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Transkript:

HFK RechtsanwÄlte LLP privates Baurecht VOB/B 2012

HFK RechtsanwÄlte LLP Privates Baurecht VOB/B 2012

Impressum Privates Baurecht VOB/B 2012 Copyright 2012 Redaktionelle Verantwortung: HFK RechtsanwÄlte LLP Gestaltung und Satz: appelt mediaservice, Berlin Druck: FATA MORGANA Verlag, Schwenzer & Partner GbR Stand: 1. September 2012 4

Inhalt S seite I. Einführung...0 7 Vorwort...0 8 1. Anwendungsbereich und Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag...0 9 2. Privilegierung der VOB/B als Ganzes...010 3. Geschuldete Leistung und werkvertraglicher Erfolg...011 4. Vergütungsmodelle Vertragstypen...013 5. Vergütungsanpassung: Mengenänderungen und Nachträge...015 6. Vertragsfristen...019 7. Vertragsstrafe...020 8. Behinderung/ Unterbrechung...024 9. Kündigung...025 10. Abnahme...028 11. Mängel...030 12. Prüffähigkeit, Abschlagsrechnungen und Schlussrechnung...333 13. Zahlungen und Verzug...037 14. Sicherheiten...039 II. VOB/B...043 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) Teil B Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen Ausgabe 2012 vom 26. Juni 2012 (BAnz. AT 13.07.2012 B3) III. BGB...065 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Ausfertigungsdatum: 18.08.1896 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Mai 2012 (BGBl. I S. 1084) geändert worden ist. (Auszug) 5

6

I. Einführung 7

Einführung Vorwort Die nachfolgende Einführung behandelt ausgewählte zentrale Themenbereiche des Privaten Baurechts unter Einbeziehung der VOB/B. Sie ist dem Normtext vorangestellt und ersetzt keinesfalls die rechtliche Beratung. Neben der VOB/B enthält die Textausgabe auch einen Auszug praxisrelevanter Bestimmungen des BGB, um den alltäglichen Umgang der Gestaltung und Durchführung von Bauverträgen zu erleichtern. Die Textausgabe enthält die aktuelle Fassung der VOB/B 2012 vom 26. Juni 2012. Diese tritt an die Stelle der VOB/B 2009 (zuletzt geändert durch Berichtigung vom 19.02.2010, BAnz. S. 940). Inhaltliche Änderungen bzw. Neuerungen sind nur in 16 VOB/B 2012 enthalten. Diese wurden erforderlich, weil Deutschland die Richtlinie 2011/7/EU vom 16.02.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (Zahlungsverzugsrichtlinie) in nationales Recht umsetzen muss. Die Richtlinie schreibt vor, dass der Gläubiger (beim Bauvertrag der Auftragnehmer) Anspruch auf Verzugszinsen auch ohne eine Mahnung haben muss, wenn er seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt hat und dennoch den fälligen Betrag nicht erhält. Neu hieran ist der Wegfall der Nachfristsetzung oder Mahnung als Voraussetzung für die Zinsen, was bisher in 16 Abs. 5 VOB/B als Voraussetzung enthalten war. Zinsen sind nur dann nicht geschuldet, wenn der Auftraggeber nachweisen kann, dass er für den Zahlungsverzug nicht verantwortlich ist. Die Prüfung einer Rechnung ist nach dem Verständnis der EU-Zahlungsverzugsrichtlinie ein sog. Abnahme- oder Überprüfungsverfahren zur Übereinstimmung der Waren oder Dienstleistungen mit dem geschlossenen Vertrag. Ein solches Verfahren darf nach der Richtlinie nicht mehr als 30 Kalendertage ab dem Zeitpunkt des Empfangs der Waren oder Dienstleistungen dauern, es sei denn im Vertrag wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart und der Gläubiger (Auftragnehmer) wird dadurch nicht grob benachteiligt. Selbst dann darf aber die Höchstfrist für die Zahlung nach der Richtlinie 60 Kalendertage in keinem Fall überschreiten. Die VOB/B setzt diese Vorgaben durch zwei zentrale Änderungen des 16 VOB/B um: Zunächst liegt der späteste Fälligkeitszeitpunkt künftig grundsätzlich höchstens bei 30 Tagen und nur 8

Einführung in begründeten Ausnahmefällen höchstens bei 60 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung (nach VOB/B 2009 noch 2 Monate). Weiter tritt der Verzug künftig auch ohne Nachfristsetzung ein, womit das bisher in 16 Abs. 5 VOB/B vorgesehene Setzen einer angemessenen Nachfrist oder die Mahnung als Voraussetzung für den Zahlungsverzug entfallen. 1. Anwendungsbereich und Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag Die VOB/B ist kein Gesetz oder eine Rechtsverordnung, da sie keinem förmlichen Gesetz gebungsverfahren entstammt. Sie gilt deshalb als Zusammenstellung vorformulierter Vertragsbedingungen für einen (Bau)Vertrag nur, wenn die Vertragspartner sie bei Vertrags abschluss durch eine ausdrückliche Vereinbarung in den Vertrag einbeziehen. Die VOB/B ist ein ausgewogenes Klauselwerk, dessen Anwendung im Geschäftsverkehr als Standard für Bauverträge zu empfehlen ist, um Rechtssicherheit zu schaffen. Die VOB/B wird demgemäß vom DVA zur Anwendung gegenüber Unternehmen, juristischen Personen des öffentlichen Rechts und öffentlich-rechtlichen Sondervermögens empfohlen ( 310 BGB), wie in einer eingefügten amtlichen Fußnote des DVA klargestellt wird. Nicht empfohlen wird die Anwendung der Regelungen der VOB/B gegenüber Verbrauchern. Dies beruht auf der Zusammensetzung des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses für Bauleistungen (DVA), dem Vertreter der Öffentlichen Hand und der Bauindustrie angehören, nicht jedoch von Verbraucherverbänden. Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2008 haben die Interessen der Verbraucher bei der Entwicklung der VOB/B nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden, so dass die VOB/B bei Verträgen mit Verbrauchern nicht als ausgewogenes Klauselwerk gilt. Dies hat zur Folge, dass bei Verbraucherverträgen unter Einbeziehung der VOB/B jede einzelne Klausel einer Inhaltskontrolle nach den 307 ff. BGB, unter anderem auf Transparenz und Angemessenheit, unterliegt. Damit wurde durch den BGH die VOB/B bei Verbraucherverträgen praktisch entwertet, da der durch sie begründete Vorteil der Standardisierung und Geltung als Klauselwerk insgesamt aufgehoben ist. 9

Einführung Praxistipp: Im Geschäftsverkehr genügt der Hinweis auf die VOB/B als Vertragsbestandteil. Bei Verträgen mit Verbrauchern muss sie auch tatsächlich in Papierform übergeben werden, andernfalls gilt die VOB/B als Allgemeine Geschäftsbedingung schon formal nicht als wirksamer Vertragsbestandteil. 2. Privilegierung der VOB/B als Ganzes Die VOB/B ist nach der Begriffssystematik des BGB eine sog. Allgemeine Geschäftsbedingung ( 305 BGB), weil sie für eine Vielzahl von Verträgen formulierte Bedingungen enthält, die eine Vertragspartei der anderen bei Abschluss des Vertrages stellt. Dies hat zur Folge, dass die Klauseln der VOB/B im Einzelfall einer inhaltlichen Kontrolle nach den 305 ff. BGB unterliegen können. Die Gerichte sind hierzu befugt, insbesondere die Transparenz und Angemessenheit der Klauseln im Einzelfall zu bewerten und gegebenenfalls für unwirksam zu erklären. Wird die VOB/B aber als Ganzes vereinbart, ist diese Inhaltskontrolle gemäß den 305 ff. BGB ausgeschlossen. Hier besteht die Vermutung, dass die Klauseln der VOB/B insgesamt ausgewogen sind. Dies gilt erst dann nicht mehr, wenn die VOB/B nicht mehr als Ganzes gilt, weil ihre Klauseln wiederum durch weitere Vertragsbedingungen und einzelne Regelungen im Vertrag abgeändert wurden. Dies geschieht in der Praxis häufig durch weitere Geschäftsbedingungen der Auftraggeberseite oder durch Einzelregelungen, wie etwa zu Zahlungen. Praxistipp: Achten Sie bei der Vereinbarung der VOB/B darauf, ob weitere Vertragsabreden den Regelungsgegenstand der VOB/B betreffen. Unproblematisch ist dies, wenn die VOB/B hier selbst Regelungen ermöglicht, also sog. Öffnungsklauseln enthält. Ist dies nicht der Fall und wird auch nur eine Regelung der VOB/B abgeändert, gilt die VOB/B schon nicht mehr als Ganzes. Es wird dann jede Klausel von einem Gericht auf ihre Ausgewogenheit und Transparenz geprüft. 10

Einführung 3. Geschuldete Leistung und werkvertraglicher Erfolg 631 BGB bestimmt für den Werkvertrag, dass der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes verpflichtet ist, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung. 1 und 2 VOB/B konkretisieren, welche Leistungen der Auftragnehmer zu erbringen hat und welche Vergütung er hierfür erhält. Nach dem Verständnis des BGB schuldet der Auftragnehmer immer ein funk tionstaugliches Werk als vertraglichen Erfolg. Dieser ist nicht immer identisch mit den Vereinbarungen zu den geschuldeten Leistungen. Der werkvertragliche Erfolg kann über diese hinausgehen, insbesondere wenn es um bestimmte Merkmale geht, ohne die das geschuldete Werk seine ihm zugedachte Funktion nicht erfüllen kann. In diesen Fällen schuldet der Unternehmer zunächst das funktionstaugliche Werk im Sinne eines Erfolgs, andernfalls ist die Leistung mangelhaft. Dies ist von der weiteren Frage zu trennen, ob der Auftragnehmer eine zusätzliche Vergütung verlangen kann. Das ist der Fall, wenn sich der werkvertragliche Erfolg und die vertraglich vereinbarten Leistungen (die leicht schief oft mit Bau-Soll bezeichnet werden) nicht decken. Das sog. Bau-Soll als vom Auftragnehmer geschuldete Leistung ergibt sich nach 1 Abs. 1 VOB/B aus dem Vertrag. Mit Vertrag ist aber nicht nur der eigentliche Vertragstext gemeint, sondern sämtliche Vertragsbestandteile, also: die Leistungsbeschreibung, bestehend aus Baubeschreibung, sog. Vorbemerkungen, Leistungsverzeichnis, Zeichnungen, Plänen, Gutachten etc.; etwaige Besondere und/oder Zusätzliche Vertragsbedingungen; etwaige Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen; die Regelungen der VOB/B (Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen); die VOB/C (Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen). Praxistipp: Achten Sie auf die eineindeutige Bezeichnung der Vertragsanlagen. Nummerieren Sie deshalb die Vertragsanlagen durch und bezeichnen gegebenenfalls auch deren Erstellungsdatum, insbesondere wenn mehrere Entwurfsversionen vorliegen. Rechtsklarheit schafft auch die Paraphierung aller zur Vertragsunterzeichnung vorliegenden Anlagen. 11

Einführung Widersprüche zwischen den Inhalten verschiedener Vertragsbestandteile treten häufig auf. Ein Widerspruch liegt vor, wenn zum selben Gegenstand inhaltlich nicht übereinstimmende und sich dabei sachlich widersprechende Angaben vorliegen. Für diese Fälle legt 1 Abs. 2 VOB/B eine Rangfolge fest. Diese Rangfolge gilt nicht, wenn andere vertragliche Vereinbarungen getroffen wurden, die dann vorgehen. Bei Widersprüchen im Vertrag gelten nach 1 Abs. 2 VOB/B nacheinander Leistungsbeschreibung Besondere Vertragsbedingungen etwaige Zusätzliche Vertragsbedingungen etwaige Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B) 1 Abs. 2 VOB/B ist Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes, dass eine speziellere vertragliche Vereinbarung Vorrang vor allgemeineren Regelungen hat. Nur bei Widersprüchen verschiedener Vertragsbestandteile gilt aber die Rangfolge nach 1 Abs. 2 VOB/B. Bei Widersprüchen innerhalb eines Vertragsbestandteils, etwa innerhalb der Leistungsbeschreibung, gilt die Regel, dass die speziellere Regelung vorgeht. Reicht auch diese Regel nicht, ist der entsprechende Vertragsbestandteil oder aber auch der gesamte Vertrag als sinnvolles Ganzes auszulegen. Praxistipp: Achten Sie penibel auf das Zusammenspiel von Vertragstext, Leistungsverzeichnis, Plänen und Listen. Ist ein vollständiger Abgleich zum Ausschluss von Widersprüchen zu aufwändig, sollte eine Rangfolgenregelung für Widersprüche innerhalb von verschiedenen Bestandteilen der Leistungsbeschreibung erfolgen ( Text vor Zeichnung ). 12

Einführung 4. Vergütungsmodelle Vertragstypen Nach 631 BGB ist der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Was hierunter zu verstehen ist, konkretisieren die 1 und 2 VOB/B. Folgende Vergütungsmodelle und damit Vertragstypen sind üblich: Bauvertragsarten Leistungsvertrag Aufwandsvertrag Einheitspreisvertrag Pauschalvertrag Stundenlohnvertrag Selbstkostenerstattungsvertrag Detail- Pauschalvertrag Global- Pauschalvertrag Einfacher Gobal- Pauschalvertrag Komplexer Gobal- Pauschalvertrag Den Einheitspreisvertrag charakterisiert ein detailliertes Leistungsverzeichnis mit Einzelpositionen und festen Einheitspreisen. Der Gesamtpreis bleibt vorläufig. Er ändert sich, wenn die tatsächlich ausgeführten Mengen von den Mengen im Leistungsverzeichnis, die dort in den Vordersätzen angegeben waren, abweichen. Der Einheitspreisvertrag ist in der VOB/B der Prototyp. Denn in 2 Abs. 2 VOB/B wird festgelegt, dass die Vergütung nach den vertraglichen Einheitspreisen und den tatsächlich ausgeführten Leistungen berechnet wird, wenn keine andere Berechnungsart (z. B. durch Pauschalsumme, nach Stundenlohnsätzen, nach Selbstkosten) vereinbart ist. 13

Einführung Mit dem Pauschalvertrag wird ein Gesamtpreis verbindlich festgelegt. Der Unterschied zum Einheitspreisvertrag liegt darin, dass für die gesamte Leistung ein einheitlicher, fester Preis vereinbart wird, während beim Einheitspreisvertrag die verbindliche Preisabsprache nur für jede einzelne Position gilt. Die Prüfung der Überzogenheit eines Preises beim Einheitspreisvertrag orientiert sich daher allein am jeweiligen Einheitspreis der einzelnen Positionen und nicht an einer Gesamtschau und Gesamtwertung aller Einheitspreise des einen Auftrages. Beim Pauschalpreisvertrag übernimmt der Auftragnehmer das Mengen- und Massenrisiko. Nur dieses wird pauschaliert. 2 Abs. 3 VOB/B findet also keine Anwendung. Beim Detailpauschalvertrag liegt der Pauschalierung eine detaillierte Leistungsbeschreibung zugrunde, etwa ein Leistungsverzeichnis oder eine ausführliche Baubeschreibung. Bei jeder Änderung oder jedem Zusatz zum detaillierten Leistungsbeschrieb sind Nachtragsforderungen möglich. Beim Globalpauschalvertrag wird der vertragliche von der Pauschalvergütung erfasste Leistungsinhalt (sog. Bau-Soll) nur allgemein beschrieben, in der Regel funktional bzw. erfolgs bezogen. Der Auftragnehmer übernimmt bei einem Globalpauschalvertrag somit das Risiko, für die Pauschalvergütung alles leisten zu müssen, was zum Erfolg der Bauauf gabe gehört. Bau-Soll und Erfolg sind somit in der Regel deckungsgleich. Beim Globalpauschalvertrag übernimmt der Auftragnehmer bei sinnvoller Handhabung auch die konkretisierende Planung. Nachträge wegen Änderungen oder Zusätzen zum vertraglich vereinbarten Leistungsinhalt sind nur schwer möglich. Echte Globalpauschalverträge sind in der Praxis aufgrund der Risiken und des erhöhten Preises (infolge der Berücksichtigung der Risiken) eher selten. Stundenlohnarbeiten werden nur vergütet, wenn sie ausdrücklich vereinbart sind, und zwar vor Ausführung der betreffenden Leistungen ( 2 Abs. 10 VOB/B). Aus Beweisgründen empfiehlt sich die Schriftform. Mit der Stundenlohnvereinbarung muss zwingend festgelegt sein, welche Leistungen welchen Umfangs auf diese Weise abgegolten werden sollen. Ferner sollte ein Stundensatz vereinbart werden. Die Vereinbarung muss nicht, sollte aber zu Beweiszwecken schriftlich fixiert sein. Zusätzlich müssen die Arbeiten vor ihrem Beginn noch einmal angezeigt werden ( 15 Abs. 3 Satz 1 VOB/B), andernfalls kann nur gemäß 15 Abs. 5 VOB/B abgerechnet werden. Ist über die Höhe der Vergütung keine Vereinbarung getroffen wohl aber über den Umfang der Leistungen so erhält der Auftragnehmer den 14

Einführung ortsüblichen, gegebenenfalls einen kalkulatorisch zu ermittelnden Stundenlohn ( 15 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B). In den letzten Jahren haben sich in der Praxis spezielle Vertragstypen entwickelt, wie etwa der GMP-Vertrag (Garantierter Maximal Preis). Kernstück eines GMP-Vertrages ist die Deckelung der Kosten durch eine entsprechende Garantie des Auftragnehmers. Zugleich verpflichten sich Auftraggeber und Auftragnehmer, bestimmte kooperative Grundsätze einzuhalten. Diese können hin zu partnerschaftlichen Pflichten während der Vertragsabwicklung gehen, um so den vereinbarten Erfolg zu erzielen. Der kooperative Gedanke eines möglichst einvernehmlichen Miteinanders hat in den letzten Jahren verstärkt Eingang in die Vertragsgestaltung am Bau gefunden. Zu nennen sind hier beispielsweise die Pre-fair-Modelle oder die aus dem angelsächsischen Rechtsraum kommenden Alliance-Verträge. Diese sind unterschiedlich ausgestaltet. Gemeinsam sind sämtlichen Partnering-Modellen Regelungen zur Planung, zum Umgang mit Leistungsänderungen und Nachträgen sowie zum Konfliktmanagement. Insgesamt bleibt abzuwarten, ob sich diese partnerschaftlichen Formen der Abwicklung von Bauverträgen, die bis hin zu gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlüssen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer gehen können, auf lange Sicht gegenüber dem bisherigen von gegensätzlichen Interessen beherrschten klassischen Werkvertragsmodell durchsetzen werden. 5. Vergütungsanpassung: Mengenänderungen und Nachträge Nach 2 Abs. 1 VOB/B sind durch die vereinbarten Preise alle Leistungen abgegolten, die zur vertraglichen Leistung gehören. Dies beruht denklogisch auf den Vereinbarungen und berechtigten Annahmen/ Kalkulationen der Vertragspartner zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Welche Rechtsfolgen eintreten, wenn sich diese Annahmen während der Vertragsdurchführung als unzutreffend erweisen, ist für die Vergütung in 2 Abs. 3 bis 9 VOB/B geregelt. Hierzu zunächst eine Übersicht: 15

Einführung Grund Mengenänderung von selbst Anordnung des Auftraggebers 1 Abs. 3, 4 eigenmächtige Leistung des AN Norm VOB/B 2 Abs. 3 Mehrmengen 2 Abs. 5 geänderte Leistung 2 Abs. 6 zusätzliche Leistung 2 Abs. 9 zusätzliche Planungsleistung 2 Abs. 8 Rechtsfolge Anpassung Einheitspreis ab 10 % Mehr- oder Mindermenge geänderte Vergütung neuer Preis zusätzliche Vergütung Vergütung keine Vergütung, aber Ausnahmen Vergütung neuer Einheitspreis Fortschreibung Urkalkulation soweit möglich Einzelfallregelung Fortschreibung Urkalkulation soweit möglich übliche Höhe Mengenänderungen wirken sich beim Einheitspreisvertrag naturgemäß auf den Gesamtpreis aus, denn die Vergütung erfolgt ja nach der Multiplikation der vereinbarten Preise mit den zugrunde gelegten Massen- und Mengenansätzen. Darüber hinaus kann jede Partei nach 2 Abs. 3 VOB/B eine Anpassung der Einzelpreisvereinbarung bei Abweichungen um mehr als 10 % von der vertraglich vorgesehenen Menge verlangen. Dann ist der jeweilige Einheitspreis nach Maßgabe der Auftragskalkulation anzupassen. Bei entsprechenden Mehrmengen ist für die Menge über 110 % ein neuer Preis, bei einer Mengenunterschreitung von mehr als 10 % für die gesamte Leistung ein neuer Preis zu vereinbaren. Dies betrifft die Herstellkosten als Einzelkosten der Teilleistungen (EKT), bei denen also eine ausschließlich positionsbezogene Bewertung der Mehr- und Minderkosten erfolgt. Die preisrechtlichen Auswirkungen der 16

Einführung Mengenunterschreitung für die von dem Einheitspreis noch weiter erfassten Zuschläge, etwa Baustellengemeinkosten und Allgemeine Geschäftskosten, werden anhand einer Gesamtwertung aller von Mengenabweichungen betroffenen Einheitspreispositionen vorgenommen, sog. Gemeinkostenausgleich, 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B. Beim Pauschalvertrag findet bei Mengenänderungen grundsätzlich keine Preisanpassung statt. Dies gilt nicht mehr, wenn ein Festhalten an der Pauschalsumme unzumutbar ist ( 2 Abs. 7VOB/B). Die von der Rechtsprechung zuweilen für die Bestimmung der Unzumutbarkeit des Festhaltens angegebenen Prozentsätze (ab ca. 20 %) können nie verallgemeinert werden, sondern müssen in jedem Einzelfall neu bestimmt werden. Bisher kommt es dabei auf die Gesamtauftragssumme an und nicht auf eine etwaig betroffene Teilpauschale, Titelsumme oder Position. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH zum Preisanpassungsanspruch aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage ist unter Umständen auch eine positionsweise Betrachtung und Wertung geboten. Dies kann insbesondere notwendig sein, wenn auf Seiten des Auftragnehmers spekulative Momente bei der Preisbildung festgestellt werden. Leistungsänderungen nach 2 Abs. 5 VOB/B können insbesondere durch nachträgliche Planungsänderungen gemäß 1 Abs. 3 VOB/B; anderweitige Anordnungen des Auftraggebers (z. B. zur Art und Weise der Ausführung, Qualitätsänderungen) und behördliche Anordnungen (diese werden dem Auftraggeber zugerechnet) bewirkt werden. Berührt die Änderung die Grundlagen des vereinbarten Preises, haben beide Vertragspartner Anspruch auf Anpassung der Vergütung ( 2 Abs. 5 VOB/B). Lediglich leistungskonkretisierende Anordnungen ( 4 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B) sind aber keine Änderungen des Bauentwurfs und begründen somit auch keinen Mehrvergütungsanspruch. Hierzu kommt es entscheidend auf die Bestimmung der ursprünglich vertraglich geschuldeten Leistung an, was häufig auslegungsfähig und deshalb streitig ist. Zusätzliche Leistungen nach 2 Abs. 6 VOB/B, die zur vertragsgerechten Leis tungserbringung erforderlich werden, kann der Auftraggeber verlangen, wenn der Betrieb des 17

Einführung Auftragnehmers auf derartige Leistungen eingerichtet ist ( 1 Abs. 4 Satz 1 VOB/B). Der Auftrag nehmer hat dann Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung nach 2 Abs. 6 VOB/B. Voraussetzung hierfür ist in der Regel, dass er dem Auftraggeber diesen Anspruch vor Ausführung der Leistungen ankündigt ( 2 Abs. 6 VOB/B). Die sog. Nachtragsvereinbarung soll vor Ausführung der geänderten oder zusätzlichen Arbeiten i. S. v. 2 Abs. 5, 6 VOB/B getroffen werden, wobei deren Unterbleiben im Regelfall den Vergütungsanspruch des Auftragnehmers nicht ausschließt. Der Auftragnehmer hat hierzu ein prüffähiges Nachtragsangebot auf Basis seiner Kalkulation vorzulegen. Er ist in der Regel verpflichtet, die Leistungen auch dann auszuführen, wenn vor Ausführung keine Einigung zustande gekommen ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Auftraggeber Nachtragsverhandlungen kategorisch ablehnt, obwohl der Nachtrag begründet ist. Praxistipp: Bei Bauverträgen muss der Auftragnehmer aufgrund seiner Erfolgshaftung die Leistung zumeist ausführen. Es stellt sich oft nur die Frage, inwieweit er eine zusätzliche Vergütung erhält. Da zudem eine Kooperationspflicht besteht, sind sowohl die Leistungseinstellung durch den Auftragnehmer als auch die kategorische Verweigerung einer Mehrvergütung durch den Auftraggeber stets mit dem sehr hohen rechtlichen Risiko verbunden, sich jeweils vor Gericht nicht durchsetzen zu können. Der Auftragnehmer ist bei der Ermittlung veränderter oder zusätzlicher Preise an seine Kalkulation gebunden, i. d. R. auch bei einem ursprünglichen Kalkulationsirrtum sowie bei gravierenden Mengenabweichungen, etwa von mehreren 100 %. Eine in den letzten Jahren aufkommende Ansicht in Literatur und Instanzrechtsprechung knüpft die Nachtragspreisbildung nicht mehr ausschließlich an die Kalkulation des Auftragnehmers an, sondern will unter Umständen im Einzelfall ortsübliche oder Marktpreise genügen lassen. Dabei soll der aus der Urkalkulation ableitbare (versteckte) Gewinn oder Verlust, insbesondere bei den Einzelkosten der Teilleistungen, als absoluter Betrag ermittelt werden. Eine über diesen Betrag hinausgehende Fortschreibung etwaiger Verluste oder Gewinne des Auftragnehmers soll dann nicht mehr erfolgen. Zusätzliche Leistungen, die nicht zur Erreichung des werkvertraglich geschuldeten Erfolgs erforderlich sind, sondern darüber hinausgehen, werden nicht nach 2 Abs. 6 VOB/B vergütet, sondern bedürfen einer gesonderten Vertragsvereinbarung ( 1 Abs. 4 S. 2 VOB/B). Hier ist der Auftragnehmer nicht an seine Preiskalkulation aus dem Ursprungsvertrag gebunden. 18

Einführung Leistungen ohne Auftrag oder eigenmächtige Leistungsänderungen des Auftragnehmers liegen nicht nur vor, wenn der Auftragnehmer tatsächlich eigenmächtig vorgeht, sondern häufig auch dann, wenn ein nicht zur Auftragserteilung bevollmächtigter Architekt Entsprechendes angeordnet hat. Solche Leistungen werden gemäß 2 Abs. 8 VOB/B nur ausnahmsweise vergütet. 6. Vertragsfristen Bei der Realisierung von Bauvorhaben ist der Zeitfaktor von wesentlicher Bedeutung. Mit der Vereinbarung von Vertragsterminen hat der Auftraggeber einen Anspruch gegenüber dem Auftragnehmer auf Einhaltung der festgelegten Termine. Überschreitet der Auftragnehmer die vereinbarten Ausführungsfristen, so stehen dem Auftraggeber beim VOB-Vertrag unter den Voraussetzungen des 5 Abs. 4 VOB/B Schadenersatzansprüche und ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Beim BGB-Vertrag kommen ebenfalls Schadenersatzansprüche und das Rücktrittsrecht in Betracht. Um einen verbindlichen Zeitrahmen für die Ausführung der Leistungen festzulegen, können die Vertragsparteien vertraglich verbindliche Termine vereinbaren. Mit diesen wird bestimmt, wann der Auftragnehmer mit den Leistungen zu beginnen und zu welchem Zeitpunkt er seine Leistungen fertig zu stellen hat ( 5 Abs. 1 VOB/B). Darüber hinaus können Termine vereinbart werden, zu denen der Auftragnehmer bestimmte Teilleistungen erbringen muss (sog. Zwischentermine). Zu beachten ist aber, dass nicht jeder Termin in den Vertragsunterlagen ohne weiteres einen Vertragstermin darstellt. So sind Termine, die lediglich in einem Bauzeitenplan enthalten sind, noch keine Vertragstermine ( 5 Abs. 1 VOB/B). Verbindliche Vertragstermine sind nur Termine, die eindeutig im Vertrag als solche festgelegt sind. Die Vertragspartner haben also die Vertragstermine ausdrücklich als solche zu kennzeichnen. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass die Vertragstermine genau bestimmt oder jedenfalls bestimmbar sind. Zusätze wie ca. oder etwa erfüllen dies nicht, denn sie lassen offen, zu welchem Zeit punkt die Leistungen genau zu erbringen sind und lassen die Vereinbarungen ins Leere gehen. Unter Umständen können Vertragstermine hinfällig werden, wenn der Bauablauf so nachhaltig geändert oder gestört wird, dass er insgesamt aus den Fugen gerät. Dann müs- 19

Einführung sen neue Vertragstermine vereinbart werden. Gelingt dies nicht, kommt der Auftragnehmer nur nach einer Mahnung mit angemessener Fristsetzung in Verzug. Die Vertragspartner können auch noch nach Vertragsabschluss verbindliche Vertragstermine vereinbaren oder die vereinbarten Vertragstermine ändern. Vertragsfristen können nur einvernehmlich und damit nicht einseitig geändert werden. Es ist streitig, ob der Auftraggeber über 1 Abs. 3 VOB/B Anordnungen zur Bauzeit treffen kann. Der Bauablauf (ebenso die Kalkulation) ist ureigenste Domäne des Auftragnehmers. Bemühungen, die zeitliche Anordnungsbefugnis des Auftraggebers in 1 Abs. 3 VOB/B durch einen Zusatz ausdrücklich zu verankern, sind bei der VOB/B-Novelle im Jahre 2006 (noch) gescheitert. Vereinbaren die Vertragspartner keine wirksamen Vertragstermine, so bedeutet dies nicht, dass der Auftragnehmer zeitlich nicht gebunden ist. Die Leistungen sind generell in angemessener Zeit zügig auszuführen und zu beenden. Was als angemessen gilt, hängt vom Einzelfall ab. Beim VOB/B-Vertrag hat der Auftragnehmer außerdem innerhalb von 12 Tagen nach Aufforderung des Auftraggebers mit den Arbeiten zu beginnen ( 5 Abs. 2 VOB/B). Auch beim BGB-Vertrag hat der Auftragnehmer im Zweifel nach Vertragsabschluss unter Berücksichtigung einer angemessenen Vorbereitungszeit zu beginnen. Ein Verzug des Auftragnehmers kann auf zwei Wegen entstehen: Ist ein Termin nach dem Kalender bestimmt (z. B. Ende Februar) oder bestimmbar (z. B. 12 Monate nach Baubeginn), gerät der Auftragnehmer ohne weiteres in Verzug, wenn er seine Leistungen an diesem Termin nicht vollendet hat. Ist der Termin hingegen nicht kalendermäßig bestimmt, so bedarf es nach Ablauf der Frist einer Mahnung, um den Auftragnehmer in Verzug zu setzen. Der Lauf einer vertraglichen Ausführungsfrist berechnet sich grundsätzlich nach 187 ff. BGB. 7. Vertragsstrafe Die Vertragspartner können für den Fall, dass der Auftragnehmer seine vertraglichen Pflichten nicht oder nicht gehörig erfüllt, eine Vertragsstrafe vereinbaren. Hauptanwendungsfall ist beim Bauvertrag die Nichteinhaltung der verbindlichen Ausführungsfristen. Aber auch ein Verstoß gegen andere Vertragspflichten, wie etwa ein nicht genehmigter 20

Einführung Nachunternehmereinsatz, oder Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen, wie etwa gegen das Verbot der illegalen Beschäftigung oder gegen Vorgaben zur Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, können unter Vertragsstrafe gestellt werden. Die Regelungen zur Vertragsstrafe finden sich in den 339 bis 345 BGB. Darüber hinaus gelten beim VOB/B-Vertrag die in 11 VOB/B enthaltenen Ergänzungen. Entgegen landläufiger Vorstellung ist die Vertragsstrafe aber kein pauschalierter Schadenersatz. Sie ist vielmehr gerade auch dann zu zahlen, wenn dem Auftraggeber überhaupt kein Schaden entstanden ist oder er diesen nicht nachweisen kann. Hat der Auftraggeber aber einen höheren Schaden als den Betrag der Vertragsstrafe erlitten und macht er diesen gegenüber dem Auftragnehmer geltend, muss er sich die aus dem gleichem Grund verwirkte Vertragsstrafe anrechnen lassen, 340 Abs. 2 BGB. Die Vertragsstrafe ist für den Auftraggeber in zweierlei Hinsicht von Vorteil. Zum einen wird mit der Vertragsstrafe auf den Auftragnehmer Druck ausgeübt, die vereinbarten Vertragstermine einzuhalten (Druckfunktion). Zum anderen hat der Auftraggeber für den Fall, dass der Auftragnehmer die Fristen dennoch überschreitet, einen Anspruch in Höhe der vereinbarten Vertragsstrafensumme, ohne dass er einen Schaden nachzuweisen und zu berechnen hat (Ausgleichsfunktion). Die Vertragsstrafe ist dennoch vorrangig eine Sanktion und weniger eine Kompensation der vertragswidrigen Leistungen des Auftragnehmers. Voraussetzung für eine Vertragsstrafe ist stets deren vertragliche Vereinbarung. Hierbei müssen sowohl die auslösenden Tatbestände als auch die Höhe eindeutig vereinbart werden. Eine Vertragsstrafe setzt zudem immer ein Verschulden voraus. Werden vertragliche Fristen im Zuge der Vertragsdurchführung geändert und waren diese ursprünglich mit Vertragsstrafen bewehrt, ist bei jeder Vertragsänderung festzulegen und zu beachten, ob die Vertragsstrafe auch für die neu vereinbarten Fristen und Termine gelten soll. Praxistipp: Schaffen Sie klare und einfache Vereinbarungen, da andernfalls die gesamte Regelung intransparent und damit unwirksam werden könnte. Überprüfen Sie, ob anstelle einer Vertragsstrafe nicht andere Mechanismen effektiver wären, wie etwa ein Bonus-Malus-System, pauschalierter Schadenersatz oder ein Minderungsrecht. Vereinbaren also die Vertragspartner während des Bauablaufs neue Termine, so hat der Auftraggeber darauf zu achten, dass die neuen Vertragstermine ebenfalls ausdrücklich 21

Einführung unter Vertragsstrafe gestellt werden. Ist der Bauablauf durch Umstände aus dem Verantwortungsbereich des Auftraggebers so erheblich gestört, dass eine durchgreifende Neuordnung der Termine nötig ist, kann die ursprüngliche Vertragsstrafenvereinbarung hinfällig werden. Bezugsgröße einer Vertragsstrafe sollte stets die Netto-Abrechnungssumme sein, bei einer Vertragsstrafe aus Verzug mit Zwischenterminen auch nur in Höhe der bis zum Termin zu erbringenden Leistungen. Eine Beschränkung auf die Auftragssumme würde Nachtragsleistungen ausschließen. Die Vereinbarung einer Brutto-Summe als Bezugsgröße würde rechtlich unzulässig eine Vertragsstrafe auf Mehrwertsteuer erheben. Die Höhe der einzelnen Vertragsstrafe ist bei der Überschreitung von Ausführungsfristen nach einem Tagessatz zu bemessen, wobei auf die Unterscheidung von Arbeits-, Werk- und Kalendertagen zu achten ist. Vom Bundesgerichtshof wurde ein Tagessatz von 0,3 % pro Arbeitstag oder Werktag für zulässig erachtet. Da die Instanzrechtsprechung dies teilweise schon anders sah und sich auch die Rechtsprechung des BGH fortentwickeln kann, mindert die Vereinbarung eines Tagessatzes von nur 0,2 % pro Werktag das Risiko der späteren Unwirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung erheblich. Unzulässig ist auf jeden Fall eine Vertragsstrafe von 0,5 % pro Arbeits- oder Kalendertag. Bei Zwischenfristen sollte die Vertragsstrafe nicht höher als 0,15 % pro Arbeits- oder Werktag betragen. Vergleichbar feststehende Prozentsätze gibt es für andere Verstöße nicht. Allgemein ist eine Vertragsstrafe nach der Rechtsprechung immer dann unangemessen und somit nichtig, wenn bereits eine geringe Anzahl von Verstößen oder wenige Tage Fristüberschreitung dazu führen, dass die vereinbarte Obergrenze erreicht wird. Diese Wertung ist auf alle Auslöser einer Vertragsstrafe zu übertragen, wie etwa auch bei einem ungenehmigten Nachunternehmereinsatz. Wird eine Vertragsstrafe für Zwischentermine und den Endtermin vereinbart, muss eine Kumulation ausgeschlossen werden, wenn gleichzeitig mehrere Termine überschritten sind. Vertragsstrafen für Zwischenfristen sind zudem auf den Wert der bis dahin betroffenen Teilleistungen zu beschränken. Für jede Vertragsstrafe ist eine angemessene Obergrenze festzulegen. Diese gilt sowohl für die Gesamtsumme aller Vertragsstrafen in einem Vertrag als auch für die Höhe der 22

Einführung Vertragsstrafe im jeweiligen Einzelfall, also etwa den Tagessatz bei der Überschreitung von Fristen. Als absolute Obergrenze aller Vertragsstrafen gilt bei Bauverträgen nach der Rechtsprechung ein Betrag von 5 % der Netto-Abrechnungssumme. Bei einem Verstoß gegen auch nur einen dieser Grundsätze ist die Vertragsstrafe insgesamt nichtig. Dann ist auch eine nachträgliche Reduktion auf ein Maß, das gesetzlich zulässig gewesen wäre, rechtlich ausgeschlossen. Folgende soeben dargestellte Punkte sollten dabei bei einer Vertragsstrafenvereinbarung schematisch abgeprüft werden: Prüfungsschritte Vertragsstrafenvereinbarung 1. Verbindlicher Vertragstermin 2. Verzug des Auftragnehmers (Vertretenmüssen) 0,15 % pro Werktag bei Zwischenterminen 3. Tagessatz 0,3 % pro Werktag beim Endtermin der bis zum Zwischentermin zu erbringenden Leistungen 4. Bezugsgröße: Netto- Abrechnungssumme aus Schlussrechnung insgesamt 5. Einhaltung Kumulationsverbot 6. Gesamthöhe 5 % der Netto-Abrechungssumme ( Deckel ) Die Vertragsstrafe wird fällig, wenn der Auftragnehmer schuldhaft die vereinbarten Fristen überschreitet. Um die Vertragsstrafe geltend machen zu können, muss der Auftraggeber bei der Abnahme der Leistungen einen entsprechenden Vorbehalt erklären. 23

Einführung 8. Behinderung/ Unterbrechung Wird der Auftragnehmer bei der Ausführung der Leistungen behindert oder die Ausführung unterbrochen, hat er beim VOB/B-Vertrag unter den Voraussetzungen des 6 Abs. 1 und 2 VOB/B einen Anspruch auf Verlängerung der Ausführungsfristen. Bei einer Fristverlängerung wird dabei beispielsweise auch die Auswirkung einer Verschiebung in eine vertraglich ursprünglich nicht vorgesehene ungünstige Jahreszeit berücksichtigt. Aus Beweisgründen ist dem Auftragnehmer anzuraten, den Beginn einer jeden Störung des Bauablaufes als auch deren Ende schriftlich dem Auftraggeber anzuzeigen und auch sonst genau zu dokumentieren. Die angezeigten Störungen/ Behinderungen sind auftragnehmerseits im Prozessfall bauablaufbezogen vorzutragen und nachzuweisen. Nicht jede Störung wirkt sich auf den Bauablauf behindernd aus. Die bauablaufbezogene Darstellung setzt einen im besten Fall verknüpften Bauzeiten- bzw. Bauablaufplan voraus, der die einzelnen technischen, baubetrieblichen oder kapazitiven Abhängigkeiten inklusive des sog. kritischen Weges gut und nachvollziehbar wiedergibt. Praxistipp: Sowohl Auftraggeber als Auftragnehmer sollten im jeweiligen Eigeninteresse auf eine genaue Dokumentation während der Bauausführung achten. Besteht Einigkeit über eine Verlängerung von Fristen oder Terminen, sollte eine umfassende Vereinbarung über die Dauer und über die Vergütung des Auftragnehmers geschlossen werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Neben der Fristverlängerung stehen unter den Voraussetzungen des 6 Abs. 6 VOB/B sowohl dem Auftragnehmer als auch dem Auftraggeber Schadenersatzansprüche zu, sofern die Behinderung/ Unterbrechung vom Auftraggeber bzw. die Verzögerung vom Auf tragnehmer zu vertreten ist. Dies ist bei im Auftrag des Bauherrn zeitlich vorleistenden Unternehmen nach der Rechtsprechung des BGH (Vorunternehmer) im Regelfall nicht gegeben. Daneben eröffnet 642 BGB dem Auftragnehmer auch im VOB-Vertrag ( 6 Abs. 6 Satz 2 ) einen Anspruch auf Entschädigung. 642 BGB ist so in der Praxis zu einer Auffangnorm für Ansprüche aufgrund gestörten Bauablaufes geworden. Der Entschädigungsanspruch nach 642 BGB umfasst aber nicht den Gewinn. Obwohl zwischen Schadenersatz und Vergütung liegend, wird dieser Zahlungsanspruch zudem steuerrechtlich der Umsatzsteuerpflicht unterworfen. 24

Einführung Für den Fall einer Unterbrechung der Leistung sind in 6 Abs. 5 und Abs. 7 VOB/B gesonderte Abrechnungs- und Kündigungsregelungen enthalten. 9. Kündigung Die Regelungen zur Kündigung von Bauverträgen gewinnen in der Praxis trotz des Kooperationsgebots zunehmend an Bedeutung, sei es wegen Insolvenz, Verzugs oder Mängeln auf Seiten des Auftragnehmers oder wegen Zahlungsverzug und nicht rechtzeitiger Stellung von Sicherheiten auf Seiten des Auftraggebers. Nach dem BGB kann sich grundsätzlich frei nur der Auftraggeber vom Vertrag einseitig lösen, nicht aber der Auftragnehmer. Eine Lösung vom Vertrag ist dem Auftragnehmer nur dann möglich, wenn ihm ausnahmsweise gesetzlich oder vertraglich ein Kündigungsoder Rücktrittsrecht eingeräumt wird, etwa nach den 314, 323 BGB. Besteht ein solches Recht gar nicht oder sind dessen Voraussetzungen nicht erfüllt, macht sich der Auftragnehmer schadenersatzpflichtig, wenn er dennoch kündigt, zurücktritt oder die Leistung einfach dauerhaft verweigert. Praxistipp: Der Auftragnehmer verkennt dies oft und kündigt trotzdem. Um rechtlich sicherzugehen, sollte der Auftraggeber im Fall einer solchen unberechtigten Kündigung oder eines Rücktritts den Auftragnehmer hierauf hinweisen und mit angemessener Frist zur Leistungserbringung auffordern, bevor er seinerseits eine Kündigung aus wichtigem Grund ausspricht ( 8 Abs. 3 VOB/B, 314 BGB). Der Auftraggeber kann den Vertrag nach der VOB/B außerordentlich kündigen frei und jederzeit gemäß 8 Abs. 1 VOB/B oder aus wichtigem Grund wegen Verzuges, Mängeln oder unerlaubtem Nachunternehmereinsatz gemäß 8 Abs. 3 VOB/B (außerordentlich) und fristlos; wegen Insolvenz des Auftragnehmers gemäß 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B außerordentlich; bei wettbewerbswidrigen Abreden gemäß 8 Abs. 4 VOB/B. 25

Einführung Der Auftragnehmer kann den Vertrag nach der VOB/B außerordentlich kündigen wegen Zahlungsverzugs des Auftraggebers gemäß 9 VOB/B; wegen Verzugs des AG mit Mitwirkungshandlungen gemäß 9 VOB/B und wegen nicht erbrachter Sicherheitsleistung gemäß 648 a BGB. Daneben steht sowohl dem Auftraggeber als auch dem Auftragnehmer für den Fall einer Unterbrechung von mehr als drei Monaten ein Kündigungsrecht gemäß 6 Abs. 7 VOB/B zu. Hinzu kommen die Kündigungsrechte nach dem BGB, nach dem der Auftraggeber den Vertrag jederzeit gemäß 649 BGB (ohne Gründe) ordentlich; bei Überschreitung des Kostenvoranschlages gemäß 650 BGB außerordentlich und nach allgemeinen Grundsätzen auch aus sonstigem wichtigen Grund außerordentlich kündigen kann sowie wegen Mängeln gemäß 634 Abs. 3 BGB vom Vertrag zurücktreten kann, was einer Kündigung gleich kommt. Der Auftragnehmer kann den Vertrag bei unterlassener Mitwirkung durch den Auftraggeber gemäß 642, 643 BGB und bei Nichterbringung von Sicherheitsleistung gemäß 648 a BGB kündigen. Weitere Kündigungsgründe müssen als solche vertraglich vereinbart worden sein. Dies empfiehlt sich insbesondere für den Fall des Verstoßes gegen Vorschriften zur Abführung von Steuer- und Sozialversicherungsbeiträgen oder gegen das Verbot illegaler Beschäftigung (Schwarzarbeit). Praxistipp: Rechtssicherheit entsteht durch eine klare Vereinbarung möglicher weiterer Kündigungsgründe. Überprüfen Sie, welche konkreten Sachverhalte die Vertragsfortführung unzumutbar werden lassen und führen diese genau im Vertrag auf. 26

Einführung Der Auftraggeber kann ungeachtet aller dargestellten Gründe gemäß 649 BGB, 8 Abs. 1 VOB/B grundsätzlich jederzeit ohne besonderen Grund kündigen (sog. freie Kündigung), während der Auftragnehmer nur mit besonderem Kündigungsgrund zur Kündigung berechtigt ist. Erklärt der Auftraggeber die außerordentliche Kündigung, ohne dass tatsächlich ein Kündigungsgrund vorliegt, wird diese als freie Kündigung behandelt, mit den entsprechend ungünstigeren Vergütungsfolgen für den Auftraggeber. Bei der freien/ ordentlichen Kündigung durch den Auftraggeber hat dieser grundsätzlich die gesamte Vergütung auch der nicht erbrachten Leistungen zu zahlen, allerdings abzüglich ersparter Aufwendungen und sog. anderweitigen Erwerbs ( 649 Satz 2 BGB, 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B). Nach 649 Satz 3 BGB kann der Auftragnehmer ohne Nachweis 5 % der Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen abrechnen. Dies ist aber nur eine Vermutung. Auftraggeber oder Auftragnehmer können also konkret vortragen und müssen dann beweisen, dass die ersparten Aufwendungen höher oder niedriger waren. Bei der Kündigung des Auftraggebers aus wichtigem Grund wird grundsätzlich nur die erbrachte Leistung vergütet, darüber hinaus stehen dem Auftraggeber weitere Ansprüche zu (z. B. 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B). Kündigt der Auftragnehmer, so stehen ihm neben der Vergütung der erbrachten Leistungen Entschädigungsansprüche zu ( 643, 645 Abs. 1 BGB, 9 Abs. 3 VOB/B). Der Auftragnehmer hat nach Kündigung Anspruch auf ein gemeinsames Aufmaß der bis dahin erbrachten Leistungen. Er kann ferner die Abnahme verlangen, wenn die übrigen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Beides ist in 8 Abs. 6 VOB/B geregelt, gilt aber ebenso für den BGB-Vertrag. Nach der Rechtsprechung ist die Abnahme auch beim gekündigten Vertrag Voraussetzung für die Fälligkeit der Vergütung. Die Abnahme kann aber nicht wegen der gekündigten, noch ausstehenden Restleistungen verweigert werden. Die Rechtsprechung zum Erfordernis der Abnahme für den bis zur Kündigung erbrachten Teil der Leistungen als Fälligkeitsvoraussetzung für die Abrechnung und den Schlusszahlungsanspruch stößt in der praktischen Abwicklung von gekündigten Bauvorhaben auf enorme Schwierigkeiten. In der Regel ist das Verhältnis zwischen den Vertragspartnern so gestört, dass eine Abnahme der erbrachten Leistungen auftraggeberseits in der Regel verweigert wird, nicht zuletzt aufgrund einer Fülle von streitigen Mängelbehauptungen. Dem Auftragnehmer bleibt 27

Einführung dann nur der Weg über die Abnahmefiktion nach 640 Abs. 1 Satz 3 BGB. 10. Abnahme Die Abnahme ist nach der Vorstellung des BGB die tatsächliche Entgegennahme der Werkleistung verbunden mit der einseitigen Willenserklärung des Auftraggebers, dass das Werk im Wesentlichen vertragsgemäß erbracht ist. Bedingung der Abnahme ist somit die Vollendung der Werkleistung ohne wesentliche Mängel, also die Fertigstellung im Sinne des 12 Abs. 1 VOB/B. Liegt diese Voraussetzung vor, besteht kein Recht zur Abnahmeverweigerung. Die Abnahme ist eine Zäsur in der Abwicklung des Bauvertrages. Sie überführt den Vertrag vom Erfüllungsstadium in das Gewährleistungsstadium. In rechtlicher Hinsicht hat sie nachfolgende Auswirkungen: Der Auftragnehmer hat seinen Vertrag erfüllt, seine Vorleistungspflicht endet. Die Abnahme führt zur Beweislastumkehr. Vor der Abnahme muss der Aufragnehmer beweisen, dass seine Leistung mangelfrei ist. Nach der Abnahme muss der Auftraggeber beweisen, dass die Leistung des Auftragnehmers einen Mangel aufweist. Für bei der Abnahme festgestellte bzw. vor Abnahme festgehaltene und im Abnahmeprotokoll vorbehaltene Mängel bleibt es bei der Beweislast, wonach der Auftragnehmer darzulegen und nachzuweisen hat, dass er für einen Mangel nicht verantwortlich ist. Mit Abnahme gilt für diese Mängel (landläufig als Abnahmemängel bezeichnet) lediglich, dass die diesbezüglichen Ansprüche (etwa auf Beseitigung) ab Abnahme innerhalb der vertraglich vereinbarten Fristen für Mängelansprüche (früher als Gewährleistungsansprüche bezeichnet) verjähren. Praxistipp: Achten Sie auf eine klare Beschreibung der Mängel. Vermeiden Sie Unklarheiten durch Verwendung weiterer Begriffe wie Restleistung. Soweit noch Leistungen im erheblichen Umfang offen sind, erklären Sie besser nur eine Teilabnahme für die erbrachten Leistungen, wenn die Voraussetzungen für eine Teilabnahme nach 12 Abs. 2 VOB/B vorliegen (in sich abgeschlossene Teile der Leistung). 28

Einführung Die Abnahme führt zum Gefahrübergang. Geht die Leistung nach der Abnahme unter oder verschlechtert sie sich, wird sie also insbesondere beschädigt, haftet der Auftragnehmer nicht mehr. Die Abnahme ist grundsätzlich eine Anspruchsvoraussetzung für die Fälligkeit der Schlussrechnungsforderung, es sei denn, der Auftraggeber verweigert grundlos die Abnahme. Schließlich wird mit der Abnahme der Lauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche in Gang gesetzt. Diese Frist beträgt nach 13 Abs. 4 VOB/B vier Jahre, es sei denn, die Vertragsparteien haben eine davon abweichende Regelung getroffen. Die vorbehaltlose Abnahme der Werkleistung führt zum Ausschluss von Mängelbeseiti gungsansprüchen gemäß 12 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B hinsichtlich bekannter Mängel und von Ansprüchen auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach 11 Abs. 4 VOB/B, wenn sich der Auftraggeber diese Rechte nicht ausdrücklich bei der Abnahme vorbehält. Schadenersatzansprüche des 13 Abs. 7 VOB/B werden hiervon aber nicht berührt. In Abhängigkeit von den zwischen den Vertragsparteien getroffenen Regelungen können folgende Formen der Abnahme vorliegen: Die ausdrückliche Abnahme. Praktische Bedeutung hat hier die förmliche Abnahme, die in 12 Abs. 4 VOB/B geregelt ist und mit der Erstellung eines Abnahmeprotokolls durchgeführt wird. Daneben gibt es noch die formlose Abnahmeerklärung, die in der Baupraxis jedoch nur untergeordnete Relevanz hat. Die konkludente Abnahme, also die kommentarlose Billigung der Werkleistung, wie sie sich beispielsweise in der rügelosen Ingebrauchnahme des Werkes oder der Zahlung des vollständigen Werklohns (Schlussrechnung) manifestiert. Ist nach dem Bauvertrag die förmliche Abnahme des 12 Abs. 4 VOB/B vereinbart worden, so kann sich der Auftragnehmer jedoch im Regelfall nicht auf die konkludente Abnahme stützen. 29

Einführung Die fiktive Abnahme im Sinne des 12 Abs. 5 VOB/B. Gemäß 12 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B tritt die Abnahme durch Fertigstellungsmitteilung und Ablauf von 12 Werktagen ein. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Fertigstellungsanzeige nach nunmehr ständiger Rechtsprechung auch in der Übersendung der Schlussrechnung zu sehen ist. Daneben tritt die Abnahmewirkung gemäß 12 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B durch Ingebrauchnahme und den Ablauf von 6 Werktagen ein. Voraussetzung der fiktiven Abnahme ist für beide der dargestellten Varianten, dass keine Vertragspartei die Abnahme zuvor verlangt hat und die förmliche Abnahme des 12 Abs. 4 VOB/B nicht vertraglich vereinbart wurde. Verweigert ein Auftraggeber bei vereinbarter förmlicher Abnahme im Rahmen eines VOB/B-Vertrages rechtsgrundlos die Abnahme, kann ein Auftragnehmer über eine angemessene Fristsetzung nach 640 Abs. 1 Satz 3 BGB und deren fruchtlosem Ablauf die Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung für seinen Schlusszahlungsanspruch herbeiführen. Die VOB/B als Allgemeine Geschäftsbedingungen können die vorrangig gesetzlichen Regelungen des 640 BGB nicht verdrängen. Mit 12 Abs. 2 VOB/B ist auch die Teilabnahme für in sich abgeschlossene Teilleistungen einer baulichen Anlage vorgesehen. Eine Teilleistung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn sie selbstständig und für sich allein funktionsfähig ist. Die Teilabnahme kann ausdrücklich, stillschweigend, aber auch konkludent erklärt werden. In der Praxis bereitet die Abgrenzung zur technischen Zustandsfeststellung nach 4 Abs. 10 VOB/B Probleme, wenn die Vertragspartner nicht auf eine präzise Wortwahl und Abgrenzung ihrer Erklärungen achten. 11. Mängel Die Mängelansprüche des Auftraggebers sind in 4 Abs. 7 und 13 VOB/B geregelt. Zunächst hat der Auftragnehmer sein Werk so zu erstellen, dass es zum Zeitpunkt der Fertigstellung und Abnahme den vertraglichen Anforderungen entspricht. Sodann ist er verpflichtet, alle während der Verjährungsfrist angezeigten Mängel, die auf seine vertragswidrige Leistung zurückzuführen sind, auf seine Kosten zu beseitigen. 30

Einführung Ein Mangel liegt nach 13 Abs. 5 VOB/B alternativ bei drei Tatbeständen vor: Mangel Fehlen der vertraglichen Beschaffenheit einschließlich anerkannter Regeln der Technik Fehlen der Eignung für die vom Vertrag vorausgesetzte Verwendung der Leistung Fehlen der Eignung für die gewöhnliche und übliche Verwendung der Leistung Mängelansprüche nach der Abnahme setzen gemäß 13 Abs. 5 VOB/B eine schriftliche Mängelrüge voraus. Dabei genügt es, wenn der Auftraggeber die Mangelerscheinung (sog. Symptome) und die genaue Örtlichkeit beschreibt. Die Ursachen der Mangelhaftigkeit braucht er nicht zu kennen und zu bezeichnen. Treten Mängel bereits während der Bauausführung auf, so ist der Auftragnehmer gemäß 4 Abs. 7 Satz 1 VOB/B auch vor Abnahme zur Mangelbeseitigung verpflichtet, und zwar jederzeit und auch ohne Aufforderung des Auftraggebers. Selbstverständlich empfiehlt sich dennoch immer eine schriftliche Mängelrüge mit Fristsetzung. 31

Einführung Die Mängelrechte des Auftraggebers nach Abnahme gliedern sich nach folgendem Schema: Mängelrechte Schritt 1 Nacherfüllung ( 13 Abs. 5 VOB/B, 635 BGB) Schritt 2 Minderung ( 13 Abs. 6 VOB/B, 638 BGB) Ersatzvornahme auf Kosten des Aufragnehmers ( 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B, 637 BGB) Schadenersatz ( 13 Abs. 7 VOB/B, 636 BGB) Rücktritt ( 636, 638 BGB) Zunächst herrscht zugunsten des Auftragnehmers der Grundsatz der Nacherfüllung. Er bedeutet, dass dem Auftragnehmer zunächst stets Gelegenheit zur Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist gegeben werden muss, bevor irgendein anderes Recht geltend gemacht werden kann. Hierbei dessen muss die Schriftform nach 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B schon aus Beweisgründen immer eingehalten werden. Praxistipp: Achten Sie auf eine genaue Dokumentation des Schriftverkehrs einschließlich der Zugangsnachweise, etwa durch Telefaxprotokolle oder E-Mail-Lesebestätigungen. Die Angemessenheit der Nachfrist ist stets im Einzelfall zu beurteilen. Generalisierungen, wie etwa die, sieben Werktage seien stets ausreichend und angemessen, gibt es nicht. Der Auftragnehmer muss innerhalb der Frist kostenlos und nach seiner Wahl seine Leistung nachbessern, neu liefern oder neu erbringen. Praxistipp: War die gesetzte Frist zu kurz, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Nacherfüllungsverlangens, sondern es wird eine angemessene Frist in Lauf gesetzt. 32