Kompetenztag Pflege. Mehr Qualität wagen Herausforderungen einer guten pflegerischen Versorgung in den Gesellschaften des langen Lebens

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Transkript:

Kompetenztag Pflege Verband der Privaten Krankenversicherung e.v. 06. Mai 2014, Berlin Mehr Qualität wagen Herausforderungen einer guten pflegerischen Versorgung in den Gesellschaften des langen Lebens von Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey 0

Der demografische Wandel hat die Pflege(bedürftigkeit) zum Alltag gemacht! 1

Der Traum vom Altwerden und sein Preis Der Jungbrunnen von Lucas Cranach 1546 Berliner School Zentrum of Public Health H Institut für M edizinische Soziologie ZHGB - Charité 2

Pflegebedürftigkeit Pflegebedürftigkeit ist ein Zustand höchster körperlicher, psychischer und sozialer Vulnerabilität, der dazu führt, dass der Lebensalltag dauernd nur mit fremder Hilfe aufrecht erhalten werden kann. 3

Pflegebedürftigkeit: Die Herausforderung 67 % der Frauen und 47 % der Männer waren 2009 vor ihrem Versterben pflegebedürftig im Sinne des SGB XI. Demnach ist fast jeder 2. Mann und 2 / 3 der Frauen im Lebensverlauf pflegebedürftig. Quelle: Rothgang et al.: Pflegereport 2010 4

Pflegebedürftigkeit: Die Herausforderung Infratest-Umfrage (12/2012): Jeder zweite Deutsche würde kostenlose Assistenz beim Freitod in Anspruch nehmen, um dem Schicksal der Pflegebedürftigkeit zu entgehen. Erfasst wurde das Ausmaß der Angst vor einer Pflegebedürftigkeit (unabhängig von Grad und Ausmaß). 52 % der befragten Frauen und 48 % der Männer würden bei entsprechendem Zustand den assistierten Suizid wünschen. Die Zustimmung ist in der Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen mit 63 % am höchsten. 5

Pflegebedürftigkeit: Die Herausforderung 6

Pflegebedürftigkeit: Die Herausforderung Informiert zum Thema Pflege? Informationsgrad steigt im Vergleich zu 2004: Gut/sehr gut: 13 % Zufriedenstellend: 35 % 4% 4% sehr gut 6% gut 21% 21% zufriedenstellend Schlecht/sehr schlecht: 52 % schlecht 44% sehr schlecht gar nicht Abbildung: Informiertheit zum Thema Pflege Quelle: Kuhlmey et al. 2013: Gesundheitsmonitor 7

Der demografische Wandel beeinflusst die Pflege am stärksten! 8

Pflege: berechnete Versorgungslücke Bis 2025 Mangel an VZÄ/Pflege: 193.000 (SVR 2012) 2030 bleiben eine halbe Million Stellen für Vollzeitkräfte in der Pflege unbesetzt (Pflegereport 2030 der Bertelsmann Stiftung, 2012) Bis 2050: 400.000 Pflegekräfte in Vollzeit mehr (bpa 2011) 9

Heute Prävention und Strukturentwicklungen können Versorgungslücken abmildern Potenziale der Gesundheitsförderung und Prävention Gesundheitliche Lage Nachfrage Versorgungslücke Erhöhte Effizienz und Effektivität der Leistungserbringung Versorgungsstrukturen Angebot 2030

Mehr Qualität wagen Beispiel: Körperliche Aktivität und kognitive Effekte Hamer und Chida (2009) untersuchten in einer Metaanalyse, inwieweit körperliche Aktivität die Entwicklung neurodegenerativer Störungen beeinflusst: (n=163.797 davon erkrankten 3.219). Das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, war bei den körperlich Aktiven um 28 % geringer, an Alzheimer zu erkranken sogar um 45 %. Französische Langzeitstudie (Ritchie, K. et al. 2010) ergab, dass mehr als 30 % aller Demenz-Erkrankungen vermeidbar sind. Intellektuelle Stimulation, Kombination aus psychomotorischem Training und Gedächtnistraining sowie körperlicher Aktivität können das Demenzrisiko verringern oder zeitverzögern. 11

Mehr Qualität wagen Beispiel: Verhältnisprävention In Deutschland sind derzeit nur 5,2 % der Seniorenhaushalte bzgl. des Zugangs und der Wohnungsnutzung barrierefrei. Es gibt einen signifikanten Zusammenhang zwischen kritischen Wohnbedingungen und Pflegebedürftigkeitsrisiko sowie Institutionalisierungsgefahr. (Kosten: Die Versorgung von Hochbetagten in Heimen verursacht knapp 5 % der jährlichen Krankheitskosten 11,4 Mrd. Euro.) 12

Mehr Qualität wagen 70 60 50 40 30 20 10 0 Von wem erwarten Sie Unterstützung im Alter? 64,7 63,5 48 36,7 21,6 23,1 18,5 5,2 8,5 3 Familie Pflegedienst Sozialstation Nachbarn/Freunde keine/andere 2004 2013 Abbildung: Unterstützung im Alter Erwartungen und Adressaten (Vergleich Monitor 2004 und 2013) Quelle: Kuhlmey et al. 2013: Gesundheitsmonitor 13

Mehr Qualität wagen Einstellungen zur familialen Pflege 100 90 88,8 80 78,8 70 67,4 60 50 46,6 45,3 40 30 28,5 20 16,6 10 7,7 0 Pflege durch Familie passt nicht mehr in unsere Zeit Familienangehörige sollen Beitrag leisten (Ehe-)Partner sollten sich verpflichtet fühlen, Pflege zu übernehmen Ältere Menschen haben Anspruch, von Kindern gepflegt zu werden stimme überhaupt nicht/eher nicht zu stimme eher/voll und ganz zu Abbildung: Einstellungen zur familialen Pflege Quelle: Kuhlmey et al. 2013: Gesundheitsmonitor 14

Mehr Qualität wagen Einschätzung der eigenen Vorsorge nach Altersgruppen 45,0 40,0 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 39,6 36,3 28,3 24,0 39,4 38,0 35,9 35,3 32,3 30,5 31,6 28,8 18-34 35-49 50-64 65-79 sehr gut/eher gut eher schlecht sehr schlecht/ nicht einzuschätzen Abbildung: Einschätzung der eigenen Vorsorge nach Altersgruppen Quelle: Kuhlmey et al. 2013: Gesundheitsmonitor 15

Mehr Qualität wagen 16

Mehr Qualität wagen Wissenschaftsrat Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen Akademisierungsquote zwischen 10 und 20% eines Jahrgangs in den Pflege- und Therapieberufen Schaffung neuer Studienplätze: Pflege: 2.700 bis 5.400 Therapie: bis zu 1.100 17

Mehr Qualität wagen 18

FAZIT Ich verstehe nicht, warum Leute Angst vor neuen Ideen haben. Ich habe Angst vor den alten. John Cage (1912 1992) 19 19

Danke für das Interesse und Ihre Aufmerksamkeit! 20