Kindgerechte Justiz 16. Oktober 2017 I 11:00 17:00 Uhr Deutsches Institut für Menschenrechte Zimmerstraße 26/27 I Berlin

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Transkript:

Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention Bericht Kindgerechte Justiz 16. Oktober 2017 I 11:00 17:00 Uhr Deutsches Institut für Menschenrechte Zimmerstraße 26/27 I 10969 Berlin Konsultation

DEUTSCHES INSTITUT FÜR MENSCHENRECHTE I KONSULTATION KINDGERECHTE JUSTIZ 2 Programm 11:00 Uhr Begrüßung Prof. Dr. Beate Rudolf, Direktorin Deutsches Institut für Menschenrechte 11:15 Uhr Vorstellungs- und Dialogrunde I Claudia Kittel, Leiterin Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention 12:15 Uhr Europarechtliche Vorgaben, Leitlinien für eine kindgerechte Justiz und Umsetzungsbeispiele Dr. Astrid Podsiadlowski, Bereichsleiterin Rechte des Kindes Grundrechteagentur der Europäischen Union 13:15 Uhr Mittagspause 14:15 Uhr Dialogrunde II Arbeitsgruppen Praxis und Änderungsbedarf Judith Feige und Dominik Bär, beide Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention Linda Zaiane, Deutsches Kinderhilfswerk 15:30 Uhr Kaffeepause 15:45 Uhr Vorstellung der Arbeitsgruppenergebnisse 16:15 Uhr Schlussrunde zu nächsten Schritten Prof. Dr. Stefan Heilmann, Vorsitzender Richter Oberlandesgericht Frankfurt am Main Dr. Cornelia Faber-Nolte, Referentin Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Claudia Fligge-Hoffjann, Referatsleiterin Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Astrid Podsiadlowski, Bereichsleiterin Rechte des Kindes Grundrechteagentur der Europäischen Union Moderation: Claudia Kittel, Leiterin Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention 17:00 Uhr Ende der Veranstaltung

DEUTSCHES INSTITUT FÜR MENSCHENRECHTE I KONSULTATION KINDGERECHTE JUSTIZ 3 Bericht zur Veranstaltung Jedes Jahr stehen nach Schätzungen der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) 2,5 Millionen Kinder in Europa vor Gericht, zum Beispiel als Beteiligte in familiengerichtlichen Verfahren, als Zeug_innen in strafrechtlichen Verfahren und, vor allem im Zuge der starken Zuwanderung, auch vermehrt in verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Um den Bedürfnissen von Kindern Rechnung zu tragen und insbesondere mit Blick auf Art. 12 der UN-Kinderrechtskonvention, das Recht auf Gehör eines jeden Kindes, sind die Staaten angehalten, ein kindgerechtes Justizsystem zu schaffen. Der Allgemeine Kommentar Nr. 12 zur UN- Kinderrechtskonvention macht genaue Vorgaben, wie das Recht auf Gehör des Kindes im Justizsystem ausgestaltet sein sollte. Auch der Europarat hat in Umsetzung der Sofia-Strategie Leitlinien für eine kindgerechte Justiz formuliert, die sich am Prinzip der besten Interessen des Kindes (Kindeswohl gemäß Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention) orientieren. Bei der Umsetzung der Vorgaben gibt es jedoch in Deutschland noch Verbesserungsbedarf. Nach Art. 12 der UN-Kinderrechtskonvention sind Kinder in allen das Kind berührenden Angelegenheiten anzuhören. In der Praxis findet indes nicht immer eine Anhörung statt; sogar bei den über 14-jährigen Jugendlichen erfolgte laut einer Studie im Jahr 2015 in 20 Prozent der Fälle keine Anhörung. Auch in anderen Punkten ist die Praxis Deutschlands nicht zufriedenstellend. So ergab eine Befragung von 48 Kindern und Jugendlichen, die 2014 im Auftrag der FRA durch das Deutsche Institut für Menschenrechte durchgeführt wurde, dass sich Kinder häufig sehr schlecht informiert, eingeschüchtert oder von den Erwachsenen nicht ernstgenommen fühlen. Um den Umgang mit Kindern in der Justiz zu beleuchten und Erfahrungen diesbezüglich auszutauschen, lud die Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte zu einer Konsultation. Am 16.10.2017 trafen sich Expert_innen, um die rechtlichen Vorgaben zu diskutieren und gemeinsame Lösungsansätze herauszuarbeiten. Anwesend waren Vertreter_innen aus unterschiedlichen Bereichen der Justiz und der Wissenschaft sowie des Justizministeriums und des Familienministeriums. Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, eröffnete die Veranstaltung. In ihrer Begrüßung wies sie darauf hin, dass es besonders wichtig sei, sich in die Perspektive des Kindes hineinzuversetzen, um den besten Interessen (Kindeswohl) bestmöglichen Ausdruck zu verleihen. Die Vielfalt der anwesenden Teilnehmenden spiegle die Vielfalt und Breite des Themas wider, dem man nur durch eine interdisziplinäre Herangehensweise gerecht werden könne. Claudia Kittel, Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention, hob die Rolle der Monitoring-Stelle hervor, die sich nach der Gründungsphase nun den Themen widmen könne, die ihr besonders wichtig erschienen und daher auch ein Augenmerk auf die kindgerechte Justiz legen wolle. In der anschließenden Vorstellungsrunde wurden die Erwartungen der Anwesenden sowie bestehende Vernetzungen zwischen den Teilnehmenden abgefragt. Dabei wurde deutlich, dass es zwar bereits Ansätze zum Thema kindgerechte Justiz gibt, die unterschiedlichen Bereiche aber bislang nur wenig kooperiert oder sich vernetzt haben. Es gebe viele interessante Initiativen, die aber zu wenig voneinander wüssten, so Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht. Auch Stefan Heilmann, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Frankfurt, sah hier Nachholbedarf: Die Tatsache, dass keine Fachkolleg_innen anwesend seien, zeige nicht zuletzt, dass die Justiz noch nicht ausreichend mit den anderen Ak-

DEUTSCHES INSTITUT FÜR MENSCHENRECHTE I KONSULTATION KINDGERECHTE JUSTIZ 4 tuer_innen vernetzt sei. Es wurde außerdem angemerkt, dass bei der Weiterbehandlung des Themas auch die Jugendämter miteinbezogen werden sollten, da diese in Verfahren, in denen Kinder beteiligt sind, immer eine wichtige Rolle spielten. Im Anschluss an diese erste Dialogrunde präsentierte Astrid Podsiadlowski, Bereichsleiterin Rechte des Kindes an der FRA, eine von ihrer Organisation durchgeführte Studie zum Thema kindgerechte Justiz. Bei der Studie wurden über 300 Kinder in elf EU-Mitgliedstaaten zu ihren Erfahrungen mit der Justiz befragt. In jedem Land gab es sowohl positive als auch negative Erfahrungsberichte. Dies zeige, so Podsiadlowski, dass es allzu oft von der jeweiligen Fachkraft abhänge, ob ein Kind positive Erfahrungen mit der Justiz mache. Speziell in Deutschland äußerten sich die Kinder positiv über ihre Erfahrungen mit der Polizei. Auch die in strafrechtlichen Verfahren übliche psychosoziale Prozessbegleitung wurde mehrheitlich positiv bewertet. Die Erfahrungen mit Verfahrensbeiständen waren hingegen sehr ambivalent. Die Kinder waren teilweise der Meinung, dass der Verfahrensbeistand nicht die Interessen des Kindes vertrat. Zudem fühlten sie sich häufig nicht ernst genommen oder nicht ausreichend informiert. Nicht zuletzt zeigt sie auch, dass Kinder aus Ländern, in denen Menschenrechte und speziell Kinderrechte in der Schule thematisiert werden, sich ihrer Rechte bewusster waren und dies auch zum Ausdruck brachten. Abschließend betonte Podsiadlowski, dass Kinder es grundsätzlich sehr schätzten, angehört zu werden. Trotz der insgesamt eher negativen Erfahrungen in gerichtlichen Verfahren, wollten sie nicht auf ihr Recht auf Beteiligung und auf Gehör verzichten. Die Motivation der Kinder, an der Studie teilzunehmen, rührte von dem Anspruch, die Situation von Kindern in Verfahren zu verbessern. Nach der Mittagspause diskutierten die Teilnehmenden in drei Kleingruppen und präsentierten ihre Ergebnisse anschließend im Plenum. Die von Dominik Bär, Judith Feige (beide Deutsches Institut für Menschenrechte) und Linda Zaiane (Deutsches Kinderhilfswerk) moderierten Gruppen orientierten sich dabei an vier Leitfragen, die mithilfe der am Vormittag erworbenen Erkenntnisse sowie eigenem Hintergrundwissen beantwortet werden sollten. Was sagen die rechtlichen Vorgaben zum Thema Kindgerechte Justiz? Wie geht die Justiz in der Praxis mit Kindern um? Welche Veränderungsnotwendigkeiten ergeben sich? Wer bremst, wer kann Veränderungen voranbringen? Aufgrund der Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden aus dem Bereich des Familienrechts kam, setzte man sich vor allem mit dem familiengerichtlichen Verfahren auseinander. Dabei wurde festgehalten, dass häufig sehr hohe Ansprüche an den Schutz der Kinder gestellt werden, während der Aspekt der Interessen des Kindes wenig Beachtung findet. Zudem führe die derzeitige Praxis dazu, dass Kinder vor einer Vielzahl an Personen immer wieder aussagen müssten, kritisierte Ursula Rölke vom Internationalen Sozialdienst. Dies liege vor allem in der Unklarheit hinsichtlich der Rollenverteilung begründet. Je komplizierter es ist, desto weniger spricht man mit dem Kind, bemerkte Rölke. John Oliver Haugg, selbst Verfahrensbeistand, betonte, dass es eine Person geben solle, die das Kind vor, während und nach dem gesamten Prozess begleitet.

DEUTSCHES INSTITUT FÜR MENSCHENRECHTE I KONSULTATION KINDGERECHTE JUSTIZ 5 Zudem könnte die psychosoziale Prozessbegleitung aus dem Strafrecht als Vorbild dienen. Nach Meinung von Cornelia Faber-Nolte vom Bundeministerium für Justiz und Verbraucherschutz ließe sich das Konzept der psychosozialen Prozessbegleitung sehr gut übertragen und könnte sowohl Schutzrechte als auch Beteiligungsmöglichkeiten des Kindes in den Mittelpunkt rücken. Unter diesem Gesichtspunkt könnte das Rechtsinstitut des Verfahrensbeistandes ausgebaut werden. Wichtig seien dabei die Unabhängigkeit des Verfahrensbeistands und die Möglichkeit des Kindes, auch nach dem Verfahren noch eine Ansprechperson zu haben. Auch sollten die Kinder bei der Auswahl ihres Verfahrensbeistands stärker einbezogen werden. Die drei Gruppen stellten auch die Frage nach der Qualifizierung der Richterschaft und inwieweit in diesem Zusammenhang die Ansprüche an eine kindgerechte Justiz erfüllt seien. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass vor allem im familiengerichtlichen Verfahren Richter_innen nicht nach ihrer Geeignetheit ausgewählt würden. Die Richter stellten die Weichen im Leben des Kindes, so Maud Zitelmann von der Frankfurt University of Applied Science. Daher sei bei der Urteilsfällung eine hohe Differenzierung wichtig, um den Belangen des Kindes gerecht zu werden. Um Richter_innen besser auf Verfahren vorzubereiten, in denen Kinder beteiligt sind, könnten die Justizministerien der Länder eine entsprechende Zusatzausbildung anbieten, so ein Vorschlag. Dabei sollte ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt und verschiedene Berufsfelder berücksichtigt werden. Die anschließende, von Claudia Kittel moderierte Podiumsdiskussion griff einzelne Aspekte, die in den Gruppen thematisiert worden waren, nochmals auf. Dabei wurde deutlich, dass vor allem bei der Qualifikation der Richter_innen angesetzt werden sollte. Eine Verpflichtung, sich fortzubilden, gibt es heutzutage nur in einzelnen Bundesländern, so dass es in der Regel eine individuelle Entscheidung bleibt, ob Richter_innen diese Möglichkeit wahrnehmen oder nicht. Astrid Podsiadlowski von der FRA bestätigte, dass vor allem in Frankreich und Deutschland die Unabhängigkeit der Richter ein häufig vorgebrachtes Argument sei, Fortbildungen nicht verpflichtend einzuführen. Gerade in Verfahren, in welchen Kinder beteiligt sind, ist dies aber nicht zufriedenstellend. Den Richter_innen sei nicht bewusst, was sie bei Kindern anrichten könnten, wenn sie sich nicht fortbildeten, stellte Stefan Heilmann klar. Dass es auch anders geht, zeigen Länder wie Großbritannien, Polen oder Kroatien, die anerkennen, dass Richter_innen in Verfahren, in denen Kinder beteiligt sind, nicht die alleinige Hauptrolle spielen. So finden teilweise indirekte Anhörungen statt, was durch eine gute Kommunikation von Jurist_innen und Psycholog_innen und weiteren Beteiligten ermöglicht wird. Das Podium war sich außerdem einig, dass Standards geschaffen werden müssten, an welchen sich die Justiz orientieren könne. Deutschland hat in diesem Bereich im Gegensatz zu anderen Staaten sehr wenig vorzuweisen. Astrid Podsiadlowski schlug vor, auf EU-Ebene einheitliche Standards einzuführen, um die Justiz kindgerechter zu gestalten. Eine Beteiligung von Kindern könnte beispielsweise dadurch ermöglicht werden, dass die Kinder entscheiden dürften, wo die Anhörung stattfinden solle. Wichtig seien zudem Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche, die in kindgerechter Weise informierten. Cornelia Faber-Nolte betonte, dass eine Vernetzung der einzelnen Akteur_innen unumgänglich sei. Dies gelte zum einen für die Vernetzung in der Praxis, zum anderen aber auch für die Vernetzung von Bund und Ländern.

DEUTSCHES INSTITUT FÜR MENSCHENRECHTE I KONSULTATION KINDGERECHTE JUSTIZ 6 Das abschließenden Fazit der Podiumsteilnehmenden zur Veranstaltung fiel positiv aus: Insbesondere der interdisziplinäre Austausch wurde einstimmig als sinnvoll betrachtet, um die Akteur_innen aus den verschiedenen Berufs- und Tätigkeitsfeldern miteinander zu vernetzen. Heilmann sprach von einer erfrischend unjuristischen Veranstaltung. Seiner Meinung nach müsse man versuchen, die Justiz von innen heraus für Maßnahmen hinsichtlich einer kindgerechten Justiz zu überzeugen, da die UN-Kinderrechtskonvention in der Justiz zwar bekannt sei, ihr in der Praxis aber zu wenig Bedeutung beigemessen würde. Claudia Fligge-Hoffjann vom Bundesfamilienministerium zeigte sich ebenfalls dankbar für den Austausch und rief das Deutsche Institut für Menschenrechte dazu auf, das Thema weiterzubearbeiten. Die UN- Kinderrechtskonvention sei in der Bevölkerung noch zu wenig bekannt; dabei müssten gerade die Kinder über ihre Rechte Bescheid wissen. Die Konsultation war der Startschuss für einen längeren Prozess, den eine Tagung des Deutschen Kinderhilfswerks im Jahr 2018 fortführen wird. (pac; endres)

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