Zentrum für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg
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- Reiner Hartmann
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1 Zentrum für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg Afghanistan ein Krieg in der Sackgasse Herbert Wulf Staatsbildung: eine fehlgeschlagene Strategie
2 Wenn die Zentralasien-Gesellschaft noch bestehen und sich in 50 oder 100 Jahren wieder treffen sollte, dann wird Afghanistan eine ebenso lebenswichtige und wichtige Frage sein wie heute bei einem Abendessen der Royal Asiatic Society in London, Lord Curzon, der Vertreter der britischen Krone auf dem indischen Subkontinent.
3 Themen 1. Strategien und Strategienwandel 2. Das Konzept der Staatsbildung und was ist schief gelaufen? 3. Entwicklungshilfe 4. Privatisierung der Sicherheit
4 Strategie und Strategiewandel Doppelstrategie: 1.Militärischer Sieg über die Terrorgruppe al-quaida und die regierenden Taliban (OEF). 2.Reformierung der afghanischen Gesellschaft von Grund auf (ISAF).
5 Strategie und Strategiewandel Trippelstrategie ab 2006: Afghanistan National Development Strategie ( Afhganisierung ) 1.Schaffung und Gewährleistung von Sicherheit, 2.gute und transparente Regierungsführung (good governance) und Beachtung der Menschenrechte 3.wirtschaftliche und soziale Entwicklung
6 Strategie und Strategiewandel Januar 2010 Londoner Afghanistankonferenz: neue Strategie 1.Klassische Counter-insurgency (Aufstandsbekämpfung mit militärischen Mitteln) 2.Ausbildung der Polizei 3.Mehr Mittel für den zivilen Aufbau
7 Das Konzept der Staatsbildung Grundlegende staatliche Funktionen: 1.Sicherheit (staatliche Gewaltmonopol), 2.Rechtstaatlichkeit, 3.Effizientes Steuersystem, 4.Lenkung wirtschaftliche Entwicklung. Dieses Konzept wird vom Westen und der UNO nicht nur in Afghanistan praktiziert - von außen initiiert: Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Sierra Leone, DR Kongo, Ost Timor usw.
8 Das Konzept der Staatsbildung liberaler oder demokratischer Frieden : dreifache Transformation 1.Sicherheit und Frieden schaffen, 2.Demokratie errichten, 3.Marktwirtschaft einführen In Afghanistan: Anschläge sollen gestoppt werden, Wahlen werden durchgeführt, radikale Marktliberalisierung
9 Afghanistan ein fragiler Staat OECD: Tiefgreifende strukturelle Armut; ein disfunktionaler Staat, entstanden durch dreißig Jahre Krieg; zunehmende Aufstände, die von außen angeheizt werden; eine illegale Ökonomie (Drogen), die rund die Hälfte der Wirtschaftsaktivitäten ausmacht; hohe Abhängigkeit von internationaler Hilfe sowohl für die Entwicklung als auch bei der Sicherheit.
10 Was ist zu Beginn schief gelaufen? 1. Rasche Demokratisierung in Afghanistan. 2. Bonner Konferenz Dezember 2001: Siegerkonferenz. 3. Die zentralisierte Regierungsform entspricht nicht den afghanischen Traditionen. 4. Von außen aufoktroyiert 5. Die Warlords der Nordallianz: Teil der Regierung. 6. Die internationalen Akteure taten so, als wären sie nur kurze Zeit im Land (leichter Fußabdruck). 7. Demobilisierung und Entwaffnung nur halbherzig. 8. Es gab keinen Friedensplan.
11 Verfehlte Strategie 1. militärisch 2. entwicklungspolitisch 3. sicherheitspolitisch
12 Entwicklungshilfe zuviel und an der falschen Stelle
13 Entwicklungshilfe 70 Länder leisten Entwicklungshilfe: ca. $ 5 Mrd. jährlich in den letzten Jahren (rund $ 175 pro Einwohner); + Hilfe von Privatorganisationen + Militärkosten Die Geberländer haben mehr zugesagt, als sie zur Verfügung stellen Entwicklungshilfe mit der Waffe in der Hand: ausgerichtet an Militärbedürfnissen Keine entwicklungspolitischen Prioritäten Mega-Projekte der Entwicklungshilfe
14 Entwicklungshilfe + Wirtschaftsentwicklung Bruttosozialprodukt = ca. $ 11 Mrd. Afghanische Investitionen = ca. 2 Mrd. Entwicklungshilfe = ca. 5 Mrd. Einnahmen aus dem Drogenhandel (93% des illegalen Weltmarktes) 19,6 % des Haushaltes aus Einnahmen der Zentralregierung Wo bleiben die Gelder? Entwicklungshilfe in bizarrem Ausmaß Deutschland will die Entwicklungshilfe ab 2010 verdoppeln
15 Probleme der Entwicklungshilfe 1. Entscheidungen über den Zentralstaat: Balkanisierung Afghanistans 2. Wirkliche Entscheidungen nicht in Kabul, sondern in Washington, London, Berlin etc. 3. Fehlende Koordination der Geberländer 4. Fehlender politische Willen der Karsai-Regierung zur ordnungsgemäßen Verwendung der Mittel 5. Paradox des Staatbildungs-Konzepts: mangelnde ownership, mangelnde Kontrolle und mangelnde Kapazität = mangelnde Absorptionskapazität
16 Privat organisierte Sicherheit: schnell schießwütig
17 Gründe für die Privatisierung Bedarf vorhanden: Unsicherheit Trotz (oder wegen?) der Erhöhung der Zahl der Soldaten und Polizisten: zunehmende Gewaltakte Angebot: viele große und kleine Firmen bieten Service an Nicht nur große internationale Firmen, auch Mujahedinführer, Warlords und lokale Machthaber privatisieren den staatlichen Sicherheitsapparat Gewollte Privatisierung: das staatliche Gewaltmonopol wird durch die Privatisierung ausgehebelt.
18 Zahlen und Fakten US Congress Commission: private Contractors arbeiteten Anfang 2009 nur für das Pentagon in Afghanistan. Congressional Research Service: im März 2010, mehr als US Soldaten (79,100) Auch Hilfsorganisationen, ausländische Botschaften, afghanische Ministerien nutzen deren Dienste. US Congress Commission: Es gibt noch immer kein klares Bild, wer die Kontraktoren sind, welchen Service sie anbieten, welche Verträge sie haben und was ihr Service kostet.
19 Schlussfolgerung 1. Generell schlechte Bilanz: Wiederaufbau nach dem Krieg hat in vielen Fällen nicht funktioniert. 2. Zur Zeit wird zuviel Entwicklungshilfe an der falschen Stelle geleistet: Weniger wäre mehr. 3. Das Staatsbildungskonzept ist in Afghanistan gescheitert. 4. Regierung Karsai ist eine Marionette der USA 5. Privatisierung der innergesellschaftlichen Sicherheit: das Gegenteil eines staatlichen Gewaltmonopols. 6. Bei uns fehlt eine Kultur der Niederlage: Eingestehen, dass das Konzept in Afghanistan fehlgeschlagen ist.
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