Zelluläre Automaten. 1. Einleitung: Definitionen und Geschichte
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- Eugen Kranz
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1 Zelluläre Automaten 1. Einleitung: Definitionen und Geschichte Zelluläre Automaten sind mathematische Idealisierungen von physikalischen (chemischen, biologischen...) Systemen, in welchen sowohl die Raum- und Zeitkoordinaten, als auch die Systemvariablen nur diskrete Werte annehmen können. Bestandteile: 1. reguläres, uniformes Gitter aus Zellen, z.b. eindimensional: 2. endliche Menge von diskreten Zuständen der Systemvariablen für jede Zelle, z.b.: zwei (0 und 1) 3. Evolution in diskreten Zeitschritten, wobei der Wert der Variablen in einer Zelle durch die Werte der Variablen aller Zellen in ihrer "Nachbarschaft" zum vorhergehenden Zeitschritt eindeutig bestimmt ist (durch die Automatengesetze): 12-1
2 Geschichte (Auszüge) Ernst Ising (1925): Ising-Modell des Ferromagnetismus (zwei Spin-Zustände), Gitter-Gas-Modelle der Adsorption (unter Einschluß stochastischer Elemente) N. Wiener und A. Rosenblueth (1946): Modelle für die Erregungsfortpflanzung im Herzmuskel (drei Zustände: ruhend, erregt und refraktär) John von Neumann, Stanley Ulam (1963, 1966): "cellular spaces" als mögliche Idealisierungen biologischer Systeme (biologische Selbstreplikation) S. Ulam: "Essays on Cellular Automata", Univ. Illinois Press, 1970, edited by Arthur W. Burks John Conway (1970): Game of Life: ein zellulärer Automat, bei welchem sich Erzeugung und Vernichtung von Zuständen möglichst ausbalancieren J.S. Langer (1980): dendritisches Wachstum bei Erstarrungsprozessen Allgemein die Diskretisierung von physikalischen Systemen, die durch Differentialgleichungen beschrieben werden können (incl. der Variablen-Diskretisierung), z.b. finite Differenzen + diskrete Variablen 12-2
3 2. Ein- und zweidimensionale Automaten eindimensionale Automaten viele Arbeiten von S. Wolfram und Mitarbeitern ("Theory and Applications of Cellular Automata", Ed. S. Wolfram, World Scientific, Singapore 1986) einfachster Fall: unmittelbare Nachbarn, zwei Zustände mögliches Automatengesetz: Modulo-2-Gesetz Gesetz " " (2 8 =256 Möglichkeiten) Evolution eines zufälligen Musters nach diesem Gesetz: Unter den Restriktionen der Symmetrie (100 muß mit 001 gleichbedeutend sein) und dem Verbot der spontanen Entstehung von 1-Plätzen gibt es hier genau 32 verschiedene Automatengesetze: folgende Abbildungen aus: S. Wolfram, "Statistical Mechanics of cellular automata", Rev. Mod. Phys. 55 (1983)
4 12-4
5 12-5
6 12-6
7 zweidimensionale Automaten verschiedene Arten von Nachbarschaftsdefinitionen sind möglich: quadratisches Gitter 4-Nachbarschaft (horizontal + vertikal) von-neumann-nachbarschaft (von-neumann-automat) 8-Nachbarschaft (+ diagonal) Moore-Nachbarschaft Conway-Automat Verwendung: Beschreibung realer Wachstumsvorgänge, Erregungsfortpflanzung Modellierung biologischer Prinzipien 12-7
8 3. Zelluläre Automaten als Modelle von Selbstorganisationsprozessen Erstarrungsprozesse lassen sich modellieren, wenn kein jemals entstandener 1-Zustand (erstarrtes Medium) wieder verschwinden kann, z.b. nach folgendem Gesetz: einfache Erstarrung ohne laterale Effekte, Gesetz: C = f( a, n)2 2 n n+ a d.h.: (mittlerer Zustand, Summe der Umgebung) neuer Zustand (1,4) 1; (0,4) 1; (1,3) 1; (0,3) 1; (1,2) 1; (0,2) 1; (1,1) 1; (0,1) 1; (1,0) 1; (0,0) 0; dendritische Erstarrung: Gesetz: (1,4) 0; (0,4) 0 (1,3) 1; (0,3) 0 (1,2) 1; (0,2) 0 (1,1) 1; (0,1) 1 (1,0) 1; (0,0)
9 Raum-zeitliche Strukturen in anregbaren Medien 3 Zustände: anregbar (0), angeregt (1), nicht anregbar (2) Gesetz: (1,n) 2; (0,4) 1; (0,3) 1; (0,2) 1; (0,1) 1; (0,0) 0; (2,n) 0; n setze sich dabei nur aus angeregten Zellen zusammen Modelle für das Herzgewebe, die Wellenausbreitung in der Belousov-Zhabotinsky-Reaktion u. ä. 12-9
10 4. Zelluläre Automaten als Modelle von Selbstreplikationsprozessen ("Game of Life") John Conway (1970): 2 Zustände, 8-Umgebung: Automatengesetz: 0 oder 1 Nachbar: 1 0, 0 0 (Aussterben) 2 Nachbarn: 1 1, 0 0 (Konstanz) 3 Nachbarn: 1 1, 0 1 (Erzeugung) > 3 Nachbarn: 1 0, 0 0 (Aussterben) Beispiele ausgezeichneter Konstellationen: Konstante und Blinker Flip-Flop Gleiter Gleiter-Generator Kollisionskurs "Viren" 12-10
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