Vernehmlassungsantwort zum Vorentwurf einer Neuregelung der elterlichen Sorge



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Transkript:

Zentralsekretariat/Secrétariat central Spitalgasse 34, 3011 Bern Postfach/Case postale, 3001 Bern PC 30-28039-3 Tel. 031/329 69 69/Fax. 031 329 69 70 www.spschweiz.ch/www.pssuisse.ch Bern, den 16. April 2009 Sozialdemokratische Partei der Schweiz Parti Socialiste Suisse Partito Socialista Svizzero Eidg. Justiz- und Polizeidepartement Bundeshaus West CH-3003 Bern Vernehmlassungsantwort zum Vorentwurf einer Neuregelung der elterlichen Sorge Sehr geehrte Frau Bundesrätin Sehr geehrte Damen und Herren I. Generelle Bemerkungen Der Vorschlag des Bundesrates, das gemeinsame Sorgerecht zum Regelfall zu machen, regelt das Recht der Mitbestimmung beider Elternteile, jedoch nicht die Pflicht zur gemeinsamen Betreuungsarbeit. Es ist kein Zufall, dass heute die Gerichte in zwei Drittel der Fälle den Müttern die elterliche Sorge zusprechen: noch immer leisten Frauen 80 Prozent der Familien- und Hausarbeit und übernehmen damit auch die Kinderbetreuung. Diese tatsächlichen Verhältnisse färben selbstverständlich und auch zu Recht auf die Gerichte ab. Die eigentliche Diskussion, die auf dem Rücken der Kinder geführt wird, ist jene der partnerschaftlichen Rollenteilung und diese beginnt eben nicht erst bei der Scheidung. Vor diesem Hintergrund ist auch die Klage zu beurteilen, bei der geltenden Regelung handle es sich um eine Diskriminierung der Väter. Die heutige gesetzliche Regelung ist geschlechtsneutral formuliert. Dass die alleinige Sorge mehrheitlich den Müttern zugeteilt wird, hat etwas mit den tatsächlich gelebten Verhältnissen und der von den Müttern geleisteten Betreuungsarbeit während der Ehe zu tun. Damit soll nicht bestritten werden, dass der Entzug der elterlichen Sorge aus individueller Sicht ungerecht und hart erscheinen mag und die betroffenen Väter entsprechend verletzt umgekehrt sollte aber auch die persönliche Betroffenheit den Blick auf diese strukturellen Gegebenheiten nicht verstellen. Erschwerend hinzu kommen sicherlich die missbrauchsanfällige formelle Zustimmungsbedürftigkeit beider Eltern zum gemeinsamen Sorgerecht und die auch an den Gerichten weit verbreiteten Geschlechterstereotypien, welche in diesem Bereich eine nachhaltige Sensibilisierung und Weiterbildungen in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter und in Bezug auf veränderte Geschlechterrollen sinnvoll macht. Realistischerweise geht nicht einmal der Bundesrat davon aus, dass sich die Väter durch die vorgeschlagene Regelung mehr um die Kinder kümmern werden. Denn empirische Studien haben gezeigt, dass die gemeinsame elterlich Sorge entgegen dem, was sich ihre Befürworter davon erhoffen keinen nachgewiesenen positiven Effekt auf die Betreuungsarbeit jenes Elternteils ausübt, der nicht die hauptsächliche Obhut und Betreuungspflicht innehat. 1

Trotzdem begrüsst die SP Schweiz grundsätzlich die hinter der Vorlage stehende Absicht, die gemeinsame elterliche Sorge nach der Scheidung in vermehrtem Umfang zu ermöglichen. Sie geht dabei davon aus, dass dem Wohl des Kindes am besten gedient ist, wenn es trotz der Scheidung der Eltern eine möglichst intakte Beziehung zu beiden Elternteilen bewahren kann. Dies setzt aber voraus, dass die Eltern das gemeinsame Sorgerecht einvernehmlich ausüben und das Kind nicht immer wieder zwischen die Fronten gerät beim Streit der Eltern darüber, was denn jetzt für das Kind das Beste sei. Laut den im Bericht erwähnten Studien von Staub, Hausheer und Felder sind doch immerhin in 20-25% der Fälle die Eltern klar nicht in der Lage, das Sorgerecht gemeinsam auszuüben und knapp 30% der (in der Regel die Hauptbetreuungsarbeit leistenden) Mütter, die einem gemeinsamen Sorgerecht zugestimmt hatten, waren mit dieser Lösung ex post nicht zufrieden, was zeigt, welch hohe Anforderungen die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts nach der Scheidung stellt. Die SP Schweiz ist deshalb skeptisch, ob der gewählte Ansatz der Vorlage, das gemeinsame Sorgerecht von Gesetzes wegen zum Regelfall zu erklären, zielführend ist. Wir bevorzugen eine Lösung, die ergebnisoffener ist und trotzdem auf das missbrauchsanfällige Erfordernis eines gemeinsamen Antrags in der Sorgerechtsfrage verzichtet. Um das Kindswohl zu gewährleisten, darf das gemeinsame Sorgerecht nur dort zur Anwendung gelangen, wo getrennt lebende Eltern sich bezüglich Betreuung der Kinder, Unterhaltszahlungen, Besuchsrecht und -pflicht und der weiteren essentiellen Fragen einigen können und glaubwürdig darlegen, dass sie sich daran auch halten werden. Damit soll gleichzeitig vermieden werden, dass geschiedenen Vätern über diese Gesetzesrevision lediglich mehr Rechte eingeräumt werden, ohne dass sie auch den entsprechenden Pflichten nachkommen. Die SP Schweiz nimmt die immer wieder zu hörenden Beschwerden jener Väter ernst, denen trotz anderslautender Besuchsrechtsregelung der Kontakt zu ihren Kindern teilweise über Jahre konsequent verunmöglicht wird, ohne dass das für die sorgeberechtigte Mutter irgendwelche Konsequenzen nach sich zieht. Bezogen auf die Gesamtzahl der Scheidungen handelt es sich hierbei zwar um Einzelfälle, der Handlungsbedarf scheint dennoch klar ausgewiesen. Der vorgeschlagene strafrechtliche Lösungsansatz scheint uns jedoch nicht zielführend zu sein. Weitaus häufiger kommt es vor, dass die Väter ihr Besuchsrecht nicht wahrnehmen und damit auch ihrer Entlastungspflicht gegenüber dem sorgeberechtigten Elternteil nicht nachkommen. Auch dieser Missstand soll angegangen werden, weshalb die SP Schweiz einen Vorschlag für einen neuen Absatz von Art. 273 ZGB unterbreitet. Die SP begrüsst es sehr, dass der Bundesrat verheiratete und nicht verheiratete Eltern in der Frage der elterlichen Sorge gleich behandeln will. Unverheiratete Eltern sollen, wie es heute schon der Fall ist, im Regelfall ohne grosse Hürden das gemeinsame Sorgerecht erlangen können, wenn der Vater das Kind anerkennt. Wir weisen in diesem Zusammenhang aber darauf hin, dass die Gleichstellung für die Mütter in Konkubinatsbeziehungen noch immer nicht verwirklicht ist. Konkubinatspaare mit Kindern haben häufig die gleiche Rollenverteilung wie verheiratete Paare: Es sind hauptsächlich die Mütter, welche die Kinder betreuen und meist auch den Haushalt besorgen, während die Väter ihrem Beruf nachgehen und für das Einkommen sorgen. Im Gegensatz zu verheirateten Frauen haben Frauen in Konkubinatsverhältnissen aber ohne spezielle vorsorglich getroffene Regelungen bei einer Trennung keinerlei Absicherung: Es gibt keine Errungenschaft und Pensionskasse, die geteilt werden und auch keinen Anspruch auf Unterhalt. Es ist erfreulich, wenn sich der Bundesrat zum Grundsatz der Gleichberechtigung bekennt. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Handlungsbedarf diesbezüglich an anderen Orten seit langer Zeit ausgewiesen ist. Obwohl bekannt ist, dass vordringlicher Revisionsbedarf bei der Sicherung der Unterhaltsbeiträge für Kinder besteht, bleibt der Bundesrat auf diesem Gebiet aber seit Jahren untätig. Auch die Altersvorsorgelücken wegen 2

Betreuungsaufgaben beschäftigen den Bundesrat offenbar nicht allzu sehr. Die Erfüllung der berechtigten Forderung, die Pensionskassenguthaben beider Eltern für die gesamte Dauer der Betreuung gemeinsamer unmündiger Kinder zu teilen, hat offensichtlich keine Eile. II. Bemerkungen zu den einzelnen Vorschlägen Zu Art. 133 ZGB gemeinsame elterliche Sorge Mit der neuen Formulierung von Art. 133 soll das gemeinsame Sorgerecht nach der Scheidung zum Regelfall werden. Zwar kann das Gericht gemäss Art. 133a einem Elternteil das Sorgerecht entziehen, wenn das Wohl des Kindes dies verlangt, es ist aber absehbar, dass aufgrund des Quasi-Automatismus von Art. 133 das gemeinsame Sorgerecht in mehr Fällen zur Anwendung gelangt als dies unter dem Blickwinkel des Kindswohls ratsam wäre. Das Gericht wird mit Blick auf die Weiterzugsmöglichkeiten primär für die Abweichung vom Grundsatz des gemeinsamen Sorgerechts begründungspflichtig sein und weniger für eine möglichst sachgerechte Regelung der Verhältnisse. Dies wird dazu führen, dass die Gerichte es im Zweifelsfall bei der gemeinsamen elterlichen Sorge belassen werden. Die gemeinsame elterliche Sorge nach der Scheidung ist aber nur dann ein taugliches Modell, wenn sie einigermassen reibungslos funktioniert. Ein diesbezüglich fehlender gemeinsamer Wille ist schon einmal als klares Warnsignal zu betrachten, auch wenn die SP Schweiz einverstanden ist, vom bisherigen Erfordernis eines formalen gemeinsamen Antrags bezüglich gemeinsamen Sorgerecht abzusehen. Umso wichtiger ist es aber in der Folge, dass die Eltern sich materiell geeinigt haben, in welcher Form sie ihre Rechten und Pflichten in der gemeinsamen elterlichen Sorge ausüben wollen. Eine entsprechende Vereinbarung muss mindestens folgende Punkte enthalten: - Betreuung des Kindes - Unterhaltzahlungen - Besuchsrecht und pflicht und weiterer persönlicher Verkehr - Regelung bei Wohnortswechsel der Eltern und bei bedeutenden Änderung im Erwerbsleben Inhalt und Entstehungsgeschichte einer solchen Vereinbarung geben dem Gericht dann auch die Grundlage, um unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände und unter Beachtung des Kindswohls als klarer Richtschnur jene Sorgerechtsform zu verfügen, die den Interessen des Kindes am besten entspricht. Damit das Gericht diese Beurteilung wirklich frei vornehmen kann, muss ihm mehr Gestaltungsraum gegeben werden als dies mit dem vorgeschlagenen Art. 133 vorgespurt ist. Die SP Schweiz schlägt deshalb folgende Formulierung von Art. 133 vor: Vorschlag SP Schweiz für Art. 133 ZGB Abs. 1 Das Gericht belässt die elterliche Sorge nach Massgabe des Kindswohls entweder beiden Eltern gemeinsam oder teilt sie einem Elternteil zu. Es berücksichtigt dabei alle für das Kindswohl wichtigen Umstände und nimmt auf einen gemeinsamen Antrag der Eltern und auf die Meinung des Kindes, das in der Regel anzuhören ist, Rücksicht. Abs. 2 Die Belassung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt in der Regel voraus, dass die Eltern sich in einer genehmigungsfähigen Vereinbarung über die Obhut des Kindes und ihre jeweiligen Anteile an der Betreuung und den Unterhalt geeinigt haben und dem Gericht glaubhaft darlegen, dass sie sich an diese auch halten werden. 3

Abs. 3 Ist dem Kindswohl mit der Zuteilung der elterlichen Sorge an einen Elternteil besser gedient als mit dem Belassen der gemeinsamen elterlichen Sorge, so teilt das Gericht die elterliche Sorge jenem Elternteil zu, der sie unter Berücksichtigung aller für das Kindswohl wichtigen Umstände besser wahrnehmen kann. Das Gericht regelt nach den Bestimmungen des Kindesverhältnisses den Anspruch auf persönlichen Verkehr und den Unterhaltsbeitrag des anderen Elternteils. Der Unterhaltsteil kann über die Mündigkeit hinaus festgelegt werden. Erläuterung zum Formulierungsvorschlag der SP Schweiz zu Art. 133 ZGB Die von uns vorgeschlagene Formulierung von Abs. 1 stellt das gemeinsame Sorgerecht und die Zuteilung des Sorgerechts an einen Elternteil als gleichwertige Optionen da. Entscheidend für die Wahl der einen oder anderen Lösung ist das Kindswohl. Dabei kann das Gericht durchaus mitberücksichtigen, dass die Zufriedenheit (bei!)der Eltern mit der vom Gericht verfügten Lösung Rückwirkungen auf das Kindswohl hat. Gleichzeitig ist mit der Streichung der Formulierung soweit tunlich des heutigen Art. 133 Abs. 2 ein klarer Auftrag an die Gerichte verbunden, die Kinder in vermehrtem Umfang als heute in die Entscheidung miteinzubeziehen und anzuhören. Mit der Formulierung in der Regel bleibt genügend Spielraum, um von Anhörungen in jenen Fällen abzusehen, in denen sie dem Kindswohl nicht zuträglich sind. In Abs. 2 werden die Voraussetzungen definiert, die in der Regel erfüllt sein müssen, damit eine gemeinsame elterliche Sorge in Betracht gezogen werden kann. Die Fähigkeit der in der Scheidung stehenden Eltern, sich zugunsten des Kindes über diese wesentlichen Rechte und Pflichten zu einigen, bildet die erste Nagelprobe für das Funktionieren der gemeinsamen elterlichen Sorge. Ein Scheitern bei dieser Vereinbarung bildet ein ernstzunehmendes Indiz dafür, dass die Eltern nicht in der Lage sein werden, ein gemeinsames elterliches Sorgerecht in einer Art wahrzunehmen, bei der das Kindswohl nicht ins Hintertreffen gerät. Abs. 3 ist schliesslich der Auffangtatbestand, wenn mit einer gemeinsamen Sorgerechtsregelung dem Kindswohl nicht genügend Rechnung getragen werden kann und entspricht dem heutigen Abs. 1. Auf Art. 133a könnte bei Berücksichtigung unserer Vorschläge zu Art. 133 verzichtet werden. Zu Art. 134 134b ZGB Der Entscheid, strittige Angelegenheiten in die Kompetenz des ordentlichen Gerichts zu legen, erscheint aus rechtsstaatlichen Überlegungen grundsätzlich richtig. Dies gilt u.e. auch dann, wenn die Kinderschutzbehörden mit dem neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht professionalisiert werden sollen. Wir regen in diesem Zusammenhang allerdings an, noch einmal zu überprüfen, ob der Bund die Kantone nicht doch zur Einrichtung eines Familiengerichts verpflichten soll, damit entsprechende Streitigkeiten möglichst rasch, niederschwellig und psychosozial kompetent entschieden werden können. Zu Art. 298 298 ZGB Die SP Schweiz befürwortet ausdrücklich die Gleichstellung von unverheirateten Paaren mit Ehepaaren bezüglich Regelung der elterlichen Rechte und Pflichten. Da bei unverheirateten Paaren eine Trennung sehr informell geschehen kann, ist Art. 298e speziell wichtig, indem er garantiert, dass die Kindesschutzbehörden oder im Streitfall das Gericht das Sorgerecht jederzeit auf die dem Kindswohl am besten entsprechende Weise neu ordnen können. 4

Zu Art. 309 ZGB Dass die Herstellung des Kindesverhältnisses zum Vater künftig in das Belieben der Mutter gestellt werden soll, erscheint im Lichte des Anspruchs des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung höchst problematisch. Eine Lockerung der bisher geltenden strengen Praxis, wonach diese Beistandschaft zwingend errichtet werden muss, wenn nicht in den ersten 3 Monaten nach der Geburt des Kindes das Kindesverhältnis durch Anerkennung hergestellt wird, ist vertretbar. Vorstellbar wäre eine einjährige Frist nach der Geburt. Die Intervention von Amtes wegen stellt jedoch sicher, dass auch rechtsunkundige nicht miteinander verheiratete Eltern das Kindesverhältnis herstellen und den Unterhalt regeln. Damit werden viele Folgeprobleme (Sozialhilfebedürftigkeit und Kürzung der wirtschaftlichen Sozialhilfe wegen fehlendem Unterhaltstitel, erfolglose Suche nach dem Vater, falsche Vorstellungen über Rechte und Pflichten der Eltern) vermieden. Zu Art. 220 StGB und Art. 273 Abs. 4 ZGB Die Androhung strafrechtlicher Konsequenzen zwecks Durchsetzung des Besuchsrechts erscheinen vor der Maxime des Kindswohls grundsätzlich problematisch. Andererseits ist es aber auch sehr stossend und ebenso wenig mit dem Kindswohl zu vereinbaren wenn das vereinbarte oder vom Gericht festgelegte Besuchsrecht vom obhutsberechtigten Elternteil systematisch und teilweise über Jahre torpediert werden kann ohne dass dies Konsequenzen hat. Die faktische Durchsetzung des Besuchsrechts mittels Polizeieinsatz wird auch in Zukunft keine Option sein sie ist mit dem Kindswohl nicht zu vereinbaren. Um einen nicht willigen obhutsberechtigten Elternteil dazu zu bringen, sich den gerichtlichen Anordnungen zu fügen, bleiben deshalb nur Mittel, die das Kind nicht tangieren. Es ist aber abzusehen, die strafrechtliche Bestimmung in der vorgesehenen Form das Kindswohl sehr wohl tangieren wird. Das Dilemma wird immer dort entstehen, wo das Kind aus welchen Gründen auch immer nicht zum besuchsberechtigten Elternteil will. Auf dem Kind wird der Druck lasten, zum besuchsberechtigten Elternteil zu gehen, will es den obhutsberechtigten Elternteil nicht einem möglichen Strafverfahren aussetzen. Dies fördert eine gesunde psychologische Entwicklung ebenso wenig wie wiederholte richterliche Befragungen des Kindes, um herauszufinden, ob wirklich das Kind nicht will oder die Mutter es zurückhält. Kommt dazu, dass es geeignetere Mittel zur Durchsetzung des Besuchsrechts gibt wie z.b. die Besuchsbeistandschaften, die konsequenter eingesetzt werden sollten. Wenn sich ein obhutsberechtigter Elternteil dieser verweigert, steht zudem noch Art. 292 StGB zur Durchsetzung zur Verfügung. Die SP Schweiz ist deshalb der Ansicht, das es die Erweiterung von Art. 220 StGB nicht braucht. Wenn man an der vorgeschlagenen Bestimmung dennoch sollte festhalten wollen, dann muss sichergestellt sein, dass das Strafrecht ultima ratio ist und erst subsidiär zur Anwendung gelangt, wenn auch Mittel wie die Besuchsbeistandschaft versagen. Eine strafrechtliche Bestimmung müsste so ausgestaltet sein, dass sie das Kindswohl nicht unnötig beeinträchtigen kann Gefängnisstrafen für den sorgeberechtigten Elternteil müssen deshalb ausgeschlossen sein, weshalb die beiden Straftatbestände in Art. 220 StGB einer differenzierten Strafandrohung (nur Geldstrafe oder Busse für Besuchsrechtsverweigerung) zu unterstellen wären. Dabei wird davon ausgegangen, dass die rechtsanwendenden Gerichte so vernünftig sein werden, das Strafmass unter der Berücksichtigung des Kindswohls festzulegen, was bedeutet, dass allfällige Geldstrafen derart den finanziellen Verhältnissen des obhutsberechtigten Elternteils entsprechen müssen, dass nicht das Kind indirekt unter (noch) knapp(eren) finanziellen Verhältnissen leiden muss. Zudem müsste die Antragberechtigung auf die Kindsschutzbehörden begrenzt werden besuchsberechtigte Eltern, die frustriert sind, weil der Besuch aus welchen Gründen auch immer nicht zu Stande gekommen ist, sollen mit dem Gang zur Polizei nicht direkt ein Strafverfahren auslösen können. Überlegen kann man sich, ob eine solche 5

Antragsbeschränkung auf die Kindsschutzbehörden auch für die heutige Fassung von Art. 220 StGB vorzusehen ist. Gleichfalls muss aber auch im Lichte der vorangehenden Bemerkungen zum ZGB-Teil sichergestellt werden, dass das Besuchsrecht nicht nur als Recht verstanden wird, sondern eine Pflicht darstellt, deren Verletzung Konsequenzen hat. Zur Durchsetzung dieser Pflicht ist das Strafrecht sicherlich das falsche Mittel. Ein nicht wahrgenommenes Besuchsrecht bedeutet aber immer auch eine nicht stattfindende Entlastung des obhutsberechtigten Elternteils in der Kinderbetreuung. Möchte dieser die Pläne für seine freie Zeit dennoch umsetzen, ist er vor allem bei kurzfristigem Fernbleiben des besuchs berechtigten resp. verpflichteten Elternteils meist auf die Hilfe Dritter angewiesen, die häufig nicht gratis zu haben ist. Wir schlagen deshalb vor, Art. 273 um einen Abs. 4 zu ergänzen: Vorschlag SP Schweiz zu Art. 273 Abs. 4 ZGB Eltern, die das Ihnen zustehende Besuchsrecht nicht wahrnehmen, schulden dem obhutsberechtigten Elternteil die ausgewiesenen Kosten für die Fremdbetreuung während der vorgesehenen Besuchszeit. Durch den besuchsberechtigten Elternteil nicht zu verantwortende ausserordentliche Umstände wie schwerwiegende Erkrankung oder Unfall sind ausgenommen. Wir bitten Sie, unsere Bemerkungen und Vorschläge bei der Überarbeitung der Vorlage zu berücksichtigen. Mit freundlichen Grüssen SOZIALDEMOKRATISCHE PARTEI DER SCHWEIZ Christian Levrat Barbara Berger Carsten Schmidt Präsident Gleichstellungspolitische Politischer Fachsekretär Fachsekretärin 6