CM im Gesundheitswesen Dienstleistung für Betroffene oder Instrument zur Kostenlenkung? Ursula Stupf-Bonhage, MSc ETH Leiterin MAS MHC stbu@zhaw.ch Building Competence. Crossing Borders.
Das Möglichkeitsspektrum für die Anwendung von Case Management scheint unerschöpflich und kaum ein Bereich der Gesundheits- bzw. Krankenversorgung ist bislang von der Erprobung ausgespart geblieben. (Ewers M. (2006), Case Management im Gesundheitswesen: Analyse der Implementierung von Case-Management-Strategien in krankenversorgenden Einrichtungen im deutschsprachigen Raum) Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 2
Beziehungsdreieck im Gesundheitswesen Versicherung Prämien finanzielle Leistungen Patient / Versicherter medizinische Leistungen Leistungserbringer Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 3
CM Trägerschaften des Gesundheitswesens Leistungserbringer: Medizinalpersonen (Ärzte, Apotheken, Pflegeeinrichtungen, Therapieeinrichtungen, etc.) Versicherung: Krankenkasse, Unfallversicherung, Privatversicherung, Pensionskassen Unabhängige CM Anbieter Einrichtungen von Gemeinden/Kantonen/Bund Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 4
Finazierung von CM im Gesundheitswesen Welche Parteien finanzieren CM im Gesundheitswesen? Versicherungen (KK, Privatversicherungen) Pensionskassen Behörden: Gemeinden (Sozialdienst), Kantone (Gesundheitsdirektionen), Bund (AHV/IV) Arbeitgeber Nutzniesser (Patienten, Angehörige, Versicherungen) Die Finanzierung des CM ist unterliegt häufig der Verhandlung zwischen den Parteien. Mischfinanzierungen sind nicht selten. Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 5
In welchen Fällen lohnt sich CM? 1. CM lohnt sich vor allem bei komplexen Fällen, die auf der Kippe sind (die Indikation muss stimmen). 2. CM ist am wirksamsten bei moderat unsicherer Umgebung (im Gegensatz zu wenig oder stark unsicherer Umgebung) und rechtzeitiger Erkennung der Fälle. 3. Die richtigen Anreize für alle Beteiligten müssen gesetzt werden können. Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 6
Allgemeine Ziele des CM im Gesundheitswesen Patientenorientierung: Optimale und kontinuierliche Versorgung Systemorientierung: Vernetzung von Gesundheitsleistungen Ergebnisorientierung: Zielgenauigkeit der Versorgung Effiziente Zielerreichung/Leistungserbringung Qualitätssicherung der Versorgung/Behandlung Kostenorientierung: Kostenlenkung Kostensenkung Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 7
CM Orientierung im Gesundheitswesen Klug, Wolfgang: Case Management im US-amerikanischen Kontext (nach Moxley 1997); in: Löcherbach et al. (2005) S. 49 Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 8
Wo finden wir CM, mit welcher Orientierung? Arbeitgeber Ergebnisorientierung unabhängiges CM Patientenorientierung Ergebnisorientierung Prämien Patient / Versicherter Patientenorientierung Versicherung Kostenorientierung Systemorientierung medizinische Leistungen finanzielle Leistungen Behörden Systemorientierung Kostenorientierung Leistungserbringer Patientenorientierung Ergebnisorientierung Systemorientierung Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 9
CM in der Pflege: Ziele individuell richtige Menge an Pflege, Hilfe und Betreuung am individuell richtigen Ort zum individuell richtigen Zeitpunkt durch den individuell richtigen Leistungserbringer und dabei die individuell richtige Finanzierung regeln (Gesundheitsversorgung Stadt Basel) Schnittstellenmanagement (Systemorientierung): Geriatriespitäler Spitex Alterspflegeheime Ressourcenorientierung (früher Defizitorientierung) Früherkennung langwieriger Prozesse Regelung der Finanzierung: i. d. R. Mischfinanzierung Nutzniesser (Patienten, Angehörige, Versicherungen), Querfinanzierung, Projektfinanzierungen, Beiträge von Gemeinden/Kantonen Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 10
Warum hat CM in der Pflege soviel Bedeutung? Mehr Geriatriepatienten (Demografie) Mehr demente Patienten und chronisch Kranke Kürzere Klinikaufenthalte (DRG) Zunahme der Ein-Personen-Haushalte Angehörige sind mobiler (ziehen weiter weg) Mehr psychisch Kranke Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 11
CM in der Pflege: Beispiele in der Langzeitpflege Paraplegiezentrum Nottwil: Verein ParaHelp Nutzung der Case Management Methode bei der Wiedereingliederungsberatung Haus für Pflege Bern: CM vor, während und nach dem Aufenthalt IPW Winterthur: Gerontopsychiatrie, Netzwerk Alter in Winterthur Gesundheitsversorgung der Stadt Basel: integrierte Pflegeberatung Stadt Zürich: Gesundheitsnetz 2025, Projekt Kompass, Vernetzung der Leistungserbringer => über die Pflege hinausgehendes optimales CM Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 12
CM in der Pflege: Die Spitex als ideale CM Trägerschaft Die Spitex... hat eine enge Beziehung zu den Kunden und kennt diese sehr gut... kennt oft das soziale Umfeld der Kunden... ist regional sehr gut mit den Leistungserbringern vernetzt... kann vor, während und nach einem Spitalaufenthalt agieren Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 13
Beispiel Spitex Höfe Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 14
CM im der Pflege: Beispiele von CM in der Spitex Spitex Thalwil, etc. Onkoplus Stadt Zürich: Spitex Strategie 2014 (Erweiterung des Angebotes mit CM) Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 15
CM in der Pflege: Beispiele von CM im Spital Ziele Verkürzung der Aufenthaltsdauer (DRG), frühzeitige Austrittsplanung bzw. Übertritt in eine anschliessende Pflegeeinrichtung z. B. Kantonsspital Winterthur, Kantonsspital Aarau, Kantonsspital Luzern, Regionalspital Thun Betriebliches CM: Absenzenmanagement z. B. Kantonsspital St. Gallen, Epiklinik ZH Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 16
CM im ärztlichen Bereich: Hausarzt Beiträge des Hausarztes zum CM - Vertrautheit mit dem Patienten - Vertrautheit mit der Situation des Patienten (beruflich, familiär, sozial) -> Früherkennung - Regionales Beziehungsnetz zu Fachärzten, Therapeuten, Pflegeeinrichtungen Beiträge des Case Managers - Abklärung der Anforderungen am Arbeitsplatz - Abklärungen im sozialversicherungsrechtlichen Sektor - Prozessmanagement Fazit - Hausarzt und Case Manager ergänzen sich optimal - Fälle können rechzeitig erkannt werden - Mögliche Problematik: Statuskonflikte (Kooperation, Kommunikation, Aufgabenteilung) - Beispiel argomed Ärzte AG mit Suva Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 17
CM in Versicherungen Unfall- /Privatversicherung: Suva, Axa Winterthur, Swica,... Pensionskassen: Swiss Life Ziel: Senkung der Rentenzahlungen, (bessere und günstigere Behandlungen) Krankenkassen (Heilungskostenbereich): Swica, Sanitas, Helsana, Concodia,... Kostensenkungen (Behandlungskosten, Taggelder) Qualitätssteigerung (Behandlung, Dauer, Verlegung, Komplikationen, Administration) Kontrolle über Leistungserbringer (Tarife, Behandlungsdauer) Einsicht in Patientendaten Image (Kundenzufriedenheit) Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 18
CM in Versicherungen: Beispiel CM bei der SUVA Case Management ist Netzwerkmanagement mit dem Ziel, Unsicherheiten der betroffenen Person über die Zuständigkeit zu vermeiden, administrative Doppelspurigkeiten zu verhindern und die Wiedereingliederung zu fördern. (Homepage Suva) Anteil Fälle 50% 45% 5% Anteil Kosten 2% 18% 80% Die günstigsten 50% der Fälle (grün) verursachen 2% der Kosten Die teuersten 5% der Fälle (rot) verursachen 80% der Kosten (nach Dr. med. Ch. Ludwig, SUVA) Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 19
Unabhängiges CM Patientencoaching innerhalb des CM Verfahrens (bei starker Desorientierung) Thematisiert gegensätzliche Interessen unterschiedlicher Partner Besondere Kompetenzbereiche: z. B. Rechtsberatung Bearbeitung der Fälle, die bei anderen Institutionen durch die Maschen fallen? Wiedererwägungen: Eingliederung der schwerigen, nicht lösbaren Fälle? Aufträge durch: Arbeitgeber, Versicherer, Rechtanwälte, Ärzte, Behörden (Grossprojekte/CM Konzepte (Stadt Zürich)), Organisationen: Activita, Rehafirst, Cumvia, Movis, Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 20
Rahmenbedingungen für die Etablierung von CM im Gesundheitswesen Struktureller Bedarf im Gesundheitswesen: (Versorgungssituation der Bevölkerung, Bedarf bei Individuen, Qualität der Gesundheitsversorgung, Kostenträger) Trägerschaft (Orientierung, Nutzen, Rechtsform, Möglichkeit zu Allianzen) Informationstransfer (interdisziplinär, interprofessionell, interorganisatorisch) Handlungskompetenzen der Case ManagerInnen (allg. Know How im Gesundheitswesen und Sozial- und Versicherungsrecht, Sozialkompetenzen, Persönlichkeitskompetenzen, Auftrag, Methodenkompetenz, Selbstreflexion,...) Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 21
Gründe für die Existenz von CM aus ökonomischer Sicht Gesundheitswesen ist kein richtiger Markt Informationsasymmetrien Intransparenz der Versorgung Fragmentierung der Gesundheitsversorgung Korrektur von ökonomischen Fehlanreizen Hohe Komplexität Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 22
Fazit CM im Gesundheitswesen wird heute von Patienten/Versicherten erwartet und dient zur Kostenlenkung! Gleichzeitig profitieren die richtigen Patienten von den Leistungen des CM. CM im Gesundheitswesen verlangt:... Rechtzeitige Erkennung der CM-Fälle... Hohe Vernetzung der Akteure im Gesundheitswesen... Hohe Bereitschaft zur Interaktion... Patientennähe (Vertrautheit)... Gesicherte Finanzierung... Kosten-Nutzen Nachweis Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 23
... der umfassende Wandel... hin zu einer patientenzentrierten Ausrichtung... erfordert nicht nur strukturelle Veränderungen in den Institutionen, sondern auch neue Finanzierungsmodelle, welche wirksame Anreize für Patientenorientierung bieten. (Andreae A., Schröder S.; Patientenorientierung in der Integrierten Psychiatrie Winterthur; Managed Care 7, 2004, S. 19) Ursula Stupf-Bonhage 2009 Tagung Netzwerk CM 24