Martin Apolin Vom Perpetuum mobile zur Nulldiät 14 gängige Mythen zum Zu- und Abnehmen am Prüfstand der Naturwissenschaften Beim Thema Abnehmen wird gelogen, dass sich die stärksten Balken biegen. Kein Wunder, weil sich auf diese Art und Weise enorm viel Geld verdienen lässt. Der Energiesatz kann hier eine Menge Dinge klar stellen! Dieser wurde erstmals vom Arzt Robert Mayer 1842 formuliert. arterielles Blut venöses Blut In den Tropen ist das Blut heller und somit sauerstoffreicher als in Europa. Weniger Sauerstoffverbrauch bedeutet weniger Energieumsatz. Das liegt an den höheren Temperaturen in den Tropen. Schlussfolgerung: Wärme ist also auch eine Form der Energie! C 6 H 12 O 6 + 6 O 2 = 6 H 2 O + 6 CO 2 + Energie 1
Das brachte Mayer auf die Idee, dass die Gesamtenergie generell konstant sein muss und daher weder erzeugt noch vernichtet werden kann. Der Energiesatz ist einer der am besten gesicherten Sätze der Physik. Der Energiesatz macht auch vorm Menschen nicht Halt!!! Die Energiebilanz Masse bleibt gleich Masse sinkt Masse steigt 2
Der Mythos vom Hungerkünstler, der niemals essen muss, kann sofort mit Hilfe des Energiesatzes widerlegt werden. Die Input-Seite 3
Was ist der Mensch topologisch gesehen? Tasse und Torus sind homöomorph ein Mensch (mit Nasenklammern) und Torus sind homöomorph Es gibt einen Arzneistoff, der salopp gesagt einen selektiven Fett- Durchfall auslöst. Die Substanz Orlistat, unter dem Handelsnamen Xenical bekannt, hemmt die fettzerlegenden Enzyme im Magen- Darm-Trakt. Der Input-Verlust wird dadurch wesentlich größer. 4
Der Brennwert von Nahrungsmitteln wird in einem Bombenkalorimeter ermittelt. Energiewerte für jene Stoffe, die für den Menschen einen physiologischen Brennwert besitzen. Ein Stück Steinkohle hat zwar einen physikalischen, aber für den Menschen keinen physiologischen Brennwert. 5
Die Output-Seite direkte Kalorimetrie Substrat Kohlenhydrate Fett Eiweiß kalorisches Äquivalent pro Liter O 2 21,2 kj (5,0 kcal) 19,6 kj (4,7 kcal) 19,7 kj (4,7 kcal) indirekte Kalorimetrie Der Grundumsatz Anteile am Energieumsatz in Ruhe 6
Grundumsatz Frauen [kj/tag]: kg x 90 Grundumsatz Männer [kj/tag]: kg x 100 Mythos: Im Alter nimmt man schwerer ab bzw. leichter zu. Da dürfe was dran sein! Grundumsatz Frauen [J/s = W]: kg x 1,04 Grundumsatz Männer [J/s = W]: kg x 1,16 Grundumsatz Frauen [W/m 2 ]: 39 Grundumsatz Männer [W/m 2 ]: 43 Leistungs- und Gesamtumsatz Wie kommt man vom Grundumsatz auf den Gesamtumsatz? Mit Hilfe des physical activity levels, kurz PAL. 7
Arbeitsschwere und Freizeitverhalten ausschließlich sitzende oder liegende Tätigkeit ausschließlich sitzende Tätigkeit mit wenig oder keinen anstrengenden Freizeitaktivitäten sitzende Tätigkeit mit wenig oder keinen anstrengenden Freizeitaktivität PAL 1,2 1,4-1,5 1,6-1,7 Beispiele alte, gebrechliche Personen Büroangestellte, Feinmechaniker Laborant, Kraftfahrer, Studierende, Fließbandarbeit Frau 60 kg GU 1,2 1,4 1,6 PAL 1,8 kj/tag 5400 6480 7560 8640 9720 kcal/tag 1286 1543 1800 2057 2314 Watt 63 75 88 100 113 überwiegend gehende oder stehende Tätigkeit 1,8-1,9 Hausfrauen, Verkäufer, Kellner, Mechaniker, Handwerker 2,0 2,2 10800 11880 2571 2829 125 138 körperlich anstrengende berufliche Tätigkeit 2,0-2,4 Bauarbeiter, Landwirte, Bergarbeiter, Leistungssportler 2,4 12960 3086 150 Mann 80 kg kj/tag kcal/tag Watt GU 1,2 1,4 1,6 1,8 8000 9600 11200 12800 14400 1905 2286 2667 3048 3429 93 111 130 148 167 Wie kommt man auf den PAL? Mit Hilfe der Methode mit doppelt markiertem Wasser: 1 H 2 18 O, 2 H 1 H 16 O oder 2 H 1 H 18 O. 2,0 16000 3810 186 2,2 17600 4190 204 PAL 2,4 19200 4571 223 CO 2 +H 2 O H 2 CO 3 Wasser und Kohlenstoffdioxid sowie Kohlensäure stehen in einem dynamischen Gleichgewicht. Deshalb kann es dazu kommen, dass sich ein 18 O- Atom, das sich zunächst im H 2 O befunden hat, später im CO 2 befindet. Dieses ist dann also nicht das normale C 16 O 2, sondern ein besonderes C 18 O 2. Über die Atemluft geht dann der markierte Sauerstoff verloren. Kurz: Der markierte Sauerstoff geht schneller verloren als der markierte Wasserstoff. Aus der Differenz lässt sich das abgeatmete CO 2 abschätzen und aus diesem wiederum der Gesamtumsatz. Ziemlich aufwändig, aber sehr elegant! Diese Methode hat eine Genauigkeit zwischen 2 und 8 %. 8
Die Verdauungsverluste Mythos: Es gibt Nahrungsmittel mit negativer Energie! Das würde bedeuten, dass die Energie ein negatives Vorzeichen haben müsste. Je mehr man äße, desto mehr würde man abnehmen! In der Nahrung kommt das aber ganz sicher nicht vor. Es wird zwar diskutiert, dass es abgefahrene physikalische Effekte gibt, bei denen negative Energie eine Rolle spielen könnte aber das ist sehr spekulativ und vollkommen unbelegt. Selbst wenn es eine solche exotische Materie gäbe, im Alltag und noch konkreter bei der Nahrung tritt sie ganz sicher nicht auf. Exotische Materie ist also leider nicht essbar. Mythos: Es gibt Nahrungsmittel, die zum Verdauen mehr Energie benötigen als sie selbst besitzen! Auch das ist Quatsch! 9
Die gesamte Energiebilanz auf einen Blick So viele Prozent der Energie der Nährstoffe und des Ethanols werden für deren Verdauung bzw. deren Umwandlung benötigt. Die Werte sind als Richtgröße zu sehen. Mythos: Es gibt Menschen, die essen können, was sie wollen, und trotzdem nicht zunehmen. Unsere Erfahrung unterstützt diesen Mythos. Wie kann man ihn aber im Rahmen des Energiesatzes erklären? Sehr zu beachten: Zappeln, Futile Cycles und Uncoupling Proteins. Zum Beispiel kann der Umsatz, wenn man im Sitzen zappelt, größer sein als beim ruhigen Stehen. Manche Versuchspersonen haben durch Zappeln, also ungeordnete Bewegungen, einen zusätzlichen Tagesumsatz bis zu 3350 kj (800 kcal). Das Zappeln gehört also zum energetischen Kleinvieh, und es macht ordentlich Mist. 10
Futile cycles (nutzlose Zyklen) Zu den individuellen Unterschieden in der Aktivität der Futile Cycles werden in der Literatur konkrete Zahlen angegeben. Die Differenz kann pro Tag bis zu 2100 kj (500 kcal) ausmachen. Das ist ein sehr beachtlicher Wert, weil er über den Daumen einem Fünftel des täglichen Energieumsatzes entspricht. Weiters gibt es noch die die Entkopplungsproteine oder Uncoupling Proteins (UCP). Durch Zappeln, Futile Cycles und Uncoupling Proteins kann man begründen, warum manche Menschen ungestraft so viel essen können. Sehen wir uns einige weitere Mythen an: Ich nehme schon zu, wenn ich das Essen nur ansehe! oder Ich nehmen schon zu, wenn ich das Essen nur rieche! Nur Fett macht fett. Kohlenhydrate machen dick. 11
Man nimmt ausnahmslos immer nur dann zu, wenn die Energiebilanz positiv ist. Mythos: Es gibt schlechte Kohlenhydrate, die leichter in die Fettdepots geschoben werden, wodurch man leichter Fett ansetzt. Ich habe eine Stoffwechselstörung und setze daher leichter Fett an. Noch einmal: Man nimmt ausnahmslos immer nur dann zu, wenn die Energiebilanz positiv ist. Mythos: Die Trennkost-Diät funktioniert deshalb, weil man Säurebildner und Basenbildner getrennt zu sich nimmt. Längst haben Ernährungswissenschaftler diesen angeblichen Wirkungsmechanismus widerlegt. Aber man hätte natürlich schon vorher sagen können: Mystische Mechanismen gibt es nicht, weil der Erfolg ausnahmslos jeder Diät, sofern sie überhaupt erfolgreich ist, darauf beruht, dass die Energiebilanz negativ wird! 12
Mythos: Schon mit wenigen Minuten Sport pro Tag kann man nach kurzer Zeit sichtbare Erfolge erzielen. Schätzen wir die Zeit, um 1 kg Fett zu verlieren, am Beispiel des Laufens ab. Hier gibt es die griffige Regel, dass man pro gelaufenem Kilometer und pro Kilogramm Körpermasse 4,2 kj (1 kcal) umsetzt. Die zu laufenden Kilometer sind also von der Masse abhängig. Ein Kilogramm Körperfett hat etwa einen Brennwert von 30.000 kj (7140 kcal). Um auf die Laufkilometer zu kommen, um 1kg abzunehmen, muss man 7000 durch seine Masse dividieren. Wenn also eine Person mit 70 kg jeden Tag einen Kilometer läuft (5 Minuten), dann nimmt sie, wenn sie sonst an ihrem Leben nichts ändert, erst in rund 100 Tagen ein Kilogramm Fett ab. Mythos: Man kann 5 kg in einer Woche abnehmen. Wie lange muss man Nulldiät machen, damit man 1kg Fett abnimmt? 1 kg Körperfett hat einen Brennwert von 30.000 kj. Der Tagesbedarf eines Menschen liegt bei etwa 10.000 kj. Man muss daher 3 Tage Nulldiät halten, damit man 1 kg Fett abnimmt. 13
In einer Woche schafft man daher selbst bei Nulldiät nur etwas über 2 kg. Der Rest ist Wasser oder noch schlimmer Muskelmasse. Der größte Mythos von allen: Man muss im Fettstoffwechsel trainieren, damit man Fett abnehmen kann. Der Fatburning-Mythos ist der hartnäckigste, am meisten verbreitete und größte Mythos von allen. Er ist unausrottbar und klingt auch zwingend logisch - Fettabbau nur durch Fettstoffwechsel. Es ist zwar richtig, dass man bei geringen Intensitäten eher Fette abbaut und bei höheren eher Kohlenhydrate. Aber der Mythos ist trotzdem falsch!!! Um ihn zu entlarven, brauchen wir nur den Energiesatz. Um abzunehmen braucht man eine negative Energiebilanz. Aus! Wie diese zu Stande kommt, ist irrelevant. Je mehr Kohlenhydrate die Muskulatur während des Trainings verbrennt, desto weniger verbrennt sie danach. Die benötigte Energie wird einfach aus den Fettdepots geholt. Und deshalb können Sie auch abnehmen, wenn Sie sich während des Sports im Kohlenhydratstoffwechsel befinden. Das Fett wird in diesem Fall vor allem nach dem Training verbrannt. 14
Danke für die Aufmerksamkeit! 15