Gefährdungspotential und soziale Kosten des Glücksspiel
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- Monica Hochberg
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1 Gefährdungspotential und soziale Kosten des Glücksspiel Prof. Dr. Tilman Becker Forschungsstelle Glücksspiel Universität Hohenheim 1 von 31
2 Gefährdungspotentiale Sucht Betrug Manipulation Geldwäsche Steuerhinterziehung Organisierte Kriminalität Andere Formen der Kriminalität 2 von 31
3 Lotterien Bei langsamen Lotterien ist Suchtgefährdungspotential gering Betrugs- und Manipulationsgefährdungspotential ist sehr hoch Geldwäschegefährdungspotential gering Staatliche Anbieter: deshalb keine organisierte Kriminalität 3 von 31
4 Sportwetten I Je nach Ausgestaltung ist Suchtgefährdungspotential mittel bis hoch (Live Wetten) Betrugs- und Manipulationsgefährdungspotential bei Sportwetten ist sehr gering (bei Festquotenwetten) Betrugs- und Manipulationsgefährdungspotential bei den sportlichen Veranstaltung selber sehr hoch KHK Althans (Fall Sapina): 323 Ereignisse manipuliert, davon 15 in Österreich Wetten als Betätigungsfeld der Organisierten Kriminalität (Triaden) vor allem im asiatischen Raum Veranstaltung von Fussballturnieren nur zum Zweck der Abgabe von Wetten auf manipulierte Spiele 4 von 31
5 Sportwetten II Gefahr der Geldwäsche durch Spieler hoch (Ausschüttungsquote hoch) Gefahr der Geldwäsche durch Veranstalter hoch: Steuersatz im Malta 0,5 % des Bruttospielertrags und gedeckelt bei Euro Steuersatz in Gibraltar 1 % und gedeckelt bei Euro 5 von 31
6 Roulette I Suchtgefährdungspotential hoch Betrugs- und Manipulationsgefährdungspotential durch Spieler sehr gering Betrugs- und Manipulationsgefährdungspotential durch Veranstalter im terrestrischen Spiel gering Betrugs- und Manipulationsgefährdungspotential durch Veranstalter im Internet hoch 6 von 31
7 Roulette II Gefahr der Geldwäsche durch Spieler hoch Gefahr der Geldwäsche durch private Veranstalter im terrestrischen Vertrieb gering Gefahr der Geldwäsche durch private Veranstalter im Internet sehr hoch Lizenz in Malta oder Gibraltar siehe Sportwetten 7 von 31
8 Poker I Suchtgefährdungspotential hoch Betrugs- und Manipulationsgefährdungspotential durch Spieler im terrestrischen Spiel gering Betrugs- und Manipulationsgefährdungspotential durch Spieler im Internet prohibitiv hoch (freie Tischwahl lädt gerade dazu ein, Spielerringe zu bilden) Betrugs- und Manipulationsgefährdungspotential durch Veranstalter im terrestrischen Spiel sehr gering Betrugs- und Manipulationsgefährdungspotential durch Veranstalter im Internet sehr hoch (Super-User Account, Schwarzer Freitag) 8 von 31
9 Poker II Gefahr der Geldwäsche durch Spieler hoch (hohe Ausschüttungsquote) Gefahr der Geldwäsche durch private Veranstalter im terrestrischen Vertrieb gering (Kontrolle) Gefahr der Geldwäsche durch private Veranstalter im Internet sehr hoch Lizenz in Malta oder Gibraltar lädt geradezu zur Geldwäsche ein Für Organisierte Kriminalität sehr interessant 9 von 31
10 Automatenspiel Suchtgefährdungspotential sehr hoch (Glücksspielund Geldspielgeräte: hängt auch von Verfügbarkeit ab) Betrugs- und Manipulationsgefährdungspotential durch Spieler gering bis mittel Betrugs- und Manipulationsgefährdungspotential durch Anbieter gering (Österreich?) Gefahr der Steuerhinterziehung hoch (Deutschland) Gefahr der Geldwäsche ist schwer einzuschätzen (Anektodische Evidenz?) 10 von 31
11 Soziale Kosten 11 von 31
12 Motivation für die eigene Untersuchung Ergebnisse ganz früher Studien aus dem letzten Jahrhundert für die sozialen Kosten des Glücksspiels (nach Walker himmelschreiend parteiische Studien ) aus den USA: $ bis $ pro pathologischen Spieler: $ mal pathologische Spieler in Deutschland = 7 Mrd. $ Eine erste sehr grobe Schätzung der Universität Hamburg beziffert diese auf 60 Mrd. pro Jahr Kann dies stimmen? 12 von 31
13 Was sind soziale Kosten? Direkte Kosten: Kosten für das Gesundheitssystem Indirekte Kosten: Kosten durch verringerte Arbeitsproduktivität Intangible Kosten: Kosten des menschlichen Leids (körperliche Schmerzen, psychische Belastungen) 13 von 31
14 Soziale Kosten des Tabak-, Alkoholund Glücksspielkonsums, Deutschland Tabak Alkohol Glücksspiel Direkte Kosten 4,7 bis 16,6 Mrd. Indirekte Kosten 4,3 bis 12,6 Mrd. Soziale Kosten insgesamt 10 bis 30 Mrd. 8,1 bis 8,4 Mrd. 7,0 bis 15,9 Mrd. 15 bis 25 Mrd.??? 14 von 31
15 Gesundheitliches Gefährdungspotential Tabak Alkohol Glücksspiel bis Todesfälle pro Jahr bis Todesfälle pro Jahr Tabakrauchen allein Tabakrauchen zusammen Alkohol allein und Alkohol 25% bis 50% der pathologischen Spieler mit Alkoholabhängigkeit 60% der pathologischen Spieler mit Nikotinabhängigkeit 15 von 31
16 Komorbidität Substanzbezogene Störungen (etwa 25% bis 50% Alkohol, etwa 60% Nikotin) Affektive Störungen (20% bis 70%) Angst- und Zwangsstörungen (7% bis 50%) Problem der Zuordnung: Hauptdiagnose 16 von 31
17 Suchtgefährdungspotential Tabak Alkohol Glücksspiel Häufigkeit in Bevölkerung 7%-11% 2,4%-5,5% 0,18%-0,56% 0,9%* Anzahl Betroffener 3,7 Mill. bis 5,8 Mill. 1,3 Mill. bis 3,0 Mill. 0,1 Mill. bis 0,3 Mill. 0,48 Mill.* * Lebenszeitprävalenz 17 von 31
18 Pathologisches Glücksspiel Zeitraum der Befragung Anzahl der Befragten Buth und Stöver November bis Dezember 2006 Bühringer et al. basierend auf Daten des Epidemiologischen Suchtsurvey ESA 2006 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung August bis November 2007 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung März bis Mai Alter Jahre Jahre Jahre Jahresprävalenz 0,56% oder 45 path. Spieler 0,64% oder 51 probl. Spieler nach DSM- IV Kriterien 0,18% oder 14 path. Spieler 0,27% oder 21 probl. Spieler nach DSM- IV Kriterien 0,2% path. Spieler 0,4% probl. Spieler nach South Oaks Gambling Screen 0,45% oder 42 path. Spieler 0,64% oder 47 probl. Spieler nach South Oaks Gambling Screen 18 von 31
19 Pathologisches Glücksspiel Österreich BRD ZIS-Studie BZgA-Studie Messinstrument DSM-IV SOGS Problematisch 0,46 0,64 Pathologisch 0,71 0,45 19 von 31
20 Wie werden soziale Kosten bei Tabak und Alkohol gemessen? International guidelines for estimating the cost of substance abuse der World Health Organization (WHO): Studien zu den ökonomischen bzw. sozialen Kosten des Substanzmissbrauchs gehören zu den Cost-of-illness (COI) Studien Weltweit akzeptierter Standard (1996 zuerst veröffentlicht), um die sozialen Kosten von Krankheiten zu berechnen! 20 von 31
21 Wie können soziale Kosten des Glücksspiels gemessen werden? Drei Gruppen von Spielern mit pathologischen Glücksspielverhalten (PG): Spieler in stationärer Behandlung (2008: Klienten mit Hauptdiagnose PG) Spieler in ambulanter Behandlung (2008: mit Hauptdiagnose PG) Andere pathologische Spieler in der Bevölkerung (BZgA 2009: (minus 8.431) pathologische Spieler in der Bevölkerung) 21 von 31
22 Direkte Kosten für Deutschland für 2008 in Euro Kosten der stationären Behandlung Kosten der ambulanten Behandlung Kosten der Schuldnerberatung Kosten der (Beschaffungs-)kriminalität Kosten der Aufsicht, Gerichte und Strafverfolgung Verwaltungskosten Arbeitslosigkeit Kosten durch Ehescheidungen Kosten für Maßnahmen des Spieler- und Jugendschutzes Kosten für Präventionsforschung Direkte Kosten insgesamt Quelle: Becker, T von 31
23 Indirekte Kosten für Deutschland für 2008 in Euro Kosten durch Verlust des Arbeitsplatzes Kosten durch krankheitsbedingte Fehlzeiten Kosten durch verringerte Arbeitsproduktivität Indirekte Kosten insgesamt Quelle: Becker, T von 31
24 Problem verursachende Form des Glücksspiels Problem verursachende Glücksspielform Becker (2008) Meyer und Hayer ( ) Geldspielautomaten in Spielhallen/Gaststätten 69,0% 63,5% Glücksspielautomaten in Spielbanken 11,4% 13,5% Sportwetten (Wettbüros, Internet) 6,8% 1,7% Roulette 5,8% 6,2% Poker (Karten- und Würfelspiele) 3,6% 1,7% ODDSET Kombi-/TOP-Wette 1,6% 2,8% Pferdewetten 0,6% 1,7% Zahlenlotto 6 aus 49 0,5% 0,9% Rubbellose 0,4% 0,0% Toto-/Auswahl-/13er-Wette 0,2% 0,0% Klassenlotterie (SKL/NKL) 0,1% 0,2% Quelle: Becker, von 31
25 Soziale Kosten der verschiedenen Formen des Glücksspiels Prävalenz pathologischen Spielverhaltens Soziale Kosten (in Euro) Geldspielautomaten 69,00% Glücksspielautomaten 11,00% Sportwetten 9,20% Casinospiele 9,40% Lotterien 1,00% Summe 99,60% von 31
26 Wohlfahrtsanalyse: Summe aus Kosten und Nutzen des Glücksspiel für die Gesellschaft Was sind Kosten in einer Wohlfahrtsanalyse? Kosten, die der Gesellschaft durch eine wirtschaftliche Aktivität entstehen. Summe aus privaten Kosten und sozialen Kosten, die anderen Personen entstehen (Externalisierung von Kosten). Was ist Nutzen in einer Wohlfahrtsanalyse? Nutzen, die der Gesellschaft durch eine wirtschaftliche Aktivität entstehen. Summe aus privatem Nutzen und Nutzen, den andere Personen haben. Beurteilung, ob eine Aktivität sinnvoll ist: sozialer Nutzen > soziale Kosten 26 von 31
27 Forschungsdefizit Es gibt bereits erste Untersuchungen zu den sozialen Kosten, aber es gibt bisher keine seriöse wissenschaftliche Untersuchung zu dem sozialen Nutzen 27 von 31
28 Literaturhinweise Köberl, Judith und Franz Prettenthaler: Kleines Glücksspiel Großes Leid? 28 von 31
29 Literaturhinweise Becker, Tilman: Soziale Kosten des Glücksspiels in Deutschland 29 von 31
30 Literaturhinweise Künzi, K., T. Fritschi, T. Oesch, M. Gehrig und N. Julien: Soziale Kosten des Glücksspiels in Casinos. Studie zur Erfassung der durch die Schweizer Casinos verursachten sozialen Kosten. Studie des Büros für Arbeits- und Sozialpolitische Studien AG (BASS) im Auftrag der Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK), Bern, Juni von 31
31 31 von 31
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