Genossenschaften als Option bei Unternehmensübergaben an die Mitarbeiter Dr.
Inhalt Genossenschaftlicher Neugründungsboom Unternehmensnachfolgen im Mittelstand in Deutschland Nachfolgealternativen Genossenschaften als Option bei Unternehmensübergaben an die Mitarbeiter Empirischer Befund Gründungshemmnisse Fazit 2
Genossenschaftlicher Neugründungsboom Die Genossenschaftsidee verfügt über ein erhebliches Lösungspotential für grundsätzliche und aktuelle Probleme. Seit 2001 ist die Zahl genossenschaftlicher Neugründungen kontinuierlich und zuletzt sogar so kräftig angestiegen, dass man von einem Neugründungsboom spricht und es im Jahr 2009 erstmals wieder zu einer Zunahme der Genossenschaften gekommen ist. 3
Genossenschaftlicher Neugründungsboom Aktuelles Problemlösungspotential wird in folgenden Kernbereichen gesehen: Regionalentwicklung und lokale Daseinsvorsorge Wohnen Gesundheit und Soziales Energie Mittelständische Kooperationen, Handwerk und Unternehmensnachfolgen 4
Genossenschaftsneugründungen und prozentuale Veränderungen zum Vorjahr 400 350 GenG Novelle 60% 353 333 332 70% 60% 300 250 200 150 100 50 44 27% 4% 3% 56 58 60 23% 1% 74 75 11% 83 133 34% 35% 241 178 288 20% 23% -6% 0% 250-25% 50% 40% 30% 20% 10% % -10% -20% 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014-30% Anzahl der Neugründungen Prozentuale Veränderung zum Neujahr Quelle: Potenziale und Hemmnisse von unternehmerischen Aktivitäten in der Rechtsform der Genossenschaft, Kienbaum Management Consultant GmbH, Seminar für Genossenschaftswesen der Universität zu Köln, 2014, S. 66. 5
Neugründungen von Genossenschaften nach Bereichen 400 300 200 100 0 35 46 42 46 GenG Novelle 67 64 74 7 10 13 7 2 5 3 11 18 13 15 13 17 17 2 0 3 7 5 6 5 8 10 13 14 14 13 14 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 114 150 215 259 326 303 301 ländliche Genossenschaften Gewerbliche Genossenschaften Wohnungsgenossenschaften Quelle: Potenziale und Hemmnisse von unternehmerischen Aktivitäten in der Rechtsform der Genossenschaft, Kienbaum Management Consultant GmbH, Seminar für Genossenschaftswesen der Universität zu Köln, 2014, S. 68. 6
Neugründungen von gewerblichen Genossenschaften 400 300 200 100 35 46 42 46 GenG Novelle 67 64 74 114 150 215 259 326 303 301 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Gewerbliche Genossenschaften Quelle: Potenziale und Hemmnisse von unternehmerischen Aktivitäten in der Rechtsform der Genossenschaft, Kienbaum Management Consultant GmbH, Seminar für Genossenschaftswesen der Universität zu Köln, 2014, S. 69. 7
Neugründungen gewerblicher Genossenschaften nach Branchen 400 300 Energie Handel / Dorfläden Handwerk Soziales Gesundheitswesen Verkehr / Nachrichten 200 100 Dienstleistungen und übrige kommunale Dienste GenG Novelle Energie Soziales 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 8 Quelle: Potenziale und Hemmnisse von unternehmerischen Aktivitäten in der Rechtsform der Genossenschaft, Kienbaum Management Consultant GmbH, Seminar für Genossenschaftswesen der Universität zu Köln, 2014, S. 71.
Große Bandbreite an Gründern Verbände Landkreise Kommunen Freiberufler kleine und mittlere Unternehmen Arbeitslose Studenten Gründer Landwirte Kaufleute Arbeitnehmer Handwerker 9
Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten Wärmenetze Bioenergiedörfer Fotovoltaikgen. Ärztegen. IT-Gen. Wassergen. Dorfläden Fair-Trade-Gen. Kaminkehrergen. Anwendungsmöglichkeiten Einkaufsverbände Verbrauchergemeinschaften Produktivgenossenschaften Schulen Handwerkergen. Mikrofinanzfonds 10
Potentiale für Produktivgenossenschaften Potential für die Gründung von Produktivgenossenschaften wird im Rahmen von Unternehmensnachfolgen und Belegschaftsinitiativen gesehen. Hergeleitet wird dieses Potential aus der prognostizierten Entwicklung der Unternehmensnachfolgen in den nächsten Jahren. 11
Anzahl der zur Übergabe anstehenden Unternehmen in Deutschland im Zeitraum 2014-2018 Unternehmensbestand 3.740.000 darunter Familienunternehmen 3.540.000 darunter übernahmewürdige Unternehmen 700.000 darunter übergabereife Unternehmen 135.000 12 Quelle: Unternehmensnachfolgen in Deutschland 2014 bis 2018, Rosemarie Kay und Olga Suprinovic, IfM Bonn, Daten und Fakten Nr. 11, S. 8..
Nachfolgealternativen Nachfolgealternativen familieninterne Lösung familienexterne Lösung unternehmensexterne Lösung unternehmensinterne Lösung Verkauf an anderes Unternehmen MBI MBO EBO 13
Gewählte Nachfolgelösungen der 135.000 übergabereifen Unternehmen familienintern 29 % U: 39.150 B: 580.000 unternehmensextern 54 % U: 72.900 B: 1.080.000 17 % U: 22.950 B: 340.000 unternehmensintern Quelle: Unternehmensnachfolgen in Deutschland 2014 bis 2018, Rosemarie Kay und Olga Suprinovic, IfM Bonn, Daten und Fakten Nr. 11, S. 19.. 14
Zwischenfazit Das Thema Unternehmensnachfolge ist für viele Unternehmer und Mitarbeiter virulent. Nach neueren Berechnungen des IfM Bonn sind jedes Jahr sind 27.000 Unternehmen übergabereif. Jedes Jahr hängt die Existenz von 400.000 Arbeitsplätzen von der reibungslosen Übergabe von Unternehmen ab. Circa 4.600 Unternehmen mit knapp 68.000 Beschäftigten werden jährlich an Mitarbeiter übergeben. 15 Fachgespräch 3-29.Juni 2012 - FES Berlin
Nachfolge: Immer weniger Kandidaten für immer mehr Unternehmen IHK-Beratungen von Senior-Unternehmen potenziellen Nachfolgern 6.452 6.441 4.048 4.693 5.357 5.522 2010 2011 2012 16 Quelle: Immer weniger Nachfolger für immer mehr Unternehmen, DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2013, S. 6.
Hemmnisse auf Übergeberseite Soviel Prozent der Senior-Unternehmer sind nicht rechtzeitig vorbereitet 47% können emotional nicht "loslassen" finden keinen passenden Nachfolger fordern einen überhöhten Kaufpreis 39% 38% 41% befürchten hohe Erbschaftssteuerbelastung 23% warten mit dem Verkauf, um Altersvorsorge aufzustocken 27% andere 8% 17 Quelle: Immer weniger Nachfolger für immer mehr Unternehmen, DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2013, S. 10.
Ungenügende Planung Soviel Prozent der Senior-Unternehmer suchen die IHK-Beratung vor der geplanten Übergabe auf weniger als 3 Monate 7% zwischen 3 und 6 Monaten 16% zwischen 6 und 12 Monaten 31% zwischen 1 und 2 Jahren 27% zwischen 2 und 5 Jahren 15% mehr als 5 Jahre 4% 18 Quelle: Immer weniger Nachfolger für immer mehr Unternehmen, DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2013, S. 11.
Hemmnisse auf Übernehmerseite (2010 2013) Soviel Prozent der potenziellen Übernehmer haben Finanzierungsschwierigkeiten unterschätzen Anforderungen finden kein passendes Unternehmen haben unzureichende Qualifikationen befürchten hohe Erbschaftssteuerbelastung andere 2013 2012 2011 2010 19-10% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% Quelle: Immer weniger Nachfolger für immer mehr Unternehmen, DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2013, S. 13.
Zwischenfazit Das Potential für die Gründung von Belegschaftsunternehmen im Rahmen von Unternehmensnachfolgen ist grundsätzlich hoch! Das Potential für die Gründung von Produktivgenossenschaften im Rahmen von Unternehmensnachfolgen ist grundsätzlich hoch! 20
Produktivgenossenschaften Identität von Teilhabern und Beschäftigten Dominierendes Förderziel: Erhalt bzw. Schaffung eigener Arbeitsplätze Plakativ formuliert sind alle Teilhaber beschäftigt und alle Beschäftigten teilhabend. 21
Genossenschaften als Option bei Unternehmensnachfolgen Geringe Insolvenzquote Stabilität Kein Mindestkapital Nachhaltigkeit Sachzielbezogene Förderung Vorteile Individuelle Satzungsgestaltung Geringe Mindestgründerzahl Transparente Corporate Governance 22 Haftungsbeschränkung Freier Einund Austritt Demokratische Willensbildung
Genossenschaften als Option bei Unternehmensnachfolgen Gründungsberatung Problemlose Umwandlung Gründungsprüfung Kein Strukturbruch Vorteile Investierende Mitglieder Diskretion Fließender Leitungsübergang Flexibilität Fließender Eigentumsübergang 23
Genossenschaftliche Nachfolgeoptionen GmbH Formwechsel eg Beteiligung der Mitarbeiter an der neuen Rechtsform Mitarbeiter Quelle: Fiedler 2007 24
Genossenschaftliche Nachfolgeoptionen Einzelkaufmann Unternehmenskauf eg Gründung einer neuen Genossenschaft durch die Mitarbeiter Mitarbeiter Quelle: Fiedler 2007 25
Empirischer Befund Keine empirischen Daten über Rechtsformwahlentscheidungen bei Unternehmensübergaben an Mitarbeiter Eingetragene Genossenschaft spielt nur eine geringe Rolle Genossenschaftsstatistiken weisen kaum Neugründungen aus 26
Allgemeine Gründungshemmnisse Ungenügende Planung der Unternehmensnachfolge durch Übergeber Übernehmer Bei unternehmensinternen Nachfolgeregelungen wird häufig nur ein MBO in Betracht gezogen. Ungewisse Erfolgsaussichten Doppeltes Verlustrisiko der Arbeitnehmer 27 Fachgespräch 3-29.Juni 2012 - FES Berlin
Allgemeine Gründungshemmnisse Fehlendes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten Fehlender Unternehmergeist Fehlende Verantwortungsbereitschaft Fehlende Risikobereitschaft 28 Fachgespräch 3-29.Juni 2012 - FES Berlin
Allgemeine Gründungshemmnisse Kapitalmangel Fehlendes kaufmännisches Wissen Geringe staatliche Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung Keine Berücksichtigung von Sondersituationen wie Unternehmenskrisen und Unternehmensnachfolgen im MiKapBG 29 Fachgespräch 3-29.Juni 2012 - FES Berlin
Spezifische Gründungshemmnisse Genossenschaften Kenntnis- und Imageproblem Komplexer und zeitaufwändiger Gründungsprozess Gründer Geringe Kenntnisse Geringe Kooperativneigung Rechtsformwahlberater 30 Geringe Kenntnisse Kein wirtschaftliches Interesse Fachgespräch 3-29.Juni 2012 - FES Berlin
Empirischer Befund DGRV stellt in seiner Mittelstandsbroschüre die Planergemeinschaft Kohlbrenner eg vor. Sorgfältige Analyse von Rechtsformwahlalternativen eg wurde wegen ihres demokratischen Charakters und des unbürokratischen Ein- und Austritts gewählt. 31
Empirischer Befund Größtes Problem waren sehr unterschiedliche Vorstellungen über den Kaufpreis, die um den Faktor 10 differierten. Verkaufsverhandlungen zogen sich über mehrere Jahre hin. Einschaltung externer Gutachter und eines Mediators Finanzierung erfolgte über Eigenmittel 32
Empirischer Befund Häufig ist ein Kauf nicht ohne Fremdmittel darstellbar. Unterstützung durch den regionalen Prüfungsverband wurde als hilfreich angesehen. Das genossenschaftliche Prüfungsgregime wurde nicht als problematisch angesehen. 33
Empirischer Befund Entscheidender Faktor für die kollektive Unternehmensübernahme war das Vorhandensein einer Partizipationskultur und die daraus resultierende Bereitschaft der Verantwortungsübernahme. 34
Fazit Das Leistungspotential der Genossenschaftsidee für eine nachhaltigere und sozial gerechtere Wirtschaftsweise ist hoch. Die Genossenschaftsidee ist ein krisenerprobtes Handlungsmuster, dass sich auch bei Unternehmensnachfolgen und Belegschaftsinitiativen bewähren kann. Das Leistungspotential der Genossenschaftsidee wird hier jedoch nur unzureichend oder gar nicht 35 ausgeschöpft.
Fazit Um das Leistungspotential der Genossenschaftsidee besser auszuschöpfen, müssen Image und Kenntnisprobleme bei den relevanten Rechtsformwahlberatern und potentiellen Gründern ausgeräumt werden. muss die staatliche Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung substantiell erhöht werden. müssen neue Wege der staatlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung im Rahmen von Unternehmensnachfolgen und Unternehmenskrisen diskutiert werden. 36
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit! 37