shils, E. A. (Hrsg.): Toward a General Theory of Action. Cambridge, Massachusetts, 1959: 3-27 Petraitis, J./Flay, B.R./Miller, T.Q. (1995): Reviewing Theories of Adolescent Substance Use. Organizing Pieces in the Puzzle. Psychological Bulletin, 1995, Vol. 117, No. 1, Prentice D. A./Miller D.T./Lightdale J.R. (1994): Asymmetries in Attachments to Groups and to Their Members: Distinguishing Between Common-Identity and Common- Bond Groups. Personality and Social Psychology Bulletin, 1994, Vol. 20, No.5, Ruckstuhl, B./Kolip, P./Gutzwiller, F. (2001): Qualitätsparameter in der Prävention. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA (Hrsg.): Qualitätsmanagement in Gesundheitsförderung und Prävention 35

36 Grundsätze, Methoden und Anforderungen: Eine aktuelle Bestandesaufnahme. Köln, 2001: Spencer Brown, G. (1997): Laws of Form Gesetze der Form. Lübeck Tönnies, F. (1991): Gemeinschaft und Gesellschaft. Darmstadt Uhl, A. (1998): Evaluation of Primary Prevention in the Field of Illicit Drugs. Definitions Concepts Problems. Results of an International Consensus Study within the COST-A6 Action of the European Union. In: Uhl, A./Springer, A. (Hrsg.): COST A6. Evaluation Research in Regard to Primary Prevention of Drug Abuse. Brüssel, Zwingmann, E./Emlein, G./Schwertl, W./Staubach, M.L. (1998): Management von Dissens. Die Kunst systemischer Beratung von Organisationen. Frankfurt am Main/New York Korrespondenzadresse Prof. (FH) Dr. Martin Hafen Hochschule Luzern Soziale Arbeit Werftestr. 1 Postfach 3252 CH-6002 Luzern Tel.: +41-(0) Fax: +41-(0) martin.hafen@hslu.ch Web: 36

37 Originalarbeit S Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/ Das letzte Jahr der Zigarettenwerbung in Österreich Ein Spiel mit Warnhinweisen, Billigpreisen und Farbcodes Irene Schmutterer Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Suchtforschung (LBISucht) am Anton-Proksch-Institut (API) Zusammenfassung Teilweise in Umsetzung von EU Richtlinien, teilweise darüber hinausgehend wurde Ende 2006, abgesehen von wenigen Ausnahmen, in Österreich jegliche Werbung für Zigaretten verboten. Ein Anlass für die Tabakindustrie in diesem Jahr noch ein letztes Mal kräftig für ihre Produkte zu werben. Die Beschreibung der Fülle an Zigarettenwerbung, sowie die bei deren Betrachtung zu Tage getretenen Marketingstrategien das Spiel mit den gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweisen, der in der Werbung aufgenommene Preiskampf der Billigzigaretten kurz vor der Einführung des Mindestpreises oder die Verwendung von Farbcodes anstelle verbotener Bezeich nungen, wie light oder mild sind Inhalt des vorliegenden Artikels. Die beschriebenen Strategien werden mit anschaulichen Beispielen belegt; ihnen vorangestellt wird eine detaillierte Übersicht über Entstehung und Inhalt von Richtlinien und Gesetzen in Bezug auf Verpackung und Werbung von Tabak in Österreich und auf EU Ebene. Schlüsselwörter Werbung, Tabak, Verbot, Zigaretten, Warnhinweise, Prävention 1. Einleitung 2006 war ein ganz besonderes Jahr für die Zigarettenwerbung in Österreich. Zum einen wurde sie Ende des Jahres endgültig verboten, zum anderen wurde sie aus diesem Anlass noch einmal intensivst betrieben. Letzteres ist nicht nur als Phänomen interessant zu beobachten, sondern liefert auch einen Fundus an Material zur Analyse von Werbestrategien der Tabakindustrie. Im Folgenden werden die durch Richtlinien und Gesetzte schrittweise erfolgten Einschränkungen der Tabakwerbung in Österreich und auf EU Ebene, die für das Jahr 2006 und darüber hinaus gültigen Bestimmungen zu Werbung, Verpackung und Etikettierung von Tabakwaren und die Einführung des Mindestpreises erläutert und daran anschließend die Zigarettenwerbung des Jahres 2006 in Österreich beschrieben. 2. Richtlinien und Gesetze zu Tabakwerbung 1991 wurde von Seiten der EU jede Art der Fernsehwerbung für Zigaretten und andere Tabakerzeugnisse mit der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit in den Mitgliedsstaaten der EU verboten. Darüber hinaus sah diese Richtlinie vor, dass Fernsehsendungen nicht von Unternehmen gesponsert werden dürfen, deren Haupttätigkeit die Herstellung oder der Verkauf von Zigaretten und anderen Tabakerzeugnissen ist. Der Verkauf von Tabakerzeugnissen über das Fernsehen wurde durch diese Richtlinie ebenfalls verboten. In Österreich gab es zu diesem Zeitpunkt nur das Österreichische Rundfunk Fernsehen (ORF), in welchem bereits zuvor jegliche Werbung für Tabak verboten war (ORF-Gesetz 1984). In einem zweiten Schritt sollte 1998 die Festlegung weiterer Werbeverbote durch die Richtlinie 98/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen folgen. Deutschland war der Auffassung, dass die Europäische Union damit ihre Befugnisse überschreitet und klagte gegen die Richtlinie beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Argumentiert wurde, bestimmte Arten von Werbung, deren Verbot die Richtlinie vorsah auf Plakaten, Sonnenschirmen, Aschenbechern und in Kinos hätten keine Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt. So sah dies auch der Europäische Gerichtshof, der daraufhin die Richtlinie in der Rechtssache C-376/98, Bundesrepublik Deutschland gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, für nichtig erklärte (Informationsbüro des Europäischen Parlaments für Österreich). Nun wurde 2003 die vorsichtiger formulierte Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen verabschiedet. Diese Richtlinie bezieht sich auf Werbung für Tabakerzeugnisse in Presse und anderen gedruckten Veröffentlichungen, im Hörfunk, über Dienste der Informationsgesellschaft (Internet) und Sponsoring mit grenzüberschreitender Wirkung. Mit Ausnahme von Druckerzeugnissen, die für im Tabakhandel tätige Personen bestimmt sind, sowie Veröffentlichungen, die in Drittländern gedruckt und herausgegeben werden und nicht hauptsächlich für den Gemeinschaftsmarkt bestimmt sind, wird die Bewerbung von Tabakerzeugnissen in allen Druckmedien verboten. Ebenfalls verboten wurde die Werbung über Dienste der Informationsgesellschaft, sowie über den Rundfunk, wobei der Zusatz gilt, dass Rundfunkprogramme auch nicht von Unternehmen gesponsert werden dürfen, deren Haupttätigkeit die Herstellung oder der Verkauf von Tabakerzeugnissen ist. Außerdem wurden das Sponsoring von Veranstaltungen und Aktivitäten mit grenzüberschreitender Wirkung (z.b. Formel-1-Rennen), sowie die kostenlose Verteilung von 37

38 Tabakerzeugnissen im Zusammenhang mit solchen Veranstaltungen untersagt. Im Gegensatz zu der von Deutschland erfolgreich eingeklagten Richtlinie 98/43/EG fallen bei der Richtlinie 2003/33/EG indirekte Werbung, Sponsoring von Veranstaltungen und Aktivitäten, die keine grenzüberschreitende Wirkung haben, sowie Produkte zur Tabakentwöhnung nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie. Auch Kino- und Plakatwerbung wurden nicht verboten. Spätestens bis 31. Juli 2005 hatten die Mitgliedsstaaten den Bestimmungen der Richtlinie durch Setzen der erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften nachzukommen. 2.1 Generelles Werbeverbot für Tabakerzeugnisse durch das Österreichische Tabakgesetz Österreich setzte die Richtlinie 2003/33/EG im Rahmen des Bundesgesetzes über das Herstellen und das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und den Nichtraucherschutz kurz Tabakgesetz (BGBl. I Nr. 167/2004) um. Neben Verboten und Beschränkungen für Tabakwerbung und - sponsoring enthält dieses auch Regelungen zu Produktion und Vertrieb von Tabakprodukten, Nichtraucherschutzbestimmungen und Etikettiervorschriften. In der Fassung BGBl. I Nr. 167/2004 verbietet das Tabakgesetz ab 31. Juli 2005 generell jede Werbung und jedes Sponsoring für Tabakerzeugnisse. Ergänzend wurden Übergangsbestimmung bis zum 31. Dezember 2006 und zeitlich unbegrenzte Ausnahmen festgelegt Übergangsbestimmungen bis Ende 2006 Zu den Übergangsbestimmungen bis zum 31. Dezember 2006 zählen Sponsoring von Veranstaltungen oder Aktivitäten, an denen nur ein Staat beteiligt ist, Plakatwerbung sowie Kinowerbung im Rahmen von Kinovorstellungen in denen Kinder und Jugendliche nicht zugelassen sind Zeitlich unbegrenzte Ausnahmen Zu den zeitlich unbegrenzten Ausnahmen zählen so genannte Diversifizierungsprodukte. Namen, Marken oder Symbole, die zur Zeit des In-Kraft-Tretens des Verbots bereits sowohl für Tabakerzeugnisse als auch für andere Erzeugnisse verwendet wurden, dürfen auch weiterhin für diese anderen Erzeugnisse, für deren Bewerbung sowie für Sponsoring zugunsten dieser Erzeugnisse verwendet werden vorausgesetzt, dass es sich dabei eindeutig nicht um Tabakerzeugnisse handelt. Beispiele hierfür sind der Energy Drink Memphis Blue Power, Camel Boots, Stuyvesant Travel, Produkte der englischen Luxuswarenfirma Dunhill oder die CD Kompilation Schall und Rauch von Nil. Ohne zeitliche Begrenzung ausgenommen sind auch Mitteilungen, die ausschließlich für im Tabakhandel tätige Personen bestimmt und ausschließlich diesen zugänglich sind, Presse und andere gedruckte Veröffentlichungen, die in Drittländern (wie z.b. der USA) gedruckt und herausgegeben werden, sofern diese Veröffentlichungen nicht hauptsächlich für den Gemeinschaftsmarkt der Europäischen Union bestimmt sind, die Darbietung der zum Verkauf angebotenen Tabakerzeugnisse und Preisangaben für diese Tabakerzeugnisse an den zum Verkauf von Tabakerzeugnissen befugten Stellen, Werbung durch Tabaktrafikanten an der Außenseite des Trafiklokals und im Trafiklokal, sowie die stückweise Gratisabgabe an erwachsene Raucher in Tabaktrafiken anlässlich der Neueinführung einer Marke innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten nach erstmaligem In-Verkehr- Bringen dieser Marke Einschränkungen zu Übergangsbestimmungen und zeitlich unbegrenzten Ausnahmen Für die Übergangsbestimmungen und die zeitlich unbegrenzten Ausnahmen des Werbe- und Sponsoringverbots gibt es jedoch Einschränkungen: Werbung ist mit einem deutlich lesbaren Warnhinweis in schwarzer Schrift und auf weißem Hintergrund in Gesamtgröße von 10% des jeweiligen Werbemittels zu versehen, der die Gesundheitsschädlichkeit des Tabakkonsums zu beinhalten hat. Plakatwerbung für Tabakerzeugnisse im allgemeinen Plakatanschlag ist nur bis zur Größe von 16 Bogenanschlägen zulässig. Sie ist unzulässig im direkten Sichtbereich von Schulen und Jugendzentren. Werbung für filterlose Zigaretten ist verboten. Werbung für Tabakerzeugnisse unter Verwendung von Aussagen, Aufmachungen oder Darstellungen, durch die der Eindruck hervorgerufen wird, dass der Genuss von Tabakerzeugnissen gesundheitlich unbedenklich sei, ist verboten. Werbung für Tabakerzeugnisse unter Verwendung von Aussagen oder Darstellungen, die sich speziell an die Zielgruppe der Jugendlichen richten, ist verboten. Werbung für Tabakerzeugnisse durch Darstellung von rauchenden oder zum Rauchen auffordernden Personen, deren Alter unter dem 30. Lebensjahr liegt oder die vom Verbraucher für jünger als 30 Jahre gehalten werden können, sowie durch Darstellung von Leistungssportlern und durch Darstellung oder Nennung von Prominenten jeweils auch in gezeichneter oder karikierter Form sowie durch Wiedergabe von deren Äußerungen über das Rauchen, ist verboten. Werbung für Tabakerzeugnisse unter Verwendung gezeichneter Bildererzählungen (Comics) sowie einzelner Figuren daraus ist verboten. Werbung für Tabakerzeugnisse durch Verteilung von im Zusammenhang mit Tabakerzeugnissen stehenden Werbeartikeln an Kinder und Jugendliche oder mit Werbeartikel, die üblicherweise für Kinder bestimmt sind, ist verboten. Werbung für Tabakerzeugnisse durch Himmelsschreiber oder ähnliche die allgemeine Aufmerksamkeit erregende Aktionen ist verboten. Mit diesen Bestimmungen setzte Österreich im Tabakgesetz nicht nur die von der EU vorgegebenen Werbeverbote um, sondern ging noch ein paar Schritte weiter. Nachdem mit 31. Juli 2005 die Verbote der EU-Richtlinie umgesetzt waren, wurde ab 1. Jänner 2007 zusätzlich die Plakat- und Kinowerbung für Tabakerzeugnisse, sowie das Sponsoring von Veranstaltungen oder Aktivitäten, auch ohne grenzüberschreitende Wirkung, untersagt. Außerdem gab es auch vor der Umsetzung der EU- 38

39 Richtlinie schon Annäherungen an diese. Obwohl die Europäische Union erst mit 31. Juli 2005 ihren Mitgliedstaaten ein Verbot der Zigarettenwerbung in Presse und anderen gedruckten Veröffentlichungen abverlangte, sah das österreichische Tabakgesetz bereits zuvor eine Beschränkung der Tabakwerbung in Printmedien dahingehend vor, dass nur maximal eine Seite Tabakwerbung pro Ausgabe erlaubt war. Neben dem Tabakgesetz werden Werbeverbote für Tabakerzeugnisse in Österreich auch noch in anderen Gesetzten festgeschrieben: Das ORF-Gesetz untersagt jede Form der Werbung für Tabakwaren im Radio, im Fernsehen und auf der Homepage des ORF (ORF- Gesetz idf BGBl. I Nr. 159/ 2005), das Privatfernsehgesetz jede Form der Werbung und Teleshopping für Zigaretten und andere Tabakerzeugnisse auf Privatfernsehsendern und das Privatradiogesetz Werbesendungen für Tabakwaren über Privatradiosender. Schulunterrichtsund Schulorganisationsgesetz verbieten Werbung für Tabakerzeugnisse in der Schule, bei Schulveranstaltungen und bei schulbezogenen Veranstaltungen. 3. Richtlinien und Gesetze zu Verpackung und Etikettierung von Tabakerzeugnissen Auf EU Ebene wurde 2001 die Richtlinie 2001/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen verabschiedet. Neben Bestimmungen zu Inhaltsstoffen, wie zum Beispiel der Festlegung einer Höchstgrenze für Teer-, Nikotinund Kohlenmonoxidgehalt, finden sich dort auch Vorschriften in Bezug auf Verpackung und Etikettierung von Tabakerzeugnissen. Begriffe, Namen oder Marken, wie light oder mild für Zigaretten mit niedrigerem Nikotin- und Teergehalt, erwecken den Eindruck, dass diese weniger schädlich wären, als andere. Da dies jedoch nicht so ist Raucher- Innen gleichen den Nikotinmangel durch intensiveres Inhalieren und einen höheren Konsum aus (Rauchfrei- Info-Portal) wurde durch die oben erwähnte Richtlinie ab 30. September 2003 die Verwendung von Begriffen, Namen, Marken und figurativen oder sonstigen Zeichen, die den Eindruck erwecken, dass ein bestimmtes Tabakerzeugnis weniger schädlich als andere sei, verboten. Weiters wurde mit dieser Richtlinie der Aufdruck des gemessenen Teer-, Nikotin- und Kohlenmonoxidgehalts auf der Schmalseite, sowie das Anbringen von Warnhinweisen auf Vorder- und Rückseite von Zigarettenpackungen vorgeschrieben. Hierzu wurden sehr genaue Angaben, wie Größenverhältnis zur Packung, Ort der Anbringung, Schriftart und dergleichen gemacht. Für die Vorderseite der Zigarettenpackung müssen zwei formulierte Warnhinweise, für die Rückseite vierzehn verschiedene Formulierungen abwechselnd verwendet werden. Die zu der EU Richtlinie entsprechenden gesetzlichen Regelungen für Österreich finden sich im Österreichischen Tabakgesetz (BGBl. Nr. 431/1995 idf BGBl. I Nr. 167/2004). Mit 30. September 2003 verbietet dieses die Verwendung von Begriffen, Namen, Marken und figurativen oder sonstigen Zeichen, die den Eindruck erwecken, dass ein bestimmtes Tabakerzeugnis weniger schädlich als andere sei. Vorgeschrieben wird dafür das Anbringen von Warnhinweisen und der Aufdruck des gemessenen Teer-, Nikotin- und Kohlenmonoxidgehalt. 4. Einführung des Zigarettenmindestpreis Am 15. Mai 2006 wurde in Österreich ein Mindestpreis von 3,25 Euro pro 20 Stück Packung Zigaretten festgelegt eine Strategie, die zuvor auch schon andere EU Länder, wie Italien, Belgien, Irland, Griechenland oder Frankreich gewählt haben, um Billigzigaretten zu vermeiden. Die EU gab sich von den staatlich festgesetzten Mindestpreisen wenig begeistert, da diese ihrer Auffassung nach gegen EU-Recht verstoßen und klagte diese Länder. Die Mindestpreise werden von den Staaten, die diese verfügten, mit dem Ziel des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung begründet. Die Europäische Union fände zu diesem Zweck eine Erhöhung der Verbrauchssteuern auf Zigaretten oder die Einführung einer Mindeststeuer angemessener (Mindestpreisregelungsverordnung 2006, Ö1 Inforadio vom ). 5. Werbung für Zigaretten in Österreich 2006 Angesichts der Ausweitung des Werbeverbots wurde 2006 in Österreich besonders heftig mit Plakaten für Zigaretten geworben. Nach dem Verbot der Tabakwerbung im Fernsehen, im Radio, im Internet, in Zeitungen und Zeitschriften, sowie dem Verbot des Sponsoring von grenzüberschreitenden Veranstaltungen wurde mit Ende des Jahrs 2006 neben der Kinowerbung und dem Sponsoring von nicht grenzüberschreitenden Veranstaltungen auch die Plakatwerbung für Zigaretten und andere Tabakerzeugnisse verboten. Zudem bot, nach dem Fall des österreichischen Tabakmonopols, das Jahr 2006 für ausländische Tabaksorten die letzte Möglichkeit durch Werbung Marktanteile in Österreich zu erobern. Besonders auffällig waren die Kampagnen von Lucky Strike (British American Tobacco, BAT), John Player (Imperial Tobacco) und Pall Mall (BAT). Die Lucky Strike Kampagne sonst nichts wurde im April 2006 in Österreich gestartet und war bis zum Ende des Jahrs durchgehend präsent. Mit witzigen Sprüchen, oft zu aktuellen Ereignissen, wie der Fußball Weltmeisterschaft, dem Lifeball, Ostern oder der Nationalratswahl passend, wurden Lucky Strike Päckchen auf schwarzem Hintergrund beworben. John Player warb mit Spielmotiven, wie Schach, Mühle, Billard oder Darts, Pall Mall mit der Angabe von Billigpreisen auf Plakaten in grellen bunten Farben mit unterschiedlichen Slogans mit oftmaligem Bezug zu Urbanem. Daneben gab es noch Plakate für Marken, wie Memphis, Smart, Batton, Benson & Hedges, Camel und LD. 39

40 Einen Eindruck von der Fülle der Zigarettenwerbeplakate des Jahrs 2006 gibt die Plakatdatenbank von Epamedia, ein österreichischer Anbieter für Werbung im öffentlichen Raum. Der Vergleich des Suchergebnisses für die Produktgruppe Tabakwaren sortiert nach Jahren ist beeindruckend. Für die Jahre 1996 bis 2000 gibt es in der Datenbank pro Jahr im Durchschnitt 9 Plakattreffer. Für die Jahre 2001 bis 2005 findet man etwas weniger, nämlich durchschnittlich 4 Plakate pro Jahr. Für das Jahr 2006 zeigt die Datenbank 54 Treffer an (Epamedia Plakatdatenbank). Interessant zu beobachten war auf diversen Plakaten das kreative Spiel mit den gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen. Die Warnhinweise wurden durch lustige Sprüche ersetzt, auf mehr oder weniger subtile Art verdeckt oder deren Intention konterkariert (Abb. 1 bis Abb. 5). Dabei wird den Warnhinweisen ihre Ernsthaftigkeit nicht nur in der Zigarettenwerbung genommen. Die Zweckentfremdete Verwendung der Tabak Warnhinweise ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen, das sich auf vielerlei Bereiche erstreckt: Verkauf von T-Shirts mit lustigen Warnhinweissprüchen, wie Nur die besten sterben jung, Kundgabe von (politischen) Überzeugungen auf Aufklebern in Form von Zigarettenpackungen mit Warnhinweisen, wie lesen reduziert ihren Intelligenzquotienten, Bewerbung einer Jeansmarke in Schaufenstern mit 1 Meter großen Zigarettenpackungen, gefüllt mit in Zigarettenform gerollten Jeans und dem (Warn-)Hinweis Because we care. Auch zu sehen war auf den Plakaten die Verwendung von Farbcodes anstelle der verbotenen Bezeichnungen, wie light oder mild, zur Kennzeichnung von Zigaretten mit geringerem Nikotingehalt (Abb. 2 und Abb. 4). In Kontrast zu den kräftigen und dunklen Farben der Packungen von Zigaretten mit normalem Nikotingehalt (meist rot), signalisieren die zarten, hellen Farben der Packungen mit niedrigerem Nikotingehalt (meist blau) das ungeschriebene light. Mitte des Jahrs eingeführt werden sollte, begann die Austria Tabak um ein baldiges Ende der Billigzigaretten wissend im Februar 2006 ebenfalls mit Plakatpreiswerbung für Billigzigaretten. Dafür setzte sie ihre Marken Smart, Benson & Hedges, bald auch LD und Batton ein. Im März 2006 stieg mit John Player auch eine Marke der Imperial Tobacco Group in die Preisschlacht der Plakatwerbung ein. Camel, eine Marke der JT International, fiel mit einer Plakatpreiswerbung über dem Mindestpreis auf. Nach der Einführung des Mindestpreises wurde im August auf einem Camel Plakat mit einem Preis über dem Mindestpreis geworben. Beispiele von Zigarettenwerbeplakaten 2006: Abb. 1: Plakat Batton, März 2006 Quelle: Foto, März 2006 Der Warnhinweis der Zigarettenpackung wird auf dem Alpenglück Plakat für Batton (Abb. 1) teilweise durch einen Kussmund verdeckt. Abb. 2: Plakat Lucky Strike, Juni 2006 Ebenfalls deutlichen Niederschlag in der Plakatwerbung fand das Phänomen der Billigzigaretten, dem Mitte Mai in Österreich durch die Einführung eines Mindestpreises von 3,25 Euro je Packung Zigaretten ein Ende gesetzt wurde. Von Beginn des Jahrs bis zur Einführung des Mindestpreises wurden Plakate mit Preisangaben für eine Packung der jeweils beworbenen Zigarettenmarke mit Preisen unter 3,25 Euro (Abb. 4 und Abb. 5) aufgehängt. Nach der Einführung des Mindestpreises am 15. Mai folgten noch ein paar Plakate mit der Preisangabe 3,25 Euro (Abb. 6), oder darüber. Die Plakatpreiswerbung begonnen hat in Österreich Pall Mall im Jänner Die Plakate der Marke Pall Mall von British American Tobacco wurden das ganze Jahr über mit Preisangaben versehen. Während der Billigpreiskampf auf und auch abseits von Plakaten eine willkommene Strategie für ausländische Marken bot, nach dem Fall des Tabakmonopols in Österreich, Marktanteile zu erobern, kam er der um Einbußen ihrer Marktanteile fürchtenden Austria Tabak weniger gelegen; sie hoffte auf dessen Beendigung durch die Einführung eines Mindestpreises. Sobald bekannt wurde, dass ein solcher Quelle: Foto, Juni 2006 Auf dem Garantiert ohne Kleingedrucktes! Plakat für Lucky Strike (Abb. 2) sind die Zigarettenpackungen nur oberhalb der Warnhinweise, die als Kleingedrucktes bezeichnet werden, zu sehen. Der Hinweis Garantiert ohne Kleingedrucktes!, obwohl es einen kleingedruckten Warnhinweis zwar nicht auf den Zigarettenpackungen, 40

41 aber im unteren Bereich des Plakats gibt, erzeugt eine skurrile Spannung und rückt den Warnhinweis ins Lächerliche. Die Packung mit dem geringeren Nikotingehalt wirkt optisch durch das hellblau erscheinende Silber, die weiße Schrift und den hellroten Hintergrund weniger stark, als die in dunkelrot und olivgrün gehaltene, schwarz beschriftete Packung mit dem normalen Nikotingehalt.. eine auf diesem platzierte Zigarette verdeckt. Bei der Packung in kräftigem Rot handelt es sich übrigens um die Variante ohne Nikotinreduktion die Packung der nikotinreduzierten Variante ist bei dieser Marke hellblau. Abb. 5: Plakat Smart, März 2006 Abb. 3: Plakat Achten Sie auf die Marke, März 2006 Quelle: Foto März 2006 Quelle: Foto, März 2006 Auf dem Plakat Achten Sie auf die Marke (Abb. 3) wird der Warnhinweis auf der No-Name Packung Geiz mit folgendem Spruch ersetzt: Geizen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu. Dieses aus werbepsychologischer Sicht beachtenswerte Plakat konterkariert die Bedeutung des Warnhinweises (Empfehlung nicht zu rauchen) durch einen fast gleich lautenden Text mit diametral entgegen gesetzter Aussage (Empfehlung zu rauchen wenngleich Markenzigaretten empfohlen werden) und assoziiert den vom Warnhinweis nahe gelegten Verzicht auf Rauchen gleichzeitig auch noch mit dem negativ konnotierten Begriff Geiz. Auf dem Echt wow! Plakat für Smart (Abb. 5) werden die Warnhinweise auf dreierlei Art verdeckt. Der untere Teil des Plakats ist mit einem leicht durchsichtig blauen Film überlegt, der auf derselben Höhe endet, wie auch die Warnhinweise. Zusätzlich werden die Hinweise durch die Aufschrift des Slogans Smart ist echt wow! und die Unterlegung der Preisangabe in Form eines großflächig rot-orangen Sterns verdeckt. Die Preisangabe von 2,80 Euro bietet einen Referenzwert für den bevorstehenden Mindestpreis. Abb. 6: Plakat Pall Mall, Juli 2006 Abb. 4: Plakat John Player, April 2006 Quelle: Foto, Juli 2006 Quelle: Foto, April 2006 Das Plakat Tasteful.Colourful.Wonderful. (Abb. 6) ist ein Beispiel für die werbliche Reaktion auf den Zigarettenmindestpreis von 3,25 Euro nach dessen Einführung. Das Tischfussball Plakat für John Player (Abb. 4) bietet mit der Preisangabe von 3 Euro einen Referenzwert für die bevorstehende Einführung des Mindestpreises für Zigaretten an. Außerdem wird der Warnhinweis durch 41

42 6. Resümee Die Fülle an Zigarettenwerbeplakaten und die zur Illustration für diesen Artikel herausgenommenen Beispiele zeigen, dass die Tabakindustrie die ihr noch verbleibende Zeit im Jahr 2006 gut nutze. Um Marktanteile zu erweitern, Marken bekannt(er) zu machen, bestehende Markenimages zu festigen oder Marken mit neuen Images zu verknüpfen, wurde im Vorfeld des Verbots alles unternommen, was in diesem Sinn legal bzw. grenzlegal möglich war (Stichwort Warnhinweise und Farbcodes). Auch wenn die verstärkte Zigarettenwerbung im Jahr 2006 aus einer gesundheitspolitischen Sicht abzulehnen ist, können wir aus einer werbetechnischen Perspektive nicht umhin die Kreativität, mit der die Werbetexter- und -designerinnen die bestehenden Gesetzesvorschriften umgingen, konterkarierten und teilweise sogar für ihre Zwecke nutzen, zu würdigen. Hier zeigt sich besonders deutlich, dass die besten und kreativsten Werbeexpert- Innen eben dort tätig sind, wo man für ihre Leistungen viel bezahlen kann. Wünschenswert wäre es daher, wenn auch die Prävention über ausreichende finanzielle Mittel verfügte, um ihre Gesundheitsbotschaften genauso effizient und professionell verpacken zu können, wie das die Industrie tut, wenn sie mit Witz und Originalität den Konsumenten gesundheitsgefährdendes Verhalten mit ihren Produkten nahe legt. Summary Partly through the implementation of EU Guidelines, partly in addition to them tobacco advertising was forbidden in Austria at the End of 2006 apart from a view exceptions totally. For the tobacco industry this was an occasion to promote their products massively for the last time. The paper describes the plenty of tobacco advertisements and the marketing strategies that became evident by examining them hiding or foiling the statutory health warnings, a price war in advertisement shortly before the implementation of a price floor or the use of a color code instead of forbidden terms such as light or mild. The described strategies are supported by vivid examples; prefatory a detailed overview of development and content of guidelines and laws concerning packaging and labeling of tobacco products as well as tobacco advertising in Austria and on EU level is given. Keywords advertising, tobacco, ban, cigarettes, health warnings, prevention Literatur Epamedia Plakatdatenbank. unter Research & Services Poster Search (Stand ) Informationsbüro des Europäischen Parlaments für Österreich. Rauchen kann tödlich sein Sie waren gewarnt! od=&lang=de&xslfile=defaultt.xsl (Stand ) Mindestpreisregelungsverordnung (2006): Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über die Festsetzung des Mindestkleinverkaufspreises für Tabakerzeugnisse zur Sicherstellung eines Mindestpreisniveaus. BGBl. II Nr. 171/ 2006 Ö1 Inforadio vom , html (Stand ) ORF-Gesetz (1984): Bundesgesetz über den österreichischen Rundfunk. BGBl. Nr. 379/1984 (in dieser, sowie in der Fassung BGBl. I Nr. 159/2005) Privatfernsehgesetz PrTV-G (2004): Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privates Fernsehen erlassen werden. BGBl. I Nr. 84/2001 IdF BGBl. I Nr. 169/2004 Privatradiogesetz PrR-G (2004): Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden. BGBl. I Nr. 20/2001 idf BGBl. I Nr. 169/2004 Rauchfrei-Info-Portal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). (Stand ) Richtlinie 98/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen Schulorganisationsgesetz SchOG. (2006) Bundesgesetz vom 25. Juli 1962 über die Schulorganisation. BGBl. Nr. 242/1962 idf BGBl. I Nr. 20/2006 Schulunterrichtsgesetz SchUG. (2006) Bundesgesetz über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in dem im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen. BGBl. Nr. 472/1986 (WV) idf BGBl. I Nr. 20/2006 Tabakgesetz (2004) Bundesgesetz über das Herstellen und das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und den Nichtraucherschutz (Tabakgesetz). BGBl. Nr. 431/1995 idf BGBl. I Nr. 167/2004 Korrespondenzadresse Mag. Irene Schmutterer Ludwig-Boltzmann-Institut für Suchtforschung Mackgasse 7-11 A-1230 Wien Tel.:+43-(0) schmutterer@api.or.at 42

43 Originalarbeit S Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 Beziehungsstrukturen und Konfliktlösestrategien bei primären und sekundären Alkoholikern Schlüsselwörter Alkoholismus, Abwehrmechanismen, Beziehungsstrukturen, Komorbidität Nadja Springer (1), Christine Gruber (1), Alfred Springer (2) (1) wissenschaftliche Mitarbeiterin des Ludwig-Boltzmann-Institut für Suchtforschung (LBISucht) am Anton-Proksch-Institut (API) (2) Leiter des Ludwig-Boltzmann-Institut für Suchtforschung (LBI- Sucht) am Anton-Proksch-Institut (API) Zusammenfassung Der zentrale Inhalt dieses Artikels stellt Ergebnisse einer 2004 veröffentlichten Diplomarbeit zum Thema: Beziehungsstrukturen und Konfliktlösestrategien bei primären und sekundären Alkoholikern (Springer, N. betreut durch Krispyn-Exner I., Jagsch, R.) dar. Ebenso erfolgt ein kurzer Überblick über eine laufende Studie des Ludwig-Boltzmann- Instituts für Suchtforschung in Kooperation mit dem Anton- Proksch-Institut (Stiftung Genesungsheim Kalksburg/Wien) unter dem Titel Komorbidität und Sucht, die den Rahmen für die bereits erwähnte Diplomarbeit bietet. Die Stichprobe der Gesamtstudie setzt sich aus 50 weiblichen und 51 männlichen stationär aufgenommenen PatientInnen des Anton-Proksch-Instituts zusammen. Im Rahmen der Hintergrundstudie wurde mit standardisierten diagnostischen Interviews, Tiefeninterviews sowie Tests und Fragebögen erhoben, wieweit die psychiatrische Komorbidität als Ursache für die Entstehung des Alkoholismus (sekundärer Alkoholismus) bzw. wieweit diese als Folge des Alkoholismus (primärer Alkoholismus) anzusehen ist. Die Daten dazu wurden über Fragebogenerhebungen (FFT, CAST-E) klinische Interviews (Mini-DIPS) und Tiefeninterviews, in der dritten/vierten Aufenthaltswoche des stationären Aufenthalts, erhoben. In einem ersten Auswertungsschritt erfolgte die Zuordnung des Gesamtsamples in die Gruppen der primären/eher primären und sekundären/eher sekundären AlkoholikerInnen. Die quantitative Datenanalyse mittels SPSS 10.0 erfolgte dann auf Grundlage dieser Zuteilung. Die Diplomarbeit stellt eine Erweiterung der Hintergrundstudie in zwei Themenbereichen dar. Basierend auf der Unterscheidung zwischen primärem und sekundärem Alkoholismus erfolgten eine vertiefte Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Abwehrmechanismen dieser spezifischen Population sowie eine Untersuchung vorhandener Beziehungsstrukturen. Theoretisch wurde Bezug genommen auf die tiefenpsychologischen Theorien der Suchtentstehung. Die Hypothesenprüfung konzentrierte sich vor allem auf Unterschiede zwischen den Alkoholismus-Typen und auf geschlechtsspezifische Unterschiede. Die Untersuchungsverfahren, die verwendet wurden, waren der FKBS (Fragebogen zu Konfliktlösestrategien/Abwehrmechanismen) und die INTREX-Kurzform (Instrument zur Erhebung von Beziehungsstrukturen). 1. Die Hintergrundstudie 1.1 Zieldarstellung Die Gesamtstudie zum Thema Komorbidität und Sucht ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Ludwig-Boltzmann- Institut für Suchtforschung: Springer, A., Gruber, C., Kobrna, U., Uhl, A. und dem Anton-Proksch-Institut (Stiftung Genesungsheim Kalksburg/Wien): Musalek, M., Feselmayer, S., Springer, N., Andorfer, U., Beiglböck, W., Preinsberger, W., Puchinger, H., Rustembegovic, A., Scheibenbogen, O., Zadro-Jäger, S., Zoghlami, A. Die oben angeführten, beteiligten Personen waren und sind in unterschiedlichen Funktionen (als AutorInnen oder in der Durchführung der Erhebung) an der Studie beteiligt. Die Kurzdarstellung der laufenden Studie dient einem besseren Verständnis der Grundannahme, die hinter der Fragestellung der Diplomarbeit zum Thema Beziehungsstrukturen und Konfliktlösestrategien bei primären und sekundären Alkoholikern (Springer, N. 2004), deren Ergebnisse zentraler Inhalt dieses Artikels sind, steht. Die Hintergrundstudie hat zum Ziel, praxisrelevante Kriterien zur differentialdiagnostischen Unterscheidung von primärem und sekundärem Alkoholismus zu finden. Das bedeutet, dass aufbauend auf die Ergebnisse der Studie ein geeignetes im klinischen Alltag einsetzbares Erhebungsinstrument entwickelt werden soll. Darüber hinaus sollen die Erkenntnisse aus der Studie in die Umsetzung von Behandlungskonzepten und Therapieplänen einfließen und flexible Behandlungsmodule fördern, die eine Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte individueller Störungsbilder zulassen. Erkenntnisse über Komorbidität sind aber auch im Hinblick auf eine adäquate Rückfallsprophylaxe von Bedeutung. Die Rückfallsproblematik erhält einen anderen Stellenwert und erfährt eine weitere Differenzierung, wenn auch in diesem Zusammenhang Kenntnisse darüber, ob es sich um eine primäre oder sekundäre Alkoholerkrankung handelt, Berücksichtigung finden. Die Ergebnisse der Studie sollen aber auch eine Grundlage für das Überdenken suchtpräventiver Konzepte und Strategien bieten, da eine ursachenspezifische Ausrichtung der Alkoholprävention nicht umhinkommt, Wissen um Komorbidität und ihre geschlechtsbezogenen Auswirkungen mit einzubeziehen. 1.2 Zentrale Hypothesen der Studie Alkoholkranke Frauen sind in der Mehrzahl der Gruppe der sekundären AlkoholikerInnen zuzuordnen. Alkoholkranke Männer sind zum überwiegenden Teil als primäre AlkoholikerInnen zu klassifizieren. 43

44 1.3 Methodik Die Versuchsgruppe dieser Studie setzt sich aus 50 weiblichen und 51 männlichen stationär aufgenommenen Patient- Innen des Anton-Proksch-Instituts zusammen. Die Erhebungen wurden in der 3. bis 4. Woche des stationären Aufenthalts der PatientInnen durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt des Aufenthalts kann angenommen werden, dass der körperliche Entzug abgeschlossen ist, wodurch die Differenzierung zwischen substanzinduzierten und nicht substanzinduzierten psychischen Symptomen erleichtert wird. Gezogen wurde die Stichprobe aus den Aufnahmedokumentationsdaten des Anton-Proksch-Instituts (API) an Hand des Aufnahmedatums. Es handelt sich dabei um eine Zufallsstichprobe aus einer spezifischen Population, nämlich den stationär aufgenommenen PatientInnen des API. Die Auswahl erfolgte nach dem Schwedenschlüssel. Bei Ausfällen von ausgewählten ProbandInnen, die unter anderem aufgrund der Freiwilligkeit der Teilnahme zu erwarten waren, bot diese Auswahlmethode die Möglichkeit, ErsatzprobandInnen zu ziehen, ohne die Zufälligkeit der Stichprobe zu verletzen. Die Verwaltung der Stichprobendatenbank erfolgte zentral und wochenaktuell. Pro InterviewerIn (MINI-DIPS) wurden die ProbandInnen in der Reihenfolge der Auswahl nach dem Schwedenschlüssel, abwechselnd männlich/weiblich, zugeteilt. Neben der Freiwilligkeit der ProbandInnen war die Diagnose Alkoholabhängigkeit nach DSM-IV notwendig. Für die differentialdiagnostische Entscheidung, ob es sich im Einzelfall eher um primären oder sekundären Alkoholismus handelt, wurde in der gegenständlichen Studie eine spezifische Kombination von Erhebungsinstrumenten eingesetzt (siehe Abb. 1): Abb. 1: Darstellung der Erhebungsphase Hintergrundstudie und Diplomarbeit betreffend Ziehung der Stichprobe Mini-DIPS Interview FFT; CAST-E; INTREX; FKBS Testung strukturiertes Interview Die Erhebungsinstrumente, die die Hintergrundstudie betreffen sind: diagnostisches Kurzinterview bei psychischen Störungen (MINI-DIPS), Selbsteinschätzungsfragebogen zum funktionalen Trinken (FFT-Langform), Ermittlung des Suchtverhaltens der Hintergrundfamilie des Probanden (CAST-E) und strukturiertes Interview. Während der Vorgabe der beiden Papier-Bleistift-Tests (FFT-Langform und CAST-E) wurden auch jene Testverfahren, die für die Fragestellung der Diplomarbeit wichtig waren, vorgegeben. Dabei handelte es sich um die Intrex- Kurzform und den FKBS (Fragebogen zu Konfliktbewältigungsstrategien). Die Datenauswertung erfolgte nach Methoden der Inferenzstatistik und multivariater Verfahren, sowie mittels inhaltsanalytischer Verfahren nach der Methodologie der Grounded Theory (siehe Strauss 1987/1991), unter Einbeziehung von Aktenanalysen und Literaturrecherchen. 2. Die Diplomarbeit 2.1 Ziele und daraus abgeleitete Fragestellungen Ziel der Untersuchung war es, durch die bereits in der Hintergrundstudie erfolgte differenzierte Unterteilung der Stichprobe in primäre und sekundäre AlkoholikerInnen mögliche Unterschiede in den internalisierten Beziehungsstrukturen und in den Konfliktlösestrategien (Abwehrmechanismen) dieser spezifischen Population auf zu decken und somit einen Beitrag zur Therapieforschung im Bereich der Suchtkrankenhilfe zu leisten. Die Fragestellungen im Einzelnen lauten: 1. Gibt es einen Unterschied in den Abwehrmechanismen zwischen den beiden Alkoholismus-Typen? 2. Gibt es einen geschlechtsspezifischen Unterschied in den Abwehrmechanismen? 3. Gibt es einen Unterschied in den Abwehrmechanismen innerhalb der Gruppe der primären AlkoholikerInnen, die erstmals im API stationär aufgenommen wurden und jenen, die schon mehrfach (öfter als ein Mal) im API stationär aufgenommen wurden? 4. Gibt es einen Unterschied in den Abwehrmechanismen innerhalb der Gruppe der sekundären AlkoholikerInnen, die erstmals im API stationär aufgenommen wurden,und jenen, die schon mehrfach (öfter als ein Mal) im API stationär aufgenommen wurden? 5. Gibt es einen Unterschied zwischen gedanklicher (A) und aktiver (B) Ebene innerhalb der einzelnen Abwehrmechanismen? 6. Gibt es einen Unterschied in der Anwendung des Abwehrmechanismus Rationalisierung zwischen jenen UntersuchungsteilnehmerInnen, die eine Matura erworben haben und jenen, die einen Hauptschulabschluss bzw. keine abgeschlossene Schulbildung haben (Maturanten/Nicht-Maturanten)? 7. Gibt es einen Unterschied in der Anwendung der Abwehrmechanismen Reaktionsbildung und Wendung gegen die eigene Person zwischen jenen UntersuchungsteilnehmerInnen, die eine Matura erworben haben, und jenen, die einen Hauptschulabschluss bzw. keine abgeschlossene Schulbildung haben (Maturanten/Nicht-Maturanten)? 8. Gibt es einen Unterschied in den Beziehungsstrukturen zwischen den beiden Alkoholismus-Typen? 44

45 9. Gibt es einen geschlechtsspezifischen Unterschied in den Beziehungsstrukturen zwischen den beiden Alkoholismus-Typen? 2.2 Inhaltliche Darstellung der Diplomarbeit Die Untersuchungsverfahren, die für die Diplomarbeit verwendet wurden, waren der FKBS (Fragebogen zu Konfliktlösestrategien), der fünf Skalen beinhaltet, wobei jede Skala einen bestimmten Abwehrmechanismus repräsentiert, und die Intrex-Kurzform, die als eine Weiterentwicklung des Kreismodells von T. Leary Beziehungsstrukturen in einem zirkumplexen Modell darstellt. Einen besonderen Stellenwert erhalten dabei die Introjektionen einer Person. Unter Introjekt versteht man in der psychoanalytischen Theorie jenen Prozess in dem die Funktionen eines äußeren Objekts von den psychischen Repräsentationen übernommen werden, wodurch die Beziehung mit einem äußeren Objekt durch eine mit einem imaginären inneren Objekt ersetzt werden (Rycroft 1968). Der FKBS erfasst fünf verschiedene Arten der Konfliktbewältigung in abgestufter Form. Dem/Der ProbandIn wurde ein Testheft mit zehn geschlechtsspezifischen Geschichten vorgelegt. Auf der Testinhaltsebene beinhalten alle Geschichten für den Helden eine Frustration oder potentielle Bedrohung. Die AutorInnen gehen davon aus, dass diese Frustrationen auch bei den ProbandInnen Ärger verursachen und unbewusste Neigungen zu aggressiven Verhaltensweisen, Gedanken oder Phantasien auslösen können. Diese Konfliktbewältigungsstrategien sind als innerliche Reaktionen (Gefühle, Gedanken) und mögliche Verhaltensformen in vorgegebenen Antworten als Reaktion auf frustrierende Ereignisse in sozialen Situationen formuliert. Sie haben Ähnlichkeit zum begrifflichen Umfeld der Abwehrmechanismen. Alle fünf Skalen haben den Umgang mit aggressiven Impulsen zum Inhalt und beziehen sich auf die Aggressionsrichtung nach innen (Wendung gegen die eigene Person) oder nach außen (Wendung gegen das Objekt), den Versuch der verstandesmäßigen Neutralisierung aggressiver Tendenzen (Intellektualisierung, Rationalisierung), ihre Umformung in freundliche Motive (Reaktionsbildung) und die gezielte Unterstellung böser Absichten des Anderen (Projektion). Der Begriff Abwehrmechanismus wurde von Sigmund Freud und seiner Tochter Anna eingeführt. Als Abwehrmechanismen werden unterschiedliche Arten von Verhaltensweisen bezeichnet, die den Menschen vor seelischen Konflikten schützen sollen. Peinliche Triebregungen, Schuld-, Ekel-, Schamgefühle sowie unerträgliche Vorstellungen werden mithilfe der Abwehrmechanismen unterdrückt bzw. ausgeschaltet. Bei den AutorInnen der tiefenpsychologischen Theorien besteht Einigkeit darüber, dass die psychischen Abwehrmechanismen, derer sich süchtige Menschen bedienen, relativ unreifer, primitiver Natur sind. Hier werden die Projektion (Burian 1983), besonders aber die Verleugnung genannt; wobei letztere als der zentrale Abwehrmechanismus der Sucht angesehen wird (Bean 1981). Dies bezieht sich vor allem auf die Unfähigkeit von AlkoholikerInnen, die Realität ihrer Situation einzusehen und zum eigenen pathologischen Trinkverhalten zu stehen. Um die Frage der Beziehungsstrukturen zu klären, wurde der Intrex-Kurzform-Fragebogen angewandt, welcher das Erleben einer Person von sich selbst und seinen wichtigen Bezugspersonen in Gegenwart und Vergangenheit auf der Grundlage der Clusterversion des SASB (Strukturale Analyse sozialen Verhaltens) erfasst (Tress/Junkert- Tress/Albert 2000, S. 129). Neben dem Introjekt wurden folgende Beziehungen beurteilt: Einerseits die Beziehung zwischen der ProbandIn und seiner/ihrer Mutter (wichtigste weibliche Bezugsperson), als die ProbandIn zwischen fünf und zehn Jahre alt war und die Beziehung zwischen der ProbandIn und seinem/ihrem Vater (wichtigste männliche Bezugsperson), als die Probandin zwischen fünf und zehn Jahre alt war. Andererseits die Beziehung zwischen dem Vater und der Mutter der ProbandIn als diese zwischen fünf und zehn Jahre alt war. Die Hypothesenprüfung konzentrierte sich vor allem auf Unterschiede zwischen den Alkoholismus-Typen und auf geschlechtsspezifische Unterschiede. 2.3 Methodik Nach der Datenerhebung wurde eine Aufstellung aller relevanten Daten erstellt. Diese wurden in das SPSS-Raster eingetragen, um die erhobenen Daten in übersichtlicher Form tabellarisch darstellen zu können. Die Datenauswertung erfolgte unter Anwendung des Programms SPSS für Windows. Ein weiteres Eingehen auf den theoretischen Hintergrund und die Auswertungsverfahren würde den Rahmen dieses Artikels sprengen; hier sei für Interessierte auf das Original (Springer, N. 2004) verwiesen. Nach erfolgter Unterteilung in die Gruppen primärer Alkoholismus und eher primärer Alkoholismus und sekundärer Alkoholismus und eher sekundärer Alkoholismus ergaben sich für die Berechnung der Hypothesen zwei Untergruppen: 1. VG 1: Die Gruppe der primären AlkoholikerInnen (24 Personen) 2. VG 2: Die Gruppe der sekundären AlkoholikerInnen (77 Personen) Die Einteilung in die Gruppen eher primärer bzw. eher sekundärer Alkoholismus entstand in jenen Fällen, in denen eine genaue Zuordnung nicht möglich war. Für die Verrechnung wurden die eher primären AlkoholikerInnen zu der Gruppe der primären gezählt und die Gruppe der eher sekundären wurde zu der Gruppe der sekundären Alkoholiker- Innen gezählt Statistische Auswertungsverfahren Zur Signifikanzprüfung wurde generell eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% (p=0,05) gewählt. Die Normalverteilungsüberprüfung der Einzelstichproben, sofern erforderlich, erfolgte mittels Kolmogorov-Smirnov-Test. Im Fall von Häufigkeitsdaten wurden Kreuztabellen zur Darstellung verwendet. Mögliche Unterschiede wurden dabei mittels Chi²-Test überprüft. Je nach Fragestellung wurden zur Überprüfung von Mittelwertsunterschieden t-tests für unabhängige oder abhängige Stichproben gerechnet. Dieses statistische Verfahren zur Überprüfung von Mittelwertsunterschieden beruht auf drei Voraussetzungen: 1) Die Messwerte müssen normalverteilt sein. Dies kann laut Bortz (1999) bei einer Stichprobe n 30 aufgrund 45

46 der Annahmen des Zentralen Grenzwertsatzes angenommen werden. 2) Die abhängige Variable muss intervallskaliert sein. 3) Die Stichprobenvarianzen müssen homogen sein. War keine Normalverteilung gegeben, erfolgten die Mittelwertsvergleiche mittels Mann-Whitney-U-Test. Da SPSS über ein Prüfverfahren für heterogene Varianzen innerhalb des t-tests verfügt, konnte in diesem Fall trotzdem der t- Test angewandt werden. Die Interpretation der Ergebnisse stützte sich in diesen Fällen auf das Prüfverfahren für heterogene Varianzen. 2.4 Ergebnisse und Diskussion Ein interessantes Phänomen zeigte sich bei der Variable höchste abgeschlossene Schulbildung. Ein Prozentsatz von 22,8 der Personen, die eine Matura besaßen, ist im Vergleich zur Gesamtpopulation sehr hoch. Laut Statistik Austria lag der Prozentsatz mit Abschluss einer höheren Schule (Allgemein bildende und berufsbildende höhere Schulen) im Jahre 2002 bei 15,7%. Möglicherweise wirkt sich dieses Phänomen auf die untersuchten abhängigen Variablen aus. Auffällig ist, dass prinzipiell mehr Personen der Gruppe der sekundären AlkoholikerInnen zugehörig sind. Die Frage, die sich auch de Boca (1994) stellte, ob prinzipiell die Gruppe der sekundären AlkoholikerInnen aus mehr Frauen bestehe und jene der primären AlkoholikerInnen mehr aus Männern, kann für die untersuchte Population bestätigt werden, es zeigte sich, dass insbesondere innerhalb der Gruppe der primären AlkoholikerInnen die Männer übermäßig vertreten sind (nur drei von 50 Frauen zählen zu der Gruppe der primären AlkoholikerInnen). Betrachtet man Tabelle 1, so sieht man die Verteilung der Geschlechter innerhalb der Gruppen. Innerhalb der Gruppe der primären AlkoholikerInnen gibt es deutlich mehr Männer als Frauen. Die männlichen Untersuchungsteilnehmer bilden ein ausgewogeneres Bild bezüglich der Einteilung als die weiblichen. Beachtlich ist, dass von 50 Frauen nur 3 zu der Gruppe der primären AlkoholikerInnen zählen ( ² = 17,245; df = 1; p < 0,001). Tab. 1: Geschlechterverteilung innerhalb der Gruppen primärer Alkoholismus und sekundärer Alkoholismus Zeilenprozent (Häufigkeit) primärer Alkoholismus männlich 43% (21) weiblich 6% (3) gesamt 23% (24) sekundärer Alkoholismus 57% (30) 94% (47) 77% (77) Gesamt 100% (51) 100% (50) 100% (101) Einen wichtigen Aspekt hierbei stellen die Komorbiditäten bei AlkoholikerInnen dar. Einer von Kessler et al. (1997) publizierten Komorbiditätsanalyse kann entnommen werden, dass sich die komorbide Störung, sollte eine vorhanden sein, überwiegend erstmalig vor dem Erstauftreten der Alkoholabhängigkeit manifestiert. Tabelle 2 veranschaulicht das von Kessler dargestellte, zeitliche Muster der Komorbidität von Alkoholabhängigkeit mit psychischen Störungen: Tab. 2: Zeitliches Muster der Komorbidität von Alkoholabhängigkeit mit psychischen Störungen (Kessler et al. 1997) Alkoholstörung zuerst Gleiches Jahr Männer 31% 10% 59% Frauen 17% 10% 73% Komorbide Störung zuerst Vergleicht man Tabelle 2 mit den Definitionen des primären und des sekundären Alkoholismus nach Schuckit (1985), so entspricht die Einteilung in Alkoholstörung zuerst dem primären Alkoholismus und Komorbide Störung zuerst dem sekundären Alkoholismus. Die Zahlen von Kessler et al. (1997) stimmen so gesehen sehr gut mit denen dieser Untersuchung überein. Die Interpretation erfolgt in diesem Abschnitt in der Reihenfolge, der für die Untersuchung herangezogenen Fragestellungen. Bezüglich der ersten Fragestellung, ob es einen Unterschied in den Abwehrmechanismen zwischen den beiden Alkoholismus-Typen gibt, konnte weder auf gefühls-/gedanklicher Ebene noch auf der Verhaltensebene ein Unterschied festgestellt werden. Die Mittelwerte der einzelnen Skalen erbrachten eine Tendenz, dass generell der Abwehrmechanismus der Intellektualisierung/Rationalisierung sowohl auf der gedanklichen als auch auf der Verhaltensebene am stärksten vertreten ist. Statistisch signifikant ist dieses Ergebnis allerdings nicht. Als einziger Vertreter der tiefenpsychologischen Ansätze zur Suchtentstehung hat Burian (1983) dem/der AlkoholikerIn mit der Rationalisierung einen reifen Abwehrmechanismus zugestanden. Auch, dass der Abwehrmechanismus Wendung gegen das Objekt am wenigsten ausgeprägt ist, konnte nur durch Betrachtung der Mittelwerte angenommen, jedoch nicht durch ein signifikantes Ergebnis bestätigt werden. Passend dazu fanden Aldridge et al. (1967) heraus, dass ihr AlkoholikerInnen-Sample besonders niedrige Werte in der Skala Wendung gegen das Objekt im Vergleich zu ihrem Nicht-AlkoholikerInnen-Sample aufwies. Die Annahme, dass es Unterschiede in Abwehrmechanismen in Abhängigkeit von der Anzahl der bisherigen stationären Aufenthalte gibt, konnte verworfen werden. So kann ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem Abwehrmechanismus der Rationalisierung um einen Therapieeffekt handelt. Sowohl in der Gruppe der primären AlkoholikerInnen als auch der sekundären AlkoholikerInnen gibt es keinen Hinweis darauf. Dies beantworten die Fragestellungen 3 und 4. Die Frage, ob es einen Unterschied zwischen gedanklicher (A) und aktiver (B) Ebene innerhalb der einzelnen Abwehrmechanismen gibt, kann nur für den Mechanismus der 46

47 Intellektualisierung bejaht werden. Betrachtet man die Mittelwerte der beiden Ebenen, so sieht man, dass der Unterschied darin liegen mag, dass der Abwehrmechanismus der Intellektualisierung auf der Verhaltensebene deutlicher ausgeprägt ist als auf der Gedankenebene. Die Spaltung, die hier deutlich wurde, stellt möglicherweise ein Motiv für ProblemtrinkerInnen dar, die mit Gefühlen oft nicht adäquat umgehen können und oft erst im Rausch Gefühle äußern können bzw. Dinge tun, zu denen sie im nüchternen Zustand nicht fähig sind. Die kritischen Anmerkungen zu den bisherigen Fragestellungen richten sich vor allem auf das Untersuchungsinstrument (Fragebogen zu Konfliktlösestrategien). Mittels Fragebogenerhebung ist das Erfassen so komplexer Mechanismen sehr beschränkt möglich. Die Auswertung der Tiefeninterviews im Rahmen der Hintergrundstudie kann hier zusätzliche interessante Ergebnisse bringen. Die beiden letzten Fragestellungen beziehen sich auf den Fragebogen INTREX-Kurzform. Einerseits wurde untersucht, ob es Unterschiede in den Beziehungsstrukturen zwischen den beiden Alkoholismus-Typen gibt, andererseits ob geschlechtsspezifische Unterschiede feststellbar sind. Das Hauptproblem dieser Fragestellungen war, dass einige UntersuchungsteilnehmerInnen ohne männliche Bezugsperson aufgewachsen sind und daher die Fragen bezüglich des Vaters nicht beantworten konnten. Neben denen, die die Fragen nicht beantworten konnten, gab es einige wenige, die so stark emotional auf die Fragen reagierten, dass sie sich weigerten, die Fragen bezüglich der ersten Bezugspersonen zu beantworten. Zehn Personen haben die Fragen bezüglich des Vaters gar nicht beantwortet. Generell war auffällig, wie aufwühlend das Ausfüllen des Fragebogens für die meisten TeilnehmerInnen gewesen ist. Da die Untersuchung im stationär klinischen Setting erfolgte, konnten die UntersuchungsteilnehmerInnen neben der Möglichkeit eines entlastenden Gesprächs im Anschluss an die Testung die Themen auch im Therapiekontext weiter behandeln. Ein im Hinblick auf therapeutische Intervention interessantes Ergebnis der Intrex-Kurzform, ist, dass sowohl die Beziehung zur Mutter als auch zum Vater retrospektiv sehr ambivalent imponiert. Zur Authentizität dieser Retrospektion kann gesagt werden, dass nicht nur die Realität, sondern im Besonderen auch die Phantasie eines Kinds ausschlaggebend für Ich-Entwicklung und Introjektion sind (Rost 1987). Das signifikante Ergebnis, dass die älteren UntersuchungsteilnehmerInnen ( 45 Jahre) ihre Mütter als kontrollierender beschrieben als die jüngere Gruppe ( 44 Jahre), regt zu Spekulationen an. Sehen wir hier die Folge eines gesellschaftspolitischen Phänomens, dass den Kindern seit einiger Zeit mehr Freiraum gelassen wird? Wird es positiv oder negativ gesehen, eine kontrollierende Mutter zu haben? Wird es gleichgesetzt mit einer sich kümmernden Mutter? Diese Fragen können leider hier nicht geklärt werden. Die Ergebnisse der Intrex-Kurzform unterstützten in vielerlei Hinsicht die Theorie. Während es kaum bedeutsame Mittelwertsunterschiede bezüglich der Väter (wichtigste männliche Bezugsperson) gab, gab es eine Fülle an Ergebnissen hinsichtlich der Mütter (wichtigste weibliche Bezugsperson). Dies geht konform mit der Auffassung einiger tiefenpsychologischer Autoren (Freud, Klein, Stern), dass die Bindung zur Mutter bzw. das internalisierte Verhalten von der Mutter einen besonders bedeutsamen Einfluss auf die psychische Entwicklung des Kinds hat. Interessant ist, dass die sekundären AlkoholikerInnen ihre ersten Bezugspersonen negativer in Erinnerung hatten als die Gruppe der primären AlkoholikerInnen. Auch scheint die Gruppe der sekundären AlkoholikerInnen hinsichtlich des Umgangs mit sich selbst in guten und schlechten Zeiten stärker zu differieren, als dies bei primären AlkoholikerInnen der Fall ist. Interessant für die geschlechtsspezifische Interpretation ist, dass vorwiegend Frauen negative Erinnerungen an ihre ersten Bezugspersonen haben und dass es einen vergleichsmäßig hohen männlichen Anteil auch innerhalb der Gruppe der sekundären AlkoholikerInnen gibt. Es können hier nicht alle Ergebnisse detailliert wiedergeben werden. Zusammenfassend sei hier jedoch noch zu erwähnen, dass überall dort, wo ein signifikantes Ergebnis auftrat, die Gruppe der sekundären AlkoholikerInnen schlechter abschnitt als jene der primären AlkoholikerInnen. Gemeint ist damit, dass in jeder Dimension (Introjekt in den besten Zeiten; Introjekt in den schlechtesten Zeiten; So ging mein(e) Vater/Mutter mit mir um, als ich zwischen 5 und 10 Jahre alt war ) die sekundären AlkoholikerInnen offenbar stärker mit inneren Konflikten zu kämpfen haben als die Gruppe der primären AlkoholikerInnen. Es mag sein, dass dies auf komorbide psychiatrische Störungen zurückzuführen ist. Da es sich bei den häufigsten komorbiden Störungen um Angststörungen, Depressionen und Borderline-Störungen handelt, ist es nicht ungewöhnlich, dass, vergleicht man die Ergebnisse Introjekt in den besten Zeiten mit jenen Introjekt in den schlechtesten Zeiten auch hier die Gruppe der sekundären AlkoholikerInnen häufiger signifikante Ergebnisse liefert, da diese Gruppe nicht nur mit der Suchterkrankung, sondern auch mit ihren psychiatrischen Komorbiditäten zu kämpfen hat. Summary This paper presents a continuous study on the issue of comorbidity and addiction conducted by the Ludwig- Boltzmann-Institut for Addiction Research together with the Anton-Proksch-Institute. The main focus of this paper lies on a diploma thesis which was generated in the context of this study (Springer, N., 2004). The data was collected at the Anton-Proksch-Institute, Stiftung Genesungsheim Kalksburg in Vienna (A). The aim of this continuous study lies in establishing relevant criteria for differential diagnosis of primary and secondary alcoholism by using standardized tests, inquiries and a structured interview, and to explain the consequences of the findings for treatment, prevention and 47

48 relapse-prevention. The data of 101 inpatients (50 female/51 male), subdivided into the groups primary alcoholism and secondary alcoholism, was analyzed by the statistic program SPSS. The tests took place during their third or fourth week of treatment. The instruments used for the data collection were the FFT, Mini-DIPS, CAST-E and a structured interview. The focus of the diploma thesis in general was on the distinction between primary and secondary alcoholics as well as to gain an insight into mechanisms of defense and objectrelation structures of this specific population. The German version of the DMI (Defense Mechanism Inventory) and the short form of the Structural Analysis of Social Behavior (Intrex-short form) were selected as psychometric instruments. The theoretical background is based on psychoanalytic theories of addiction development. Different findings within the two types of alcoholics and gender specific results were the focus. Keywords alcoholism, defense mechanisms, object-relation structure, co-morbidity Literaturverzeichnis Aldridge, R.G./Baxter, G.I./Nopziger, L.M./Roggenbuck, A.L./Schimansky, R.L./Wolthuis, D.J. (1967): Defense Mechanisms of an Alcoholic Population. Unveröffentlichte Dissertation. Michigan State University Bean, M.H. (1981): Denial and the psychological complications of alcoholism. In: Bean & Zinberg (Eds.): Dynamic Approaches to the Understanding and Treatment of Alcoholism. New York: Free Press Belitz-Weihmann, E./Metzler, P. (1996): FFT. Fragebogen zum Funktionalen Trinken. Frankfurt: Swets Burian, W. (1983): Die Psychotherapie des Alkoholismus. Göttingen: Verlag für medizinische Psychologie Davis-Osterkamp, S. (1998): Die Intrex-Kurzform. In W. Tress (Hrsg.) (1998): SASB Die Strukturale Analyse Sozialen Verhaltens, (S ). Heidelberg: Asanger Del Boca, F.K. (1994): Sex, Gender, and Alcoholic Typologies, In: Babor, T.F./Hesselbrock, V. et al (Eds.) (1994): Types of Alcoholics, evidence from clinical, experimental and genetic research. Annals of the New York Academy of Science, Vol. 708, Freud, A. (2003): Das Ich und die Abwehrmechanismen. (18. überarbeitete und ergänzte Auflage). Fischer Taschenbuch Häcker, H./Stapf, K.H. (Hrsg.) (1994): Dorsch Psychologisches Wörterbuch. Bern: Hans Huber Hentschel, U./Kießling, M./Wiemers, M. (1998): Fragebogen zu Konfliktbewältigungsstrategien. Göttingen: Hofgrefe Jones, J.W. (1983): Children of Alcoholics Screening Test, (CAST). Chicago: Camelot Kessler, R.C./Crum, R.M./Warner, L.A./Nelson, C.B./ Schulenberg, J./Anthony, J.C. (1997): Zeitliche Komorbiditätsmuster. In Moggi, F. (Hrsg.) (2002): Doppeldiagnosen. Komorbidität psychischer Störungen und Sucht (S ). Bern: Hans Huber. Leary, T. (1957): Interpersonal Diagnosis of Personality. New York: Ronald Press Margraf, J. (1994): Mini-DIPS. Diagnostisches Kurz- Interview bei psychischen Störungen. Berlin: Springer Rost, W.D. (2001): Psychoanalyse des Alkoholismus. 6. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta Rycroft, Ch. (1968): A Clinical Dictionary of Psychoanalysis. Middlesex: Penguin Books Schuckit, M.A. (1985): The clinical implication of primary diagnostic groups among alcoholics. Archives of General Psychiatry, 42, Springer, N. (2004): Beziehungsstrukturen und Konfliktlösestrategien bei primären und sekundären Alkoholikern. Diplomarbeit: Wien Statistik Austria (2002): Statistik des Bildungsniveaus in Österreich: Höchste abgeschlossene Schulbildung in Österreich. Abgefragt am von fachbereich_03/bildung_tab2.shtml Tress, W./Junkert-Tress, B./Albert, S. (2000): Das Modell des Zyklisch- Maladaptiven Beziehungsmusters und der Strukturalen Analyse Sozialen Verhaltens (CMP/SASB). In: Parfy, E./Redtenbacher, H./Sigmund, R./Schoberberger, R./Butschek, Ch. (Hrsg.): Bindung und Interaktion, S , Wien: Facultas Korrespondenzadresse Mag. Nadja Springer Ludwig-Boltzmann-Institut für Suchtforschung Mackgasse Wien lbi@api.or.at 48

49 Originalarbeit S Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 Intendiertes Freizeitverhalten und Abstinenz Eine Fragebogenerhebung an stationären PatientInnen des Anton-Proksch-Instituts Oliver Scheibenbogen (1), Margret Kuderer (2), Elisabeth Hofer (3) (1) Leiter der Aktivierung am Anton-Proksch-Institut (API) (2) Anton-Proksch-Institut (API) (3) FH Pinkafeld Zusammenfassung Das Behandlungskonzept des Anton-Proksch-Instituts beinhaltet verschiedene Interventionen, welche auf Aktivierung und Mobilisierung der PatientInnen abzielen. Im Rahmen des ressourcenorientierten Angebots der Freien Werkstatt wird PatientInnen die Möglichkeit geboten, sich während ihres Therapieaufenthalts nach eigenem Ermessen kreativ zu beschäftigen. Der vorliegende Artikel untersucht den Zusammenhang zwischen der Einstellung zu kreativer Freizeitaktivität, der Lebensqualität und der Rückfallprävention von alkoholabhängigen Personen. Obwohl die Einstellungsmessung in Bezug auf die Korrelation mit dem tatsächlichen Verhalten oft kritisch betrachtet wird, soll diese in dieser Studie als ein erster Verhaltensprädiktor herangezogen werden. Erste Ergebnisse zeigen, dass die regelmäßige Durchführung kreativer Tätigkeiten die geplante Aufnahme eines kreativen Freizeitverhaltens nach der stationären Therapie positiv beeinflusst und die Erwartung der PatientInnen bezüglich der Aufrechterhaltung der Abstinenz erhöht. Geschlechtsspezifische Unterschiede und Probleme bei Transfer und Integration der kreativen Aktivitäten in die Alltagssituation werden auf Grundlage der empirischen Daten sowie theoretischer Überlegungen diskutiert. Schlüsselwörter Freizeitverhalten, Alkoholabhängigkeit, Abstinenz, Rückfallprävention, Aktivierung 1. Einleitung Im Rahmen der ICD-10 Abhängigkeitsdiagnostik zählt die fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Alkoholkonsums zu den wesentlichen Diagnosekriterien des Abhängigkeitssyndroms (F 10.2). Dies weist darauf hin, dass das Freizeitverhalten durch Beschaffung des Suchtmittels, den eigentlichen Konsum und die Regeneration von den Folgen des Konsumverhaltens massiv beeinträchtigt wird. Umso mehr verwundert es, dass in der fachspezifischen Literatur kaum wissenschaftliche Publikationen zu diesem Thema zu finden sind. Eine exemplarische Durchforstung der beiden Online-Kataloge Pubmed und Psyndex brachte für die Suchbegriffe leisure bzw. leisure activities in Verbindung mit alcohol oder addiction bzw. dependence maximal vier Treffer zu diesem Forschungsthema im Veröffentlichungszeitraum seit Zwischen dem Freizeitverhalten und dem Verlauf der Suchterkrankung wird eine wechselseitige Beziehung angenommen: Einerseits kann die Einschränkung der kreativen Betätigung als eine Folge der Abhängigkeitsentwicklung betrachtet werden, andererseits stellt eine aktive Gestaltung der Freizeit im Sinn eines ausgewogenen Lebensstils einen stabilisierenden Faktor in der Aufrechterhaltung der Abstinenz für suchtkranke Patient- Innen dar (Marlatt 1985). Charakteristisch für einen ausgewogenen Lebensstil ist die Balance zwischen alltäglichen Belastungen und den Ressourcen, die für deren Bewältigung aufgebracht werden. Hingegen generiert ein Ungleichgewicht zwischen angenehmen Freizeitaktivitäten und täglichen Verpflichtungen einen unausgewogenen Lebensstil, welcher wiederum eine erhöhte Bereitschaft zum Alkoholkonsum bedingt. (Körkel/Schindler 2003). Durch zwei unterschiedliche Zugänge kann ein ausgewogener Lebensstil erreicht werden: Die Reduktion der Belastungen oder die Steigerung von Ausgleich und Entlastung (Körkel/Schindler 2003, S. 307). Während Behandlungskonzepte mit Fokus auf Belastungsreduktion in der Therapie von Suchtkranken seit Jahrzehnten etabliert sind, gewinnen ressourcenorientierte Interventionen in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. In der Ottawa-Charta 1986 wurde durch die WHO der Begriff der Gesundheitsförderung definiert, welche auf einen Prozess abzielt, der allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit befähigen soll. Die vorliegende Studie folgt diesem internationalen Trend und untersucht die therapeutischen Effekte kreativer Betätigung von alkoholabhängigen PatientInnen während der stationären Entwöhnungsbehandlung auf deren intendiertes Freizeitverhalten. 2. Theoretischer Hintergrund Der Freizeitbegriff ist in seiner Bedeutung seit der Antike einem ständigen Wandel unterworfen. Schon Aristoteles beschreibt die Freizeit (scholé) als Freiheit von der Notwendigkeit zu arbeiten (a-scholia), während Cicero der Muße (otium) im Gegensatz zur Arbeitszeit (neg-otium) eine höhere Lebensqualität zuspricht. Eine negative Konnotation erhielt der Begriff Freizeit beim Aufkommen des Protestantischen Arbeitsethos in der Frühen Neuzeit: Arbeit wurde als eigentlicher und einziger Lebenszweck betrachtet und dementsprechend galt Zeitvergeudung durch Muße und Genuss sogar als schwere Sünde. Im Sinn eines positiven Freizeitbegriffs bezeichnet der Freizeit- und Zukunftsforscher Opaschowski die Freizeit eines Menschen als einen Teil der Lebenszeit (1996). 49

50 Nach Opaschowski gliedert sich die gesamte Lebenszeit in drei Zeitabschnitte: Unter freier Zeit versteht der Autor frei verfügbare, einteilbare und selbstbestimmte Dispositionszeit, als Hauptkennzeichen dieses Zeitabschnitts nennt er die Selbstbestimmung. Im Gegensatz dazu bezeichnet er verpflichtende, bindende und verbindliche Obligationszeit als gebundene Zeit, welche vor allem durch Zweckbestimmung beschrieben wird. Ein hohes Maß an Fremdbestimmung kennzeichnet hingegen die abhängige Zeit, womit Opaschowski eine festgelegte, fremdbestimmte und abhängige Determinationszeit näher beschreibt (Opaschowski 1996). In der heutigen Zeit versuchen positive Freizeitdefinitionen, Freizeit inhaltlich als eigenständiges soziales Handlungs- und Orientierungssystem unabhängig von der Zeitperspektive zu bestimmen. Freizeit verfügt in diesem Sinn über eigene konstitutive Merkmale und wird in Beziehung zu individuellen Wahl- und Handlungsmöglichkeiten gesetzt. Lüdtke (1975) erweitert traditionelle Freizeitdefinitionen, indem er sie als,,freie Zeit plus selbstgewähltes Handeln" beschreibt, während bei Dumazedier (1974) der Aspekt der Selbstverwirklichung im Mittelpunkt einer Freizeitkonzeption steht. Kelly (1982, nach Lamprecht/Stamm 1994) schließlich verzichtet zur Gänze auf den Zeitaspekt und stellt lakonisch fest: "Leisure is activity chosen in relative freedom for its qualities of satisfaction" bzw. "Leisure is activity that is chosen primarily for its own sake". Daraus folgt, dass sich Freizeit durch ein hohes Maß an Autonomie und Selbstbestimmung definiert und zur Steigerung von Wohlbefinden und Lebensqualität beitragen soll. Diese Aspekte der Lebensbewältigung versucht der Bereich Aktivierung mit dem Angebot der Freien Werkstätte zu fördern, indem SuchtpatientInnen sowohl den Zeitpunkt, das Ausmaß als auch die Art ihrer kreativen Betätigung selbst bestimmen können. Im Anschluss an den stationären Aufenthalt soll die aktive und konstruktive Gestaltung der zur Verfügung stehenden Freizeit in das Alltagsleben transferiert werden, zu einem ausgewogenen Lebensstil beitragen und präventiv im Sinn einer Rückfallsprophylaxe wirksam werden. In den letzten Jahren hat sich im Bereich wissenschaftlicher Arbeit zu Krankheit und Gesundheit ein Paradigmenwechsel vollzogen. In Abgrenzung zum traditionellen pathogenetischen Krankheitskonzept, bei dem Krankheitssymptome und Risikofaktoren im Mittelpunkt stehen, befasst sich die Salutogenese mit der Identifikation und Förderung von Gesundheitsressourcen und protektiven Faktoren. Als gesundheitsförderlich und als grundlegende Voraussetzung für psychisches und physisches Wohlbefinden hält Antonovsky (1979) ein Gefühl der Autonomie, Selbstbestimmung und Vorhersagbarkeit: (...) a global orientation that expresses the extent to which one has a pervasive, enduring though dynamic, feeling of confidence that one s internal and external environments are predictable and that there is a high probability that things will work out as well as can reasonably be expected (Antonovsky 1979). Nach Antonovsky existiert kein absoluter Krankheits - bzw. Gesundheitsbegriff, vielmehr stellen beide Entitäten die Gegensatzpole einer gemeinsamen Dimension dar. In seinem salutogenetischen Modell beschreibt er ein Gesundheits-Krankheits-Kontinuum, auf dem sich Menschen Zeit ihres Lebens bewegen. Welchen Platz eine Person in diesem Kontinuum einnimmt, stellt sich als Ergebnis eines interaktiven Prozesses zwischen Stressoren (belastenden Faktoren) und Widerstandressourcen (schützenden Faktoren) heraus. Dies bedeutet, dass an jedem Punkt des Kontinuums gesunde und kranke Anteile des Wohlbefindens nebeneinander existieren können. Bezogen auf das Freizeitverhalten im Sinn eines ausgewogenen Lebensstils bedeutet die Implementierung und Intensivierung einer aktiven Freizeitgestaltung eine Stärkung der salutogenetischen Faktoren und somit eine Verschiebung der Position des Individuums in Richtung Gesundheit trotz gleich bleibender pathogenetischer Faktoren. Auch nach dem Modell von Becker (1992) hängt der aktuelle Gesundheitszustand davon ab, inwieweit es einer Person mit Hilfe der ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen gelingt, bestimmte Anforderungen zu bewältigen. Fällt die Erfolgsbilanz der letzten Zeit positiv aus, ist eher mit Wohlbefinden und Gesundheit, bei negativer Bilanz mit Missbefinden und Krankheit zu rechnen. Die Ressource aktives Freizeitverhalten trägt demnach nicht nur zur Verminderung der Erkrankungswahrscheinlichkeit im Sinn von Antonovsky bei, sondern hat maßgeblichen Einfluss auf die Aufrechterhaltung der Abstinenz. Eine Studie zur Beliebtheit von Freizeittätigkeiten der Deutschen Gesellschaft für Freizeit (DGF) ergab 1999 folgende Rangreihung nach Beliebtheitsgrad: Tab. 1: Rangliste der beliebtesten Freizeitaktivitäten Beliebtheit von Freizeittätigkeiten in % 1. Musik hören 90,8 2. Fernsehsendungen sehen 86,5 3. Gut Essen gehen 75,7 4. Tageszeitungen lesen 72,7 5. Partys feiern, mit Freunden zusammen sein 70,0 6. Zeitschriften lesen 68,4 7. Auto fahren 56,1 8. Rad fahren 55,3 9. Bücher lesen 53,5 10. Gartenarbeit 43,5 11. Wandern 41,9 12. Videofilme sehen 41,8 13. Ausgehen (Tanzlokal, Disco, Bar) 41,3 14. Sport treiben 40,5 15. In die Kneipe, zum Stammtisch gehen 34,5 16. Ins Kino gehen 34,4 17. Sich beruflich fortbilden 34,4 18. Arbeiten für den Beruf erledigen 34,3 19. Heimwerken, Do-it-yourself 33,2 20. Theater, Oper, Konzert besuchen 32,7 50

51 Nach Körkler und Schindler (2003) verteilen sich Aktivitäten der Freizeitgestaltung auf die Bereiche Hobbies, sportliche Aktivitäten, Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, Vereinstätigkeit und Kontakt zu Freunden und Bekannten. Des Weiteren unterscheiden Körkel und Schindler (2003) vier verschiedene Einflussbereiche, welche die Rückfallentstehung und -verarbeitung von Alkoholabhängigen nachhaltig beeinflussen: Neben rückfallbezogenen Kognitionen und der individuellen Bewältigungskompetenz des Betroffenen sowie dem Auftreten von Hochrisikosituationen beeinflusst ein ausgewogener Lebensstil die Aufrechterhaltung der Abstinenz wesentlich. Während für die drei erstgenannten Faktoren zahlreiche Untersuchungen existieren, liegen für den Faktor des ausgewogenen Lebensstils nur sehr wenige empirische Daten vor. Entscheidend für die Aufnahme, Durchführung und Beibehaltung eines aktiven und gesundheitsfördernden Freizeitverhaltens durch die Ausübung kreativer Aktivitäten sind nach Meinung der Autoren folgende Faktoren: Vorerfahrungen im kreativen Bereich beziehungsweise die Möglichkeit, diese Erfahrungen während dem stationären Aufenthalt zu machen, eine allgemeine positive Einstellung zu kreativen Tätigkeiten, die Erfassung der Bedeutung des Zusammenhangs zwischen aktiver und kreativer Freizeitgestaltung und der Aufrechterhaltung der Abstinenz, die Möglichkeit, neu erworbene beziehungsweise wiedererlangte kreative Techniken zu Hause durchführen zu können. Als Belastungssituation kann jedoch auch Unterforderung angesehen werden, welche unangenehme Gefühlssituationen wie z.b. Langeweile, Einsamkeit, Depressionen hervorruft, die sich nach Lindenmeyer (2005) negativ auf die psychische Befindlichkeit auswirken. Dieser Zustand der unangenehmen Gefühle zählt zu den drei häufigsten Rückfallsituationen, die rund 60% aller Rückfälle generieren (Lindenmeyer 2005). Die aktive und konstruktive Gestaltung der Freizeit wirkt Situationen der Unterforderung entgegen und reduziert somit die rückfallauslösenden Faktoren. Während des stationären Aufenthalts im Anton-Proksch- Institut zählt die Möglichkeit der aktiven Freizeitgestaltung im Bereich Aktivierung zu den ressourcenorientierten Kernthemen in der Behandlung von Suchtkranken. Der Bereich Aktivierung versorgt mit seinen Angeboten alle Abteilungen zur Behandlung von alkohol- und medikamentenabhängigen PatientInnen. Neben arbeitstherapeutisch orientierten Betreuungsmaßnahmen und einem Lernzentrum zum Erwerb berufsrelevanter (Zusatz-) Qualifikationen liegt ein Schwerpunkt der Interventionen im kreativen Bereich. Einerseits werden indikationsspezifische Gruppen für PatientInnen mit hirnorganischem Psychosyndrom angeboten, andererseits besteht die Möglichkeit, während des stationären Aufenthalts Kreativkurse zu besuchen. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf der Freien Werkstatt. Patientinnen können nach medizinischer Freigabe außerhalb der psychotherapeutischen Einzel- und Gruppenstunden jederzeit die Werkstatt besuchen. Aus einer Vielzahl an kreativen Techniken und Materialien können nach eigener Intention Werkstücke für den Eigenbedarf geschaffen werden. Der Grad der Betreuung und Unterstützung richtet sich nach den Bedürfnissen der PatientInnen und reicht von völliger Autonomie (unter Berücksichtigung sicherheitstechnischer Aspekte) bis zum gemeinsamen Erarbeiten der Werkstücke durch alle Ebenen des Gestaltungsprozesses. Neben den vielfältigen Wahl- und Handlungsmöglichkeiten bezüglich der kreativen Tätigkeit finden Patient- Innen in der Freien Werkstatt auch die Möglichkeit der Kontaktaufnahme in einer kommunikationsfördernden Umgebung. Da der Schaffensprozess zu einem überwiegenden Teil vom Patienten selbst initiiert und getragen wird, hat ein Erfolg auf dieser Ebene Generalisierung vorausgesetzt selbstwertsteigernde Wirkung, die Ursachenzuschreibung für Erfolg wird internal attribuiert, was sich positiv auf die Stabilität des neuerworbenen Verhaltens auswirkt (Rotter et al nach Herkner 2001, S. 45). Während in vielen anderen psychiatrischen Einrichtungen kreative oder handwerkliche Betätigung der PatientInnen nur in sehr strukturiertem Setting möglich ist und vordergründig auf therapeutisch-rehabilitative Effekte abzielt, bietet der Bereich Aktivierung mit dem Angebot der Freien Werkstatt einen sehr niederschwelligen Zugang zur eigenverantwortlichen Planung und Gestaltung der Freizeit. 3. Empirische Untersuchung Die Forschungsfrage der vorliegenden Untersuchung bezieht sich auf eine mögliche Einstellungsänderung bezüglich des intendierten Freizeitverhaltens von SuchtpatientInnen durch den Besuch der Freien Werkstätte. Hat regelmäßige kreative Betätigung von PatientInnen Einfluss auf die geplanten Freizeitaktivitäten nach Entlassung aus dem stationären Setting? Der Studie liegen verschiedene Forschungsschwerpunkte zugrunde: Neben der Darstellung des sich ändernden Freizeitverhaltens im Verlauf der Abhängigkeitsentwicklung wie in der ICD-10 Diagnostik beschrieben soll eine Evaluierung der therapeutischen Intervention als auch deren Transfer in die Alltagssituation erfasst werden. Zur Abklärung oben genannter Fragestellungen wurde ein Messinstrument entwickelt, welches den PatientInnen im Rahmen der Entlassungsmodalitäten vorgelegt wurde. Der Fragebogen umfasst offene, sowie ein- beziehungsweise mehrkategorielle Fragestellungen. Ein Pretest mit 10 bis 15 PatientInnen wurde durchgeführt um eventuell auftretende Probleme der Fragebogenkonstruktion im Vorfeld ausschließen zu können. Die Untersuchungsstichprobe umfasst stationäre Patient- Innen des Anton-Proksch-Instituts. Insgesamt wurden 127 Personen (64 weibliche Personen und 63 männliche Personen) zur Testung herangezogen, wobei auf die Versuchsgruppe 1 (VG1) 33 weibliche und Versuchsgruppe 2 (VG2) 30 männliche Personen entfielen, die das therapeutische Angebot der Freien Werkstatt während 51

52 ihres stationären Aufenthalts in Anspruch nahmen. Die Kontrollgruppe setzt sich aus 31 weiblichen und 33 männlichen Personen zusammen, die die Freie Werkstatt nicht aufsuchten. Betrachtet man die soziodemografischen Daten, befinden sich in der Stichprobe der Frauen wesentlich mehr medikamentabhängige Patientinnen (21,8%) als in jener der Männer (4,6%). Die Arbeitslosenquote der PatientInnen des Anton-Proksch-Instituts liegt mit 39,7% um das Neunfache höher als die durchschnittliche Arbeitslosigkeit der österreichischen Allgemeinbevölkerung mit 4,6% zum Zeitpunkt der Erhebung (AMS Österreich). Die Dauer der Arbeitslosigkeit der UntersuchungsteilnehmerInnen beträgt im Durchschnitt 30 Monate, womit die Kriterien der Langzeitarbeitslosigkeit erfüllt sind. Durch diese Langzeitarbeitslosigkeit steht ein wesentlich höheres Maß an frei einteilbarer Zeit (Freizeit) zur Verfügung als der Allgemeinbevölkerung im erwerbstätigen Alter, bei der eine Periode der Arbeitslosigkeit durchschnittlich drei Monate umfasst. Der Großteil der befragten Personen (66,7%) hat die Freie Werkstatt während des stationären Aufenthaltes 1- bis 2-mal wöchentlich besucht. Innerhalb der Angebotsnutzung der Freien Werkstatt gibt es einige klare geschlechtsspezifische Präferenzen: Holzarbeiten und Brandmalerei werden bevorzugt von männlichen Patienten durchgeführt, während die Mehrheit der weiblichen Patientinnen die Beschäftigung mit Tonarbeiten und die Schmuckherstellung vorzieht. Aktivitäten wie Malen, Steinbearbeitung, Filzen, Basteln, Seidenmalen oder textiles Gestalten unterscheiden sich nicht überzufällig in der Häufigkeit der Ausübung durch Frauen oder Männer. 3.1 Freizeitverhalten und Abhängigkeitsentwicklung Durch die Entwicklung der Alkoholabhängigkeit kann bei den Befragten allgemein ein Rückgang der prämorbiden Freizeitaktivitäten beobachtet werden. Abb. 1: Anteil der Befragten mit starker Reduktion der jeweiligen Freizeitaktivität während der Alkholerkrankung Fernsehen, Videos, Radio, Computer Lesen Familie Freunde, Bekannte Ausflüge tätigen Kreative Tätigkeit 10% 38% 45% 49% 51% 58% So geben 74% der PatientInnen, die vor ihrer Erkrankung aktiv Sport betrieben haben an, dass sich das Ausmaß ihrer sportlichen Aktivitäten während der Alkoholkrankheit stark verringert hat (n = 101). Ähnlich stark zeigt sich dieser hemmende Einfluss auf die Durchführung von Fortbildungs- und weiterbildenden Maßnahmen während der Freizeit von alkoholkranken PatientInnen, von dem zwei Drittel der Befragten berichten (n = 109). In Abbildung 1 wird diese Reduktion in den verschiedenen Bereichen der Freizeitgestaltung veranschaulicht. Aus den Ergebnissen ist deutlich erkennbar, dass mit starker persönlicher Aktivität verbundene Bereiche der Freizeitgestaltung wie Sport betreiben, an Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen, kreative Betätigung, Ausflüge tätigen und sich mit Freunden treffen durch den Krankheitsverlauf in starkem Ausmaß von einer Reduktion betroffen sind. Hingegen verzeichnen Freizeitaktivitäten, welche ein eher passives Verhalten der Alkoholabhängigen erlauben wie z.b. Zeitschriften und Bücher lesen oder sich mit der Familie beschäftigen, einen geringeren Rückgang während des Krankheitsverlaufs. So reduziert sich der Konsum von Medien wie Fernsehen, Videos und Radio mit einem geringen Anspruch an Eigeninitiative und Tatkraft nur bei 10% der UntersuchungsteilnehmerInnen (n = 122). Ein interessanter Aspekt zeigt sich durch den massiven Rückgang der kreativen Aktivitäten während der Abhängigkeitsentwicklung, von dem 58% der befragten PatientInnen (n = 106) berichten. Durch dieses Resultat wird dem Mythos des Kreativitäts-Stimulans Alkohol eindeutig widersprochen. 3.2 Effekte der Intervention auf die Einstellung zu kreativen Tätigkeiten Ein weiterer Schwerpunkt der Studie bezieht sich auf den Einfluss der regelmäßigen Betätigung von PatientInnen im Rahmen der Freien Werkstatt auf deren Einstellungen zu kreativen Freizeitaktivitäten. Obwohl die Einstellungsmessung zur Prädiktion von Verhalten in der Psychologie oft kritisch diskutiert wird, kann eine angemessene Vorhersagegenauigkeit angenommen werden, wenn im Gegensatz zur Bewertung von isolierten Reizen oder Objekten die Einstellung zum Verhalten selbst erhoben wird (Herkner 2001, S. 212). Bei der vorliegenden Untersuchung geben 78% der weiblichen und 87% der männlichen Personen an, dass der Besuch der Freien Werkstatt ihre Einstellung zu kreativer Tätigkeit positiv verändert und ihre Wertschätzung bezüglich dieser Aktivitäten gesteigert hat. Der Großteil der Befragten (rund 85%) berichtet vom Erwerb neuer Kreativtechniken und zeigt sich von der Entdeckung der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten überrascht. Das überwiegend positive Feedback aus dem sozialen Umfeld der in der Werkstatt aktiven PatientInnen zeigt sich in Lob und Anerkennung für die gefertigten Werkstücke, die über 90% der Befragten von Angehörigen und Freunden erhalten. Fortbilden, Lernen Sport 67% 74% Fishbein und Ajzen (1975, in Herkner 2001) nennen als weiteren aussagekräftigen Prädiktor eines zukünftigen Verhaltens die Verhaltensintention, welche im Rahmen dieser Untersuchung ebenfalls erhoben wurde. Als wichtigste Determinanten für den Grad der Übereinstimmung von Intention und tatsächlichem Verhalten bezeichnen 52

53 die Autoren die Handlung selbst, den Kontext und die Zeitspanne, welche zwischen Erhebung der Intention und der Durchführung des Verhaltens liegt (Herkner 2001, S. 216). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer möglichst präzisen und detaillierten Erfassung der geplanten Aktivitäten, der Transfermöglichkeiten und der Rahmenbedingungen, welche sich förderlich oder hemmend auf das Freizeitverhalten der PatientInnen nach dem Therapieaufenthalt auswirken. Insgesamt äußern 83% der Befragten, die das Angebot der Freien Werkstätte im stationären Setting regelmäßig genutzt haben, ihre Absicht, im Anschluss an ihren Aufenthalt im Anton- Proksch-Institut kreative Tätigkeiten zu Hause durchzuführen. Rund drei Viertel (73%) davon beabsichtigen, sich mindestens 1- bis 2-mal wöchentlich oder öfter kreativ zu betätigen und planen für die Durchführung dieser beabsichtigten Freizeitaktivitäten jeweils einen Zeitaufwand von ein bis zwei Stunden (46%) bzw. drei oder mehr Stunden (44%) ein. Obwohl eine Teilnahme an Kreativkursen nach der Entlassung aus dem stationären Setting nur von einigen wenigen PatientInnen angestrebt wird, erwägt ein Großteil der Befragten (74%) eine dauerhafte Integration der in der Freien Werkstätte ausgeübten Beschäftigungen in ihre Tagesstruktur. Die für die Zukunft geplanten kreativen Tätigkeiten entsprechen den geschlechtsspezifischen Präferenzen, die auch während des stationären Aufenthalts bei der Nutzung des Kreativangebots der Freien Werkstätte beobachtet werden konnten: Männliche Patienten planen die Durchführung von Holzarbeiten, Brandmalerei bzw. Basteln in ihrer Freizeit, während Frauen beabsichtigen, sich mit der Schmuckherstellung, mit Seidenmalen, Basteln und mit Textilem Gestalten zu beschäftigen. 3.3 Transfer von kreativer Aktivität in die Alltagssituation An hemmenden Faktoren, welche den Transfer und die Integration einer kreativen Freizeitaktivität in die Tagesstruktur negativ beeinflussen könnten, werden von den Befragten vorwiegend das Fehlen von geeigneten Räumlichkeiten und Zeitmangel angegeben. Eine weitere Barriere, die der Umsetzung von kreativen Tätigkeiten nach dem stationären Aufenthalt entgegenwirkt, stellt die finanzielle Belastung durch die Kosten für Materialien dar, welche von den weiblichen Untersuchungsteilnehmerinnen signifikant häufiger (p < 0,001) als hindernde Ursache für die regelmäßige Ausübung von kreativer Betätigung genannt wird. Während nur 10% der befragten Männer die Materialkosten als problematisch für die Durchführung ihrer geplanten kreativen Beschäftigung einstufen, empfinden rund 40% der Patientinnen den finanziellen Aufwand für Materialien als belastend oder sehen sich kaum in der Lage, die notwendigen Mittel dafür aufzubringen. Zu den wesentlichen intervenierenden Variablen, welche nach Fishbein und Ajzen (1975, in Herkner 2001, S. 214) die Intention und dadurch auch indirekt das Verhalten beeinflussen, zählen neben privaten Normen die sozialen Normen, worunter tatsächliche oder vermeintliche Ansprüche der sozialen Umwelt verstanden werden. Mehr als drei Viertel aller PatientInnen (76%), welche in der Freien Werkstätte aktiv waren, fühlen sich von ihrer Familie und ihren Angehörigen bei der Durchführung von kreativen Tätigkeiten in der häuslichen Umgebung unterstützt. Ebenso erfährt der überwiegende Anteil der Befragten (92%) Anerkennung durch Freundeskreis und Bekannte aufgrund seiner kreativen Freizeitaktivitäten. Dieses subjektiv erwartete positive Feedback der sozialen Umwelt wirkt sich nach Meinung der Autoren verstärkend auf Durchführung und Beibehaltung der intendierten Verhaltensweisen aus. 3.4 Erwarteter Einfluss von kreativer Aktivität auf die Aufrechterhaltung der Abstinenz Ein zentraler Fragenkomplex der Studie bezieht sich auf die Erfassung des Zusammenhangs zwischen der aktiven und kreativen Freizeitgestaltung im Anschluss an den stationären Therapieaufenthalt und der Aufrechterhaltung der Abstinenz. Abb. 2: Erwarteter Einfluss von Freizeitaktivitäten auf die Abstinenz von alkoholabhängigen PatientInnen Erwarteter Einfluss von Freizeitaktivitäten auf die Abstinenz Prozent der Zustimmung Sport Familie Freunde, Bekannte kreative Tätigkeit Fernsehen, Video, Radio Lesen Ausflüge Fortbildung Freie Werkstätte nicht besucht Freie Werkstätte besucht 53

54 Hier ergeben sich signifikante Unterschiede (p < 0.001) in der subjektiven Einschätzung zwischen Personen, die die Freie Werkstatt besucht haben und jenen, die das Kreativangebot nicht genutzt haben, hinsichtlich der Erwartung der abstinenzstabilisierenden Wirkung von regelmäßiger kreativer Betätigung während der Freizeit (vgl. Abb. 2). 92 % der Befragten, die sich während ihrer stationären Behandlung in der Freien Werkstatt des Anton- Proksch-Instituts betätigt haben, halten die Ausübung kreativer Tätigkeiten für einen wesentlichen Faktor, der zur Aufrechterhaltung der Abstinenz beiträgt. In der Kontrollgruppe (Personen, die das Angebot der Freien Werkstatt nicht in Anspruch genommen haben) zeigen sich nur 59% vom positiven Einfluss kreativer Freizeitaktivitäten auf die Abstinenz überzeugt. Da sich in sämtlichen anderen Bereichen der Freizeitgestaltung wie Sport betreiben, Beschäftigung mit der Familie, soziale Kontakte mit Freunden und Bekannten, Fortbildungsmaßnahmen etc. keine überzufälligen Unterschiede zwischen Versuchsund Kontrollgruppe zeigen, weist dieses Resultat darauf hin, dass der Besuch der Freien Werkstatt während des Therapieaufenthalts eine Einstellungsänderung der PatientInnen bewirkt, welcher eine wesentliche Bedeutung in der Rückfallsphrophylaxe zukommt. Diese gesteigerte Effizienzerwartung (Bandura 1977) bezüglich der kreativen Betätigung entspricht einer subjektiv empfundenen Verhaltenskontrolle, welche sehr hoch mit der Verhaltensintention korreliert. 3.5 Wirkfaktoren kreativer Beschäftigung Zur näheren Abklärung dieser Einstellungsänderung und zur Identifizierung grundlegender Wirkfaktoren wurden die PatientInnen nach den von ihnen erlebten Effekten der kreativen Tätigkeiten durch Vorgabe einer Visuell- Analog-Skala (VAS) befragt. Durch die stufenlose Eingabe eines Antwortwerts wurde die subjektiv empfundene Intensität der Auswirkung von kreativen Aktivitäten auf verschiedene Parameter gemessen und die Daten von VG (PatientInnen haben die Freie Werkstätte besucht) und KG (PatientInnen haben die Freie Werkstätte nicht besucht) verglichen als auch einer geschlechtsspezifischen Auswertung unterzogen. Eine beruhigende und entspannende Wirkung von kreativer Beschäftigung wird tendenziell stärker (p = 0,063) von PatientInnen angegeben, welche während ihres Aufenthalts das Angebot der Freien Werkstätte genutzt haben. Weiters zeigt sich eine signifikante Wechselwirkung in Bezug auf die Variablen Werkstattbesuch und Geschlecht, welche sich auch bei der Frage nach dem Einfluss auf die Ausgeglichenheit der Probanden findet: Frauen, die sich aktiv in der Freien Werkstätte betätigt haben, bewerten den Effekt der Beruhigung und Entspannung (p = 0,036) signifikant höher und fühlen sich ausgeglichener (p = 0,031) als die Befragten der anderen Subgruppen. Weiters geben PatientInnen, die in der Freien Werkstatt aktiv waren, an, durch kreative Beschäftigung besser abschalten zu können (p = 0,015), wobei dieser Effekt bei Frauen wiederum deutlicher ausgeprägt ist. Der Einfluss von kreativer Betätigung auf das Selbstbewusstsein unterscheidet sich nicht überzufällig bei den Befragten der Versuchs- und Kontrollgruppe, jedoch schreiben Frauen, die die Freie Werkstatt regelmäßig besucht haben, diesen Aktivitäten einen signifikant stärkeren Einfluss (p = 0,021) auf ihr Selbstbewusstsein zu, als Patientinnen der Kontrollgruppe. Ein ähnliches Ergebnis findet sich auch hinsichtlich der stimmungsverbessernden Wirkung von kreativen Aktivitäten, welche von weiblichen Befragten der Versuchsgruppe signifikant stärker (p = 0,001) rückgemeldet wird. Weiters lässt sich ein signifikant positiver Einfluss (p = 0,001) von kreativen Tätigkeiten auf die Konzentrationsfähigkeit von PatientInnen, die das Angebot der Freien Werkstätte genutzt haben, nachweisen. Sowohl Männer als auch Frauen nehmen an sich eine bessere Konzentrationsleistung wahr und schreiben diesen Effekt der kreativen Beschäftigung zu. In Bezug auf die Fähigkeit der Kontaktaufnahme als auch bei der sinnvollen Strukturierung des Alltagslebens lassen sich keine Unterschiede zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe nachweisen, was die erwarteten Effekte von kreativer Aktivität betrifft. Befragte, die die Freie Werkstatt besucht haben, empfinden kreative Beschäftigung jedoch tendenziell stärker (p = 0,010) als Ausgleich zu den Alltagsbelastungen, wobei diese kompensatorische Wirkung von Frauen im Vergleich zu männlichen Patienten deutlich stärker empfunden wird. Abb. 3: Wirkfaktoren von kreativen Aktivitäten in Abhängigkeit vom Werkstattbesuch Wirkfaktoren der Kreativitäten in der Freien Werkstatt ruhig, entspannt ausgeglichen abschalten selbstbewusst Werkstättenbesuch ja Stimmung Konzentration Kontaktfähigkeit sinnvolle Struktur Werkstättenbesuch nein 4. Zusammenfassung und Ausblick Aufgrund der vorherrschenden Problematik der Arbeitslosigkeit erhält der Zusammenhang zwischen dem Freizeitverhalten und der Aufrechterhaltung der Abstinenz von substanzabhängigen PatientInnen besondere Bedeutung. Aus der um das Neunfache erhöhten Arbeitslosenquote sowie der um zehnfach längeren Dauer der Arbeitslosigkeit im Vergleich zur österreichischen Allgemeinbevölkerung lässt sich der Bedarf einer genaueren wissenschaftlichen Betrachtung dieser Thematik ableiten. Die positiven Effekte einer stationären Behandlung substanzabhängiger Personen auf die Erwerbstätigkeit konnte bereits Wirth (2001) in einer 6-Jahre Follow-Up Studie an 100 polytoxikomanen PatientInnen der Drogentherapiestation des Anton-Proksch-Instituts zeigen. Ihre Studie Belastungsausgleich 54

55 ergab, dass 86,7% der PatientInnen nach erfolgreich absolvierter Langzeitdrogentherapie ganztags erwerbstätig sind, im Vergleich dazu liegt die Erwerbsquote der TherapieabbrecherInnen bei 33%. Das große Ausmaß an frei verfügbarer Zeit verursacht durch Langzeitarbeitslosigkeit von alkoholkranken Personen, kann als permanente Unterforderung und Belastungssituation angesehen werden, welche nach Lindenmeyer (2005) die Rückfallwahrscheinlichkeit massiv erhöht. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich daher auf den Aspekt des intendierten Freizeitverhaltens im Anschluss an die stationäre Therapie. Dabei versteht sich eine aktive und konstruktive Freizeitgestaltung als Gesundheitsressource, die einen wesentlichen Beitrag zu einem ausgewogenen Lebensstil liefert und im Sinn des salutogenetischen Modells von Antonovsky (1979) in der Suchtbehandlung nicht nur als protektiver Faktor sondern auch rückfallsprophylaktisch wirkt. Um eine theoretisch fundierte Eingliederung in das Behandlungskonzept von substanzabhängigen Personen zu ermöglichen, wurde der Einfluss von kreativer Freizeitbeschäftigung im Rahmen der Freien Werkstätte auf das intendierte Freizeitverhalten der PatientInnen im Anschluss an den stationären Aufenthalt erfasst. Im Zuge der Abklärung, welcher Veränderung das Freizeitverhalten im Verlauf der Abhängigkeitsentwicklung unterliegt, belegen die empirischen Daten einen deutlichen Rückgang der prämorbiden Freizeitaktivitäten. Parallel zur Zunahme des Alkoholkonsums kommt es zu einer Reduktion der bisher ausgeübten Freizeitbeschäftigungen. Während sich eine Vernachlässigung von Hobbies im sportlichen und kreativen Bereich, eine Verringerung der sozialen außerhäuslichen Interaktionen sowie bei Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in großem Ausmaß zeigen, sind eher passive Freizeitbeschäftigungen wie der Konsum von Unterhaltungsmedien, Lesen und die Beschäftigung innerhalb der Familie weniger von einer Reduktion während des Krankheitsverlaufs betroffen. Durch den regelmäßigen Besuch der Freien Werkstätte während ihrer stationären Entwöhnungsbehandlung zeigt sich bei einem Großteil der Befragten neben dem Erwerb neuer Kreativtechniken und Fertigkeiten die Einstellung zu kreativen Freizeitaktivitäten positiv verändert. Die überwiegende Mehrheit der Untersuchungsteilnehmer- Innen plant im Anschluss an den stationären Aufenthalt den Transfer und die dauerhafte Integration dieser kreativen Tätigkeiten in ihre Tagesstruktur. Das positive Feedback, die Anerkennung und Unterstützung aus dem sozialen Umfeld, welche die PatientInnen bezüglich ihres kreativen Freizeitverhaltens erfahren, könnte sich förderlich auf die tatsächliche Durchführung in der Alltagssituation auswirken. Weiters zeigt sich bei PatientInnen, welche das Angebot der Freien Werkstatt genutzt haben, eine signifikant stärkere Erwartungshaltung bezüglich dem abstinenzstabilisierenden Effekt von kreativer Beschäftigung im Vergleich zur Kontrollgruppe. Personen, welche während ihres Therapieaufenthalts die Freie Werkstatt besucht haben, geben zu 92% an, dass kreative Tätigkeiten ihnen auch zukünftig helfen, abstinent zu bleiben bzw. sich weiter zu stabilisieren. An Wirkfaktoren, welche dieser Einstellungsänderung zu Grunde liegen, lassen sich tendenziell der beruhigende und entspannende Effekt von kreativen Tätigkeiten nachweisen sowie eine positive Wirkung auf die Ausgeglichenheit der PatientInnen. Weiters zeigt sich ein signifikant positiver Einfluss von kreativen Aktivitäten auf die Konzentration als auch bei der Fähigkeit, sich von Alltagsbelastungen zu distanzieren und bei der Ausübung dieser Tätigkeiten abschalten zu können. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass durch den regelmäßigen Besuch der Freien Werkstatt die Intention zur Aufnahme eines aktiven und kreativen Freizeitverhaltens im Anschluss an den stationären Aufenthalt positiv beeinflusst wird. Aufgrund des stabilisierenden und rückfallsprophylaktischen Effekts dieser kreativen Aktivitäten sollten ressourcenorientierte Behandlungskonzepte, welche auf eine aktive und konstruktive Freizeitgestaltung abzielen, in der Suchtbehandlung verstärkt angeboten werden. Obwohl von einer positiven Korrelation zwischen der Intention und dem tatsächlichem Verhalten ausgegangen werden kann, sind zur weiteren Abklärung des Zusammenhangs zwischen kreativer Freizeitgestaltung, aktueller Lebensqualität und Abstinenz Folgestudien notwendig. Im Gegensatz zur vorliegenden Arbeit soll eine Follow-up-Studie durch eine Erfassung der tatsächlich durchgeführten Freizeitaktivitäten zu verschiedenen Zeitpunkten nach der stationären Entwöhnungsbehandlung zu valideren Resultaten führen. Summary The basic treatment concepts of the Anton-Proksch- Institute involve special therapeutic measures with main focus on the patient s activation and mobilisation. One of these resources orientated interventions is so called Freie Werkstatt which offers the opportunity for autonomously practising creative leisure time activities during inpatient treatment. The following article tries to point out the connection between the attitudes toward creative leisure time activities, life quality and relapse prevention of alcohol addicts. Although the measurement of attitudes is looked critically in general the survey is seen as the first step for the prediction of the intended behavior. First results show that training in creative activities enhances intention to implement creative leisure time behavior after inpatient stay and increases patient s expectation in staying abstinent by mobilizing individual positive resources. Gender related differences and problems of transferring and implementation of creative activities in everyday life will be discussed on the basis of empirical facts and considerations in theory. Keywords leisure activities, alcohol dependence, abstinence, relapse prevention, activational therapy 55

56 Literatur Antonovsky, A. (1979): Health, stress, and coping. New perspectives on mental and physical well-being. San Francisco: Jossey-Bass Bandura, A. (1977): Self-efficacy. Toward a unifiying theory of behavioral change. Journal of Personality and Social Psychology, 35: Dumazedier, J. (1974): Sociology of leisure. New York: Elsevier Herkner, W. (2001): Sozialpsychologie. Bern: Huber Hofer, E. (2007): Zukünftiges Freizeitverhalten und Abstinenz Eine Fragebogenerhebung an stationären PatientInnen des Anton Proksch Instituts. Unveröffentlichte Diplomarbeit FH Pinkafeld Körkel J./Schindler, C. (2003): Rückfallprävention mit Alkoholabhängigen. Berlin: Springer Lamprecht, M./Stamm, H. (1994): Die soziale Ordnung der Freizeit. Zürich: Seismo Lindenmeyer J. (2005): Lieber schlau als blau. Entstehung und Behandlung von Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. Weinheim: Beltz Lüdtke, H. (1975): Freizeit in der Industriegesellschaft: Emanzipation oder Anpassung? Opladen: Leske & Budrich Marlatt, G.A. (1985): Cognitive factors in the relapse process. In: Marlatt, G.A./ Gordon, J.R. (Eds.): Relapse prevention. New York: Guilford Press, Arbeitsmarktservice (2006): Die Arbeitsmarktlage im Jahr In: doc (letzter Zugriff ) Opaschowski, H.W. (1996): Einführung in die Freizeitwissenschaften. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften Wirth, U. (2001): Der Verlauf der Drogenabhängigkeit nach der stationären Behandlung. Wien: ÖBIG Korrespondenzadresse Dr. Oliver Scheibenbogen Anton-Proksch-Institut Mackgasse 7-11 A-1230 Wien Tel.: +43-(0) od scheibenbogen@api.or.at 56

57 Originalarbeit S Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 Ästhetik und Anästhetik Das Schöne als Therapeutikum der Sucht Martin Poltrum Philosoph, Psychotherapeut, DGKP, Therapeut und Leiter der Task Force Medical Humanities im Anton-Proksch-Institut Zusammenfassung Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, ob nicht der Leistungskraft des Ästhetischen gerade in Anbetracht der Anästhetisierung durch Drogen in der Suchttherapie eine besondere Rolle zukommt. Dabei wird der Begriff des Ästhetischen vor allem durch eine hermeneutische Rekonstruktion der Kunst- und Schönheitsdiskurse F. Nietzsches, H. Marcuses, M. Heideggers und Platons gewonnen. Der dabei explizierte systematische Gehalt dessen, was das Schöne leistet wird dann in einem zweiten Schritt für die Suchttherapie fruchtbar gemacht. Diskutiert wird, ob nicht gerade in Anbetracht der vermehrten Erfahrung des Schrecklichen und Hässlichen, welche oft im biographischen Hintergrund von Abhängigen zu verorten ist, das Schöne in der die beste aller möglichen Welten (Leibniz) aufleuchtet Hoffnung spendet und die Neuerschließung von Sinn- und Wertmöglichkeiten begleitet, ja vielleicht sogar einleitet. Schlüsselwörter Sucht, Rausch, Ekstase, Ästhetik, Anästhetik, Schönheit, Kunst 1. Einleitung Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die philosophische Reflexion im Bereich der Psychiatrie bzw. Psychotherapie eine lange Tradition hat. Erwähnenswert wären in diesem Zusammenhang Philosophenpsychiater wie Karl Jaspers, Viktor Frankl, Medard Boss oder Jacques Lacan. Ebenfalls müsste man den Philosophen Martin Heidegger nennen, der nicht nur im Bereich der phänomenologischen Psychiatrie eine große Rezeption erfahren hat, sondern mit den oben genannten Psychiatern persönlich bekannt und im philosophischen Austausch war (Hinderk 2003). Vor allem Medard Boss organisierte über Jahre philosophisch-psychiatrische Seminare mit Heidegger und einer Reihe von später bekannt gewordenen Psychiatern (Heidegger 2006). Neben dieser geradezu persönlichen Begegnung zwischen Philosophie und Psychiatrie gibt es die mehr indirekt zu bezeichnende Wirkgeschichte von philosophischen Weltanschauungen und Weltbildern im Bereich der Psychotherapie. Schopenhauers und Nietzsches Wirkung im Werk Freuds (Kaiser-El-Safti 1987) ist ebenso gut dokumentiert wie etwa jene Max Schelers in der Logotherapie und Existenzanalyse (Batthyány 2005), oder die Rezeption Martin Bubers in der Humanistischen Psychologie. Neben diesen historischen Verbindungen von Philosophie und Psychiatrie/Psychotherapie gibt es natürlich auch eine systematische und kritische. So spielte und spielt die philosophisch-epistemologische Reflexion in der Psychiatrie die es ja mit einem Gegenstand zwischen Naturund Geisteswissenschaft zu tun hat ebenso eine Rolle wie die damit zusammenhängende Freiheits- und Determinationsdebatte. Aktuell wäre hier die Frage zu nennen: Was sagt denn die moderne Hirnforschung zum philosophischen Postulat der Willensfreiheit (Geyer 2004)? Sozialphilosophische Kritik der Psychiatrie welche vor allem auch die Antipsychiatriebewegung inspirierte hier wäre Michel Foucault zu nennen (Foucault 1973), hat im philosophisch-psychiatrischen Diskursfeld ebenso Tradition wie ethische Fragen (Langenbach 1999) oder neuerdings die philosophische Auseinandersetzung mit der Psychopathologie Stichwort: von der kategorialen zur dimensionalen Diagnostik (Musalek 2005). Was jedoch neu zu sein scheint, ist der im Folgenden unternommene Versuch von Seiten der philosophischen Ästhetik die ja neben Logik und Ethik den dritten großen Reflexionsbereich der Philosophie darstellt einen diskurs- und therapierelevanten Impuls für die Problematik der Sucht zu bekommen. Es geht darum, im Bereich der Suchtmedizin, vor allem über das dialektische Begriffspaar Ästhetik und Anästhetik manch ein Problem schärfer und ursprünglicher zu fassen. Es wird die These entfaltet, dass gerade das Schöne oder der Logos Ästhetikus im Bereich der Sucht das Therapeutikum schlechthin sein könnte. Hat die Philosophie der Kunst die Dialektik von Ästhetik und Anästhetik längst entdeckt der Seriosität halber sei auf Odo Marquards Aesthetica und Anaesthetica (1989) und auf Wolfgang Welschs Ästhetisches Denken (1993) verwiesen geht es im Folgenden darum dieses Begriffspaar für unsere These fruchtbar zu machen. 2. Begriffsklärung Ästhetik und Anästhetik In einem alltagssprachlichen Sinn verstehen wir unter dem Begriff der Ästhetik etwas der Schönheit Analoges. Man spricht von der Ästhetik des Tanzes, von der Ästhetik des Vogelflugs oder der Ästhetik des Automobils und meint dabei die Schönheit der genannten Bewegungen oder Dinge. Dem entgegen spricht man davon, dass etwas unästhetisch sei, und meint damit das Hässliche, Ekelerregende oder Abstoßende. Der Begriff Anästhetik, der in einem alltagssprachlichen Verständnis die Assoziation an den Narkosearzt und die dazugehörige Wissensdisziplin wach werden lässt, meint im philosophischen Sinn weder so etwas wie die Anti- Ästhetik, etwa die Angriffe der historischen Avantgarde auf die Institution Kunst noch das Un-ästhetische bzw. Hässliche und schon gar nicht den Bereich des Nicht- Ästhetischen, der keinerlei Bezug zu Fragen der Ästhetik hat. Vielmehr wird mit dem Terminus Anästhetik ein Gebiet genannt, das mit dem Wesen der Ästhetik zutiefst verbunden ist. 57

58 Das wird spätestens dann klar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sich der Begriff Ästhetik vom griechischen Wort aisthesis herleitet, das soviel bedeutet wie Sinneswahrnehmung oder Sinnesempfindung (Ritter 1971, S. 119; Henckmann/Lotter 2004, S. 33). Jede Sinneswahrnehmung, die einen Gegenstand anwesend macht, das wissen wir von der Phänomenologie, ist im gleichen Wahrnehmungsakt verbunden mit dem Verschwinden oder Abwesen eines anderen Objekts. Jede Sinneswahrnehmung ist nicht nur verbunden mit der phänomenologisch gedachten Gabe des wahrgenommenen Dings, sondern gleichzeitig mit dem Verschwinden, Abwesendwerden oder Entzug einer Sache. Ähnlich ist es mit dem dialektisch verbundenen Begriffspaar Ästhetik und Anästhetik, die nicht nur Gegenbegriffe, sondern auch miteinander vermittelt sind. Jede Ästhetisierung, Sensibilisierung stellt eine Selektion, eine Steuerung der Wahrnehmung dar und beinhaltet damit zugleich eine Desensibilisierung gegenüber anderen Wahrnehmungen. Ist etwas ästhetisch, so ist etwas anderes dadurch gleichzeitig anästhetisch. Wenn im Folgenden vom Wahren, Schönen und Guten gesprochen wird und damit ein Topos des ästhetischen Platonismus zur Sprache kommt, der in einem zweiten Schritt für die Therapie fruchtbar gemacht werden soll, dann bedeutet dies nicht, dass wir in einer idealistischen Verblendung die Existenz des Falschen, Verlogenen, Hässlichen und Bösen nicht anerkennen, sondern lediglich eine Konzentration auf eine Erfahrung, von der wir behaupten, dass sie entscheidend ist. Mit dem Bösen befassen wir uns nur indirekt, da ich davon ausgehe, dass das Schöne für psychotherapeutische Zwecke mehr wert ist als die diskursive Rekonstruktion und damit Festhaltung des Hässlichen, von dem viele Patienten, das zeigt der Arbeitsalltag, ohne dies zu viel erfahren haben. Mit der Konzentration auf das Ästhetische werden wir vorübergehend anästhetisch, empfindungslos gegenüber dem Falschen, Hässlichen und Bösen. Ein Übel, das wir, wie ich meine, gerne in Kauf nehmen. Wenn man der Geschichte und der Sache der Ästhetik, der aisthesis, nachgeht, dann zeigt sich, dass der Sinnes-Wahrnehmung in der europäischen Philosophietradition ein eigentümliches Los zuteil wurde. Von Parmenides bis Hegel wurde der Bereich der Sinneswahrnehmung in das Reich der Doxa, der Meinung, des Scheins, des Trugs, der Ungewissheit verwiesen, denn das, was die Sinne darbieten, sei zu unverlässlich, um für das Wissen brauchbare Informationen zu liefern. Das Sinnenfällige ist zu sehr mit dem Wesen der Zeit, mit dem Entstehen und Vergehen, dem Schweben zwischen Nichts und Sein, mit dem Werden und Wandel verbunden, als dass es für ein auf bleibendes Wissen abzielendes Unternehmen haltbare Daten liefern könnte. Wenn wir jetzt prädizieren: Draußen ist es hell", ist diese Aussage in ein paar Stunden bereits obsolet geworden. Das durch die Sinne vermittelte Wissen ist nichts, an dem die Suche nach allgemeinen, bleibenden Wahrheiten Befriedigung findet. So wurde die Sinnlichkeit in das Reich des Scheins verbannt und aus dem Kosmos der höheren Erkenntnisinteressen ausgeschieden. Es gibt Philosophen, die behaupten, dass die abendländische Kultur insgesamt durch einen sinnenfeindlichen, narkotisierenden, ja anästhetischen Zug ausgezeichnet sei. Nietzsche in seinem Zynismus hat einmal gemeint: Oh, wer erzählt uns die ganze Geschichte der Narcotica! Es ist beinahe die Geschichte der Bildung', der so genannten höheren Bildung (1986, S. 104). Eine Abwertung des sinnlichen Erscheinens, der Sinnlichkeit, führe früher oder später, so weiter Nietzsche, zum Zustand der totalen Sinnlosigkeit, zum Heraufkommen des unheimlichsten aller Gäste, zum europäischen Nihilismus. Neben der historischen Dimension des Nihilismus gibt es auch eine psychologische Komponente, die vor allem für uns hier von Interesse sein dürfte. Der Nihilismus als psychologischer Zustand tritt dann ein, meint Nietzsche zudem, wenn wir einen Sinn in allem Geschehen gesucht haben, der nicht darin ist: so dass der Sucher endlich den Mut verliert. [...] Was ist im Grunde geschehen? Das Gefühl der Wertlosigkeit wurde erzielt, als man begriff, dass weder mit dem Begriff Zweck, noch mit dem Begriff Einheit, noch mit dem Begriff Wahrheit der Gesamtcharakter des Daseins interpretiert werden darf. Es wird nichts damit erzielt und erreicht; es fehlt die übergreifende Einheit in der Vielheit des Geschehens: Der Charakter des Daseins ist nicht wahr, [...] man hat schlechterdings keinen Grund mehr, eine wahre Welt sich einzureden [...]. Kurz: die Kategorien Zweck, Einheit, Sein, mit denen wir der Welt einen Wert eingelegt haben, werden wieder von uns herausgezogen und nun sieht die Welt wertlos aus [...] (1956, S. 676f.). Als Therapeutikum gegen diesen Zustand des allgemeinen Wertezerfalls und der totalen Sinnlosigkeit bringt Nietzsche dann die schöpferische und wertsetzende Kraft der Kunst ins Spiel und folgert: Wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen (1988, S. 500). Da diese Welt moralisch und religiös nicht zu rechtfertigen sei und da es in der Welt keine Gerechtigkeit gibt und eine moralische Daseinslegitimation kaum haltbar zu sein scheint, so meint Nietzsche, könnten wir wenigstens sagen, wenn diese Welt schon nicht gut ist, so sei sie doch wenigstens phasenweise schön, und darauf könnte die moderne Existenz bauen. Nietzsches Formel dazu: denn nur als ästhetisches Phänomen ist das Dasein und die Welt ewig gerechtfertigt" (1988, S. 47) eine Rechtfertigung, die vom Menschen dann folgerichtig fordert, eine ästhetische Existenz zu führen und ein Kunstwerk aus sich zu machen: Als ästhetisches Phänomen ist uns das Dasein noch immer erträglich, und durch die Kunst ist uns Auge und Hand und vor allem das gute Gewissen dazu gegeben, aus uns selber ein solches Phänomen machen zu können (1986, S. 125). Nietzsches Losung daher: Wir aber wollen die Dichter unseres Lebens sein (Ebd. S. 199). In unserem Kontext würde das bedeuten, das Leben des Patienten als Kunstwerk zu betrachten und die Behandlung als ästhetischen Prozess zu deuten, worauf wir später noch kommen werden. Doch nicht nur Nietzsche gehört zu jenen Philosophen, die den anästhetischen Zug der abendländischen Denktradition und den Logozentrismus unserer Kultur beklagen, sozusagen Sinnlichkeitsentzug und in der Folge Sinnentzug diagnostizieren und als Therapeutikum das Ästhetische empfehlen, nein, 58

59 eine ganze Reihe von Denkern könnte man hier auftreten lassen. Kurz erwähnt seien Herbert Marcuse und Martin Heidegger, sozusagen eine linke, progressive Position und eine eher bewahrend romantische. 3. Eros statt Logos Wollte man Herbert Marcuses Kulturkritik auf eine Kurzformel bringen, hieße diese: Eros statt Logos. In seinem philosophischen Beitrag zu Sigmund Freud, in Triebstruktur und Gesellschaft oder Eros and Civilization, wie die amerikanische Originalausgabe betitelt war, entwickelte Marcuse, der Philosoph der 68er Generation, aus den Kategorien der Freud'schen Trieblehre eine von Marx inspirierte Geschichtsphilosophie, in der die Ästhetische Dimension, wie ein gleichnamiges Kapitel heißt, eine besondere Rolle spielt. Marcuse bezieht sich zunächst auf Freuds Gedanken, dass Kulturentstehung Lustverzicht bedeute. Freud geht ja bekanntlich in seinen metapsychologischen Überlegungen zur Entstehung der Kultur von der Dialektikzweier Prinzipien aus: dem Lustprinzip und dem Realitätsprinzip. Und er stellt die These auf, dass Kulturentstehung notwendigerweise Lustverzicht und Unterdrückung des Eros impliziere. Ohne Triebverzicht und Triebaufschub keine Kultur. Somit ist das Realitätsprinzip an der Unterdrückung des Lustprinzips im gleichen Maße beteiligt wie an der Entstehung der Kultur. Die Triebunterdrückung ist bei Freud im Letzten ökonomisch motiviert. Laut Freud werden durch die Triebunterdrückung Energien von der Sexualbetätigung weg auf die Arbeit gelenkt" (1926, S. 322). Marcuse gibt Freud mit seiner These, dass Kulturentstehung Lustverzicht bedeute, zunächst recht und meint, dass dies aber nicht immer und notwendigerweise so sein müsse, Marcuse sieht in der Unterdrückung des Eros das traumatische Ereignis schlechthin: Die Ersetzung des Lustprinzips durch das Realitätsprinzip ist das große traumatische Ereignis in der menschlichen Entwicklung sowohl in der Entwicklung der Art (in der Phylogenese) als in der des Einzelnen (der Ontogenese) (1979, S. 22). Spätestens jetzt ist klar, dass sich Marcuse mit der Vorsaussetzung, Zivilisationsentstehung bedeute notwendigerweise Lustunterdrückung, nicht zufrieden gibt und, Freud weiterdenkend, die Möglichkeit einer repressionsfreien Kultur annimmt. Dies gelingt ihm dadurch, dass er die Kategorien der Trieblehre in den Kontext einer marxistischen Geschichtsphilosophie stellt. Lustverzicht und Umleitung der Energie in Richtung Arbeit habe eine Kultur entstehen lassen, so Marcuse, die so reich an Produktionsmitteln ist und durch den technischen Fortschritt so weit von der Natur emanzipiert sei, dass es in der gegenwärtigen Gesellschaft nicht mehr notwendig wäre, in dem Maße Lustverzicht und Triebunterdrückung zu forcieren, wie es gegenwärtig geschieht. Unsere Form des Realitätsprinzips ist als Leistungsprinzip, und das ist der Kritikpunkt, hypertroph geworden, so dass Erosverzicht und Unfreiheit aufrechterhalten werden, ohne dass es eigentlich notwendig wäre. Man kann verstehen, dass Marcuse mit diesem Verweis zum Stammphilosophen der 68er Bewegung wurde. In Triebstruktur und Gesellschaft greift Marcuse dann folgerichtig auf die Kunst und auf Positionen der klassischen deutschen Ästhetik, derjenigen Kants und Schillers zurück, denn die Kunst ist, wie Schiller meinte, eine Tochter der Freiheit. Der Versuch der Kunst, insbesondere jener der historischen Avantgarde, Kunst und Leben zu verschmelzen, kann als Versuch gelesen werden, in einer Welt des übermächtigen Realitäts- und Leistungsprinzips Anwalt des Lustprinzips zu sein. Durch die Ästhetische Dimension, durch die sinnliche Erfahrung welche in der Kunst gespeichert ist, welche nach Kant das freie Spiel der Erkenntniskräfte, das freie und harmonische Spiel zwischen Einbildungskraft und Verstand bewirke wird der Spiel- und Lustcharakter des Daseins bedient. Die ästhetische Dimension steht für Marcuse somit im Dienste der Befreiung. Kunst ist, wie Marcuse in Anspielung auf Schiller und Hegel meint: das sinnliche Scheinen der Idee der Freiheit. Neben Herbert Marcuses Auseinandersetzung mit der Kunst wäre an dieser Stelle noch auf Theodor W. Adorno und dessen posthum veröffentlichte Ästhetische Theorie (1970) zu verweisen, da Adorno (von dem der bekannte Ausspruch stammt, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch": 1977 u. 1995, S. 12) neben Marcuse sicher derjenige Gesellschaftstheoretiker der Frankfurter Schule ist, der sich am meisten mit der Kunst beschäftigte und für den das Reich des Ästhetischen im Zustand der totalen Verdinglichung und Entfremdung Anwaltschaft für einen nicht kolonialisierenden Weltbezug, für ein weiches, das Andere, Fremde und Nicht- Identische bewahrende Denken übernimmt. Eine ästhetische Position, die derjenigen der Hermeneutik Martin Heideggers, der für Adorno aus verständlichen Gründen ein rotes Tuch war, und der wir uns jetzt zuwenden, sehr verwandt ist. 4. Vergessenheit des Schönen Hermes, der Dolmetscher, jener Bote, der den Menschen übersetzt, wie das von den Göttern Offenbarte zu verstehen sei (denn die Götter sprechen eine andere Sprache als die Sterblichen, so die Vorstellungswelt der Griechen), steht im Verständnis der Hermeneutik, der Kunst des Verstehens, Deutens und Interpretierens, im Verwandtschaftsverhältnis zu einem Phänomen, von dem schon öfters die Rede war, dem Phänomen des Schönen. Der Vorschein des Schönen und das Einleuchten des Verständlichen sind wesensverwandt, so Hans Georg Gadamer (1965, S. 458). Der Glanz des Schönen, das Funkeln des Ästhetischen, hat eine hohe Affinität zum Licht, das einem aufgeht, wenn etwas einleuchtend wird. Das Schönheitsgeschehen und das Wahrheitsgeschehen sind zwei Seiten einer Medaille, so die Lichtmetaphysik der Tradition und zuletzt von Heidegger aufgegriffen. Was heißt in diesem Kontext nun Wahrheit? Wie steht es mit dem Wahrheitsbegriff Heideggers? In einer philologisch sehr tiefsinnigen Interpretation deutet Heidegger 59

60 das griechische Wort für Wahrheit Aletheia folgendermaßen: Lethe, das im Wort A-letheia steckt, bedeutet soviel wie Verbergung, Verborgenheit, Verdecktheit, Verhüllung, Verschleierung und das A im griechischen Wort für Wahrheit, das A in Aletheia, bedeute als Alpha privativum soviel wie die Negation der Verbergung. Wahrheit, griechisch gedacht, ist dann folgerichtig als Bewegung, als Geschehen und Prozess aus der Verborgenheit in die Unverborgenheit zu verstehen. Wahrheit meint dann nicht mehr den Aussagezusammenhang, der zwischen Sätzen und einer Art statischen Ordnung besteht, sondern Wahrheit ist das Ereignis, das zwischen Verborgenheit und Unverborgenheit geschieht. Wahrheit ist Spiel zwischen Ver- und Entbergung, Spiel zwischen Präsenz und Absenz und dass in diesem Enthüllungs- und Entschleierungsgeschehen der philosophische Eros eine besondere Rolle spielt, lässt sich jetzt schon erahnen. Wahrheit ist in den Augen des Hermeneutikers das phänomenologisch gedachte Hervorscheinen einer Sache aus der Verborgenheit in die Unverborgenheit. Das Erscheinen der Wahrheit, das Hervortreten einer Sache aus der Verborgenheit in die Unverborgenheit, der Schein der Wahrheit ist das Sein der Wahrheit. Und Heidegger folgert dann, dass diese ursprünglich verstandene Wahrheit (also ein Wahrheitsbegriff jenseits der traditionellen Deutung der Wahrheit als veritas est adäquatio intellectus et rei: Heidegger 1986) mit der Schönheit identisch ist: Was die Wahrheit ihrem Wesen nach vollbringt, die Enthüllung des Seins, dieses und nichts anders vollbringt die Schönheit, indem sie aufleuchtend im Anschein, in das darin aufscheinende Sein, das heißt in die Offenbarkeit des Seins, in die Wahrheit entrückt. Wahrheit und Schönheit sind in ihrem Wesen auf das Selbe, das Sein bezogen; sie gehören in dem Einen, Entscheidenden zusammen: das Sein offenbar zu halten und offenbar zu machen (1989, S. 230). Dass wir nicht mehr in einer Welt leben, in der diese kontemplative Wirklichkeitsdeutung, diese vita contemplativa, einen Ort hat, dieser Erfahrung also kaum mehr Raum gegeben wird, ist ebenso evident wie die Tatsache, dass wir nicht mehr in die Welt der Griechen mit ihrer Langsamkeit, Gelassenheit und Ruhe, ohne die ganzen technischen Errungenschaften mit allen ihren positiven und negativen Begleiterscheinungen, von der chronischen Zeitknappheit bis zur ständigen Gier nach Neuem, zurück können und wollen. Dennoch ginge es in den Augen Heideggers darum, gerade in der technischen Lebenswelt, mit all ihrer Hektik, mit dem permanenten Drang, die Wirklichkeit durch Planung und Konstruktion gefügig zu machen, durch den ständigen Versuch, den Lauf der Dinge in den Griff zu bekommen, durch das Hypertrophwerden des Willens zur Macht, durch die Herrschaft eines verengten Wirklichkeitsbegriffs, der als wirklich nur das gelten lässt, was sich messen lässt oder messbar zu machen ist, für den das Reale mit Beweisbarkeit, Begründbarkeit und damit Beherrschbarkeit zusammenfällt gerade in dieser empirisch-positivistischen Engführung, in dieser dürftigen Zeit, brauche es so etwas, wie das Sich-Einlassen auf das Schöne. Denn durch das Schöne werden wir in einen Stimmungsraum versetzt, in dem die Gelassenheit zu den Dingen und das Offenwerden für ein höheres Geheimnis Haltungen die nach Heidegger im Zeitalter der Herrschaft Not tun ermöglicht werden (1992, S. 24). Ist das Schöne gegenwärtig, dann komme der Wille zur Macht, der Wille zur Veränderung, der immer mehr und vor allem Neues will, zur Ruhe, und die Dinge dürfen so sein, wie sie sind. Das Sicheinlassen auf das Schöne ermögliche das Seinlassen der Dinge. Heideggers Diagnose lautet: Wir leben im Zeitalter der Seinsvergessenheit, denn Sein sei heutzutage mit dem Unternehmen ident, die Dinge durch die Herrschaft des rechnenden Denkens in den Griff zu bekommen und durch diesen Angriff und die Frage nach Ursache und Grund letztlich zugrunde zu richten. In dieser seinsvergessenen Zeit, in der die Wirklichkeit auf das Material- und Rohstoffsein für den Willen zur Bemächtigung reduziert wird, empfiehlt die Phänomenologie die Schönheit als Therapeutikum. Die Geschichte der Seinsvergessenheit ist jedoch nicht nur ein Mangel oder ein Versäumnis des Menschen, da die Seinsvergessenheit mit einem Entzug des Seins korreliert. Sein zeige sich im Stadium der Seinsvergessenheit nicht mehr in der Fülle und spreche nicht mehr mit dem Reichtum, wie es anderen epochalen Selbstverständnissen noch zugänglich war. Die Entzauberung der Wirklichkeit, Hölderlins Wort von der Flucht der Götter, Trakls Himmel aus dem kein Gott mehr blüht und Nietzsches Schrei vom Tod Gottes, die Entzauberung der modernen Welt, sei nicht nur Folge der Seinsvergessenheit, Folge eines verengten Wirklichkeitsbegriffs, sondern auch Resultat eines Seinsentzugs. Der Begriff des Entzugs bei Heidegger ist insofern interessant, als er es ermöglicht, das Verschwinden des Seinsreichtums, die Tatsache, dass Sein auf mannigfaltige Weisen ist und geschieht, nicht unter dem Aspekt der Schuldfrage zu verhandeln. Er ist gerade darum interessant, weil er jenseits der Kategorie der Kausalität einfach aufzeigt, dass der herrschende Wille zur Macht den unglücklichen und letztlich zum Scheitern verurteilten Substitutionsversuch der Moderne gegen diesen Seinsentzug darstellt. Das ökologische Debakel etwa wäre in dieser Perspektive als Resultat dieser posttraumatischen Belastung und als Kompensation des Seinsentzugs zu deuten. Peter Sloterdijk, der sich ja bekanntlich als philosophischer Schriftsteller in der Tradition Nietzsches und Heideggers versteht, hat im Übrigen mit seinem Buch Weltfremdheit", und damit schließen wir diese Bemerkungen zur hermeneutischen Phänomenologie ab, auf sehr einprägsame Weise versucht, Heideggers existenzialontologischen Entzugsbegriff in die Drogenmissbrauchsproblematik hineinzudeuten. Die Kurzformel seiner Argumentation hieße: Als Gegenkonzept, als Therapiekonzept gegen eine selbst gewählte Anästhetisierung durch Drogen, könnte die Ästhetik, die ästhetisierende Reanimation sämtlicher Bezüge in Form Philosophischer Therapeutik und Lebenskunst, die via regia sein (1993, S ). An dieser Stelle gäbe es viel zur gegenwärtig hoch aktuellen Idee einer Ästhetik der Existenz, zur postmodernen Wiederentdeckung der antiken Lebenskunst zu sagen. Man müsste da vor allem Wilhelm Schmid 60

61 erwähnen, der durch zahlreiche Arbeiten zur Lebenskunst hervorgetreten ist (1998, 2000a-b, 2005) und den Versuch unternommen hat, diese Ideen in einer Züricher Klinik zu applizieren. Erwähnt gehörte auch die mittlerweile europaweite Bewegung des philosophical counselling, in der die Lebenskunst eine entscheidende Rolle in den metatheoretischen Beratungskonzepten vieler Philosophischer Praktiker spielt, oder die vor kurzem gegründete European Society of Aesthetics and Medicine (siehe: mit den dort leitenden Erkenntnisinteressen. Ich darf eines davon zitieren: The patient s life as a piece of art and the treatment as a process of art (Musalek 2005). Doch zurück zu unserer eigenen These: Wir haben gesehen, dass das Ästhetische bei Nietzsche, Marcuse und Heidegger eine besondere Rolle in deren jeweiligen Gedankengebäuden spielt. Die Kunst, die bei Nietzsche mehr wert ist als die Wahrheit, führt aus dem Zustand des Nihilismus hinaus, bei Marcuse steht das Ästhetische im Dienst einer befreiten Gesellschaft und bei Heidegger holt das Schöne den Menschen aus der Seinsvergessenheit heraus (Poltrum 2005). Es ließen sich noch viele Theoretiker anführen, bei denen die aisthesis eine ähnlich wichtige Rolle spielt. Vor allem Friedrich Schiller müsste erwähnt werden, der mit seinen Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen die erste programmatische Schrift zu einer ästhetischen Kritik der Moderne geliefert hat (vgl. Habermas 1996, S ). Aus Platzgründen ziehen wir es jedoch vor, uns jenem Philosophen zuzuwenden, der die Ausgezeichnetheit des Schönen zum ersten Mal umfassend gesehen hat. Damit wären wir bei Platon angelangt. 5. Von der psychotherapeutischen Anamnese zur platonischen Anamnesis Die Anamnese ist im medizinischen Sprachgebrauch das Ergebnis der ärztlichen Befragung nach der Vorgeschichte einer Krankheit. Im psychiatrisch/psychotherapeutischen Kontext ist dies auch die Frage nach der Lebensgeschichte des Patienten und der oft implizit unterstellten Hypothese eines kausalen Zusammenhangs zwischen vergangenen Ereignissen und präsentiertem Krankheitsbild. Mit dem philosophischen Begriff der Anamnesis stoßen wir in das Zentrum der platonischen Philosophie vor. Anamnesis bezeichnet nach Plato die von der Philosophie zu weckende Wiedererinnerung an ein in der Seele liegendes Wissen. Ein Wissen, in dem insbesondere die Idee des Schönen eine ausgezeichnete Rolle spielt. Platon berichtet in seinem Dialog Phaidros von verschiedenen Arten des Rausches und meint, dass uns die größten aller Güter durch den Rausch zuteil werden (1994, S. 40). Was Rausch hier meint, werden wir uns später noch genauer ansehen. Hier trifft sich Platon im Übrigen mit Nietzsche, der ansonsten in vielerlei Hinsicht als Umkehrer des Platonismus gelten kann und meinte: Damit es Kunst gibt, damit es irgend ein ästhetisches Tun und Schauen gibt, dazu ist eine physiologische Vorbedingung unumgänglich: der Rausch. Der Rausch muss erst die Erregbarkeit der ganzen Maschine gesteigert haben: eher kommt es zu keiner Kunst" (Zit. Heidegger 1989, S. 115). Doch zurück zu Platon, zur Anamnesis und dem ekstatischen Außer-sich-Sein durch den Rausch des Schönen. Platon berichtet von der wichtigsten Art des Rausches, dass er ausgelöst durch das Phänomen des Schönen eine Wiedererinnerung, Anamnesis an die Welt der Ideen, an einen Seinszustand des Idealen bewirke. Im Phaidros erzählt Platon von einer mythisch zu nennenden Wagenfahrt und beginnt seine Narration mit der Geschichte, dass es vor der Inkarnation der Seele in den Leib damals eine Wagenfahrt von Göttlichen und Sterblichen gab. Zeus führte mit einem Gespann edelster Rosse eine ganze Schar von Göttern und menschlichen Seelen in einem gewaltigen Wagenzug unter das Himmelsgewölbe, und dort auf der Himmelskugel innehaltend vermochten einige, durch die Umdrehung der Erde, in den jenseitigen Raum zu blicken und das Geschehen jenseits des Himmels zu vernehmen die Welt der Ideen, der Ideale, die Welt des eigentlich Wahren und Guten zu schauen. Es wurde einem damals, vor der Inkarnation der Seele in den Leib, das Reich des Idealen offenbart die pythagoräische Reinkarnationslehre, die hier durchklingt, ist für uns dabei unwichtig. Wir konzentrieren uns rein auf die in dieser Fabel verpackte Phänomenologie: Man wurde damals also mit der Welt der Ideen vertraut, die Idee der Gerechtigkeit wurde einem zuteil, die Idee der Liebe wurde ebenso erblickt wie die der Freundschaft und das wahre Wesen der Dinge insgesamt. Unter all diesen Wesenheiten zeichnete sich die Schönheit als die am meisten Hervorleuchtende und am hellsten Strahlende aus. Platon nennt das Schöne im Phaidros das am reinsten Hervorscheinende und am hellsten Strahlende und folgert daraus, dass es letztlich das Wesen des Schönen ist, die Sinnlichkeit des Schönen, das sinnliche Scheinen des Schönen es sei, welches uns von so etwas wie einer höheren Welt, von einer Art höherem Idealzustand Kunde bringe. Das Schöne sei das am meisten transzendierende Phänomen und erleuchte durch seinen Glanz auch noch jene Dinge, die sonst im Verborgenen liegen. Das Affiziertwerden durch das Schöne gleiche einer Art feierlichem Rauschzustand, einer feierlichen Ergriffenheit und ermögliche durch dieses ekstatische Außer-sich- und Über-sich-hinweggehoben-Sein das Zugänglichwerden der eigentlichen, wahren und wirklichen Welt. Ein Seinszustand, in dem das Wahre, das Schöne und das Gute eine Trias bilden: der bekannte antike Topos. Doch nicht nur damals bei der Wagenfahrt mit den Göttlichen war die Idee des Schönen die am klarsten und deutlichsten zu erkennende Idee, nein auch nach der Inkarnation, sozusagen in der profanen Wirklichkeit kommt der Schönheit eine besondere Rolle zu. Es ist die Ausgezeichnetheit des rauschhaft erotischen Erlebnisses, an die Idee des Schönen wieder zu erinnern; es ist die ästhetische Erfahrung, welche die Anamnesis an die Idee des Schönen und damit auch die Anamnesis an die Welt der höheren Werte möglich macht. Der höhere, substanzfreie Rausch, das höhere sinnliche Erlebnis, das eigentliche Wesen des Eros ist für Plato der Kardinalweg hin zu einem glückseligen und letztlich auch ethosvollen 61

62 Leben. Nun aber hat die Schönheit allein dies Los, dass sie zugleich höchst klar Erscheinendes und höchst Liebenswertes ist (Phaidros, S. 49). Die zwei Arten, diesem Liebenswerten zu begegnen, unterscheiden im Übrigen den vulgären vom höheren Erotiker. Der Jüngst-Geweihte aber, der damals [bei der Wagenfahrt] viel geschaut hat wenn er ein gottähnliches Angesicht erblickt oder eine leibliche Gestalt, welche die Schönheit vollkommen abbildet, so befällt ihn zuerst ein Schauer, und etwas von den damaligen Ängsten überkommt ihn, dann aber, sie anschauend, verehrt er sie wie einen Gott, und fürchtete er nicht den Ruf eines übergroßen Rausches, so brächte er Opfer vor dem Geliebten, wie vor einem Götterbilde einem Gotte. Und da er ihn geschaut, befällt ihn im Wechsel wie nach Fieberfrost Schweiß und Hitze. Denn wie einen Regen empfängt er durch die Augen die Ausflüsse der Schönheit, die ihn erwärmen und die Keime des Fittichs tränken. [...] So von Raserei befallen, kann sie weder nachts schlafen, weder des Tags an ihrem Orte verharren, sondern eilt sehnsüchtig dahin, wo sie glaubt, den Träger der Schönheit zu erblicken. Sobald sie ihn aber schaut und den Liebreiz auf sich einströmen lässt, so löst sich das vorher Verschlossene wieder auf, Atem schöpfen fühlt sie sich frei von Stacheln und Schmerzen und erntet wieder jene süßeste Lust der Gegenwart. [...] Dieser Zustand, schöner Knabe, zu dem sich meine Rede wendet, nennen die Menschen Eros (Ebd. S. 50f.). Anzuführen wären hier noch die Sätze der weisen Diotima, die in Platons Dialog Symposion auftritt und von Eros sagt, dass er weder Gott noch Mensch, sondern die Kraft und Bewegung vom einen zum anderen sei. Welche Kraft hat Eros, fragt Platon Diotima, die antwortet: Zu verkünden und zu überbringen Göttern, was von Menschen, und Menschen, was von Göttern kommt (1994a, S. 74). Der Eros ist hier also nicht nur auf eine libidinöse Energie des menschlichen Subjekts verkürzt, der Eros hat kosmologische Bedeutung und stellt eine Art Browser zwischen der Welt und dem Jenseits, zwischen Zeit und ewigem Ideenreich dar. Es wird leicht zu erraten sein: Wäre Platon Arzt oder Psychotherapeut, was würden er oder von ihm inspirierte Therapeuten Suchtkranken empfehlen? Sie würden im gleichen Augenblick, in dem sie den Patienten den vulgären Rausch ausreden, im gleichen Augenblick, in dem sie ihm alle therapeutischen Strategien an die Hand geben, um abstinent zu bleiben, im gleichen Augenblick würde mit dem Verbot des vulgären Rausches, auf die Wichtigkeit der höheren Ekstase, der höheren Erotik und des an Substanz ungebundenen Rausches verwiesen, der eintritt, wenn sich das Schöne ereignet. 6. Das Schöne als Antwort auf die Frage der Theodizee Der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz prägte 1710 mit der gleichnamigen Schrift den Begriff der Theodizee. Der Sache nach ist diese Problematik bereits im biblischen 62 Buch Hiob angelegt, doch Leibniz hat die Frage, wie sich die Existenz eines guten und gerechten Gottes angesichts des Übels in der Welt rechtfertigen lässt, auf einen Terminus, nämlich jenen der Theodizee gebracht. In unserem Kontext, und auf den psychotherapeutischen Prozess angewandt, geht es dabei nicht um die Gottesfrage, noch um eine andere sektiererische religiöse Kleinkrämerei, sondern um eine Dimension, die mit den höheren Werten zu tun hat. Es geht, provisorisch und vorläufig gesprochen, in der Therapie um das Wiedersichtbar-Machen einer verborgenen oder unbesetzten Wertsphäre. Psychotherapeutisch reformuliert lautet die Frage der Theodizee: Wie lässt sich die Existenz des Guten, die Existenz einer höheren Sinn- oder Werthaftigkeit angesichts der ewigen Wiederkehr des Hässlichen, Bösen und Gemeinen, sei es Krieg, Naturkatastrophe, die Geschichte der Traumata im medizinischen Sinn, oder sonst was, rechtfertigen? Wie lässt sich die Dimension des Ästhetischen gerade angesichts des Hässlichen als Therapeutikum rechtfertigen? Um dieser Frage gewachsen zu sein, eine kurze phänomenologische Betrachtung des Schönen. Das Schöne, das sich aus allen anderen Seinserfahrungen heraushebt, setzt durch seine Besonderheit und Ausgezeichnetheit, durch seine Licht- und Glanzhaftigkeit, eine Seinsdifferenz und hebt durch seine Sonderstellung diese Differenz wieder auf. Das Schöne hebt durch seine Ereignis- und Glanzhaftigkeit, durch seine Strahl- und Leuchtkraft die gewöhnliche Welt in eine höhere Seinsdimension. Es lässt das Seiende im Ganzen in einer Intensität erscheinen, durch die sich die Welt seinsmäßig teilt. Das Schöne, das, wenn es erscheint, die Welt in ein ganz besonderes Licht eintaucht, das sie sonst nicht kennt, setzt den Unterschied zwischen einer höheren, wirklicheren, wahreren und einer gewöhnlichen Welt. Durch das Erscheinen des Schönen ist diese Welt die beste aller möglichen Welten. Wenn die Schönheit scheint, ist es, als würde ihr Glanz gleichsam den Schleier der Maya, den Vorhang des Seins wegreißen und die Durchsicht auf eine ontologisch höherwertige Seinsdimension gewähren. Dieser Dimension gewahr zu werden, ist gleich der Schau der eigentlichen Wahrheit. In der Erfahrung der Schönheit werden wir genau in jenen Öffnungsimpuls der Wirklichkeit versetzt, in jenes schimmernde Leuchten der Welt gehalten, das überzogen mit einem Lichtermeer diese Welt über sich hinaushebt und, über diese Welt hinaussteigend, diese Welt als eine andere, neu verwandelte ankommen lässt, ankommen lässt als die beste aller möglichen Welten. Nicht, dass es das Übel und das Böse durch diese wundersame Weltverwandlung, welche die Schönheit bewirkt, dann nicht mehr gäbe; vielmehr ist es so, dass es in diesen Augenblicken, kraft der anästhetisierenden Funktion des Ästhetischen, nicht wahrgenommen, nicht thematisch werden kann und darum diese Welt zur besten aller möglichen Welten wird. Das Schöne reißt aber auch eine Kluft auf und spaltet diese Welt gleichsam in zwei Sphären in die eine, in der das Ereignis des Schönen der Welt Zauber, Schmuck und Fülle verleiht, und in die andere, die gewöhnliche Welt, die beim Verschwinden der Schönheit noch die Erinnerung an den höheren Seinszustand kennt. Gleich-

63 zeitig ist es aber auch das Auszeichnende des Schönen, dass es diesen Unterschied nicht nur setzt, sondern auch aufhebt. Denn in dem Moment, in dem das Schöne als Ereignis wieder erscheint und der Welt den ersehnten Glanz zurückgibt, den jeder kennt, in dem Moment verschwindet die Kluft zwischen einer höheren, wirklicheren und gewöhnlichen Welt. Das Schöne krümmt die Welt der Gewohnheit im Neigungswinkel des Außergewöhnlichen und lässt das Gefühl auftauchen: Jetzt schaue ich sie, das ist die eigentliche Welt, und das vorher Gehabte, die gewöhnliche Welterfahrung, scheint in diesen glücklichen Augenblicken der Vergangenheit anzugehören, an die man sich in den Momenten, an denen das Schöne währt, vor lauter Staunen nicht einmal erinnert. Durch das Verschwinden des Schönen, durch die geheimnisvolle Rücknahme des Glanzes, wird die Kluft, die das Schöne aufhebt, wieder gesetzt. Wir erinnern uns sehnsuchtsvoll an den Reichtum, den die Welt haben kann. Die Kluft zwischen einer höheren, wirklicheren, wahreren Welt und einer Welt des Scheins nach Nietzsche die Urkluft der Philosophie wird durch die Schönheit gesetzt und zugleich auch aufgehoben. Nur weil es das Schöne gibt und das Wesen des Schönen seine Ereignishaftigkeit, somit seine Nichtalltäglichkeit und Nichtgewöhnlichkeit ist, gibt es die zwei grundlegend verschiedenen Welten und ihre Aufhebung während der Anwesenheit des Schönen (Poltrum 2005). Doch zurück zu unserer Frage: Wie lässt sich die Dimension des Ästhetischen gerade angesichts des Hässlichen als Therapeutikum rechtfertigen? Wir erinnern uns jetzt an das eingangs erwähnte Begriffspaar: Ästhetik und Anästhetik. Das Schöne ist gerade dadurch, dass es aus der Dialektik zwischen Ästhetikum und Anästhetikum besteht, ohne dass wir etwas dazu tun müssten, jenes Therapeutikum, das die Wirklichkeit je schon bereithält. Denn in den Momenten, in denen das Schöne da ist, in den Momenten, in denen die Dinge aus der ästhetischen Erfahrung entspringen, in solchen Momenten ist das Reich des Bösen, Hässlichen und Falschen kraft der anästhetisierenden Funktion des Schönen nicht zugänglich. Das Ereignis des Schönen ist somit die Suspension der Theodizeefrage. Therapie in diesem Sinn wäre, wie das Wort Therapeia ursprünglich sagt, Dienst. Dienst, wie ich meine, an der Wahrheit der Schönheit, am Logos Aestheticus. Summary This contribution raises the question if the power of the aesthetics, especially in relevance of the anaestheticism of drugs, has a crucial role in drug therapy. Herewith the term of the aesthetics is extracted especially from a hermeneutical reconstruction of the discourses of the art and the beauty of F. Nietzsche, H. Marcuse, M. Heidegger and Platon. In a secondary step this will be made fruitful for a therapy of addiction. The assumption is made that through an extended experience of the horrible and the ugly which often can be found in a biographical background of addicts, the beauty in which, as Leibniz said, the best of all possible worlds appears, can give hope and accompanies or maybe even inaugurates an accession to possibilities of meaning and value. Keywords addiction, flush, ecstasy, aesthetics, anaesthetics, beauty, art Literatur Adorno, Th.W. (1970): Ästhetische Theorie. Hrsg. von Adorno, G. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Adorno, Th.W. (1977): Kulturkritik und Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Adorno, Th.W. (1995): Lyrik nach Auschwitz. Adorno und die Dichter. Hrsg. von Kiedaisch Petra. Stuttgart: Reclam Batthyány, D./Zsok, O. (2005): Viktor Frankl und die Philosophie. Wien/New York: Springer Foucault, M. (1973): Wahnsinn und Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Freud, S. (1926): Vorlesung zur Einführung in die Psychoanalyse. Leipzig-Wien-Zürich: Internationaler Psychoanalytischer Verlag Gadamer, H. G. (1965): Wahrheit und Methode. Tübingen: Mohr Siebeck Geyer, C. (Hrsg.) (2004): Hirnforschung und Willensfreiheit. Zur Deutung der neuesten Experimente. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Habermas, J. (1996): Der philosophische Diskurs der Moderne. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Heidegger, M. (1986): Vom Wesen der Wahrheit. Frankfurt a. M.: Klostermann Heidegger, M. (1989): Der Wille zur Macht als Kunst. In: Heidegger, M. Nietzsche Bd. 1. Pfullingen: Neske Heidegger, M. (1992): Gelassenheit. Pfullingen: Neske Heidegger, M. (2006): Zollikoner Seminare. Boss, M. (Hrsg.). Frankfurt a. M.: Klostermann Henckmann, W./Lotter, K. (Hrsg.) (2004): Lexikon der Ästhetik. München: Beck Hinderk, M./Schlimme, J. (2003): Heidegger in Psychiatrie, Psychoanalyse und Psychotherapie. In: Dieter Thomä (Hrsg.): Heidegger. Handbuch. Leben-Wirkung-Werk. Stuttgart/Weimar: J. B. Melzer Kaiser-El-Safti, (1987): M. Der Nachdenker. Die Entstehung der Metapsychologie Freuds in ihrer Abhängigkeit von Schopenhauer und Nietzsche. Bonn: Bouvier Verlag Langenbach, M. (Hrsg.) (1999): Ethik in der Psychotherapie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 63

64 Marcuse, H. (1979): Triebstruktur und Gesellschaft. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Marquard, O. (1989): Aesthetica und Anaesthetica. Philosophische Überlegungen. München: Fink Musalek, M. (2005a): Unser therapeutisches Handeln im Spannungsfeld zwischen Warum und Wozu Krankheitskonzepte und ihre Auswirkung auf die tägliche Praxis. Wiener Zeitschrift für Suchtforschung, 28, 3/4: 5-22 Musalek, M. (2005b): Anton-Proksch-Institut, Therapiezentrum zur Behandlung von Alkohol-, Medikamentenund Drogenabhängigkeit, A-1230 Wien: Brief vom 23. August 2005 Nietzsche, F. (1956): Nachlaß der Achtzigerjahre (Werke Bd. 3. Hrsg. von Schlechta, K.). München: Hansen Nietzsche, F. (1986): Die fröhliche Wissenschaft. Stuttgart: Kröner Nietzsche, F. (1988): Kritische Studienausgabe. Colli, G./ Montinari, M. (Hrsg.) München-Berlin-New York: DTV u. de Gruyter Platon (1994a): Phaidros. Stuttgart: Reclam Platon (1994b): Gastmahl. Stuttgart: Reclam Poltrum, M. (2005): Schönheit und Sein bei Heidegger. Wien: Passagen Ritter, J. (Hrsg.) (1971): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 1. Basel Stuttgart: Schwabe Schmid, W. (1998): Philosophie der Lebenskunst. Eine Grundlegung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Schmid, W. (2000a): Die Geburt der Philosophie im Garten der Lüste. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Schmid, W. (2000b): Auf der Suche nach einer neuen Lebenskunst. Die Frage nach dem Grund und die Neubegründung der Ethik bei Foucault. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Schmid, W. (2005): Schönes Leben? Einführung in die Lebenskunst. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Sloterdijk, P. (1993): Weltfremdheit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Welsch, W. (1993): Ästhetisches Denken. Stuttgart: Reclam Korrespondenzadresse Dr. Mag. Martin Poltrum Anton-Proksch-Institut Breitenfurterstraße 517 A-1230 Wien Tel.: +43-(0)

65 Buchbesprechung S. 65 Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 Verhaltenssucht Diagnostik, Therapie, Forschung Dr. Mag. Martin Poltrum Anton Proksch Institut Dass jede Richtung des menschlichen Interesses süchtig zu entarten vermag, wie der Suchtforscher V. E. von Gebsattel treffend formulierte, ist eine alte Erkenntnis. Wie es jedoch genau um die nicht stoffgebundenen Süchte steht, die in der Literatur oft unterschiedlich kategorisiert werden, nämlich entweder als Zwangsspektrumsstörung, Impulskontrollstörung oder Verhaltenssucht, wird im unlängst vorgelegten Buch Verhaltenssucht von M. Grüsser und C. Thalemann auf sehr profunde Weise beschrieben. Man findet dort nicht nur hilfreiche Definitionen und die Phänomenologie, Epidemiologie und Komorbidität von Kauf-, Spiel-, Sport-, Arbeits-, Computer- und Sexsucht beschrieben, sondern auch die effektivsten diagnostischen Instrumentarien bzw. differentialdiagnostischen Implikationen und therapeutischen Ansätze. Kurz der State of the Art zu dieser Thematik. Dabei ist es nicht überraschend, dass sich die derzeitige Daten- und Faktenlage als uneindeutig erweist und die Prävalenzzahlen der einzelnen exzessiven Verhaltensweisen, die hauptsächlich aus amerikanischen und deutschen Studien stammen, stark schwankend sind. Interessant ist auch, dass die therapeutische Herausforderung dieser immer mehr an wissenschaftlicher Relevanz gewinnenden neuen Süchte eine andere ist, wie die der substanzgebundenen Abhängigkeiten. Wird schon bei Alkohol- und Drogenabhängigkeit die Aufgabe des Abstinenzparadigmas immer wieder kontroversiell debattiert, zeigen die Verhaltenssüchte deutlich, dass sich das Behandlungsziel der Abstinenz hier nur sehr selten verfolgen lässt. Vollkommene Abstinenz von Computern, vom Kaufen oder von der Arbeit, ist in unserer Gesellschaft nicht zu realisieren und deshalb sinnwidrig. Ein kontrollierter Umgang mit den exzessiv betriebenen Verhaltensweisen scheint hier das Therapieziel der Wahl zu sein. Eine Ausnahme bildet dabei die Glücksspielsucht, bei welcher die Abstinenzidee in den meisten Fällen noch aufrechterhalten wird. Bei Sport- und Sexsucht, für die es bislang kaum relevante Therapiestudien gibt, so die Autorinnen, sei die Umwandlung des ich muss in ein ich kann, somit der gemäßigte Umgang ebenfalls der Abstinenz vorzuziehen. Bei letzterer sei die monogame Beziehung, in der die Fähigkeit zu Intimität, Leidenschaft und Hingabe bzw. das in Beziehung treten können mit dem Partner erlernt werde welches ja bei dieser Form des exzessiv pathologischen Verhaltens gestört ist das Ziel der Therapie. Insgesamt resümieren die Autorinnen, dass es jedoch noch kein einheitliches therapeutisches Vorgehen bei den einzelnen Formen der Verhaltenssucht gäbe. am Beispiel der Arbeitssucht sichtbar. So finden sich in der Literatur zu workaholism bzw. work addiction mittlerweile viele differente Konzepte und ein oft nur mühsam zu durchschauendes terminologisches Dickicht. Spence und Robbins (1992), so lesen wir in Verhaltenssucht, nennen beispielsweise drei süchtige Arbeitstypen: workoholics, work enthusiasts und enthusiastic workoholics. Die ersten zeichnen sich durch viel Engagement im Beruf aus, einen selbst auferlegten Trieb zur Arbeit und fehlenden Spaß an ihrer Tätigkeit. Die zweite Gruppe, die work enthusiasts zeigen Engagement, haben Spaß und erleben ihr Arbeiten nicht als ein Getriebensein. Bei der letzten Gruppe, den enthusiastic workoholics findet man Engagement, ein inneres zur Arbeit gedrängt werden und Spaß daran, ein Homo laborans zu sein. Wichtige Unterschiede zwischen Arbeitssüchtigen und Arbeitsenthusiasten lägen vor allem darin, dass Arbeitssüchtige stärker perfektionistisch und weniger bereit sind zu delegieren, mehr beruflichen Stress erleben und stärker unter körperlichem Unbehagen bzw. Krankheiten leiden. Arbeitssüchtige sind bei der Erledigung ihrer Arbeitsaufgaben den Arbeitsenthusiasten qualitativ unterlegen. Der mittlerweile sehr inflationär gebrauchte Suchtbegriff wird in dem phasenweise sehr technisch und trocken geschriebenen Buch auf ein empirisch gesichertes Maß zurückgestutzt. Das macht Verhaltenssucht lesens- und empfehlenswert. Ebenfalls fördert die jeder beschriebenen Sucht beigefügte Kasuistik das Verständnis für die einzelne Störung und lockert das Buch auf. Die lerntheoretischen bzw. kognitiv-behavioralen Prämissen, die bis in die Terminologie des Titels Verhaltenssucht einsickern, engen das Buch jedoch wieder ein. Dennoch, will man einen Überblick mit einschlägigen Literaturverweisen bzw. ein Buch zum immer wieder Nachschlagen, dann scheint Verhaltenssucht ein must für alle im Bereich der Sucht tätigen. Grüsser, Sabine M./Thalemann, Carolin N. (2006): Verhaltenssucht. Diagnostik, Therapie, Forschung. Bern: Verlag Hans Huber Zum Teil ist auch die terminologische Vielfalt der einzelnen Suchtphänomene sehr verwirrend und die jeweilige Verhaltenssucht atomisierend, welche ohnehin meist auf einem dünnen empirischen Fundament steht. Das wird 65

66 Reprint S Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 aus: Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge, hrsg. von Rud. Virchow und Fr. v. Holzendorff, 16. Serie, Heft 369, S , Berlin SW: C.G. Lüderitz sche Verlagsbuchhandlung Carl Habel (Wilhelm-Straße 33) 1881 lltr (trunttrudjt in il)ret mebeutunn für bie ($3efunbl)eit ltltb Dr..1\. ßaer in.'berfin. ßtrUn S\V., merlag u on ~a tl,pabel. (lt. I!\. l:öhrilj's!j)r ll rrl apsbndj ~ al blung.) 3-'l. :El il~elm Str.>&c ~ :1. 67

67 Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen wird vorbehalten 68

68 Auf dem Gebiete der sogen. socialen Wissenschaften giebt es eine Reihe von Fragen, die in unbestimmt wiederkehrenden Zeiträumen auf die Tagesordnung lebhafter Erörterungen in gelehrten wie politischen Körperschaften treten, und das Interesse auch weiterer Kreise in Anspruch nehmen. Fragen dieser Art wollen in ihrer größten Mehrheit das Vorhandensein gewisser Uebel und Schäden in der menschlichen Gesellschaft aufdecken, ihren Zusammenhang mit den Eigenthümlichkeiten und Verrichtungen der Organisation eben dieser Gesellschaft ergründen, und auf Mittel und Maßregeln Bedacht nehmen, die jene dem materiellen und sittlichen Wohle der Menschheit feindlichen Vorgänge zu beseitigen im Stande wären. So bedeutungsvoll und so gewichtig diese Aufgaben, so anerkennens- und dankenswerth diese Bestrebungen, so gering und unscheinbar sind gar häufig die errungenen Erfolge. Der stärkste Wille der staatlichen Fürsorge, die andauerndste Beharrlichkeit der philanthropischen Thätigkeit vermögen nicht die vielseitig verschlungenen und mit einander fest verbundenen Fäden der gesellschaftlichen Misere aufzulösen, und die vielen in einander fließenden Quellen der Trübsal und des Elends in unschädliche Bahnen zu lenken. Macht- und kraftlos würden alle Anstrengungen in diesem Kampfe erlahmen, läge es nicht in dem eigentlichen Wesen und Berufe des Menschenthums, die Segnungen fortschreitender Entwicklung zu fördern, und sie unter alle Abstufungen des Menschengeschlechts zu verbreiten, wäre es nicht mindestens XVI * (283) 69

69 4 ein Theil ihres Endzweckes, gleichsam triebartig an dieser großen Culturarbeit rastlos zu arbeiten. Und wenn der Kampf auch eine Zeit lang beigelegt scheint, so wird er mit um so festerem Willen wieder aufgenommen, wenn das humanitäre Gewissen sich regt und zur Abwehr der überwuchernden Schäden angerufen wird. Eine Frage der angedeuteten Art ist auch zum größten Theile der Gegenstand, den wir im Folgenden in oberflächlichen Zügen erörtern wollen, nämlich die Wirkung der be rausche n- den Getränke auf die Gesundheit und die Be deutung der Trunksucht für die private wie die öffentliche Gesundheitspflege. Wenn wir die Erscheinungen, die der Consum der alkoholischen Getränke auf das Leben des Einzelnen wie der Gesammtheit ausübt, begreifen und würdigen wollen, so müssen wir zuvörderst wissen, wie diese Getränke in kleinen und in großen Mengen auf den Körper einwirken. Wir wissen, daß die berauschenden Getränke sämmtlich einen Stoff enthalten, der, in den lebenden thierischen Körper eingeführt, Erscheinungen hervorruft, die man als Rausch" bezeichnet. Diese Substanz, Aethylalkohol oder auch schlechtweg Alkohol genannt, entsteht durch Gährung von organischen Substanzen, die mehl- oder zuckerhaltig sind. Eine solche Gährung leitet die Natur selbst ein in dem Saft, der in den Trauben der Weinrebe reift, und einen solchen leitet der Mensch künstlich ein dadurch, daß er jene mehl- oder zuckerhaltigen Stoffe mit Wasser verdünnt, und nach Hinzuthun eines Gährungserregers (Hefe ec.) unter gewissen Bedingungen einer erhöhten Temperatur längere Zeit aussetzt. Alkoholische Flüssigkeiten lassen sich daher aus Obst (Aepfel, Birnen, Pflaumen), aus Honig, Milch, aus Getreide (Roggen, Mais, Reis), aus Hülsenfrüchten und Samen (Erbsen, Bohnen, Lupinen, Eicheln, Kastanien), aus Wurzeln und Knollen (Rüben, Gurken, Kartoffeln) und auch (284) 70

70 5 aus Cellulosehaltigen Substanzen (Stroh, Heu, Flechten, Papier, Sägespäne) ec gewinnen. Werden diese alkoholischen Flüssigkeiten durch Wärme in Dampfform umgewandelt, und leitet man diese Dämpfe in Gefäße, die einer starken Abkühlung ausgesetzt sind, so daß jene Dämpfe sich wieder in flüssige Form condensiren, so erhält man den Alkohol, der schon bei einer niedrigeren Temperatur in Dampfform übergeht als das Wasser, in dem er aufgelöst ist, in einer mehr oder minder reinen und concentrirten Form. Während der Destillationsproceß in seiner anderweitigen Anwendung sich in feinen ältesten Spuren nach Humboldt bei den Griechen schon mindestens zur Zeit des Dioscorides (im 1. Jahrh. n. Chr.) nachweisen läßt, findet man im 8. Jahrhundert, nachdem die Alexandriner den Destillationsapparat verbessert, wie Kopp in seiner Geschichte der Chemie ausführt, bei M. Graecus die Anzeichen, daß man den Wein destillirt, und nach Höfer hat schon 860 der arabische Arzt Rhazes den Alkohol ans Getreide darzustellen verstanden. Indessen ist es sicher, daß in China die Darstellung des Santschu, des aus Reis destillirten Spiritus, schon viele Jahrhunderte vorher bekannt gewesen. In sehr geheimnißvoller Weise war die Destillation des Weingeistes später von den Alchymisten betrieben worden, so auch von Arnold de Villenoa (1240) und seinem Zeitgenossen Raymaud Lullius (1275), die dieselbe vervollkommnet und selbst als Entdecker des Alkohols gehalten werden. Die Menschheit ist gealtert, sagt der Erstere, sie ist schwach geworden, darum gab ihr Gott den Branntwein, damit sie sich wieder verjünge; der Branntwein wird die Quelle sein zum neuen Leben der Menschheit und deshalb ist sein Name a q u a v i t a e, da s Wasser de s Lebe ns." Das aus Wein gewonnene Destillat nannte man ursprünglich S p iritus v i ni, Weingeist, oder auch, von seiner Eigenschaft mit blaßblauer Flamme zu brennen, A q u a a rd e n s, zu deutsch in bezeichnender Weise Branntwein. Erst später wird der Name Alkohol gebräuchlich als (285) 71

71 6 al c o h ol s pi ri tus vi ni. (Alkohol bedeutet im Arabischen ein fein zertheiltes Pulver und die Bezeichnung spiritus alcolisatus soll nach Kopp durch Verwechselung mit Spiritus alcalisatus entstanden sein, d. h. ein über Weinsteinsalz abgezogener Weingeist.) Der Weingeist oder, wie er nun allgemein auch bei uns genannt wird, der Alkohol, wirkt auf den thierischen Organismus in verschiedener Weise ein, je nachdem er verdünnt oder concentrirt, je nachdem er in kleiner oder großer Menge in den Organismus eingeführt wird. Ob er nun in den Magen, oder durch Einspritzung in das Unterhautzellgewebe oder auf eine Wundfläche gebracht, oder von den Lungen in Dampfform eingeathmet wird, immer wird er in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit dem Blutstrom zugeführt. Mit dem Blutkreislauf gelangt er in alle Theile des Körpers und findet sich in denjenigen Organen in größter Menge vor, in denen die Blutmenge an sich am größten ist. Wird, wie dies bei der Gewohnheitstrunksucht der Fall ist, dem Körper Alkohol andauernd in großer Menge zugeführt, so erleidet das Blut sehr wesentliche Veränderungen. Dieses wird ärmer an festen Bestandtheilen, namentlich an Faserstoff, und reicher an den wässerigen; auch soll sich eine abnorme Anhäufung von Fett in solchem Blute vorfinden. Diese Beschaffenheit des Blutes bildet bei Trinkern, deren Verdauungsthätigkeit und Blutbildung überdies schwer beeinträchtigt sind, eine Hauptursache für den Verfall ihrer Gesammtconstitution. Durch die im Blutstrom vorhandenen nicht gar zu kleinen Mengen Alkohol wird das Herz zu verstärkter Thätigkeit angeregt, die Zahl der Pulsschläge vermehrt; nur sehr große Mengen Alkohol vermögen die Energie des Herzmuskels und die Pulsfrequenz herabzusetzen. Nach den Versuchen, die Parkes, der berühmte englische Hygienist, angestellt, wird die Pulsfrequenz durch Alkoholgenuß in allen Fällen gesteigert, bei (286) 72

72 7 Körperruhe um 5 10 Schläge in der Minute, bei Muskelanstrengung noch mehr. Er fand, daß bei einem Manne, der unter gleichen Verhältnissen und gleicher Nahrung verblieben war, und 6 Tage lang nur Wasser, dann 6 Tage lang steigende Mengen Alkohol, dann wieder 6 Tage nur Wasser und jetzt 3 Tage lang große Dosen Brandy zu sich genommen, in der Wasserperiode die Zahl der Herzschläge in 24 Stunden war, in der Alkoholperiode oder mehr, und in der Brandyperiode oder mehr. Nach einem andern Beobachter leistet das Herz nach dem Genuß von 30 g Alkohol in 24 Stunden die Arbeit von 25 Stunden, nach dem Genuß von 60 g die von 26 Stunden, nach 120 g die von 27, nach 180 g die von 28 Stunden. Also auch schon bei sehr mäßigen Dosen arbeitet das Herz mehr als es soll. Diese vermehrte Arbeit muß, wenn sie lange andauert, zu Erkrankungen und Veränderungen dieses Organs führen, und in der That findet sich eine Vergrößerung, eine Zunahme des Volums des Herzmuskels als ein gewöhnlicher Befund bei habituellen Trinkern. Eine andere wichtige Veränderung, die der Alkohol im Circulationsapparat hervorruft, ist die, daß die kleinen Blutgefäße in eine Art Lähmung gerathen, daß sie sich erweitern und mehr Blut führen. Auf diese Weise erklärt sich die beständig rothe Farbe des Gesichts und vornehmlich der Nase bei alten Trinkern. Außerdem erleiden auch die Wandungen der großen Gefäße, die durch die angestrengte Herzarbeit mehr Blut führen und eine größere Spannung erleiden, krankhafte Veränderungen, die leicht zu Zerreißungen und Blutaustritt, daher auch zu Schlagflüssen, führen. Die Thätigkeit des Athmungsapparats wird nach mäßigen Alkoholdosen zuerst beschleunigt und später etwas verlangsamt; war aber die eingeführte Alkoholmenge eine sehr große, so wird die Zahl der Athmungen Anfangs vermehrt, bis mit der Zunahme der Betäubung auch die Zahl der Respirationen abnimmt. (287) 73

73 8 Wichtiger noch als dieses Verhalten ist die Thatsache, daß schon nach mäßigen Dosen Alkohol in der Luft, die mit den Lungen ausgeathmet wird, weniger Kohlensäure enthalten ist, als sonst im normalen Zustande. Es ist bekannt, daß bei den im Körper vor sich gehenden Stoffumsetzungen die eingeführten stickstofffreien Substanzen durch den mit der Einathmungsluft aufgenommenen Sauerstoff allmälich verbrennen und zuletzt als Kohlensäure und Wasser ausgeschieden werden. Wenn nach Alkoholgenuß, wie Prout und Bierordt nachgewiesen, die Menge der ausgeschiedenen Kohlensäure vermindert wird, so zeigt dies, daß die Kohlensäure-Production oder die Gleichmäßigkeit der chemischen Vorgänge im Körper, der Stoffwechsel, verlangsamt wird. Nach Bierordt trat die Abnahme der Kohlensäure schon nach einer Viertelstunde ein, wenn der Alkohol bei leerem Magen genommen wird, ein Beweis, wie schnell der Alkohol bei leerem Magen ins Blut gelangt. Bei Personen, die gewohnheitsmäßig und häufig, wenn auch kleine Mengen alkoholischer Getränke genießen, stellt sich schon früh eine katarrhalische Erkrankung des Kehlkopfes und der Luftröhre ein, daher die heisere, belegte Stimme, die copiöse Schleimabsonderung, der Husten, die Luftbeklemmung bei alten Trinkern, und durch den behinderten Luftaustausch in den Lungen wieder die bläuliche Gesichtsfarbe der Säufer. Viele namhafte Beobachter glauben, daß durch den häufigen Genuß geistiger Getränke auch die Lungenschwindsucht entstehe, und daß der Verlauf dieser Krankheit durch die Trunksucht in verderblichstem Grade beeinflußt werde. Wie der Alkohol die Verdauungsthätigkeit beeinflußt, ist durch die Beobachtung an Thier und Mensch erwiesen. Claude Bernard, der große französische Physiologe, gab zwei Hunden eine gleiche Menge desselben Nahrungsmittels und brachte hinterher dem einen so viel Aether und dem andern so viel concentrirten Alkohol bei, daß sie beide berauscht waren. Nachdem nach Verlauf von 6 Stunden bei beiden Thieren der Magen geöffnet (288) 74

74 9 war, zeigte sich, daß bei dem aetherisirten die Verdauung beendet war, und daß sie bei dem alkoholisirten noch gar nicht begonnen hatte. War der Aether und der Alkohol erst in den Magen gebracht, als die Nahrung schon in Verdauung begriffen war, also einige Zeit nach ihrer Aufnahme, so zeigte sich bei dem aetherisirten der Verdauungsproceß im Fortschreiten und bei dem alkoholisirten ein Stillstand desselben. Kleine Dosen von concentrirtem und große Dosen von nicht concentrirtem Alkohol, so läßt sich aus dieser und anderen Thatsachen schließen, heben durch ihre stark reizende Wirkung die Thätigkeit der Magendrüsen und somit auch die Verdauung auf, und umgekehrt regen kleine Dosen verdünnten Alkohols die Magensaftabsonderung an und unterstützen die Verdauung. Indessen muß doch hervorgehoben werden, daß auch diese kleine Mengen den Verdauungsvorgang stören, wenn sie häufig genossen werden, und daß sie bei normalem Befinden für die Verdauung selbst absolut entbehrlich und durchaus nicht nothwendig sind. Von sehr üblen Folgen für die Function des Magens ist der unmäßige Alkoholgenuß. Bei Trinkern und ganz besonders bei Branntweintrinkern entstehen in erster Reihe Veränderungen in der Magenschleimhaut, es kommt sehr bald zu anhaltend katarrhalischen, zu geschwürigen Veränderungen auf derselben. Der Wechsel und Mangel des Appetits, häufig auf pikante Stoffe gerichtet, Säurebildung, Magendruck, Erbrechen von zähen Schleimmassen, besonders des Morgens, tritt bei Gewohnheitstrinkern schon früh auf, bei vorgeschrittener Bildung des Magengeschwürs kommt es auch zu Blutbrechen. Von allen Organen wird die Leder am häufigsten durch den unmäßigen Alkoholgenuß betroffen und zwar um so früher und um so intensiver, je concentrirter der Alkohol in den Organismus eingeführt wird. Personen, die Wein und Bier unmäßig trinken, werden niemals von so schweren Degenerationen dieses Organs befallen als Branntweintrinker. Die schwersten (289) 75

75 10 Formen der Fettleber, der Leberentzündungen, der Leberverhärtung und Schrumpfung kommen in überwiegend größter Anzahl nur bei Schnapstrinkern vor. Wird doch eine Form dieser Erkrankungen, die Lebercirrhose oder Leberschrumpfung in England geradezu als gin -drin k e r-l i ve r bezeichnet. Die Absonderung der Nieren wird durch das Vorhandensein von auch kleinen Alkoholquantitäten im Blute wesentlich beeinflußt. Die Menge des ausgeschiedenen Urins ist vermehrt, und die des Harnstoffes kleiner als ohne Alkoholzufuhr. Da der Harnstoff im Urin das Endproduct ist der im lebenden Organismus oxydirten stickstoffhaltigen Substanzen, so beweist die verminderte Menge des ausgeschiedenen Harnstoffes, daß unter dem Einflusse des Alkohols eine geringere Umsetzung der stickstoffhaltigen Substanzen stattfindet, eine Erscheinung, auf die wir ihrer großen Bedeutung wegen später noch zurückkommen. Bei Personen, die dem Genusse spirituöser Getränke ergeben sind, erkranken die Nieren relativ häufig unter der Form der sogen. Bright'schen Niere, der Nierenschrumpfung, einer Krankheit, die unter langsamem Verlaufe und vielen Leiden zur allgemeinen Wassersucht und zum Tode führt. Diejenige Veränderung, die nach Alkoholgenuß zuerst und zumeist in die Augen fällt, ist die auf das Gehirn und Rückenmark. Schon mittlere Alkoholmengen rufen bei nicht an ihn gewöhnten Personen eine Reihe von auf einander folgenden Erscheinungen hervor, die dem Alkoholrausche eigen sind. Hier lassen sich zwei Stadien unterscheiden, das der Aufregung und das der Lähmung. Im ersteren, im Stadium der Excitation, sind alle Verrichtungen, die vom Nervensystem ausgehen, mehr oder minder gesteigert, erhöht. Der Angetrunkene fühlt sich zumeist freudiger, heiterer als vorher; das Denken und Urtheilen geht schnell und leicht vor sich. Der Werth des eigenen Ich's wird in einem erhöhten Grade gefühlt, es ist ein gesteigertes Selbstbewußtsein vorhanden. Die Sinneseindrücke werden leb- (290) 76

76 11 haft empfunden und schnell nach Außen umgesetzt. Die Beweglichkeit der willkürlichen Muskeln ist gesteigert, daher das laute Sprechen, das lebhafte Minenspiel, die vielen Gestikulationen des Angetrunkenen. Gegen Ende dieses Stadiums zeigt sich jedoch schon, daß die Bewegungen dem Willen nicht mehr ganz gehorchen, die Sprache wird lallend, stotternd, der Gang unsicher und taumelnd. War die Alkoholintoxication eine nicht zu leichte, so folgt auf dieses Stadium ein ebenso ausgesprochenes und characteristisches Stadium der Lähmung. Die Empfindlichkeit der Sinnesorgane nimmt an der Schärfe ihrer Wahrnehmungsfähigkeit ab, das Denken wird zunächst träge, langsam und zuletzt ganz unmöglich; die Vorstellungen find flüchtig, abgerissen und werden auch unzusammenhängend geäußert. Später ist das Bewußtsein ganz aufgehoben, die Beweglichkeit der Muskeln vermindert; unempfindlich gegen äußere Sinneseindrücke verfällt der Volltrunkene in einen tiefen, todesähnlichen Schlaf, in die Schlaftrunkenheit. Nicht immer verläuft der Rausch innerhalb dieser Grenzen; bei Personen, deren Gehirn an einer angeerbten oder erworbenen krankhaften Schwäche leidet, treten abnorme Rauschzustände auf, wahre Ausbrüche von Tobsucht, von Raserei oder auch von tiefer Schwermut. Aber auch das Getränk selbst ist von erheblichstem Einflusse auf die Heftigkeit und Dauer des Rausches. Bei dem Proceß der Gährung und bei dem der Destillation entstehen nämlich neben dem Aethylalkohol auch noch eine Reihe anderer Alkoholarten, von denen einige in viel schwererem und höherem Grade giftig und berauschend wirken als jener. Die französischen Forscher Dujardin-Beaumetz und Audigé haben nachgewiesen, daß, während auf 1000 g Körpergewicht eines Versuchstieres 7,75 g Methylalkohol im verdünnten Zustande nöthig ist, um das Versuchsthier unter den Erscheinungen der acuten Vergiftung zu tödten, von den anderen Alkoholarten erheblich schon geringere Mengen hinreichen, um diese Wirkung hervorzurufen, so von Propylalkohol 3,75 g, von Butyl- (291) 77

77 12 alkohol 1,85 und von dem Amylalkohol 1,50. Dieser letztere Alkohol, unter dem Namen Fuselöl bekannt, wirkt nach Rabuteau's Versuchen 15 Mal activer als Aethylalkohol und 3-4 Mal activer als Butylalkohol. Dieses Fuselöl entfaltet schon in der kleinsten Dosis eine verderbliche Wirkung, namentlich sind die Erscheinungen der Depression in diesem Rauschzustand sehr tiefer Art und von erheblich langer Dauer. Richardson hat bei Versuchen mit diesem Alkohol an Thieren sogar Muskelzittern beobachtet, ähnlich wie es bei Menschen im Zustande des Säuferwahnsinns vorkommt, eine Thatsache, die jene Meinung zu stützen berechtigt scheint, daß das Delirium tremens und die andern schweren Erscheinungen der Trunksucht beim Menschen nur durch Getränke entstehen, die mit Amylalkohol verunreinigt sind. Wir können aus diesen Thatsachen ermessen, von welcher Bedeutung die Zusammensetzung und Beschaffenheit des alkoholischen Getränkes auf die Erzeugung der Intoxication und deren Folgen sein muß. Wenn bei der Aufnahme einmaliger größerer Mengen Alkohols die Wirkungen derselben aufs Nervensystem sich als Rauscherscheinungen zeigen, und diese mehr oder weniger schnell vorübergehen, so sind hingegen die Folgen des häufigen Alkoholgebrauches und dessen wiederholter Einwirkungen von meist auch bleibender Natur. Die Nerven- und Centralapparate sind von so complicirter Organisation, der Ablauf ihrer Functionen an so normale Vorgänge gebunden, daß die anhaltenden Reizeffecte des unmäßigen Alkoholgenusses Veränderungen und Störungen des Nerven- und Seelenlebens zur Folge haben müssen. Übermäßige Blutfülle in den Schädelhöhlen, Entzündung und Verdickung der Hirnhäute, freie Blutergüsse in die Hirnsubstanz durch Berstung von Gefäßen, die durch den Alkohol degenerirt sind, Entzündung der Hirnsubstanz mit dem Ausgang in Erweichung oder Verhärtung, Schwund der Hirnmasse (Atrophie des Gehirns) diese und noch viele andere Krankheitsvorgänge (292) 78

78 13 führen zu den schweren Krankheitssymptomen, von denen Trinker so häufig befallen werden. Daher sehen wir bei confirmen Trinkern Störungen auf dem Gebiete des Empfindungsvermögens, stechende, reißende Schmerzen in den Gliedmaßen, Ameisenlaufen und Prickeln in denselben, sowie Verminderung und gänzlichen Verlust der Empfindung; Störungen in der Bewegungsfähigkeit, Muskelzittern, hauptsächlich an der Zunge, Lippen und Händen, schmerzhafte Zuckungen und Stöße in den Extremitäten, Sehnenhüpfen und Wadenkrämpfe, besonders des Nachts, Abnahme der Muskelkraft und der Bewegungsfähigkeit bis zur vollen Lähmung; Störungen der Sinnesorgane wie perverse Licht- und Farbenerscheinungen, Schwäche des Sehvermögens, Ohrensausen, Abnahme des Geruchs und Geschmacks; Abnahme der intellectuellen Fähigkeiten, Auftreten von Wahnideen, von Geistes- und Gedächtnisschwäche bis zum vollständigen Blödsinn. Während der Alkohol in der ausgeführten Weise auf jedes Gewebe des Körpers, auf jedes Organ und auf jede von ihm ausgehende Funktion einwirkt, sind noch einige Thatsachen zu vermerken, die sein Verhalten zum Gesammtorganismus betreffen. Frühere Beobachter, und an ihrer Spitze der große Chemiker Liebig waren der Ansicht, daß der Weingeist, wie außerhalb des Körpers so auch im Organismus selbst, sehr schnell zu Kohlensäure und Wasser verbrenne. Im entgegengesetzten Sinne behaupteten die französischen Forscher Lallemand, Perrin und Duroy, daß aller Alkohol, der in den Körper eingeführt wird, durch diesen hindurch gehe und ganz unverändert durch die Lunge, Haut und Niere ausgeschieden werde. Dieses Verhalten ist deshalb von Wichtigkeit, weil dieses allein die Frage beantwortet, ob der Alkohol für den thierischen Körper einen Nährwerth hat, da eine Substanz, die den Organismus unverändert wieder so verläßt, wie sie eingeführt ist, unmöglich ein Nährstoff sein kann. Aus neuen Versuchen (Anstie, Dupré, Schulinus, Subbotin u. A.) (293) 79

79 14 geht jedoch die Thatsache hervor, daß kleine Dosen Alkohol im Körper zu Kohlensäure und Wasser oxydiren, daß aber bei Einführung größerer Mengen ein Theil und, wie es scheint, der bei weitem größte durch die Lungen, Haut und Niere ausgeschieden wird. Sicher ist, daß die Ausscheidung des Alkohols von großer Wichtigkeit ist. Jedermann weiß, daß der Rausch um so schneller vorübergeht, je mehr der Angetrunkene sich im Freien bewegt und zwar darum, weil jetzt ein großer Luftaustausch in den Lungen stattfindet; ebenso weiß man, daß im Freien und auch im Winter mehr alkoholische Getränke vertragen werden können, als in schlecht ventilirten Räumen und im Sommer. Auf den Höhen der Anden, erzählt Pöpping, haben selbst große Dosen Alkohol keine Rauschwirkung, weil hier der Luftdruck sehr vermindert ist und der Alkohol aus dem Blute sehr schnell abduftet. Eine zweite eben so wichtige Thatsache ist, daß der Alkohol in größeren Dosen die Temperatur des Körpers herabsetzt. Da nach dem Genuß eines alkoholischen Getränkes im Magen und auch im übrigen Körper das Gefühl einer erhöhten Wärmeempfindung entsteht, so glaubte man, daß dies nur auf einer erhöhten Wärmeproduction beruhen könnte. Diese subjective Empfindung beruht aber nur darauf, daß durch den Reiz, den der Alkohol im Magen ausübt, eine größere Blutzufuhr nach diesem, sowie durch die verstärkte und vermehrte Herzthätigkeit ein solcher auch nach der gesammten Hautfläche und mit der vermehrten Blutmenge auch eine vermehrte Wärmeempfindung stattfindet. Die objective Beobachtung an Thier und Mensch zeigt jedoch, daß nach Alkoholeinfuhr die Eigenwärme des Körpers nicht steigt, sondern daß sie im Gegentheil sinkt. Prof. Walter in Kiew (1865) setzte zwei gleich große Kaninchen, von denen das eine durch 35 ccm gewöhnlichen Branntwein berauscht war, in einen Abkühlungsapparat, dessen Wärme 17 war. In 2¼ Stunden war bei dem berauschten die Temperatur von 38,8 auf 19,8 und bei dem andern auf 35,6 gesunken. Durch (294) 80

80 15 vorherige Einführung von Alkohol hat man bei Thieren, bei denen Einspritzungen von faulender Flüssigkeit hohes Fieber künstlich erzeugen, dieses Fieber verhüten und ebenso haben andere Forscher die normale Eigenwärme gesunder Thiere und Menschen durch Alkoholzufuhr um ein Geringes, und wieder andere (Binz, Bouvier, Riegel) besonders bei fieberkranken Menschen die abnorm gesteigerte Körperwärme nicht unbeträchtlich herabmindern können. Bei einer schwer betrunkenen Person, die in schwerer Winterkälte auf den Straßen des Nachts gefunden worden, hat Magnan in Paris die Temperatur bis auf 26 und Reineke in Hamburg bis auf 24 gesunken gefunden. Wie man weiß, ist in hoher Kälte nichts gefahrbringender als Alkoholgenuß, weil er durch die abnorme Temperaturverminderung und die mit ihr vielleicht zusammenhängende unbesiegbare Schlafsucht schnell den Gefrierungstod herbeiführt. Diese Eigenschaft des Alkohols, die Eigenwärme des Körpers herabzudrücken, befindet sich im Einklang mit den Thatsachen, die wir schon oben angeführt, daß sowohl die Kohlensäure in der Ausathmungsluft, wie der Harnstoff im Urin nach Alkoholeinfuhr stets vermindert ist. Dieses Verhalten ist, wie schon gesagt, ein Beweis dafür, daß sowohl die Oxydation der stickstofffreien wie die der stickstoffhaltigen Substanzen im Organismus vermindert sei; da die Körpertemperatur sich aber auf ihrem normalen Stand nur dann erhalten kann, wenn die Verbrennungsvorgänge in gleichmäßiger Norm vor sich gehen, so muß bei einer Herabsetzung, der Oxydationsprocesse, wie es beim Alkohol stattfindet, auch die Körpertemperatur herabgesetzt sein. Den Ablauf dieser Oxydationsvorgänge im thierischen Organismus bezeichnet man bekanntlich mit dem Namen Stoffwechsel und so können wir auch sagen, daß der Alkohol in größeren Dosen oder in häufig wiederholten kleinen Mengen den Stoffwechsel des Körpers verlangsamt und dabei die Körpertemperatur vermindert. Welchen Werth hat nunmehr der Alkohol für den Haus- (295) 81

81 16 halt des thierischen Körpers? Ist er ein Nahrungsstoff für den menschlichen Organismus? Man bezeichnet bekanntlich jede Substanz als Nahrungsstoff, die im Stande ist, sich in lebende Körpersubstanz umzuwandeln oder einen Bestandtheil des Körpers zu ersetzen und die weder selbst, noch in ihren Umwandlungsproducten den Bestand oder die Thätigkeit eines Körperorgans beeinträchtigen. Der Alkohol, wissen wir, enthält weder Eiweiß noch Fett, noch sonst einen Stoff, der im thierischen Organismus vorhanden ist, noch entstehen bei seinen Umwandlungen im Körper Verbindungen, die einen Bestandtheil desselben ersetzen. Dahingegen besitzt er bei mittleren und großen, sowie auch bei häufig genommenen kleinen Mengen so viele zerstörende Eigenschaften auf die Organe und Gewebe des Körpers, daß der Alkohol hiernach durchaus nicht zu den Nährstoffen gezählt werden kann. Allerdings wird auch schon jeder Stoff, der den Verlust eines zur Zusammensetzung des Körpers gehörenden Stoffes ganz oder theilweise verhütet, zu den Nährstoffen gerechnet. Der Alkohol kann nun nach Aufnahme kleiner Mengen durch seine Oxydation und nach Einführung großer Dosen durch Verlangsamung des Stoffwechsels den Verbrauch von Körpersubstanz theilweise verhüten. Nach neuen Versuchen vermögen in der That kleine und mittlere Alkoholmengen den Zerfall von Eiweiß im Körper in engen Grenzen zu schützen, während größere Dosen diese Wirkung nicht hervorrufen. Auch können nur kleine Dosen durch ihre Oxydation im Organismus Wärme produciren während große Dosen, wie wir gesehen, die Eigenwärme des Körpers herabdrücken, vermindern. Nach alledem würde dem Alkohol nur in kleinen Dosen ein gewisser Nährwerth zuzusprechen sein, während er in größeren Dosen durch seine Einwirkung auf das Herz, auf den Athmungs- und Verdauungsapparat, auf das Nervensystem und alle anderen Organe den Bestand des Organismus nicht wie ein Nahrungsmittel zu (296) 82

82 17 fördern, sondern mehr nach Art der Gifte zu schädigen geeignet ist. Weil der Alkohol in mäßiger Dosis schon ein behagliches Wärmegefühl verbreitet, das Gefühl der Ermattung und des Hungers beseitigt, die Circulation und das Nervensystem anregt und reizt, so daß auch bei geringer Nahrungszufuhr große Kraftanstrengungen und Arbeitsleistungen überwunden werden, glaubt man, daß der Alkohol die Nährmittel nicht nur ersetzt, sondern ihren wirklichen Nährwerth noch übertrifft. Allein diese überraschend große Leistung geschieht hier nur durch die momentane Reiz- und Erregungswirkung des Alkohols, ganz so wie das bis zum äußersten Grade der Ermattung gehetzte Pferd durch den wuchtigen Peitschenhieb des grausamen Führers noch die Anhöhe erreicht. Durch die Anregung des Alkohols allein ohne Zulängliche anderweitige Nahrung wird eine andauernde Arbeitsleistung unmöglich. Der Branntwein ist durchaus keine Sparbüchse der Gewebe, wie man ihn genannt hat. Der Arbeiter, der wenig Nahrung und dafür mehr Alkohol genießt, lebt in einem beständigen Deficit, weil das vorgetäuschte Sättigungsgefühl das Nahrungsbedürfniß unterdrückt; der Alkohol vernichtet seine Gesundheit und macht ihn auch unfähig, so viel Nahrungsstoffe aufzunehmen, als er für seine Arbeitsleistung bedarf. Der Branntwein, sagt Liebig, gestattet dem Arbeiter durch seine Wirkung auf die Nerven, die fehlende Kraft auf Kosten seines Körpers zu ersetzen..., er ist ein Wechsel, ausgestellt auf die Gesundheit, welcher immer prolongirt werden muß, weil er aus Mangel an Mitteln nicht eingelöst werden kann. Der Arbeiter verzehrt das Kapital anstatt der Zinsen, daher der unvermeidliche Bankerutt seines Körpers." Alkohol ist keine Sparbüchse für Arbeitskraft, sagt auch Donders, weil er diese mit der Zeit vollkommen vernichtet und außerdem auch schon um deshalb nicht, weil der Arbeiter mit dem Preise, mit dem er sich Ar- XVI (297) 83

83 18 beitskraft aus dem Alkohol schafft, eine viel größere Menge von Arbeitskraft aus den anderen Nahrungsmitteln erhalten würde." Der Alkohol ist kein Stoff, der zu einer andauernden Arbeitsleistung befähigt; er ist als tägliches und häufiges diätetisches Mittel für den Arbeiter nicht nur kein Ersatzmittel für verbrauchte Gewebe und Spannkräfte, sondern effectiv ein langsam aber sicher wirkendes Gift, das um so früher die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit zerstört, je mehr es die Stelle der gewöhnlichen Nahrung einnimmt. Nur wenn es sich darum handelt, vorübergehend eine große Arbeitsleistung zu überwinden, eine einmalige Anstrengung in einem vielleicht gar erschöpften Zustande zu überwinden, ist der Alkohol durch seine stimulirende Eigenschaft von außerordentlichem Werth. Beim häufigen Genusse müssen die eingeführten Mengen, um dieselbe Wirkung zu erzielen, steigend an Größe zunehmen und alsdann wird er für den Organismus anstatt zur Wohlthat zum Verderben. Der Alkohol ist kein Nahrungsstoff in dem Sinne, daß er andauernd gebraucht werden kann, um verbrauchte Kraft zu ersetzen und Arbeit zu leisten; er ist auch kein Genußmittel, das ohne schweren Schaden für die Gesundheit zum täglichen und häufigen Genuß sich eignet. Der Alkohol ist ein Heilmittel von wundersamer Wirksamkeit in allen Fällen, wo seine mächtig anregende, belebende Kraft nothwendig wird. Als solches ward er auch von seinen Erfindern erkannt und in überschwenglicher Weise gepriesen. Er war Jahrhunderte lang als Universalmittel in Anwendung für alle Krankheit und jedes Leid, und ist von einem bewunderten und besungenen Heilmittel im Laufe der Zeit zu einem gemeinen Rausch- und Betäubungsmittel herabgesunken. Der Consum der alkoholischen Getränke und insbesondere des Branntweins hat in der Neuzeit in fast allen Ländern der modernen Welt zugenommen und mit ihm mehren sich die vielen verderblichen Folgen für das Wohlleben des Einzelnen sowie (298) 84

84 19 der Gesammtheit. Unter dem Einfluß des Alkohols degeneriren, wie wir gesehen, sämmtliche Organe des Körpers, verschlechtert sich die Constitution nicht nur des einzelnen Individuums, sondern auch der ganzen Race, Die Trunksucht bringt nicht nur an sich selbst eine große Anzahl von Krankheitserscheinungen hervor, sondern macht dadurch, daß sie die Widerstandsfähigkeit des Körpers schwächt, für alle Krankheiten empfänglicher. Trinker werden zu Zeiten von Cholera, Ruhr, gelbem Fieber mehr befallen und hingerafft als Nichttrinker. Bei Trinkern verläuft jede Krankheit und insbesondere jede entzündliche und fieberhafte jeder operative Eingriff, und jede Verletzung erheblich ungünstiger, nicht allein weil bei ihnen das Delirium tremens, jene schwere Complication von Seiten des Gehirns, zu fürchten, sondern weil die schlechte Blutbeschaffenheit und die gesunkene Lebensenergie den Ablauf und den Ausgleich der Erkrankung so verhängnisvoll erschwert. Die Trunksucht erhöht nicht nur die Disposition zum Erkranken, sondern auch die Sterblichkeitswahrscheinlichkeit. Viele Menschen sterben während und unmittelbar nach dem Alkoholexceß ganz wie nach Art einer acuten Vergiftung, und noch viel mehr an den Folgen der gewohnheitsmäßigen Trunksucht am Del. tremens und am chronischen Alkoholismus. In den Jahren von sind in England an Del. tr und an Intemperance 9520 Personen gestorben. Nach Dr. Evrest sind in 8 Jahren in den Vereinigten Staaten über Menschen unter dem Einfluß des Alkohols gestorben, so daß William Parker meint, daß das gelbe Fieber ein sehr mildes Leiden für die Menschheit sei gegenüber der Trunksucht. In den Jahren von (7 Jahre) sind in New-York 1316 Personen an Alkoholismus gestorben. In Frankreich sind von in 13 Jahren 3554 an den Folgen des Alkoholmißbrauches gestorben. Von sind in den 5 Civilhospilälern von St. Petersburg 3241 Personen an acutem Säuferwahnsinn be- 2* (299) 85

85 20 handelt worden. In Preußen waren im Jahre 1877 unter Krankheitsfällen, die in öffentlichen und Privat-Heilanstalten behandelt worden sind, 3052 Fälle von Säuferwahnsinn und chr. Alc. und im Jahre 1878 war die Zahl der Alkoholisten 3111 mit 514 Todesfällen (= 16,5 pct.). Viele Menschen verlieren ihr Leben durch Verunglückungen, die unmittelbar oder mittelbar durch Trunksucht verursacht werden. So starben in Frankreich auf diese Weise von alljährlich 264 Personen, von : 303, von : 404. Im Königreich Sachsen waren unter tödtlichen Verunglückungen 1111 oder 6,2 pct. durch Trunkenheit oder Trunksucht veranlaßt, und in Preußen von unter tödtlichen Verunglückungen = 4,65 pct. Ein beträchtlicher Theil der Selbstmorde geschieht in und aus Trunksucht. In Frankreich waren im Jahre 1849 durch Trunksucht 7,69 pct. aller Selbstmorde geschehen, 1869 beinahe das Doppelte 14,68 pct. (unter 5114 Selbstmördern überhaupt 644 Trinker), 1875: 17 pct. und 1876 sogar 25,09 pct. (unter 5557:1443), und diese progressive Zunahme hat, wie Lunier nachweist, in gleicher Weise mit der Zunahme des Alkoholconsums stattgefunden. In Preußen wird von unter Fällen von Selbstmord bei = 8,50 pct. die Trunksucht als Ursache angegeben und unter Fällen im Königreich Sachsen (von ) bei 1728 (10,39 pct.) und in Rußland findet sich von bei je 100 Selbstmördern in 38 Fällen Trunksucht als Motiv der Selbstentleibung. Wie von früheren Beobachtern schon hervorgehoben ist, verkürzt die Trunksucht das Menschenleben in erheblicher Weise; Trinker haben eine geringere Lebenswahrscheinlichkeit. Neison hat gezeigt, daß die Sterblichkeit der Trinker 3,25 mal größer ist als die mäßig lebender Menschen. Im Alter von 20 Jahren hat ein Trinker eine Lebenswahrscheinlichkeit von nur 15,6 Jahren und ein mäßig lebender eine solche von 44,2, im 30. Lebens- (300) 86

86 21 jahre ist die Lebensdauer eines Trinkers 13,8 und die eines Mäßigen 36,5. In treffender Weise sagt der Statistiker Schwabe: Bezeichnet man die Fälle, wo der Mensch mittelst Dolch, Kugel oder Strang seinem Leben ein Ende macht mit acutem Selbstmord, so kann man mit vollem Recht das Laster des Trinkens einen chronischen Selbstmord nennen. Wer es scheut, verlängert das Leben." Das Laster der Trunksucht wird für das Leben eines Volkes aber nicht allein dadurch verderblich, daß es die trunksüchtige Generation in ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit schädigt und ihr Leben zahlreich vernichtet, sondern noch mehr dadurch, daß es auch die Nachkommenschaft degenerirt. Kinder von Trinkern sind, wie die Beobachtung festgestellt hat, schwach und kränklich, sie sterben schon in einem frühen Alter und haben eine ausgesprochene Disposition zu schweren Erkrankungen des Nervensystems, zu Krämpfen, zu Epilepsie, zur Idiotie, zur Geistesstörung, sie sollen selbst eine krankhafte Neigung zur Trunksucht von den Eltern ererben. Die Trunksucht vermindert auch die körperliche Kraft und Entwickelung einer Bevölkerung; in Gegenden in denen Branntwein viel und allgemein consumirt wird, zeigt sich ein geringerer Grad von Militärtüchtigkeit unter der dienstpflichtigen Jugend; so hat sich dies in Schweden, in Galizien, im Kanton Bern, in einzelnen nördlichen Departements von Frankreich und auch in einzelnen Theilen von Preußen nachweisen lassen. Die Trunksucht beeinflußt die materielle Wohlfahrt der Bevölkerung, sie ist eine der wirksamsten Ursachen für die Entstehung, Beförderung und Erhaltung der Einzel- wie der Massen- Armuth. Ob die Trunksucht eine Ursache des Pauperismus ist oder umgekehrt, wird sich schwer entscheiden lassen. Die tägliche Beobachtung zeigt, daß Personen, die der Unmäßigkeit sich ergeben, auch bald der Verarmung unrettbar verfallen, den eigenen und ihrer Familie Ruin verschulden. Der Branntwein ist (301) 87

87 22 der größte Förderer des Proletariats, weil er Zum Müßiggang, der wirksamsten Ursache zur Entstehung der selbstverschuldeten Verarmung, führt und weil er von der Sparsamkeit abhält, dem einzigen Mittel, dem Pauperismus zu entgehen. Durch die Unmäßigkeit wird auch das Nationalvermögen erheblich geschädigt, weil die in dem Alkohol aufgehäuften Werthe an Kapital und Arbeit durch den Consum sich durchaus nicht nutzbar wieder erzeugen, sondern vielmehr nur schwere Schädigungen hinterlassen, eine Unzahl von Kranken, Bettlern, Verbrechern, Wittwen und Waisen schaffen, die dem Staate und der Gemeinde zur Last fallen. Noch niemals ist ein Land, ein Distrikt durch reichliche Produktion und Consumtion von Spiritus wohlhabend geworden. Die Unmäßigkeit der Eltern ist eine nicht seltene Ursache für die Verwahrlosung und Verwilderung der Kinder, für die Vernachlässigung ihrer Erziehung, für deren Roheit und Unwissenheit. Da, wo die Trunksucht das Familienglück und Familienleben zerstört und vernichtet, erwachsen die Kinder von Jugend auf dem Müßiggang und der Lüderlichkeit, um später einem verbrecherischen oder unsittlichen Lebenswandel zu verfallen. Die Trunksucht ist eine der ergiebigsten Quellen für die Vermehrung der Verbrechen und Verbrecher. Im Zustande des Rausches, wo der Wille und die Selbstbestimmung die Herrschaft über Leidenschaften und Triebe mehr oder weniger vermindert oder ganz aufgehoben wird, treten die häßlichsten und widerwärtigsten Seiten der Bestialität im Menschen hervor. Im Zustande der Trunkenheit werden die meisten Schlägereien und Raufereien, die meisten Körperverletzungen bis zum Todtschlag, die meisten Vergehen gegen die Sittlichkeit verübt. Und was kann dem Gewohnheitstrinker heilig und werth sein, dessen Sittlichkeits- und Ehrgefühl vernichtet, dessen Denk- und Willensvermögen in Stumpfsinn und Gleichgültigkeit umgewandelt, der nur noch für die Befriedigung dieser einen häßlichen, krankhaften (302) 88

88 23 Gier zum Trinken lebt! In England war eine Parlamentscommission 1834 zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Zunahme und die Verminderung der Kriminalität in einem direkten Verhältniß steht zur Zu- und Abnahme des Consums der berauschenden Getränke. Bowditsh der Präsident des Gesundheitsamtes vom Staate Massachusetts fährt auf Grund einer von ihm auf breitester Unterlage 1871 angestellten Enquete an, daß die Verbrechen in Folge von Trunksucht um so mehr zunehmen, je mehr wir uns vom Aequator nach dem Norden entfernen, und daß auch im Norden milde Getränke nicht so viele Verbrechen verursachen als schwere. Als P. Mathew, der berühmte Mäßigkeitsapostel durch den wunderbaren Zauber seiner persönlichen Einwirkung das trunksüchtige Volk von Irland zu einem nüchternen und mäßigen bekehrte, so daß in den Jahren 1838 bis 1842 der Branntweinconsum um 50 pct. abgenommen, da war auch die Zahl der schweren Verbrechen von auf gefallen, und Aehnliches hat sich auch in Schweden gezeigt. Die im Jahre 1877 im Auftrage des englischen Oberhauses tagende Commission zur Begründung der Ursachen der Trunksucht fragte bei 24 Vorständen und Geistlichen der Staatsund Grafschaftsgefängnisse: Wie viel von den Gefangenen direct als Opfer der Trunksucht anzusehen seien?" Und in den Antworten waren 3 Mal 60 pct., 8 Mal 75 pct., 2 Mal 80 pct., und 6 Mal sogar 90 pct. angegeben. In Frankreich hat sich die Zahl der Verbrecher von fast verdreifacht und die Zahl der Rückfälle in einem noch bedeutenderen Grade gesteigert (von 10 pct. auf 37 pct.), in derselben Zeit ist aber der Alkoholconsum von 1,09 bis auf 2,54 l per Kopf der Einwohner gestiegen. Nach dem bekannten Gefängnißdirector Dr. Guillaume, Präsident der Gesellschaft für Gefängnißreform in der Schweiz, haben 50 pct. der Verbrecher in der Schweiz ihre verbrecherische That unter dem Einfluß der berauschenden Getränke verübt, bei jugendlichen Verbrechern zeigte sich, (303) 89

89 24 daß bei 25,4 pct. der männlichen und 21.7 pct. der weiblichen Gefangenen der Vater und bei 2,5 pct. die Mutter ein Trunkenbold gewesen. In Folge einer Ermittelung, die ich 1875 mit bereitwilligster Hilfe der Gefängnißvorsteher und Geistlichen in 120 deutschen Gefangenenanstalten unternommen, hat sich gezeigt, daß von Gefangenen (41,7 pct.) vorhanden waren, die unter dem Einflusse des Alkohols ihr Vergehen oder Verbrechen begangen. Von diesen waren Gelegenheit- und Gewohnheitstrinker. Unter den männlichen Gefangenen waren 23,5 Gelegenheits- und 20,4 pct., Gewohnheitstrinker, bei den weiblichen Gefangenen 7,1 und 11 pct. Auch in dieser Ermittelung zeigt sich die auffallende Häufigkeit der Verbrechen gegen die Person bedingt durch die acute Trunkenheit. So sind der Mord in 46,1 pct., der Totschlag in 63,2 pct., Körperverletzungen schwerer Art in 74,4 pct., Widerstand gegen die Staatsgewalt in 76,5 pct., Hausfriedensbruch in 54,2 pct., Vergehen gegen die Sittlichkeit in 77 pct. in der Trunkenheit begangen worden. Die Trunksucht hat, wie wir sehen, nicht nur einen besonderen Einfluß auf die Frequenz der Verbrechen sondern auch auf die Art derselben; sie entfaltet die rohe Leidenschaft und Gewalttätigkeit, und befördert insbesondere die Verbrechen gegen die Person. Es ist bekannt, daß darüber gestritten wird, ob mit der Zunahme der (Civilisation auch die Zahl der Geistesstörungen unter den civilisirten Völkern zunehme. So viel scheint aber außer allem Zweifel, daß nicht die Civilisation als solche d. h. nicht die durch Wissen und Erkenntniß gewonnene Summe von veredelten Lebensanschauungen und Lebensgewohnheiten und die mit diesen berechtigten Ansprüche an das Leben, sondern daß nur die krankhaften Auswüchse derselben die Ursache einer Zunahme der Seelenstörungen sei. Die Trunksucht ist eine der bösartigsten dieser krankhaften Auswüchse. Keins von allen jenen nützlichen Geschenken, sagt der berühmte deutsche Irrenarzt (304) 90

90 25 Flemming, die wir der Natur abgewonnen haben, ist durch den Mißbrauch dem menschlichen Geschlecht verderblicher geworden, als der Alkohol." Wir haben schon oben angedeutet, daß Trinker eine Reihe schwerer Geisteskrankheiten auf ihre Kinder übertragen. In Schweden hat Dahl bei einer officiellen Ermittelung (1862 bis 1864) unter 115 idiotischen Kindern pct. gefunden, die von trunksüchtigen Eltern abstammen, und Dr. Howe in Massachusetts unter 300 solcher unglücklichen Kinder 145, deren Eltern Gewohnheitstrinker waren. Dr. Martin fand in der Salpetrière zu Paris bei 83 mit Epilepsie behafteten Personen, daß 60 von diesen trunksüchtige Eltern hatten. Diese 60 Familien hatten 301 Kinder, von denen nur noch 169 lebten und von diesen waren 60 epileptisch, hatten 48 Krämpfe im zarten Lebensalter und nur 64 konnten als gesund angesehen werden. Unter den in die Gefangenenanstalt Plötzensee in 3 Jahren eingelieferten 128 Epileptikern waren 28 (21,08 pct.), die von einem trunksüchtigen Vater herstammen und 21, = 20,3 pct., die selbst dem Trunke ergeben waren. Unter den im Jahre 1877 in den preußischen Irrenanstalten verpflegten Geisteskranken waren bei den Eltern von 6369 Momente nachgewiesen worden, die auf eine Degeneration der Familie schließen lassen. Unter diesen Momenten war die Geistesstörung selbst in 1 959, = 59,76 pct., Nervenkrankheiten in 408, = 12,45 pct., Trunksucht in 613, = 18,70 pct., der Fälle vertreten. Der unmäßige Genuß berauschender Getränke ist aber selbst ein sehr wesentlicher Faktor für die Zunahme der Seelenstörungen. Nach Dr. Parrish sind von 100 Irren in Amerika je 20 in Folge der Trunksucht geisteskrank geworden. Von Geisteskranken, die 1876 in die Irrenasyle in England und Wales zugegangen sind, war bei 2114 Trunksucht als Ursache der Krankheit angegeben. In vielen Asylen sind pct. der Kranken der Trunksucht ergeben gewesen. In Holland wird (305) 91

91 26 in einem officiellen Berichte für bei 15,7 pct. der männlichen und bei 2 pct. der weiblichen Irren Trunksucht als ursächliches Moment angeführt. In Schweden war nach Huß die Hälfte der männlichen Irren Trinker, in Norwegen früher 20 pct., und nach Dahl nur 10,8 pct. In Rußland wird die Trunksucht in den ärztlichen Berichten als hauptsächliche, häufig auch als einzige Ursache angegeben. Auch in den südlichen, weinconsumirenden Ländern wird in neuerer Zeit der Mißbrauch der spirituösen Getränke als eine ansehnliche Ursache der Geistesstörungen angeführt. So giebt Monti an (annali di statistica, 1878 vol. 1 p. 186), daß in St. Servolo in Venedig 10 pct. der Irren durch jene Ursache bedingt sei, in Pesaro 15, in Torino 22, Bologna sogar 25 pct., und für Frankreich hat Lunier gezeigt, daß die Zunahme der Geistesstörungen mit der Steigerung des Alkoholismus im directen Zusammenhang stehe. Hier werden in den letzten Jahren 28,88 pct. der männlichen und 5,70 der weiblichen Irren als alkoholische Irren angegeben. In ähnlicher Weise ist das Verhältniß der Trunksucht als Ursache der Geistesstörung auch in einzelnen Theilen in Deutschland. Ich will nur wenige aber sichere Ermittelungen anführen. So ist nach Nasse dieser Einfluß nach der Zahl der in Siegburg (Rheinprovinz) in den Jahren 1873 bis 1875 aufgenommenen männlichen Kranken in 27,7 pct. nachzuweisen gewesen, so findet Stark in Stephansherd (Elsaß) die Trunksucht als direkte oder indirekte Ursache bei 36,5 pct. der männlichen Irren betheiligt. Pelman giebt 22 pct. der männlichen Irren der Anstalt Grafenberg als Alkoholisten an und Jung von der Anstalt Lebus in Oberschlesien hält den Branntweingenuß in 1/3 aller Fälle als Ursache der Geistesstörungen in der dortigen Bevölkerung. Sind diese Thatsachen geeignet, der Gegenstand einer besonderen Beachtung für die Gesundheitspflege zu sein? Man theilt bekanntlich die Gesundheitspflege in eine private, häus- (306) 92

92 27 liche und in eine öffentliche, staatliche. Während die erstere bemüht ist die Bedingungen festzustellen, unter denen die Gesundheit des Einzelnen in den verschiedenen Altersperioden am besten gewahrt und am wenigsten in dem normalen Ablauf des Lebens gefährdet wird, will die andere vornehmlich die gesundheitsschädlichen Einflüsse, die die Gesammtheit oder einzelne Gruppen und Theile derselben treffen, verhüten, will sie Maßnahmen und Einrichtungen schaffen, die das gesundheitliche Interesse der ganzen Bevölkerung schützen, die Gesundheitsnachtheile, die das Zusammenleben großer Menschenmassen, die Industrie und der große Weltverkehr mit sich bringen, beseitigen. Wir haben gesehen, daß selbst schon mäßige Dosen Alkohol auf einzelne Funktionen des Körpers nachtheilig einwirken, daß er in größeren Mengen und häufig genossen sämmtliche Gewebe und Systeme des Organismus krankhaft verändert, die Constitution verschlechtert, die Gesundheit des Leibes und der Seele zerstört und das Leben verkürzt. Sind diese Einwirkungen nicht derart, daß jedes Individuum, das auch unter sonst günstigen sanitären Bedingungen und Verhältnissen lebt, von ihnen vorübergehend oder andauernd gesundheitlich schwer beeinträchtigt und geschädigt wird? Die private Gesundheitspflege will, daß in jeder Familie, in jeder auch noch so bescheidenen Häuslichkeit alle Lebenseinrichtungen und Lebensgewohnheiten nach den Regeln der Gesundheitslehre geordnet, daß in jedem Hanse der Wohn- und Schlafraum von Unreinlichkeiten gewahrt, Luft und Wasser vor schädlichen Beimengungen geschützt werde, daß die Verpflegung des gesammten Hausstandes und insbesondere der Kinder in zweckmäßiger gesundheitsförderlicher Weise geschehe. Können diese elementaren Bedingungen für die Erhaltung der Gesundheit in der Familie dort erreicht werden, wo der Branntwein den Sinn für eine geordnete Lebensweise ertödtet, die Kraft für eine regelmäßige Erwerbs- und Arbeitsfähigkeit lähmt, das Familienleben mit seinen vielen wohlthätigen Einflüssen für (307) 93

93 28 das körperliche und sittliche Gedeihen des heranwachsenden Geschlechts unmöglich macht? Die staatliche Gesundheitspflege will durch allgemeine Einrichtungen die Entstehung und die Verbreitung von Krankheiten verhüten und dazu beitragen, die Lebensdauer und die Lebenskraft des Volkes zu stärken. Wir haben gesehen, daß die Trunksucht die Widerstandskraft und Arbeitsfähigkeit der Bevölkerung lähmt, die Zahl der Todesfälle direct und indirect erhöht, und daß der Pauperismus und die Unsittlichkeit, die Begleiter und Förderer der gesundheitlich ungünstigsten Lebensverhältnisse, in demselben Maße als das Laster der Trunksucht zunimmt. Die staatliche Gesundheitspflege verlangt, daß jedes Nahrungs- und Genußmittel, das der Bevölkerung feilgeboten wird, keine gesundheitsschädigende Eigenschaft besitze; sie straft jede Fälschung im Bier und im Wein mit empfindlichen Strafen. Und doch wie verschwindend gering sind die Gesundheitsschädigungen dieser Art gegenüber jenen, die durch den unmäßigen Alkoholconsum an sich und noch mehr durch die dem im gewöhnlichen Kleinhandel käuflichen Branntwein beigemengten fuselartigen Stoffe entstehen? Mit welcher Sorgsamkeit überwacht die staatliche Gesundheitspflege den Verkauf und Handel mit Giften, wie ist sie bemüht, jede Spur der Beimengung einer schädlichen oder verdächtigen Farbe auf einer Tapete, in einem Kleidungsstoff, in einem bunten Papier, auf einem Spielzeug zu entdecken, und wie kümmert sie sich um die giftigen Beimengungen in den Branntweinen, die täglich vom Volke in übergroßen Mengen verschlungen werden, so absolut wenig oder gar nicht, wie überläßt sie daß Alles dem Belieben des Händlers und des Consumenten? Die öffentliche Gesundheitspflege will jede mit einer Industrie, einem Gewerbe verbundene Gesundheitsschädigung beseitigen, sie will die Gesundheit des Arbeiters vor Einathmung von schädlichem Staub und verdorbener Luft schützen. Und doch gestattet sie, daß ihm auf Schritt und Tritt zu jeder (308) 94

94 29 Zeit Branntwein von ungekannter Beschaffenheit und in beliebiger Menge verabreicht werden darf, bis zur vollen Zerstörung seiner Gesundheit und feines Lebens. Es ist allen Ernstes behauptet worden, daß die öffentliche Gesundheitspflege nicht die Aufgabe habe, individuellen Lastern entgegenzutreten, sich auf den Standpunkt des Moralpredigers zu stellen und daß sie deshalb auch nicht gegen das Laster der Trunksucht eifern dürfe. Uns will es scheinen, daß die staatliche Gesundheitspflege in erster Reihe darauf bedacht sein muß, jedes Moment, das die Sterblichkeit der Bevölkerung erhöht und ihre Leistungsfähigkeit vermindert, zu beseitigen. Und ein solches Moment ist ganz unbedingt die Trunksucht. Gegen diese muß die staatliche Gesundheitspflege um so mehr eintreten, als der Staat es ja selbst duldet, daß aus unzähligen Schankwirthschaften, die er selbst concessionirt, der Branntwein gereicht werden kann. Wie die Hygiene jedes andere schädliche Agens zu beseitigen sucht, muß sie auch die Trunksucht zu vermindern, zu beseitigen suchen, unbekümmert darum, ob die Trunksucht, die so viel Leben und Gesundheit schädigt, zugleich ein Laster ist und gleichzeitig auch viel Unsittlichkeit und Elend schafft, unbekümmert darum, ob man mit ihrer Bekämpfung neben der Aufbesserung der sanitären Zustände gewisser Volksklassen auch den Pauperismus unter diesen bekämpft und die Moralität derselben hebt. Wie kann die Gesundheitspflege dazu beitragen, die Trunksucht und die durch sie entstehenden Nebel zu bekämpfen? Es ist nicht hier der Ort, alle die Mittel anzuführen, die im Laufe der Zeit von der Gesetzgebung, von Privaten und Vereinigungen angewendet sind, um die Unmäßigkeit im Genusse berauschender Getränke zu unterdrücken oder auch nur zu vermindern. Dem Consum dieser Getränke haben zwei Factoren eine fast unvertilgbare Verbreitung und Verwendung im Haushalte fast aller modernen Kulturvölker verschafft; einmal ihr ver- (309) 95

95 30 meintlich großer Werth als Nähr- und Stärkungsmittel, und dann ganz besonders der Umstand, daß sie sich als ein kaum ersetzbares Mittel erwiesen, den Menschen aus dem sorgen- und mühevollen Arbeiten im Kampf um das Dasein in ein heiteres, freudigeres Lebensbewusstsein zu versetzen und die erlaubten Freuden der Geselligkeit und der Unterhaltung in wunderbarer Weise zu erhöhen. Wir glauben deshalb nicht, daß es bei der thatsächlichen Beschaffenheit des modernen Lebens und der erschöpfenden, aufreibenden Lebensintensität unter dem Einflusse der bestehenden Culturaufgaben möglich sein dürfte, den Consum der alkoholischen Getränke ans den Bedürfnissen der heutigen Gesellschaft ganz zu verbannen und zu unterdrücken. Und deshalb halten wir es auch lediglich für die Aufgaben der Gesundheitspflege, die mit diesem Genuß verbundenen Schädlichkeiten so viel als möglich zu beseitigen, zu mildern. Die Gesundheitspflege muß dahin streben, die Ueberzeugung zu verbreiten, daß der Genuß der berauschenden Getränke für den gesunden Menschen unter allen Lebensverhältnissen entbehrlich, daß der Alkohol für die Erhaltung und Kräftigung der Gesundheit niemals nothwendig, daß sein Nährwerth nur von relativ geringer Bedeutung und daß er häufig genossen die Gesundheit des Organismus in schwer verderblicher Weise zerstört. Es sollte deshalb jedes Individuum womöglich ganz dem Genusse der berauschenden Getränke entsagen, oder doch wenigstens sich des Genusses der spirituösen Getränke als eines gewöhnlichen diätetischen Genußmittels enthalten. Die Gewöhnung und Neigung zur Unmäßigkeit wird, wie die tägliche Erfahrung lehrt, außerordentlich viel durch Nachahmung und Nacheiferung verbreitet und gefördert. Der Enthaltsame oder Mäßige fördert daher nicht nur seine eigene Gesundheit, sondern wirkt durch sein Beispiel auch in günstigster Weise auf andere Mitmenschen ein. Der häuslichen Gesundheitspflege muß es vor Allem obliegen, die Jugend vor der Ange- (310) 96

96 31 wöhnung an den Genuß berauschender Getränke zu schützen. Auf die zarte Organisation des jugendlichen Lebens wirken diese Getränke um so intensiver und schädlicher ein, als das in reger Entwickelung begriffene, leicht erregbare Nervensystem des kindlichen Alters auf diesen starken Anreiz in sehr heftiger Weise reagirt. Die alkoholischen Getränke wirken hier um so verderblicher, je mehr sie durch fuselige Beimengungen verunreinigt sind. Wenn Branntwein den Namen Gift verdient und jemals giftig wirkt, so ist er es in seiner Anwendung im kindlichen Alter. Und wenn der Branntwein hier absolut schädlich und zu verwerfen ist, so ist bei einem gesund entwickelten und ernährten Kinde auch das Bier und der Wein nicht ohne Schaden und sollte niemals ohne ärztliche Indication verabfolgt werden. Für die Organisation des Mädchens und der Jungfrau ist der Genuß der alkoholischen Getränke, wenn sie nicht zu gewünschten Heilzwecken in Anwendung kommen, nur von nachtheiliger Wirkung, und der Knabe und Jüngling erlangt ohne sie zweifellos dieselbe, wenn nicht eine bessere, kräftigere körperliche und geistige Entwicklung, ohne von Jugend auf an Neigungen gewöhnt zu weiden, die später zu einem unentbehrlichen Bedürfniß und wie leicht gar zu einem bösen, verderbenbringenden Laster ausarten. Man sollte nur daran denken, daß der Hang zu den starken Getränken, wie ein älterer Autor sehr richtig bemerkt, sich von anderen Lastern dadurch unterscheidet, daß er, wie der Geiz, mit den Jahren steigt, anstatt nachzulassen. Die staatliche Gesundheitspflege endlich sollte es als eine ihr zustehende Aufgabe ansehen, mit dahin zu wirken, daß der Consum der berauschenden Getränke vermindert werde, sei es durch Maßnahmen, die vom Staate oder die von Privaten ausgehen, daß der Handel mit berauschenden und ganz insbesondere mit spirituösen Getränken sorgsamst überwacht werde, daß diese von möglichst reiner Beschaffenheit und frei von jenen Alkoholarten seien, die die Gesundheit in so bedenklicher Weise gefährden. Die (311) 97

97 32 staatliche Gesundheitspflege sollte dazu beitragen helfen, daß alle diejenigen Genußmittel, die dem Verzehr der spirituösen Getränke Abbruch thun können, eine größere Verbreitung finden; hierher gehören in erster Reihe das Bier, der Kaffee und der Thee, Die Beschaffung eines leichten und billigen Biers, die Errichtung von großen Kaffeehäusern für die niederen Volksklassen, wie es in letzterer Zeit mit so außerordentlichem Erfolge von philantropischen Vereinigungen in England geschehen, würden sich als vorzügliche Kampfmittel gegen die Branntwein-Trunksucht erweisen. Die Hygiene muß an dem Kampfe gegen die Trunksucht theilnehmen, weil sie andernfalls sich selbst und ihrem Ziele untreu wird, da sie in dieser eine Quelle duldet, die die Entstehung vieler Krankheiten in endemischer Weise begünstigt und zur Erhöhung der allgemeinen Sterblichkeit in nicht unansehnlichem Grade beiträgt. (312) Druck von Gebr. Unger (Th. Grimm) in Berlin, Schönebergerstr. 17 a. 98

98 Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 Buchpublikationen von Mitarbeiterinnen des Anton-Proksch-lnstituts und des Ludwig-Boltzmann-lnstituts für Suchtforschung Fountain, J.; Kort, D.J. (eds.) Drugs in Society. European Perspectives. Radelifte Publishing, Oxford (projected 2007) This overview of the variation in the ways recreational and other drugs are used across Europe includes critical reflections on current drug policy. Gontributions from a wide range of professionals and academics in different countries offer a truly international perspective on the European situation. Containing two articles of staffs of the Anton Proksch Institute and the Ludwig Boltzman Institute of Addiction Research: Altred Springers article 'Diversification endangered', which discusses the development of a special system of diversified maintenance treatment for opioid addicts, allowing the prescription of different substances for maintenance purposes, in Austria and the epistemological article of Altred Uhl 'How to Camouflage ethical questions in addiction research'. 169 pages, Paperback ISBN Worldwide online erdering facility: UK E19.95, USA $39.95 Schuleund Soziale Arbeit Zur Reform der öffentlichen Erziehuns.. und Bilduns in Österreich..,... Knapp, G.; Lauermann, K. (Hrsg.) Schule und Soziale Arbeit Zur Reform der öffentlichen Erziehung und Bildung in Österreich Band 7 der Reihe Studien zur Sozialpädagogik des Institutstor Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Universität Klagenfurt Hermagoras, Klagenfurt (in Vorbereitung 2007) Die veränderten Erziehungs- und Sozialisationsbedingungen in der Gesellschaft stellen die öffentliche Erziehung und Bildung im 21. Jahrhundert vor neue Herausforderungen. Die Schul- und Bildungssysteme in Europa sind angehalten, sich mit den veränderten gesellschaftlichen Strukturen im Rahmen von "Schulund Bildungsreformen auseinander zu setzen. Der vorliegende Band fasst Schule als "Lebens- und Erfahrungsraum für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen auf. Er greift vor dem Hintergrund historischer und theoretischer Zugänge aktuelle Entwicklungen, soziale Konfliktfelder in der Schule sowie Reformperspektiven einer kritischen Erziehungswissenschaft und Sozialen Arbeit auf. Mit einem Beitrag von Altred Uhl (Mitarbeiters des Anton Proksch Institut und des Ludwig Boltzmann Institut für Suchtforschung) zu Suchtprävention in der Schule. 820 Seiten, 15,5 x 24 cm, gebunden ISBN: Online Bestellmöglichkeit Euro

99 Wien er Zeltschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 - - ;Tom~ end Dirk K~f (ed l. (, ~. ~ Europe;;.n Studies ~n Drugs and Drug Policy Decorte, T.; Kort, D. (eds.) European Studies on Drugs and Drug Policy VUB Press, Brussels 2004 Research on drug issues in most European countries has long been dominated by the medical and therapeutic professions. ln 1990 the European Society of Social Drug Research (ESSD) was founded to promote the exchange of research findings among social scientists and to explore possibilities for future cooperation. This book contains a careful selection of papers that were presented at the 14th International Conference of the European Society for Social Drug Research (ESSD) in Ghent (2-4 October 2003). 220 pages, 15,5 x 24 cm, Paperback ISBN Online ordering facility: Euro Brosch, R.; Mader, R. (Hrsg.) Sucht und Suchtbehandlung Problematik und Therapie in Österreich LexisNexis, Wien 2004 Als definierte Krankheit und als gesellschaftliches Phänomen ist Sucht in den vielfältigen Erscheinungsformen ein wichtiges Thema, das viele Menschen im privaten und beruflichen Umfeld betrifft. Epidemiologische Studien, soziologische und historische Untersuchungen belegen das Vorkommen von Sucht in den verschiedenen Erscheinungsformen in Österreich. Die wichtigsten Suchtformen werden in diesem Buch in verständlicher Form unter Einbeziehung neuester Erkenntnisse aus der Forschung dargestellt: Alkohol, Nikotin, Illegale Suchtmittel, Medikamentenabhängigkeit, Essstörungen, Spielsucht, Internetsucht Die biologischen Grundlagen der Sucht, forensische Aspekte, Nachweismethoden von Substanzen und spezielle Themen wie unterschiedliche Behandlungsansätze, Substitution oder Prävention werden ebenso berücksichtigt wie die Darstellung unterschiedlicher Therapiemethoden und die Diskussion von Qualitätskriterien in der Behandlung Suchtkranker. Spezielle Themenstellungen wie Co-Abhängigkeit, Burnout oder geschlechtsspezifische Aspekte runden das Wissen zum Thema Sucht ab. Ein sehr persönlicher Ratgeber für Betroffene, deren Angehörige und auch für professionelle Helfer für den Umgang mit schwierigen Situationen ergänzt den Überblick über das Phänomen. 504 Seiten ISBN Online Bestellmöglichkeit Euro

100 Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 Be~bler, ~.; ~alt~ayer, H.; Springer, A. (Hrsg.) Op1~tabhä~g1gke1t. Interdisziplinäre Aspekte für die Praxis Spnnger W1en, New York 2003, (2. Aufl. in Vorbereitung 2007) ln den letzten Jah;en!s~ das ~is~en.über Entstehung und Behandlung der Suchterkrankung Op1oldabhang1gke1t" beträchtlich gewachsen. Neben der Grun?l~~enfor~chung, Pharm~kotherapie, somatischer und psychiatrischer Komorbldltat sow1e Harm ~educt1on, gewann der interdisziplinäre Aspekt zunehmend an B~.deutu~g. D1eses Fachbuch gibt erstmals einen aktuellen und praxisrele~anten Ube~hck zu. den pharmakologischen, medizinischen, psychotherapeutl~chen sow1e rechtlichen Grundlagen dieses Erkrankungsbildes. Die 2. Aufl~ge 1st durch neue Beiträ.ge zu chirurgischen, dermatologischen und gynäkologls~~en Aspekten der Op1atabhängigkeit, sowie zur Schmerztherapie erweitert. Erganzu.ngen zur Begut~chtu.ngspr~xis hinsichtlich Suchtgefährdung und Suchtkrankheit, zur Fahrtaughchke1t, sow1e zu Aspekten der psychosozialen Betreuung und der Behandlung mit Heroin, vervollständigen dieses Fachbuch. Die Herausgeber und Autoren berichten dabei praxisbezogen aus ihrer langjährigen Erfahrung in der Arbeit mit Suchterkrankten. Geschrieben für. Psychiater, Allgemeinmediziner, Pharmakologen, Psychologen, Sozialarbeiter, Psychotherapeuten, Juristen 340 Seiten, Softcover ISBN Online Bestellmöglichkeit: Euro ILLICIT DRUGS P:tttlltf'TII ol \.he- Puwns ol Response ~OI"ct.IMA!vfu:MI:SSO~ m Or'4 UM_., Oroc "*r ~ Springer, A.; Uhl, A. (eds.) lllicit Drugs: Patterns of Use- Patterns of Response Proceedings on the 1Oth Annual ESSD Conference on Drug Use and Policy in Europe Studien Verlag lnnsbruck-vienna-munich Der Tagungsband bietet einen Überblick über wichtige Entwicklungen in der europäischen und US-amerikanischen Suchtforschung aus einer sozialwissenschaftliehen Warte. Die Beiträge namhafter internationaler Suchtexperten informieren und beziehen Stellung zu: Problemen der Drogengesetzgebung im internationalen Vergleich, Maßnahmen zur Schadensbegrenzung in Zusammenhang mit Drogen, den praktischen Auswirkungen drogenpolitischer Maßnahmen, dem Stellenwert von bestimmten Drogen für unterschiedliche Subkulturen, dem Prozess der "Normalisierung" des Cannabiskonsums, dem Phänomen "neuen Drogen" und Jugend, geschlechtsspezifischen Aspekten des Drogenkonsums, Suchtprävention, Epidemiologie, Methoden und Probleme in der Suchtforschung. Die Beiträge sind einerseits auf hohem wissenschaftlichem Niveau verfasst, aber andererseits auch für interessierte Laien durchaus nachvollziehbar. Das Buch bietet eine ausgewogene Mischung aus empirischen Fakten und Theorie. lnfolge des teilweise recht kritischen, originellen und unkonventionellen Zugangs der meisten Autoren verspricht der Tagungsband das Interesse einer breit gestreuten Leserschaft zu wecken. 322 Seiten ISBN Bestelladresse: StudienVertag lnnsbruck, Amraser Straße 118. A-6010 lnnsbruck, Postfach 104, Tel.: +43/ , Fax: +43/ Online Bestellmöglichkeit EUR 31.90, SFR

101 Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 Alkohol am Arbeitsplatz Brosch, R. ; Mader, R. (Hrsg.) Orac, Wien 2001 Dieses Buch soll betrieblichen Entscheidungsträgern aber auch Angehörigen verschiedenster Gesundheitsberufe, die oft mit dieser Thematik konfrontiert werden, als Orientierungs- und Entscheidungshilfe dienen. Das Spektrum dieses Buchs reicht vom Grundlagenwissen über konkrete Vorschläge zu möglichen Hilfestellungen für betroffene Mitarbeiterinnen und Unternehmen bis zu Erfahrungsberichten und Evaluationen konkreter Projekte. Die Symptomatik der Alkoholabhängigkeit, deren Behandlung sowie kriminologische und rechtliche Aspekte werden in diesem Werk übersichtlich dargestellt. Grundsätzliche Überlegungen zum Thema Alkohol als Wirtschaftsfaktor und zur Kosten-Nutzen-Analyse für Suchtpräventionsmaßnahmen in Betrieben liefern die Grundlage für spezifische Maßnahmen. Arbeitsrechtliche Aspekte und die Perspektive der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt finden ebenso Berücksichtigung wie die Sichtweise der Gewerkschaft. Jugendliche als eigenständige Zielgruppe suchtpräventiver Maßnahmen und Mobbing als eine mögliche arbeitsplatzbezogene Ursache von Suchtproblemen bleiben ebenfalls nicht unbehandelt. Abschließend wird eine Reihe von betrieblichen Beispielen gelungener Umsetzung von Maßnahmen der Suchtvorbeugung beschrieben. 248 Seiten ISBN Onine Bestellmöglichkeit Euro Handbuch Alkohol-Österreich Uhl, A.; Kopf, N.; Springer, A.; Eisenbach-Stangl, 1.; Kobrna, U.; Bachmayer, S.; Beiglböck, W.; Preinsperger, W.; Mader, R. Handbuch Alkohol- Osterreich: Zahlen, Daten, Fakten, Trends Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen, 2. überarbeitete und ergänzte Auflage 2001 Das Handbuch Alkohol versucht ein möglichst vollständiges Bild über ganz unterschiedliche theoretische und empirische Aspekte zu bieten, die im Zusammenhang mit Alkohol und Alkoholkonsum relevant sind. Es soll gut fundierte Antworten auf besonders häufig gestellte Fragen bieten und Interessierten auch einen raschen Zugang zu einer vertiefenden Auseinandersetzung ermöglichen. Zu jedem Thema wird versucht, einen kurzen und anschaulichen Überblick zu bieten und dort, wo es sinnvoll ist- z.b. bei Gesetzestexten, bei anderen Dokumenten, usw. - auch den Originaltext anzubieten. 426 Seiten ISBN Die Publikation kann unter folgender Adresse heruntergeladen werden: (im PDF Format- benötigt AcrobatReader) '-'t>csmolilttr wu Paw.tuL ~IUll r_.~rt"'""'."' ntt,.,t:v Neuauflage voraussichtlich

102 Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 Weitere noch erhältliche Buchpublikationen von Mitarbeiterinnen des Anton-Proksch-lnstituts und des Ludwig-Boltzmann-lnstituts für Suchtforschung ~äkelä, K.; Arminen, 1.; Bloomfield, K.; Eisenbach-Stangl, 1.; Helmersson Bergmark, K.; Kurube, N.; Mariolini, N.; Olafsd6ttir, H.; Peterson, J.H.; Philips, M.; Rehm, J.; Room, R.; Rosenquist, P.; Rosovsky, H.; Stenius, K.; Swiatkiewicz, G.; Woronowicz, B.; Zielinski, A. (1996): Alcoholics Anonymous as a Mutuai-Help Movement- A Study in Eight Societies. Wisconsin: The University of Wisconsin Press. (Piease order trough your bookse/ler or directly from the University of Wisconsin Press, 3 Henrietta Street, 114North Murray Street, London WC2EBLU, England, Madison, Wisconsin 53715) Brosch, R.; Juhnke, G. (Hrsg.) (1995): Jugend und Sucht- Ein Ratgeber. Wien: Orac-Verlag. (Im Buchhandel erhältlich) Springer, A.; Feselmayer, S.; Burian, W.; Eisenbach-Stangl, 1.; Lentner, S.; Marx, R. (Hrsg.) (1994): Suchtkrankheit Das Kalksburger Modell und die Entwicklung der Behandlung Abhängiger. Wien: Springer-Verlag. (Im Buchhandel erhältlich) Folgende Publikationen stehen auf der Hornepage des Ludwig Boltzmann Instituts für Suchtforschung unter der Adresse: zum Download bereit: Uhl, A.; Kobrna, U.; Bachmayer, S. (2006): Factsheet: Illegaler Drogenkonsum in Österreich - Ergebnisse unterschiedlicher aktueller Quellen einschließlich der österreichweiten repräsentativen Bevölkerungsumfrage BMGF/LBISucht/market Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Wien Uhl, A.; Kobma, U.; Bachmayer, S. (2006): Factsheet: Rauchverhalten in Österreich - Ergebnisse unterschiedlicher aktueller Quellen einschließlich der österreichweiten repräsentativen Bevölkerungsumfrage BMGF /LBISucht/market Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Wien Uhl, A.; Kobrna, U.; Bachmayer, S. (2006): Factsheet: Alkoholkonsum in Österreich - Ergebnisse unterschiedlicher aktueller Quellen einschließlich der österreichweiten repräsentativen Bevölkerungsumfrage BMGF/LBISucht/market Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Wien Uhl, A.; Springer, A.; Kobrna, U.; Gnambs, T.; Pfarrhofer, D. (2005): österreichweite Repräsentativerhebung zum Substanzgebrauch - Erhebung 2004 Band 1: Forschungsbericht BMAGS, Wien Uhl, A.; Springer, A.; Kobrna, U.; Gnambs, T.; Pfarrhofer, D. (2005): Österreichweite Repräsentativerhebung zum Substanzgebrauch - Erhebung 2004 Band 2: Frequenzauszählungen BMAGS, Wien Uhl, A.; Springer, A.; Kobrna, U.; Gnambs, T.; Pfarrhofer, D. (2005): österreichweite Repräsentativerhebung zum Substanzgebrauch - Erhebung 2004 Band 3: Kreuztabellen BMAGS, Wien 103

103 Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr. 1/2 Uhl, A.; Springer, A.; Kobrna, U., Gnambs, T.; Pfarrhofer, D. (2005): Österreichweite Repräsentativerhebung zum Substanzgebrauch - Erhebung 2004 Band 4: Fragebogen BMAGS, Wien Uhl, A.; Bohm, K.; Fenk, R.; Grimm, G.; Kobrna, U.; Springer, A.; Lantschik, E. (2005): ESPAD Austria 2003: Europäische Schüler- und Schülerinnenstudie zu Alkohol und anderen Drogen Band 1: Forschungsbericht Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Wien Uhl, A.; Bohm, K.; Fenk, R.; Grimm, G.; Kobma, U.; Springer, A., Lantschik, E. (2005): ESPAD Austria 2003: Europäische Schüler- und Schülerinnenstudie zu Alkohol und anderen Drogen Band 2: Frequenzauszählungen Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Wien Uhl, A.; Bohm, K.; Fenk, R.; Grimm, G.; Uhl, A.; Bohm, K., Fenk, R., Grimm, G.; Kobrna, U., Springer, A.; Lantschik, E. (2005): ESPAD Austria 2003: Europäische Schüler- und Schülerinnenstudie zu Alkohol und anderen Drogen Band 3: Kreuztabellen Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Wien Kobrna, U.; Springer, A.; Lantschik, E. (2005): ESPAD Austria 2003: Europäische Schüler- und Schülerinnenstudie zu Alkohol und anderen Drogen Band 4: Fragebogen Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Wien Uhl, A. (2005): Alkoholpolitik und wissenschaftliche Forschung, Aufsatz zum Vortrag: "Wirksamkeit struktureller Prävention" bei der DHS Fachkonferenz "Suchtprävention" von in Bielefeld. Ludwig Boltzmann lnstiut für Suchtforschung, Wien Uhl, A.; Beiglböck,W.; Fischer, F.; Haller, B.; Haller, R.; Haring, Ch.; Kobrna, U.; Lagemann, Ch.; Marx, B.; Musalek, M.;. Scholz, H.; Schepper, J.; Springer, A. (2005): Alkoholpolitik in Osterreich - Status Quo und Perspektiven in: Babor, T.; Caetano R.; Casswell, S.; Edwards, G.; Giesbrecht, N.; Graham, K.; Grube, J.; Gruenewald, P.; Hili, L.; Holder, H.; Homel, R.; Österberg, E.; Rehm, J.; Room, R.; Rossow, 1.: Alkohol - Kein gewöhnliches Konsumgut Forschung und Alkoholpolitik. Hogrefe, Göttingen 104

104 Offenlegung: Gemäß dem Bundesgesetz vom Ober die Presse und andere publizistische Medien, BGBI. 314 (Mediengesetz) Impressum: Medieninhaber (Verleger): Herausgeber: Redaktionsbü ro: Fachredaktion: Druck: Verlags- und Herstellungsort: Homepage: Adresse: Telefon und Fax: Preise: Bankverbindung: Ludwig-Boltzmann-lnstitut für Suchtforschung und Anton-Proksch-lnstitut I Stiftung Genesungsheim Kalksburg A-1230 Wien, Mackgasse 7-11 ' Michael M.usalek, Ant?n-Proksch-lnstitut/Stiftung Genesungsheim Kalksburg Altred Spnnger, Ludwrg-Boltzmann-lnstitut für Suchtforschung A-1230 Wien, Mackgasse 7-11 Chefredakteur: Alfred Uhl Stellvertretende Chefredakteurin: Ulrike Kobrna Senta Feselmayer- Psychologie Ce es Goos- Internationale Kontakte Gabriele Gottwald-Nathaniel - Krankenhausmanagement Susanne Lentner- Genderaspekte der Sucht Helma Liebich - Akademie Michael Musalek- Psychopathologie der Sucht- empirisch und theoretisch Martin Poltrum - Medical Humanities Hubert Poppe -nicht stoffgebundene Süchte Wolfgang Preinsperger- Bereich illegale Drogen Elisabeth Schmidt- Angehörigenarbeit und Qualitätssicherung Alfred Springer- anthropologische und kulturelle Aspekte der Sucht; Reprints Altred Uhl- Epidemiologie und Methodik Ali Zoghlami - klinisch-medizinische Forschung digidruck GmbH, A Wien, Triester Straße 33 Wien Wiener Zeitschrift für Suchtforschung: Anton-Proksch-lnstitut: Ludwig-Boltzmann-lnstitut für Suchtforschung: Wiener Zeitschrift für Suchtforschung: wzfs@api.or.at Tel.: Fax: Einzelheft 1 0 Jahresabonnement 36 Bank Austria Creditanstalt, Filiale Mauer, Konto-Nr.: , BLZ BIC: BKAUATWW, IBAN: AT Grundlegende Richtung: Es handelt sich um eine wissenschaftliche, in vierteljährlichen Abständen erscheinende Publikation. Zur Darstellung gebracht werden Ereignisse zur interdisziplinären Forschung über Gebrauch und Abhängigkeit von psychotropen Substanzen sowie über Theorie und Praxis der Behandlung der Suchtkrankheit. Die "Wiener Zeitschrift für Suchtforschung" wird geführt in: Dokumentation, Journal of Studies on Alcohol, Drogmisbruk, Psychologischer Index, EMBASE/Excerpta Medica, PSYNDEX. Druck und Satz gefördert durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr in Wien Copyright für alle Beiträge by Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Datenschutz: Wir verwenden Bestandsdaten ausschließlich zur Abwicklung der Bestellung und Information unserer Kunden. Alle Kundendatenwerden unter Beachtung der einschlägigen Vorschriften gespeichert und vererbeitel Aufgrund der 312. Verordnung des Bundes kanzlers Ober Standard und Musteranwendungen nach dem Datenschutzgesetz 2000 (Standard u. Muster-Verordnung 2004, StMV 2004, BGBI. I Nr. 1 0/2004) fällt die Verarbeitung unserer Kundendaten unter die in Anlage 1 der in 1 der StMV 2004 geregelten Standardan ~ndungen (SA001 Rechnungswesen und Logistik, SA022 Kundenbetreuung und Marketing for eigene ~wecke) und ist daher nicht meldepflichtig. Da wir nicht der Meldepflicht beim Datenverarbeitungsregister unterliegen, entfällt daher auch die Angabe einer OVA-Nummer.

105 Inhaltsverzeichnis Editorielle Vorbemerkung Drogentrends in Frankfurt am Main FOnf Jahre. Monitoring-System Drogentrends" in Frankfurt: Hintergrunde, Konzept, Zusammenfassung der aktuellen Ergebnisse B.WERSE,O.MÜLLER, C. BERNARD Cannabis: Gefahr für die Jugend? Kritische Anmerkungen zur aktuellen Cannabisdebatte W. SCHNEIDER Rauchen als Aspekt der Gruppenidentität Systemtheoretische Überlegungen zu einem kaum beachteten Aspekt M.HAFEN Das letzte Jahr der Zigarettenwerbung in Österreich Ein Spiel mit Wamhinweisen, Billigpreisen und Farbcodes I. SCHMUTIERER Beziehungsstrukturen und Konfliktlösestrategien bei primären und sekundären Alkoholikern N. SPRINGER, C. GRUBER, A. SPRINGER Intendiertes Freizeitverhalten und Abstinenz Eine Fragebogenerhebung an stationären Patientinnen des Anton-Proksch-lnstituts SCHEIBENBOGEN, M. KUDERER, E. HOFER Ästhetik und Anästhetik - Das Schöne als Therapeutikum der Sucht M. POLTRUM Buchbesprechung Sabine M. GrOsser, Carolin N. Thalemann: Verhaltenssucht Diagnostik, Therapie, Forschung M. POLTRUM Reprint: Die Trunksucht in i rar Bedeutung for dla Gesundheit und die Ges dheitspflege A.BAER

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insgesamt 4,3 1,6 15 bis 20 0,4 0,7 20 bis 25 1,5 2,5 25 bis 30 1,9 4,1 30 bis 35 2,0 5,0 35 bis 40 2,3 5,9 40 bis 45 2,8 6,6 45 bis 50 3,0 7,0 Anteile der nach Altersgruppen und Geschlecht in Prozent, 2009* Männer regelmäßig stark Alter stark regelmäßig Frauen 30,5 26,4 4,3 1,6 17,6 21,2 19,9 15,5 0,7 15 bis 20 0,4 11,7 15,0 39,9 33,8 2,5 20

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