Prof. Dr. Heintzen WiSe 2004 / 05. Grundkurs Öffentliches Recht I Montag, den 17. Januar 2005

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Transkript:

Prof. Dr. Heintzen WiSe 2004 / 05 Grundkurs Öffentliches Recht I Montag, den 17. Januar 2005 I. Die Verwaltung der Bundesländer Über die Verwaltung in den Bundesländern sagt das Grundgesetz fast nichts. Dies entspricht dem Befund bei der Gesetzgebung, wo nur die Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes, nicht aber die Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder aufgelistet werden. Dies entspricht weiter der Grundthese, dass sowohl der Bund als auch die Länder Staaten sind. Zur Eigenstaatlichkeit der Länder gehört, dass sie selbst, und nicht der Bund in der Bundesverfassung, dem Grundgesetz, über ihre Verwaltungsorganisation entscheiden, nicht der Bund, dieser auch nicht mit seiner Verfassung, dem Grundgesetz, der Bundesverfassung. Diese ist von Land zu Land unterschiedlich. Zwar lassen sich Strukturmerkmale ausfindig machen, die eine weitere Verbreitung haben. Doch haben regionale Besonderheiten hier ein starkes Gewicht. Besonders tiefgreifend ist der Unterschied zwischen den sogenannten Stadtstaaten und den Flächenbundesländern. In den Flächenbundesländern kann zwischen dem Land und den Kommunen unterschieden werden; in den Stadtstaaten ist das nicht der Fall. 1. Die kommunale Selbstverwaltung In einer Hinsicht äußert das Grundgesetz sich zur Verwaltungsorganisation der Länder doch. Dies betrifft die kommunale Selbstverwaltung. Die Kommunen sind keine dritte Größe neben dem Bund und den Ländern, so wie im Bereich der Gesetzgebung die Europäische Union eine selbstständige Größe neben dem Bund und den Ländern darstellt. Das Grundgesetz geht davon aus, dass die Bundesrepublik Deutschland zweistufig aus dem Bund und aus den Ländern organisiert ist. Die Kommunen sind in diesem Organisationsschema keine dritte Stufe, sondern Teil der Länder. Genauer ausgedrückt: Die Kommunen sind Selbstverwaltungskörperschaften, die zur mittelbaren Staatsverwaltung der Länder gehören. Einer entlegenen Vorschrift im Grundgesetz kann das auch ausdrücklich entnommen werden: Gemäß Art. 106 IX GG gelten die Einnahmen und Ausgaben der Kommunen als Einnahmen und Ausgaben der Länder.

2 Dass die Kommunen Teil der Länder sind, sieht man auch an folgendem: (1) die Gesetzgebungszuständigkeit für das Kommunalrecht liegt bei den Ländern; (2) die Aufsicht über die Kommunen liegt bei Behörden der unmittelbaren Landesverwaltung; (3) im Behördenaufbau der Länder sind die Kommunen zumeist die untere Stufe; dieser Aufbau reicht typischerweise von den Ministerien als obersten Behörden zu den Regierungspräsidien als Mittelbehörden und den Landkreisen und kreisfreien Städten als unteren Behörden. Die Zugehörigkeit der Kommunen zur Staatsorganisation der Länder hindert das Grundgesetz nicht an einschlägigen Regelungen. Die mit Abstand wichtigste ist Art. 28 II, die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. Art. 28 II GG ist eine sogenannte institutionelle Garantie. Das bedeutet, dass eine Rechtsinstitution die kommunale Selbstverwaltung geschützt und der zuständige Gesetzgeber verpflichtet wird, das geltende Recht entsprechend auszugestalten. Art. 28 II GG wirkt insoweit in zwei Richtungen, als institutionelle Rechtssubjektsgarantie und als Rechtsinstitutionsgarantie. Institutionelle Rechtssubjektsgarantie bedeutet, dass es Gemeinden geben muss, dass der Gesetzgeber also die Gemeinden nicht abschaffen darf [was Maßnahmen der kommunalen Neugliederung nicht entgegen steht, weil diese Maßnahmen einzelne Gemeinden, nicht die Gemeinden als Institution betreffen]. Rechtsinstitutionsgarantie bedeutet, dass die Gemeinden das Recht haben müssen, ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu verwalten. In einer abgeschwächten Form gelten diese Gewährleistungen nach Art. 28 II 2 GG auch für die Gemeindeverbände. Gemeindeverbände sind Gebietskörperschaften, die zwischen der Gemeinde und dem Land angesiedelt sind, typischerweise die Landkreise. Auf Berlin lassen diese Erwägungen sich nicht übertragen. Berlin ist ein Stadtstaat, d.h. in Berlin fallen Land und Kommune in eins. Man kann insbesondere nicht sagen, dass in Berlin die Bezirke das wären, was anderenorts die Kommunen sind. Die 12 Bezirke werden in Art. 66 II VvB, 2 I BezVerwG als Selbstverwaltungseinheiten ohne Rechtspersönlichkeit qualifiziert. Sie sind kommunalen Selbstverwaltungsträgern in mancher Hinsicht angenähert, bleiben aber letztlich rechtlich unselbstständige Gliederungen des Landes Berlin. Diese staatsorganisationsrechtliche Besonderheit Berlins hat zahlreiche verwaltungsrechtliche Konsequenzen. Ein Kommunalrecht wie in den Flächenbundesländern gibt es in Berlin nicht; dies sollten Sie als einen Gesichtspunkt bei einem Studienortwechsel bedenken.

3 2. Der kooperative Föderalismus Nicht im Grundgesetz geregelt ist die Zusammenarbeit der Bundesländer untereinander, die als kooperativer Föderalismus bezeichnet wird. Nicht überall, wo ein einzelnes Bundesland mit der Lösung eines Problems überfordert wäre, muss der Bund eintreten. Es ist auch denkbar, dass mehrere Länder sich zur Problemlösung zusammenschließen. Der Ruf nach neuen Bundeskompetenzen ist dann unbegründet. Zusammenarbeit der Bundesländer untereinander gibt es in verschiedenen Formen. Abgestuft nach der Intensität der Zusammenarbeit lassen sich aufzählen: eine rechtlich nicht formalisierte Kooperation, etwa die Konferenz der Innen- und Justizminister der Länder; eine Zusammenarbeit in einem vertraglich institutionalisierten Rahmen, etwa in der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK) oder die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten in Deutschland (ARD); eine Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Organisation, etwa der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) oder des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF). Gegen diese Zusammenarbeit der Länder sprechen keine grundsätzlichen bundesstaatsrechtlichen Bedenken. Das Grundgesetz verpflichtet die Länder nicht, ihre Aufgaben und Befugnisse isoliert wahrzunehmen. Es errichtet nur zwischen dem Bund und den Ländern eine Trennlinie, nicht zwischen den Ländern untereinander. Kooperativer Föderalismus findet nicht nur auf dem Gebiet der Verwaltung statt; auch auf dem Gebiet der Gesetzgebung und der Rechtsprechung lassen bzw. ließen sich Beispiele finden. So können die Landtage sich bei der Gesetzgebung abstimmen, z.b. die jeweiligen Landesbauordnungen an einer Musterbauordnung orientieren. Weiterhin können die Länder gemeinsame Gerichte unterhalten. So war bis vor einiger Zeit das Oberverwaltungsgericht Lüneburg das gemeinsame Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein; 2007 werden die Finanzgerichte von Berlin und Brandenburg zu einem gemeinsamen Finanzgericht mit Sitz in Cottbus zusammengelegt.

4 II. Die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich der Rechtsprechung Für den Bereich der rechtsprechenden Gewalt wird der föderale Grundsatz des Art. 30 GG in Art. 92 GG aufgegriffen. Danach steht die rechtsprechende Gewalt grundsätzlich Gerichten der Bundesländer zu. Ausnahmen sind das Bundesverfassungsgericht und die sonstigen im Grundgesetz vorgesehenen Bundesgerichte. Die sonstigen Bundesgerichte kann man in zwei Gruppen einteilen. Bundesgerichte sind zum einen die letztinstanzlichen Gerichte; diese Gerichte werden in Art. 95 I GG aufgezählt. Bundesgerichte sind zum anderen Sondergerichte, die nicht letztinstanzlich Recht sprechen; diese Gerichte sind Gegenstand von Art. 96 GG. 1. Die letztinstanzlichen Gerichte Die letztinstanzlichen Gerichte des Bundes lassen sich wiederum in zwei Gruppen aufteilen. Es gibt die ordentlichen Gerichte und die Arbeitsgerichte, Letztere als besondere Gerichtsbarkeit im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Es gibt sodann die öffentlich-rechtliche Gerichtsbarkeit. Hierzu gehören die Verwaltungsgerichtsbarkeit und, als Sondergerichtsbarkeiten, die Sozialgerichtsbarkeit und die Finanzgerichtsbarkeit. Im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist der Bundesgerichtshof ein Bundesgericht. Alle anderen Gerichte sind Gerichte der Länder, in Berlin das Kammergericht, das Landgericht und zwölf Amtsgerichte. Die Länder sind es, die im Rahmen bundesgesetzlicher Vorgaben über die Organisation der Gerichte bestimmen. So hat z.b. der Berliner Landesgesetzgeber entschieden, dass es ein Amtsgericht Lichtenberg oder ein Amtsgericht Schöneberg gibt, aber kein Amtsgericht Zehlendorf. Weiterhin entscheidet die Berliner Justizverwaltung darüber, wer in Berlin als Richter eingestellt wird; da ein Berufsanfang unmittelbar bei einem Bundesgericht nicht möglich ist, liegt die Personalrekrutierung bei den Richtern in der Hand der Bundesländer. Die Einrichtung von Bundesgerichten, die in Art. 95 I GG als "oberste Gerichtshöfe" des Bundes bezeichnet werden und die letztinstanzlich tätig sind, ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass das Bundesrecht einheitlich angewandt wird. Der Schwerpunkt der Gesetzgebung liegt beim Bund. Nur ein Teil dieser Gesetze wird

5 aber von Behörden ausgeführt, auf deren Handeln der Bund, auch wenn es sich um Landesbehörden handelt, Einfluss nehmen kann. So wird z.b. das BGB nicht von Behörden der Länder als eigene Angelegenheit ausgeführt. Dies hat zur Folge, dass es ein Verwaltungshandeln der Länder, das der Bund gemäß Art. 84 III / IV GG beaufsichtigen könnte, nicht gibt. Würde das BGB von den Gerichten der Länder unterschiedlich ausgelegt und angewandt, hätte der Bund hier keine Möglichkeit, administrativ einzugreifen und so für Rechtseinheit zu sorgen. Ein den Einwirkungsrechten des Bundes auf die Verwaltung der Länder nach Art. 84 und 85 GG vergleichbarer Weg wäre in der Justiz nicht gangbar, weil er mit der richterlichen Unabhängigkeit unvereinbar wäre. Eine administrativen Einwirkungsrechten vergleichbare Funktion übernehmen die obersten Gerichtshöfe des Bundes. Ihre Bedeutung liegt folglich darin, dass sie das in ihre Zuständigkeit fallende Bundesrecht letztinstanzlich auslegen und anwenden. Ihre Entscheidungen sind Präjudizien, die über den konkreten Fall hinaus für die Rechtsprechung der Gerichte der Länder Richtpunkte setzen. Es bleibt noch das Problem, dass die obersten Gerichtshöfe des Bundes untereinander in ihrer Rechtsprechung divergieren können. Dieses Problem versucht Art. 95 III GG zu lösen. In einem solchen Fall entscheidet nämlich der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes einheitlich für die obersten Bundesgerichte, deren Rechtsprechung divergiert. Entscheidungen dieses Gremiums sind selten. 2. Instanzgerichte In wenigen Fällen sind Bundesgerichte auch Instanzgerichte. Diese Fälle sind Art. 96 GG zu entnehmen. Nach Art. 96 I GG kann der Bund für Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes ein Bundesgericht errichten. Es handelt sich um das Bundespatentgericht in München. Es bietet Rechtsschutz gegen Maßnahmen des Bundespatentamtes. Rechtsmittel führen vom Bundespatentgericht zum Patentsenat des BGH (Art. 96 III GG). Gemäß Art. 96 IV GG kann der Bund für Disziplinar- und Beschwerdeverfahren über Bundesbeamte und über Soldaten der Bundeswehr Disziplinargerichte und Truppen-

6 dienstgerichte bilden. Aufgrund dieser Ermächtigung sind das Bundesdisziplinargericht und die Truppendienstgerichte gebildet worden. Rechtsmittel gegen deren Entscheidungen können bei den Disziplinar- bzw. Wehrdienstsenaten des BVerwG eingelegt werden. Von der Ermächtigung zur Bildung von Wehrstrafgerichten in Art. 96 II GG hat der Bund noch keinen Gebrauch gemacht. Gemäß Art. 96 V GG schließlich können die Länder Gerichtsbarkeit des Bundes in Staatsschutzsachen ausüben. Die Norm setzt voraus, dass Staatsschutzsachen der Gerichtsbarkeit des Bundes unterliegen. Auf dieser Prämisse ermöglicht sie dem Bund, sich Gerichte der Länder "auszuleihen". Dies ist geschehen. In Staatsschutzsachen werden in erster Instanz die Oberlandesgerichte der Länder als Bundesgerichte tätig. Darauf folgt als Revisionsgericht der Bundesgerichtshof. In den Medien erfährt man über den Fall des Art. 96 V GG durch die Meldung, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen habe. Der Generalbundesanwalt ist eine Ermittlungsbehörde des Bundes, während die Staatsanwaltschaften und die ihnen vorgesetzten Generalstaatsanwaltschaften Ermittlungsbehörden der Länder sind. 3. Die Gerichtsbarkeit der Länder Im Übrigen ist die Gerichtsbarkeit gemäß Art. 92 GG Sache der Länder. Dabei ist es durchaus möglich, dass die Länder über Maßnahmen des Bundes zu Gericht sitzen. Verwaltungsakte von Behörden des Bundes werden in 1. Instanz von den Verwaltungsgerichten der Länder überprüft. Dies ist die Konsequenz aus der unterschiedlichen Anknüpfung von Verwaltungs- und Rechtsprechungszuständigkeiten in den Art. 83 ff. und 92 ff. GG. Sie führt dazu, dass das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk sich die Bundesregierung und andere wichtige Bundesbehörden befinden, deutschlandweit das größte Gericht seiner Art ist. Dies trifft auf das VG Berlin zu.