Iris Kloppich Vorsitzende DGB-Bezirk Sachsen Maiansprache 01. Mai 2014 in Leipzig, Marktplatz Gute Arbeit, Soziales Europa 1
Gliederung Einleitung Gute Arbeit: Eine neue Ordnung der Arbeit Mindestlohn Tarifautonomie Rente mit 63 Tarifrunden 2014 Betriebsratswahlen 2014 Leiharbeit Werkverträge Minijobs Gleichstellung Ostdeutschland Arbeitslosigkeit Soziales, demokratisches und gerechtes Europa Angriffe auf Löhne und Tarifautonomie Freizügigkeit Menschenhandel und Ausbeutung Jugendliche Marshallplan Europawahlen Demokratie Rechtspopulismus und Rechtsextremismus Schluss 2
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir demonstrieren am 1. Mai, um uns für die Würde der arbeitenden Menschen einzusetzen. Denn sie wird angegriffen und mit Füßen getreten. In Deutschland, in Europa und weltweit. Unter dem Motto Gute Arbeit. Soziales Europa fordern wir, dass die Menschen wieder im Mittelpunkt der Politik stehen sollen. Gute Arbeit: Eine Neue Ordnung der Arbeit Rund ein Jahrzehnt haben DGB und Gewerkschaften für den Mindestlohn geackert, jetzt wird er Realität. Zum 1. Januar 2015 wird ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt. Er wird die Situation von Millionen Beschäftigten verbessern. Das ist ein Erfolg der Gewerkschaften und ihrer Mitglieder! Die Große Koalition will außerdem die Tarifautonomie stärken sowie die Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung und die Ausweitung des Arbeitnehmerentsendegesetzes auf alle Branchen umsetzen. Auch das hatten wir lange gefordert. Dies wird dazu beitragen, mehr Beschäftigte durch Tarifverträge zu schützen und ihnen existenzsichernde Einkommen verschaffen. Das geplante Gesetzespaket der Bundesregierung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Neuen Ordnung der Arbeit und ein Meilenstein in der Sozialpolitik. Aber es hat noch Schattenseiten. Eines sagen wir schon jetzt ganz deutlich: Der Mindestlohn muss für alle gelten. Ausnahmen vom Mindestlohn lehnen wir kategorisch ab, auch für Jugendliche oder Langzeitarbeitslose. Denn solche Ausnahmen sind Diskriminierung und damit verfassungswidrig. Wir fordern: Mindestlohn für alle, jetzt! Denn Würde kennt keine Ausnahmen. 3
Auch bei der Rente mit 63 und den Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente stimmt die Richtung der neuen Bundesregierung. Das haben wir erreicht der lange Kampf der Gewerkschaften hat sich ausgezahlt! Denn Rente muss zum Leben reichen. Das ist seit Jahren unser Motto. In den Tarifrunden 2014 sind die Gewerkschaften mit Forderungen angetreten, die den Beschäftigten ihren gerechten Anteil an dem, was sie erarbeitet haben, sichern sollen. Denn Gerechtigkeit beginnt bei gerechten Löhnen! Die Betriebsräte leisten einen entscheidenden Beitrag dazu, dass es im Betrieb gerecht zugeht. Mit ihnen kommt ein Stück Demokratie und Freiheit in den Betrieb, wo sonst nur die Arbeitgeber allein das Sagen hätten. Die Betriebsratswahlen 2014 laufen noch bis Ende Mai. Sie stehen unter dem Motto: Ob als Wähler oder Wählerin und als Kandidat: Du hast es in der Hand! Deine Stimme zur Betriebsratswahl zählt! Deshalb rufen wir euch auf: Nehmt eure Rechte wahr! Mehr Gerechtigkeit im Betrieb haben wir auch durch Fortschritte bei der Bekämpfung des Missbrauchs der Leiharbeit erreicht. Die Einkommen in der Leiharbeit haben sich mit dem neuen Tarifvertrag in Verbindung mit den Branchenzuschlägen und dem Mindestlohn deutlich verbessert. Unser Ziel ist und bleibt jedoch Equal Pay! Der Missbrauch von Werkverträgen muss endlich ein Ende haben. Werkverträge, die nur mit dem Ziel abgeschlossen werden, Billigarbeit zu organisieren, gehören verboten. Und damit Betriebsräte wirkungsvoll gegen den Missbrauch von Werkverträgen handeln können, müssen ihre Rechte gestärkt werden. Gleiche Arbeit gleiches Geld muss auch für Minijobs gelten. Ebenso wie gleiche Arbeitnehmerrechte und volle soziale Sicherung von Anfang an. 4
Gerade die Minijobs sind eine Niedriglohnfalle für Frauen. Doch Frauen werden im Berufsleben insgesamt immer noch schlechter bezahlt oder behandelt. Wir fordern deshalb endlich eine umfassende Gleichstellung und weiter verbesserte Bedingungen für Frauen und Männer, um Erwerbsarbeit und Sorge für die Familie zu vereinbaren. Besonders in Ostdeutschland hat die Politik jahrelang Tarifflucht und Niedriglohn unterstützt. Damit muss jetzt endlich Schluss sein! Wer arbeitslos ist, muss bessere finanzielle Absicherung und mehr Unterstützung bekommen, um aus dem Teufelskreis von Arbeitslosigkeit und schlechter Arbeit herauszukommen. Soziales, demokratisches und gerechtes Europa Kolleginnen und Kollegen, Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Unsicherheit haben gerade in Südeuropa in Folge der falschen Antikrisenpolitik dramatisch zugenommen. Die Krisenländer wurden gezwungen, das Arbeitsrecht zu schleifen, die Löhne zu senken, den Sozialstaat zu beschneiden und haben so die Gewerkschaften geschwächt. Diese Angriffe auf Löhne und Tarifautonomie stoßen auf den entschiedenen Widerstand aller Gewerkschaften in ganz Europa. Massenarbeitslosigkeit und Armut in den Krisenstaaten aber auch in Mittel- und Osteuropa führen dazu, dass Menschen im übrigen Europa Arbeit suchen. Heute am 1. Mai blicken wir auf 10 Jahre Osterweiterung der EU zurück. Die Horrorszenarien, die an die Wand gemalt wurden, um die Freizügigkeit zu diskreditieren, sind nicht Realität geworden. Die überwältigende Mehrheit der Zuwanderer findet einen Arbeitsplatz, zahlt Steuern und Sozialversicherung und trägt zum Gelingen des Gemeinweisens bei. 5
Aber es gibt trotzdem noch viel zu tun: Viele grenzüberschreitend Mobile werden systematisch von Schleppern, Vermittlern, Vermietern und Betrieben, in den Herkunftsländern und in Deutschland, ausgepresst und um ihre Rechte gebracht. Man muss es so deutlich sagen. Hier geht es um organisierte Kriminalität mit Profiten wie im Drogenhandel. Migrantinnen und Migranten sind seit jeher unsere Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben. Diejenigen, die hier arbeiten und leben, sind uns willkommen. Und die, die jetzt Opfer krimineller Profiteure werden, weil sie grenzüberschreitend einen Ausweg aus Arbeitslosigkeit und Armut suchen, brauchen unsere Solidarität. Die Kommunen, die deswegen in finanzielle Schwierigkeiten geraten, müssen unterstützt werden. Den Profiteuren hingegen, die die Freizügigkeit in Europa missbrauchen, muss die Politik einen Riegel vorschieben! Wir sagen Nein zu Menschenhandel und Ausbeutung in Deutschland, Europa und weltweit! Besonders von der krisenbedingten Arbeitslosigkeit betroffen sind Jugendliche. Doch außer Gipfeln und Konferenzen hat die europaweite Politik gegen die Jugendarbeitslosigkeit nicht viel zustande gebracht. Damit die Jugendlichen in Europa wieder eine Zukunft haben, brauchen wir einen wirtschaftlichen Aufschwung und eine schnelle, verbindliche Finanzierung von Jugendbeschäftigungsmaßnahmen. In Deutschland brauchen wir eine Ausbildungsgarantie. Denn wir müssen endlich allen Schülerinnen und Schülern einen nahtlosen Übergang von der Schule in Ausbildung ermöglichen. Mit der bisherigen falschen Krisenpolitik kommt Europa nicht aus der Krise heraus. Denn die Nachfrage und die Wirtschaft sind durch die Sparexzesse abgewürgt worden. Europa braucht deshalb dringend einen Kurswechsel. Wir haben eine Alternative vorgelegt: Den Marshallplan für Europa. Er könnte für die dringend nötigen Investitionen sorgen. So könnten in den Krisenländern zukunftsfähige Industrien auf- und ausgebaut und in eine europäische Energiewende investiert werden. Privates Geld ist genug da. Die Reichen, die bislang wenig zur Bewältigung der Krise beigetagen haben, müssen dazu mit herangezogen werden. 6
Kolleginnen und Kollegen, am 25. Mai wählen wir bei den Europawahlen ein neues Europäisches Parlament. Dabei stehen wir vor einer Richtungswahl: Die Partei, die am stärksten aus der Europawahl hervorgeht, bestimmt den nächsten Präsidenten der Europäischen Kommission. Er bestimmt maßgeblich die Leitlinien der Politik in Europa. Damit haben wir es die Bürgerinnen und Bürger Europas zum ersten Mal in der Hand, der unsolidarischen Sparpolitik auf dem Rücken der Beschäftigten eine Absage zu erteilen und für ein soziales Europa zu stimmen. Das Europäische Parlament ist das soziale Gewissen Europas. Mit einer hohen Wahlbeteiligung und einer fortschrittlichen Mehrheit stärken wir auch die Position des Europäischen Parlaments. Wenn wie in der Eurokrise die Regierungen in der EU an geltenden Spielregeln vorbei Entscheidungen für eine halbe Milliarde Europäer treffen, gerät die Demokratie in Gefahr. Damit das Vertrauen der Menschen in Europa wieder wachsen kann, müssen die Rechte des Europäischen Parlaments gestärkt werden. Volle Mitentscheidung und Kontrolle des europäischen Parlaments und eine lebendige öffentliche Debatte, das ist es, was Europa jetzt braucht. Den Rechtspopulisten, Nationalisten und Rechtsextremisten, die eine soziale Entwicklung Europas blockieren, weil sie Europa insgesamt ablehnen, sollten wir eine eindeutige Absage erteilen! Sie haben in Deutschland und in Europa keinen Platz! Denn wir wollen eine demokratische, freie, soziale und gerechte Gesellschaft. Das verpflichtet uns zu handeln gegen rechtsextremistisches und nationalistisches Denken und Handeln, gegen Rassismus und Intoleranz. 7
Deshalb: Lasst uns so breit mobilisieren wie nie! Es ist unser Europa, wir haben die Wahl! Kolleginnen und Kollegen, Wir Gewerkschaften treten ein für mehr Beschäftigung und gute Arbeit, für ein soziales Europa, in dem die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschützt sind. Wir brauchen in Deutschland und in Europa eine Neue Ordnung der Arbeit. Lasst uns gemeinsam dafür streiten, dass wir unser Ziel erreichen: Gute Arbeit. Soziales Europa. 8