DER VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES FREISTAATES SACHSEN
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- Mona Kopp
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1 Vf. 130-IV-09 DER VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES FREISTAATES SACHSEN IM NAMEN DES VOLKES Beschluss In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn F., Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Reinhold Ernst Franta, Bahnhofstraße 16a, Mittweida, hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen durch die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes Birgit Munz sowie die Richter Jürgen Rühmann, Matthias Grünberg, Ulrich Hagenloch, Hans Dietrich Knoth, Rainer Lips, Hans v. Mangoldt, Martin Oldiges und Hans-Heinrich Trute am 23. Februar 2010 beschlossen: Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
2 2 G r ü n d e : I. Mit seiner am 10. Dezember 2009 bei dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 9. November 2009 (1 Ws 114/09), mit dem sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung in einem Klageerzwingungsverfahren als unzulässig verworfen wurde. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hatte gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen falscher Verdächtigung eingeleitet. Der bearbeitende Staatsanwalt beauftragte einen Facharzt für Psychiatrie mit der forensisch-psychiatrischen Begutachtung des Beschwerdeführers. In einem von diesem Facharzt und einem Diplom-Psychologen an den bearbeitenden Staatsanwalt gerichteten Schreiben vom 24. Juli 2007 wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Untersuchungstermine nicht wahrgenommen habe. Nach erfolgter Sichtung des Aktenmaterials und Auswertung der fernmündlichen Gespräche mit ihm bestehe der Verdacht auf eine paranoide Störung. Diese Einschätzung anhand der Aktenlage und Eindrücke, die die Telefonate hinterlassen hätten, sei naturgemäß nur als Verdachtsdiagnose einzustufen. Empfohlen werde eine Begutachtung außerhalb der hiesigen Region. Der Beschwerdeführer erstattete daraufhin gegen die Unterzeichner des Schreibens wie auch den bearbeitenden Staatsanwalt Anzeige wegen Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse ( 278 StGB) und der Anstiftung hierzu. Mit Verfügung vom 22. Oktober 2008 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach 170 Abs. 2 StPO ein. Mit Bescheid vom 6. Mai 2009 entschied der Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen, der gegen die Einstellung des Verfahrens gerichteten Beschwerde des Beschwerdeführers nicht stattzugeben. Hiergegen beantragte der Beschwerdeführer am 15. Juni 2009 die gerichtliche Entscheidung. Mit seinem Antrag rügte er, dass aus seiner Sicht keine Untersuchung stattgefunden habe und dennoch eine Diagnose erstellt worden sei. Auch handele es sich bei dem Schreiben vom 24. Juli 2007 um ein Gesundheitszeugnis. Auf der subjektiven Seite verlange der Tatbestand des 278 StGB ein Handeln wider besseres Wissen. Für dessen Vorliegen spreche hier der Umstand, dass die Gutachter ständig mit der Anfertigung forensischer Gutachten befasst seien; sie hätten also aus Erfahrung gewusst, dass eine tatsächliche und vertrauenswürdige Beurteilung des Gesundheitszustandes nur durch eine Untersuchung lege artis erfolgen könne. Die ärztlichen Sorgfaltspflichten hätten sie wissentlich außer Acht gelassen, um zu dem diagnostizierten und vom bearbeitenden Staatsanwalt begehrten Ergebnis zu kommen. Mit Beschluss vom 9. November 2009 verwarf das Oberlandesgericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig. Er entspreche nicht den Anforderungen des 172 Abs. 3 Satz 1 StPO; es fehle eine geschlossene und aus sich heraus verständliche Sachverhaltsdarstellung, die bei Unterstellung ihrer Richtigkeit eine Erhebung der öffentlichen Klage rechtfertige. Das Vorbringen begründe hinsichtlich keines der Beschuldigten einen hinreichenden Tatverdacht. So sei bereits nicht dargetan, dass die Gutachter mit ihrem Schreiben den objektiven Tatbestand des 278 StGB erfüllt hätten. Zwar könne die Unrichtigkeit eines Gesund-
3 3 heitszeugnisses auch aus dem Umstand resultieren, dass eine Untersuchung nicht stattgefunden habe. Im vorliegenden Fall teilten die Gutachter aber nicht ihre abschließende Auffassung über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers mit, sondern äußerten lediglich einen Verdacht. Deshalb werde auch eine weitere Begutachtung empfohlen. Selbst wenn man in dieser Äußerung ein Zeugnis im Sinne des 278 StGB erblicken wollte, sei jedenfalls dessen Unrichtigkeit nicht mit Tatsachen belegt. Im Übrigen werde im Schreiben ausdrücklich offengelegt, dass eine Untersuchung nicht stattgefunden habe. Für jeden Leser des Schreibens sei ersichtlich, dass der geäußerte Verdacht gerade nicht auf der Grundlage einer umfassenden Exploration beruhe. Unabhängig hiervon sei nichts dafür erkennbar, dass die Gutachter subjektiv von der inhaltlichen Unrichtigkeit ihrer Äußerung ausgegangen seien. Für eine Ausstellung wider besseres Wissens habe der Beschwerdeführer keine Indizien dargelegt. Mangels Haupttat fehle auch die Grundlage für eine Anstiftungshandlung des bearbeitenden Staatsanwalts. Dafür, dass der Staatsanwalt die von ihm beauftragten Gutachter zur Abgabe einer unrichtigen Diagnose veranlassen wollte, spreche nichts. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1, Art. 15, 18 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 SächsVerf verletzt. Die Würde des Menschen sei unantastbar. Sie zu achten und zu schützen sei insbesondere auch Aufgabe der Rechtsprechung. Für einen Verstoß gegen die Menschenwürde spreche der Umstand, dass mit der angegriffenen Entscheidung ein Willkürakt vorliege, der den Sachverhalt in schwerwiegender Weise verfälsche, um ein politisches Ziel zu erreichen. Bei dem fraglichen Schreiben vom 24. Juli 2007 handle es sich zweifellos um ein Sachverständigengutachten, was sich sowohl an dessen Form und Bezeichnung wie auch der Abrechnung durch die Gutachter zeige. Zwar gehe das Oberlandesgericht davon aus, dass der Begutachtung keine Untersuchung zugrunde gelegen habe. Hieraus schließe es aber, dass die Begutachtung im Ergebnis nicht unrichtig, sondern richtig sei. Das sei eine Verfälschung des Sachverhalts. Sie könne nur so verstanden werden, dass die gebotene Strafverfolgung unterbunden werden sollte, um ein politisches Ziel zu erreichen. Auch habe er mit seiner Antragsschrift hinreichende Anknüpfungstatsachen für die Annahme des subjektiven Tatbestandes vorgetragen. Wenn das Oberlandesgericht im angegriffenen Beschluss meine, es fehle an solchen Tatsachen, sei auch dies als offensichtliche Sachverhaltsfälschung einzuordnen. Zudem habe er mit seinem Vortrag aufgezeigt, weshalb der bearbeitende Staatsanwalt durchaus ein Interesse an dem diagnostizierten Ergebnis gehabt habe. Das gewünschte Ergebnis habe in die anwaltsgerichtlichen Ehrenverfahren einfließen sollen, in denen es um den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gegangen sei. Nur sei dem Staatsanwalt klar gewesen, dass mit der vorliegenden Begutachtung das Ziel nicht zu erreichen war. Deshalb habe er sich um weitere Gutachter bemüht, die die Diagnose hätten festigen sollen. Nachdem diese sich geweigert hatten, ein Gutachten nach Aktenlage zu erstatten, habe der Staatsanwalt versucht, seinen Pflichtverteidiger für diese Zwecke zu instrumentalisieren, wie ein Vermerk aus der Ermittlungsakte belege. Auch sei nach Einstellung des Verfahrens seinen Rechtsanwälten die Akteneinsicht verweigert worden. Der Staatsanwalt habe auf eine Begutachtung hingewirkt, obwohl von Anfang an offenkundig gewesen sei, dass schon der objektive Tatbestand der vorgeworfenen Straftat nicht erfüllt sei. All dies habe das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt. Den Versuch einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts habe es nicht unternommen.
4 Das Staatsministerium der Justiz und für Europa hat zum Verfahren Stellung genommen. 4 II. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig; sie entspricht nicht den Begründungserfordernissen des Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 SächsVerf i.v.m. 27 Abs. 1 und 28 SächsVerfGHG. Nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 SächsVerf i.v.m. 27 Abs. 1 und 28 SächsVerfGHG ist eine Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer substantiiert die Möglichkeit der Verletzung eigener Grundrechte aus der Verfassung des Freistaates Sachsen darlegt. Hierzu muss er den Lebenssachverhalt, aus dem er die Grundrechtsverletzung ableitet, aus sich heraus verständlich wiedergeben und im Einzelnen aufzeigen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (SächsVerfGH, Beschluss vom 22. Februar 2007 Vf. 65-IV-06; st. Rspr.). 1. Hinsichtlich der gerügten Verletzung der Art. 14 Abs. 1, Art. 15 und 28 Abs. 1 SächsVerf fehlt es schon an jeglicher Darlegung, inwieweit aus der angegriffenen Entscheidung überhaupt eine mögliche Beeinträchtigung der entsprechenden Grundrechte resultieren könnte; abgesehen vom Grundrecht der Menschenwürde befasst sich die Beschwerde nicht einmal mit dem Schutzbereich der herangezogenen Artikel. 2. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot ist ebenfalls nicht hinreichend dargetan. a) Greift der Beschwerdeführer gerichtliche Entscheidungen mit dem Vorwurf der Willkür (Art. 18 Abs. 1 SächsVerf) an, reicht es nicht aus zu behaupten, das Gericht habe einfaches Recht falsch angewandt. Vielmehr obliegt es dem Beschwerdeführer, Umstände darzulegen, die es als möglich erscheinen lassen, dass die behauptete Fehlerhaftigkeit der Rechtsanwendung oder des Verfahrens mit den Vorgaben der Verfassung des Freistaates Sachsen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr vereinbar ist. Insoweit wird der Beschwerdeführer nur durch eine gerichtliche Entscheidung verletzt, die bei verständiger Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und daher offensichtlich unhaltbar ist (SächsVerfGH, Beschluss vom 15. Mai 2007 Vf. 99-IV-06, st. Rspr.). b) Gemessen hieran lässt das Vorbringen des Beschwerdeführers eine mögliche Willkürlichkeit der angegriffenen Entscheidung nicht erkennen. Der Beschwerdeführer beschränkt sich auf die Darlegung und Herausstellung bestimmter Aspekte des tatsächlichen Geschehens, die aus seiner Sicht eine von der Einschätzung des Oberlandesgerichts abweichende Würdigung der Sach- und Rechtslage erforderten. Seine Ausführungen betreffen allein die Ebene der Anwendung einfachen Rechts und sind damit von vornherein ungeeignet, die Möglichkeit aufzuzeigen, dass die tragenden Erwägungen des Oberlandesgerichts mit den Vorgaben der Verfassung unvereinbar seien. Insbesondere wird nicht deutlich, weshalb das vom Oberlandesge-
5 5 richt seiner Entscheidung zugrunde gelegte Verständnis vom Begriff des unrichtigen Gesundheitszeugnisses, das es auf die vorhandene Rechtsprechung und Literatur stützt, aus verfassungsrechtlicher Sicht unhaltbar sein sollte. Kommt es in Auslegung des Wortlautes des Schreibens vom 24. Juli 2007 zu dem Ergebnis, eine Unrichtigkeit des Gesundheitszeugnisses sei nicht erkennbar, ist für einen Verfassungsverstoß nichts dargetan. III. Der Verfassungsgerichtshof ist zu dieser Entscheidung einstimmig gelangt und trifft sie daher durch Beschluss nach 10 Abs. 1 SächsVerfGHG i.v.m. 24 BVerfGG. Die Entscheidung ergeht nach 16 Abs. 1 Satz 1 SächsVerfGHG kostenfrei. IV. gez. Munz gez. Rühmann gez. Grünberg gez. Hagenloch gez. Knoth gez. Lips gez. v. Mangoldt gez. Oldiges gez. Trute
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