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Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Große Kammer, Beschwerdesache Aksu gg. die Türkei, Urteil vom , Bsw. 4149/04 und Bsw /04.

Keine Verletzung von Art. 14 EMRK ivm. Art. 8 EMRK (6:1 Stimmen).

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Entschädigung nach Art. 41 EMRK: 1.000,- für immateriellen Schaden, 3.500, für Kosten und Auslagen (einstimmig).

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Keine Verletzung von Art. 10 EMRK

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Zulässigkeit der Beschwerden (einstimmig). Keine Verletzung von Art. 14 EMRK ivm. Art. 8

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Transkript:

Bsw 1813/07 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer V, Beschwerdesache Vejdeland u.a. gg. Schweden, Urteil vom 9.2.2012, Bsw. 1813/07. Art. 10 EMRK - Flugblätter mit homophobem Inhalt. Zulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 10 EMRK (einstimmig). Unzulässigkeit der Beschwerde im Übrigen (einstimmig). Keine Verletzung von Art. 10 EMRK (einstimmig). B e g r ü n d u n g : Sachverhalt: Im Dezember 2004 verteilten die Bf. an einem Gymnasium ungefähr hundert Flugblätter, indem sie diese in oder auf den Spinden der Schüler zurückließen. Die Aktion wurde abgebrochen, als der Direktor der Schule die Bf. zum Verlassen des Schulgeländes aufforderte. In den Flugblättern wurde Homosexualität als»abweichende sexuelle Neigung«bezeichnet, die einen moralschädigenden Effekt auf die Gesellschaft habe. Homosexualität sei außerdem einer der Hauptgründe dafür, dass HIV und Aids Fuß fassen konnten. Weiters wurde auf die Verharmlosung von Pädophilie durch homosexuelle Interessensgruppen hingewiesen. Am 11.7.2005 wurden die Bf. vom BG (tingsrätten) Bollnäs wegen Hetze gegen eine nationale oder ethnische Gruppe verurteilt.

2 Bsw 1813/07 Das Berufungsgericht (hovrätten) für Süd- Norrland wies die Anklagen gegen die Bf. am 14.12.2005 zurück, da ihre Verurteilung zu einer Verletzung des Rechts auf Meinungsäußerungsfreiheit nach der EMRK führen würde. Der Oberste Gerichtshof sprach die Bf. am 6.7.2006 allerdings wegen Hetze gegen eine nationale oder ethnische Gruppe schuldig. Art. 10 EMRK würde unter den Umständen des gegenständlichen Falles einer Verurteilung nicht entgegenstehen. Die ersten drei Bf. erhielten Freiheitsstrafen auf Bewährung sowie Geldstrafen zwischen 200, und 2.000,, der ViertBf. bekam eine Bewährungsstrafe. Rechtsausführungen: Die Bf. rügen eine Verletzung von Art. 10 EMRK (Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit) durch das Urteil des Obersten Gerichtshofs. Sie beschweren sich weiters über eine Verletzung von Art. 7 EMRK (Nulla poena sine lege). Zur behaupteten Verletzung von Art. 10 EMRK Zulässigkeit Da die Beschwerde nicht offensichtlich unbegründet und auch aus keinem anderen Grund unzulässig ist, muss sie für zulässig erklärt werden (einstimmig). In der Sache Der GH untersucht, ob der Eingriff im vorliegenden Fall»gesetzlich vorgesehen«war, eines der in Art. 10 Abs. 2 EMRK umschriebenen legitimen Ziele verfolgte und»notwendig in einer demokratischen Gesellschaft«war. Die Bf. wurden wegen Hetze gegen eine nationale oder ethnische Gruppe gemäß Kapitel 16, Art. 8 des schwedischen Strafgesetzbuches verurteilt, was zur Zeit der Tatbegehung auch Äußerungen umfasste, die eine

3 Bsw 1813/07 Personengruppe hinsichtlich ihrer sexuellen Orientierung bedrohte oder diesbezüglich Verachtung zum Ausdruck brachte. Der Eingriff war daher ausreichend klar und vorhersehbar und somit»gesetzlich vorgesehen«. Er verfolgte auch ein legitimes Ziel, nämlich den»schutz des guten Rufes und der Rechte anderer«. Die Überprüfung der»notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft«erfordert, dass der GH feststellt, ob der Eingriff einem»dringenden sozialen Bedürfnis«entsprach. Bei der Beurteilung, ob ein solches Bedürfnis gegeben ist, verfügen die Staaten über einen weiten Ermessensspielraum, der allerdings Hand in Hand mit einer europäischen Überwachung geht, die sowohl die Gesetzgebung als auch die anwendenden Entscheidungen umfasst. Bei der Untersuchung der Entscheidungen der nationalen Gerichte unter Art. 10 EMRK muss der GH angesichts des Falles als Ganzem feststellen, ob der Eingriff verhältnismäßig zum verfolgten legitimen Ziel war und ob die von ihnen angeführten Gründe für die Rechtfertigung des Eingriffs»sachlich und hinreichend«waren. Die Bf. verteilten die Flugblätter mit dem Ziel, eine Debatte über den Mangel an Objekitvität der schwedischen Schulbildung zu beginnen. Auch wenn man dies als annehmbares Ziel ansieht, muss der Wortlaut der Flugblätter berücksichtigt werden. Die getätigten Äußerungen empfahlen zwar nicht direkt, hasserfüllte Handlungen durchzuführen, stellten aber doch schwerwiegende und schädigende Behauptungen auf. Eine Anstachelung zu Hass umfasst nicht notwendigerweise einen Aufruf zu Gewalt oder Straftaten. Angriffe auf Personen durch das Beleidigen,

4 Bsw 1813/07 Lächerlichmachen oder Verleumden bestimmter Bevölkerungsgruppen können für die Behörden ausreichen, um die Bekämpfung rassistischer Äußerungen angesichts der unverantwortlichen Ausübung des Rechts auf Meinungsäußerungsfreiheit gutzuheißen. Diesbezüglich betont der GH, dass eine Diskriminierung aus Gründen der sexuelle n Orientierung genauso schwerwiegend ist wie eine solche aus Gründen der Rasse, Herkunft oder Hautfarbe. Die Flugblätter wurden in den Spinden von jungen Menschen zurückgelassen, die sich in einem Alter befanden, in dem sie leicht beeinflussbar und sensibel waren und die keine Möglichkeit hatten, ihre Annahme zu verweigern. Außerdem fand die Verteilung der Flugblätter an einer Schule statt, die keiner der Bf. besuchte und zu der sie keinen freien Zugang hatten. Der Oberste Gerichtshof anerkannte das Recht der Bf., ihre Ideen zum Ausdruck zu bringen, betonte allerdings gleichzeitig, dass mit Freiheiten und Rechten auch Verpflichtungen einhergehen. Eine solche Verpflichtung bestünde darin, soweit als möglich Äußerungen zu vermeiden, die auf unverantwortliche Weise beleidigend gegenüber anderen sind und einen Angriff auf ihre Rechte darstellen. Die Äußerungen in den Flugblättern seien unnötig beleidigend. Nach Abwägung der relevanten Gesichtspunkte fand der Oberste Gerichtshof keine Gründe dafür, die entsprechende Bestimmung des Strafgesetzbuches nicht anzuwenden. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Meinungsäußerungsfreiheit ist als ein wichtiger Umstand die Natur und Schwere der auferlegten Strafen zu berücksichtigen. Die Bf. wurden nicht zu Gefängnisstrafen verurteilt, obwohl das Verbrechen, wegen dem sie verurteilt wurden, ein Strafmaß von bis zu zwei

5 Bsw 1813/07 Jahren Haft vorsieht. Der GH erachtet die gegenüber den Bf. verhängten Strafen unter den gegebenen Umständen nicht als übertrieben. Angesichts der vorigen Ausführungen waren die Verurteilungen der Bf. und die ihnen auferlegten Strafen nicht unverhältnismäßig zum verfolgten legitimen Ziel und die Begründung des Obersten Gerichtshofs für die Rechtfertigung dieser Maßnahmen war sachlich und hinreichend. Der Eingriff in das Recht der Bf. auf Ausübung ihrer Meinungsäußerungsfreiheit konnte somit von den nationalen Behörden vernünftigerweise als für den Schutz des guten Rufes und der Rechte anderer in einer demokratischen Gesellschaft notwendig angesehen werden. Keine Verletzung von Art. 10 EMRK (einstimmig; gemeinsames Sondervotum von Richter Spielmann und Richterin Nußberger; Sondervotum von Richter Zupancic; gemeinsames Sondervotum von Richterin Yudkivska und Richter Villiger). Zur behaupteten Verletzung von Art. 7 EMRK Angesichts der Feststellung zu Art. 10 EMRK, dass die gerügte Maßnahme gesetzlich vorgesehen war, ist dieser Teil der Beschwerde wegen offensichtlicher Unbegründetheit für unzulässig zu erklären (einstimmig). Vom GH zitierte Judikatur: Smith und Grady/UK v. 27.9.1999 = NL 1999, 156 = ÖJZ 2000, 614 Pedersen und Baadsgaard/DK v. 17.12.2004 (GK) = NL 2005, 10 Féret/B v. 16.7.2009 = NL 2009, 216 Hinweis: Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 9.2.2012, Bsw. 1813/07 entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NL 2012, 48) bzw. der

6 Bsw 1813/07 entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt. Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf- Format): www.menschenrechte.ac.at/orig/12_1/vejdeland. pdf Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.