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www.ssoar.info Elemente einer neuen europäischen Ordnung: Prinzipien, Instrumente und Institutionen zur Regelung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen Zellner, Wolfgang Veröffentlichungsversion / Published Version Arbeitspapier / working paper Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Zellner, Wolfgang ; Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.v. (Ed.): Elemente einer neuen europäischen Ordnung: Prinzipien, Instrumente und Institutionen zur Regelung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen. Berlin, 2016 (DGAP kompakt 21). URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168- ssoar-54314-9 Nutzungsbedingungen: Dieser Text wird unter einer Deposit-Lizenz (Keine Weiterverbreitung - keine Bearbeitung) zur Verfügung gestellt. Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt. Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. Terms of use: This document is made available under Deposit Licence (No Redistribution - no modifications). We grant a non-exclusive, nontransferable, individual and limited right to using this document. This document is solely intended for your personal, noncommercial use. All of the copies of this documents must retain all copyright information and other information regarding legal protection. You are not allowed to alter this document in any way, to copy it for public or commercial purposes, to exhibit the document in public, to perform, distribute or otherwise use the document in public. By using this particular document, you accept the above-stated conditions of use.

DGAPkompakt Nr. 21 / Dezember 2016 Elemente einer neuen europäischen Ordnung: Prinzipien, Instrumente und Institutionen zur Regelung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen Wolfgang Zellner Ausgangslage Die Beziehungen zwischen Russland und den westlichen Ländern 1 sind so schlecht wie nie zuvor seit dem Ende des Kalten Krieges. Sich wechselseitig nahezu ausschließende Narrative dies sind umfassende Systeme von Glaubenssätzen, Perzeptionen und Strategieelementen trennen die beiden Seiten. Es gibt noch nicht einmal einen gemein samen Ausgangspunkt für die Diskussion und keine gemeinsamen Ziele. Dies macht die gegenwärtige Situation so außerordentlich schwierig und erfordert es, ein abstrakteres Diskussionsniveau jenseits der Positionen der Seiten zu wählen. Ebenen der Differenzen Die Differenzen durchziehen alle relevanten Ebenen, insbesondere die normative Dimension, die Ebene der Interessen, und, von grundlegender Bedeutung, die Kernelemente der europäischen Ordnung. Normative Differenzen Niemand hat den Helsinki-Dekalog oder vergleichbare gemeinsame Normendokumente widerrufen. Aber die Interpretation und das Verständnis der in diesen Dokumenten enthaltenen Prinzipien und deren Wechselverhältnis sind gänzlich verschieden. Die unterschiedlichen Sichtweisen auf den Konflikt in und um die Ukraine zeigen dies deutlich. Was für die westliche Seite ein schwerer Bruch des Völkerrechts ist, stellt aus russischer Sicht eine legitime Verteidigung des Rechts auf Selbstbestimmung dar. Das zeigt auch, dass die Erwartung der 1990er Jahre, dass ein Prozess normativer Konvergenz zu einer immer festeren Basis geteilter Werte führen würde, sich zumindest bisher nicht erfüllt hat. Gegenwärtig gibt es keine gemeinsame normative Basis zwischen Russland und dem Westen, die fest genug wäre, um darauf konkrete Politik zu gründen. Das ist keine Frage der Implementierung, sondern eine der Substanz. Von daher fehlt dem Konzept der umfassenden, kooperativen, gleichen und unteilbaren Sicherheit (Gedenkerklärung von Astana 2010) jede Grundlage. Weil eine primär normbasierte Sicherheitspolitik derzeit nicht möglich ist, müssen sich Kooperationspolitiken vorrangig auf konkrete Interessen gründen. Das heißt nicht, dass Normen keine Bedeutung mehr haben. Aber es bedeutet, dass man sich gegenwärtig nicht allein auf sie verlassen kann. Ordnungspolitische Differenzen Die Ordnung von Helsinki war ein historischer Kompromiss unter den damaligen Bedingungen. Sein Kernelement war die Unverletzlichkeit der Grenzen unabhängig von historischen ethno-politischen Ansprüchen. Dies ermöglichte die Schaffung klarer Einflusssphären in Europa, die trotz aller Krisen respektiert wurden. Prinzip I über souveräne Gleichheit, das Recht, internationalen Organisationen anzugehören oder nicht anzugehören einschließlich des Rechts, Vertragspartei eines Bündnisses zu sein oder nicht zu sein blieb unter diesen Bedingungen eher theoretischer Natur, abgesehen vom Recht der neutralen und nichtpaktgebundenen Staaten, neutral zu bleiben. Die eher statische Ordnung von Helsinki

Prinzipien, Instrumente und Institutionen zur Regelung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen 2 passte gut in die Welt der bipolaren Konfrontation, kann aber nicht wiederbelebt werden. Seit 1990 können wir in den früheren kommunistischen Ländern sehr ungleiche Transformationsprozesse beobachten. Die ursprüngliche Erwartung, dass eine schnelle und weitreichende wirtschaftliche, gesellschaftliche, normative und politische Transformation all dieser Länder eine solide Grundlage für Frieden und Stabilität schaffen würde, erfüllte sich nicht. Länder wie Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn sind integrale Bestandteile der internationalen Produktionskette geworden und haben eine Beziehung tiefer Interdependenz zum alten Westen entwickelt. Die Transformation in den meisten postsowjetischen Ländern ist jedoch in eine andere Richtung gegangen und hat zu wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Westen auf der Ebene von einfachem Handel geführt. Das hat nur schwache Interdependenz geschaffen, die nicht nur nicht automatisch zu Frieden und Stabilität führt, sondern es erlaubt, wirtschaftliche Konkurrenz, Handelsbarrieren und Sanktionen als Instrumente in politischen Streitfragen einzusetzen. Keine Integration, gescheiterter Versuch von Sonderbeziehungen Obwohl es gelegentlich Diskussionen über eine wirkliche wechselseitige Integration zwischen Russland und dem Westen gab, wurde kein ernsthafter Versuch unternommen, dieses Ziel zu erreichen. Und es ist fraglich, ob es dafür auf beiden Seiten je den notwendigen politischen Willen gab und ob die gegebenen Bedingungen eine solche Entwicklung zugelassen hätten. Als Kompensation versuchte man, ein Sonderverhältnis zwischen Russland und den westlichen Integrationsstrukturen zu schaffen, insbesondere die vier Gemeinsamen Räume Russlands und der EU und den NATO-Russland-Rat. Obwohl nicht gänzlich erfolglos, reichte dieser Ansatz nicht aus, um die gegenwärtige Integrationskonkurrenz zu verhindern. Ungeregelte Integrationskonkurrenz Die gegenwärtige Integrationskonkurrenz, die nicht durch gemeinsame Normen geregelt wird, stellt den Kern des Streits über die europäische Ordnung dar. Sowohl Russland als auch die westlichen Staaten sind daran interessiert, bestimmte andere Staaten in ihre Integrationsstrukturen aufzunehmen und drängen diese, sich zu entscheiden, wem sie sich anschließen wollen. Obwohl einige dieser Staaten an Zusammenarbeit mit beiden Seiten interessiert sein könnten, möglicherweise einschließlich sich überlappender Mitgliedschaften, besteht das Hauptinteresse Russlands und der westlichen Staaten darin, auf Entscheidungen zu bestehen entweder/oder. Aus historischer Sicht ist das ein von einem bipolaren System mit klaren Grenzen ererbter Reflex. Künftige Strukturen werden jedoch durch multiple Identitäten und sich überlappende Elemente gekennzeichnet sein. Versicherheitlichung und teilweise Militarisierung des Streits Gegenwärtig erleben wir eine Versicherheitlichung und partielle Militarisierung des politischen Streits über die politische Ordnung. Die beiden Seiten verlassen sich lieber auf Abschreckung als auf Instrumente kooperativer Sicherheit. Der Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) ist politisch tot; das Wiener Dokument 2011 über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen würde eine größere Modernisierung benötigen, um seine Wirksamkeit zurückzugewinnen. Es gibt mehr und größere Manöver, näher an den Grenzen, und die Seiten haben eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um den Bereitschaftsgrad ihrer Streitkräfte zu erhöhen. Es gibt jedoch auf keiner Seite eine massive Aufrüstung, es gibt kein Wettrüsten. Keine Seite besitzt die Fähigkeit zur Einleitung großangelegter offensiver Handlungen, wie es in der Präambel des KSE-Vertrages heißt. Es gibt jedoch das Risiko von Zwischenfällen, von Krieg aus Versehen und von begrenztem Krieg, wie der Konflikt in und um die Ukraine deutlich zeigt. Die besorgniserregendsten Entwicklungen sind eine weitreichende Versicherheitlichung der politischen Beziehungen und die Bereitschaft Russlands, in begrenzten Kriegen in Europa militärische Mittel einzusetzen. Insgesamt ist die politisch-militärische Lage ernst, es gibt jedoch keinen Grund für Alarmismus. Wenn aber keine Maßnahmen ergriffen werden, kann sich die derzeitige labile Lage in Richtung einer vollausgeprägten Militarisierung und eines Wettrüstens entwickeln. Kein neuer Kalter Krieg Die gegenwärtige Situation sollte nicht als neuer Kalter Krieg bezeichnet werden, da die Schlüsselmerkmale des historischen Kalten Krieges nicht gegeben sind. Der Kalte Krieg war eine globale und ideologische Konfrontation, geführt von geordneten Lagern. Nichts davon trifft auf die gegenwärtige Situation zu, ganz im Gegenteil. Wir beobachten jedoch zuweilen Verhaltensweisen, die an den Kalten Krieg erinnern, wenn der Feind, der allein schuld an allem Übel ist, entfernt werden muss, bevor Lösungen gefunden werden können. Solcherart essentialistische Ideen stellen ein ernstes Warnsignal dar.

Prinzipien, Instrumente und Institutionen zur Regelung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen 3 Elemente einer künftigen europäischen Ordnung Die Kernaufgabe der Schaffung einer neuen europäischen Ordnung ist die Herstellung eines gemeinsamen Verständnisses der Normen, welche die Beziehungen zwischen den verschiedenen Integrationsstrukturen regeln. Diese Normen existieren bereits, im Wesentlichen ist dies der Acquis von Helsinki (1975) und Paris (1990). Weil der Kern der neuen Ordnung politisch-wirtschaftlicher Natur sein wird, ist auf westlicher Seite die EU die zentrale Struktur, um mit der von Russland geführten EWU zu sprechen. Der Weg zu einer neuen Ordnung bedarf einer Reihe von Schritten in unterschiedlichen Dimensionen. Eine substanzielle Ent-Sicherheitlichung der Beziehungen ist die Voraussetzung, um die politisch-wirtschaftlichen Fragen besprechen zu können. Erstens sollten die wirtschaftlichen Integrationsstrukturen EU und EWU Beziehungen aufnehmen und anfangen, an einem politisch-wirtschaftlichen Rahmenwerk zu arbeiten, das es interessierten Staaten erlaubt, flexible Kombinationen von Mitgliedschaft und Assoziierungsstatus einzugehen. Mitgliedschaft in der einen Struktur sollte kompatibel mit Assoziierung in der anderen sein. Das politische Ziel besteht darin, die bipolare Struktur des entweder/oder zu überwinden. Zweitens schließt dies Regeln für den Fall ein, dass ein bestimmter Staat seinen Status verändern möchte. Drittens müssen die Regeln für den politisch-wirtschaftlichen Bereich, der den Kern der Ordnung darstellt, durch Regeln für die politisch-militärische Dimension ergänzt werden. Derzeit würde man das im NATO-Russland-Rat tun. Sollte die EU jedoch eigenständige strategische militärische Fähigkeiten entwickeln, würden Abkommen zwischen der EU und Russland oder der OVKS erforderlich. Viertens könnte das Prinzip I des Helsinki-Dekalogs über souveräne Gleichheit möglicherweise zur Ankernorm einer neuen europäischen Ordnung werden. Prinzip III über die Unverletzlichkeit der Grenzen und Prinzip IV über die territoriale Integrität der Staaten bleiben von wesentlicher Bedeutung, weil sie den Status quo sichern. Prinzip I aber besitzt das Potenzial, den Wandel zu regeln. Im Wortlaut: Souveräne Gleichheit, Achtung der der Souveränität innewohnenden Rechte [ ] Sie [die Teilnehmerstaaten] haben ebenfalls das Recht, internationalen Organisationen anzugehören oder nicht anzugehören, Vertragspartei bilateraler oder multilateraler Verträge zu sein oder nicht zu sein, einschließlich des Rechts, Vertragspartei eines Bündnisses zu sein oder nicht zu sein; desgleichen haben sie das Recht auf Neutralität. Russland hat dieser Formulierung in einem kooperativen Kontext als Teil eines rechtlich verbindlichen Vertrages bereits zugestimmt; leider ist dieser Vertrag nicht in Kraft getreten. In Artikel 1 des Übereinkommens über die Anpassung des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa heißt es: im Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung, die sie alle für das Streben nach Erreichung größerer Stabilität und Sicherheit in Europa tragen, und eingedenk ihres Rechts, Vertragspartner eines Bündnisses zu sein oder nicht zu sein. Das Beispiel zeigt, dass ein solcher Ansatz von flexibler Zusammenarbeit und Veränderung nur in einem kooperativen Umfeld funktionieren kann. Andernfalls würde er, wie wir das gegenwärtig erleben, zu Streit und Konflikt führen. Von daher stellen praktische Zusammenarbeit über einen längeren Zeitraum und das daraus erwachsende Vertrauen notwendige Bedingungen dar, um eine neue europäische Ordnung angehen zu können. Für eine stabile Modus Vivendi-Beziehung Jeder Prozess hin zu mehr Zusammenarbeit mit dem langfristigen Ziel einer neuen europäischen Ordnung ist schwer vorstellbar ohne eine zumindest vorläufige Lösung des Konflikts in und um die Ukraine und die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen. Zusammen würden diese beiden Schritte den Weg zu einer Reihe kooperativer Unternehmungen freimachen, die ohne zu viele Junktims und Bedingungen verfolgt werden sollten. Kooperation wo immer möglich sollte den politischen Raum und das Vertrauen für die weiterreichende Diskussion über die europäische Ordnung schaffen. Daher besteht auf mittlere Sicht die Kernaufgabe darin, in einer Modus Vivendi-Beziehung ein vernünftiges Niveau pragmatischer Kooperation zu erreichen. Erst dann wird man im Einzelnen erkennen können, wann und wie die strategische Aufgabe, eine neue europäische Ordnung zu schaffen, angegangen werden kann. Dr. Wolfgang Zellner ist stellvertretender Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) und Leiter des Zentrums für OSZE-Forschung am ISFH. Dieses Papier entstand für das RIAC-DGAP-Seminar Renewing Mechanisms for Russia EU Cooperation, das in Moskau am 12. September 2016 stattfand.

Prinzipien, Instrumente und Institutionen zur Regelung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen 4 Anmerkungen 1 Die EU und Russland machen nur 29 der 57 OSZE-Teilnehmerstaaten aus. Daher ziehe ich es vor, über westliche Staaten zu sprechen und meine damit alle Mitgliedstaaten von EU und/oder NATO, alle mit der EU assoziierten Staaten sowie Staaten, die enge Beziehungen zu EU und/oder NATO unterhalten. Russland hat eine Reihe von Verbündeten in der Organisation des Vertrags über Kollektive Sicherheit (OVKS) und der Eurasischen Wirtschaftsunion (EWU). Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung Nicht kommerziell Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz. This work is licensed under a Creative Commons Attribution NonCommercial NoDerivatives 4.0 International License. Die DGAP trägt mit wissenschaftlichen Untersuchungen und Veröffentlichungen zur Bewertung internationaler Entwicklungen und zur Diskussion hierüber bei. Die in den Veröffentlichungen geäußerten Meinungen sind die der Autoren. Herausgeber Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.v. ISSN 2198-5936 Rauchstraße 17 / 18. 10787 Berlin Tel. +49 (0)30 25 42 31-0 / Fax -16 info@dgap.org. www.dgap.org Layout /Satz Sabine Wolf Designkonzept Carolyn Steinbeck Gestaltung