DISSERTATION. zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin. der Medizinischen Fakultät. der Universität Ulm. vorgelegt von.

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Transkript:

Universitätsklinikum Ulm, Zentrum für Chirurgie, Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Ärztlicher Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Florian Gebhard Vergleichende biomechanische in vitro Untersuchung zur extramedullären vs. intramedullären Stabilisierung am Modell der instabilen medialen Schenkelhalsfraktur. DISSERTATION zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm vorgelegt von Stefanie Röderer aus Tettnang 2010

Amtierender Dekan: Prof. Dr. Thomas Wirth 1. Berichterstatter: PD Dr. Gert Krischak 2. Berichterstatter: Prof. Dr. Klaus Huch Tag der Promotion 09.12.2011

Inhaltsverzeichnis I Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis... III 1 Einleitung... 1 1.1 Die mediale Schenkelhalsfraktur... 1 1.2 Therapie der medialen Schenkelhalsfraktur... 3 1.2.1 Konservative Therapie... 3 1.2.2 Operative Therapie... 4 1.3 Ziel der Arbeit... 8 2 Material und Methoden... 9 2.1 Präparate... 9 2.2 Vorbereitung der Präparate und Röntgen... 9 2.3 Bestimmung der Knochendichte... 10 2.4 Osteotomiemodell... 11 2.5 Implantation... 12 2.5.1 Implantation der DHS-Blade... 13 2.5.2 Implantation des PFN-A... 18 2.6 Vorbereitung der Implantate für die mechanische Testung... 21 2.7 Goniometer Messsystem... 21 2.8 Mechanische Testung... 24 2.9 Statistische Auswertung... 27 3 Ergebnisse... 28 3.1 Geometrie der Präparate... 28 3.2 Knochendichte... 28 3.3 Zyklischer Belastungstest... 29 3.3.1 Dislokation in Varusrichtung... 30 3.3.2 Abweichung in die Rotation... 31 3.3.3 Abweichungen nach Anterior... 31 3.3.4 Belastung bis zum Versagen... 32 4 Diskussion... 34 4.1 Einfluss der Osteoporose auf die Frakturversorgung... 34 4.2 Einfluss helikal geformter Schenkelhalsklingen auf die Stabilität... 35 4.3 Primärstabilität der DHS-Blade und des PFN-A... 37

Inhaltsverzeichnis II 4.4 Einfluss des Osteotomiemodelles... 39 4.5 Simulation des Tractus iliotibialis... 40 4.6 Schlussfolgerung... 41 5 Zusammenfassung... 42 6 Literaturverzeichnis... 44 7 Danksagung... 53 8 Lebenslauf... 54

Abkürzungsverzeichnis III Abkürzungsverzeichnis AO ap BMD CCD CT 3D DGU DHS F kv LCP N n Nm PFN-A PMMA pqct ROI SOS t TEP Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen anterior / posterior bone mineral density (engl.: Knochenmineraldichte) Centrum Collum Diaphyse Computertomographie dreidimensional Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie Dynamische Hüftschraube Last Kilovolt locking compression plate Newton Anzahl Newtonmeter Proximal Femoral Nail-Antirotation Polymethylmethacrylat periphere quantitative Computertomographie region of interest Schraubenosteosynthese Zeit Totalendoprothese

1. Einleitung 1 1 Einleitung 1.1 Die mediale Schenkelhalsfraktur Mit zunehmender Lebenserwartung der Bevölkerung in den westlichen Industrienationen nimmt auch die Inzidenz sogenannter Altersfrakturen zu [26]. Ursache hierfür ist die altersbedingte Osteoporose, die in Verbindung mit einem niedrig-energetischen Trauma, typischerweise im Rahmen eines Sturzereignisses, zu Frakturen an den Prädilektionsstellen (proximaler Humerus, distaler Radius, proximales Femur, Wirbelsäule) führt [10,71]. Weitere Risikofaktoren neben dem Alter sind typische, häufig neurodegenerative Begleiterkrankungen, wie Morbus Parkinson oder Demenz, aber auch Seh- und Hörschwäche, die eine Gang- und Standunsicherheit verursachen und die Sturzneigung somit verstärken [53]. Innerhalb der Gruppe der Altersfrakturen sind die hüftgelenksnahen Femurfrakturen die am häufigsten operierte Verletzung [74]. In den USA beträgt die Inzidenz ca. 35.000 pro Jahr bei steigender Tendenz, was ca. 30% aller frakturbezogenen Krankenhausaufenthalte verursacht [61]. Die Mortalität während des Krankenhausaufenthaltes beträgt 4 %, weitere 10-35 % der Patienten versterben innerhalb des ersten Jahres nach der Fraktur [56]. Die Hälfte der Patienten erlangt das Aktivitätsniveau vor der Verletzung nicht wieder, was nicht selten den Verlust der sozialen Unabhängigkeit und anschließende Pflegebedürftigkeit bedeutet [94]. Neun von zehn Patienten mit hüftgelenksnaher Fraktur sind älter als 65 Jahre. Das weibliche Geschlecht ist dreimal häufiger betroffen bedingt durch die höhere Inzidenz der Osteoporose und eine höhere Frequenz an Sturzereignissen [53,93]. Die sozioökonomische Bedeutung hüftgelenksnaher Frakturen wird verdeutlicht durch jährliche Kosten zwischen 10,3 und 15,2 Milliarden US-Dollar [37,66]. Prognostisch bedeutsam ist zudem, dass in Zukunft der Anteil an über 65-Jährigen in den westlichen Industrienationen stark steigen wird, man rechnet mit einer Verdopplung bis zum Jahr 2040 [59]. Aktuelle Zahlen für die Situation in Deutschland liefert die Arbeitsgemeinschaft Alterstraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) [30,51,52]. Die Auswertung der Daten von 23 Millionen Versicherten aus den

1. Einleitung 2 Jahren 2002 bis 2004 ergab in 9,5 % (68.929 Fälle) der Krankenhausaufenthalte die Diagnose einer hüftgelenksnahen Fraktur. Der Inzidenzgipfel fand sich in der Altersgruppe über 85 Jahre (1,32 %). Die jährlichen Behandlungskosten werden auf 2-4 Milliarden Euro geschätzt. Für Deutschland geht man von einer Zunahme der Inzidenz von 3-5 % pro Jahr aus, was eine Steigerung von 40 % bis zum Jahr 2030 erwarten lässt. Das Verhältnis Trochanterregion zu Schenkelhals innerhalb der Gruppe der hüftgelenksnahen Frakturen wird mit 1:1,2 angegeben [13,14]. Bei den Schenkelhalsfrakturen werden wiederum die mediale und die laterale Fraktur unterschieden, wobei die laterale relativ selten ist. Sie kommt vor allem bei jüngeren Erwachsenen vor und ist zumeist Folge einer großen Krafteinwirkung [67]. Frakturen der Trochanterregion und des medialen Schenkelhalses haben hinsichtlich Pathogenese, Therapie und Prognose eine große Ähnlichkeit [67]. Für die mediale Schenkelhalsfraktur existieren zwei gängige Klassifikationssysteme, die Garden (Abb. 1) und die Pauwels Klassifikation (Abb. 2) [32,64]. Abb. 1: Garden-Klassifikation der medialen Schenkelhalsfraktur. I = eingestauchte, nicht dislozierte (unverschobene) Abduktionsfraktur (valgusimpaktiert). II = nicht dislozierte, komplette Fraktur (Adduktionsfraktur). III = teilweise dislozierte, komplette Fraktur (Adduktionsfraktur), Fragmente im Bereich der dorsalen Kortikalis noch verbunden. IV = komplett dislozierte Fraktur [31,97].

1. Einleitung 3 Klinisch relevant ist der Unterschied zwischen den nicht-dislozierten (Typ I und II) und den dislozierten Frakturen (Typ III und IV). Die Differenzierung zwischen den Typen I und II bzw. III und IV weist hingegen eine hohe inter- und intraindividuelle Variabilität auf und ist daher wenig reproduzierbar [29]. Die Pauwels-Klassifikation orientiert sich am Winkel zwischen der Horizontalen und dem Frakturverlauf (Abb. 2). Unterschieden werden drei Typen. Abb. 2: Pauwels-Klassifikation der medialen Schenkelhalsfraktur. Typ 1 = Winkel 30 Grad (flacher Frakturverlauf). Typ 2 = Winkel 30 50 Grad. Typ 3 = Winkel 70 Grad (steiler Frakturverlauf) [36]. 1.2 Therapie der medialen Schenkelhalsfraktur 1.2.1 Konservative Therapie Für die konservative Therapie eignen sich die eingestauchten bzw. nichtdislozierten Frakturen (Typ I und II nach Garden, Typ 1 nach Pauwels) [20,67]. Die Therapie erfolgt funktionell unter Teilbelastung für ca. sechs bis acht Wochen. Von großer Bedeutung sind engmaschige Röntgenkontrollen, um eine sekundäre Dislokation rasch zu erfassen und diese dann ggf. einer operativen Therapie zuführen zu können [25]. Das Risiko einer sekundären Dislokation ist hoch und

1. Einleitung 4 wird bei zunächst konservativ therapierter medialer Schenkelhalsfraktur in der Literatur mit bis zu 30 % angegeben [4,15,67]. Risikofaktoren für eine sekundäre Dislokation bei konservativer Therapie sind Begleiterkrankungen wie schwere Herzinsuffizienz, Schlaganfall, Malignome, Morbus Parkinson, dementielle Erkrankungen und auch das Alter des Patienten [27]. So liegt die Wahrscheinlichkeit für eine sekundäre Dislokation beim gesunden Patienten unter 70 Jahren bei 5 %, wohingegen das Risiko beim älteren Patienten mit mehreren Nebendiagnosen auf bis zu 79 % ansteigt [67]. Für die letztgenannte Gruppe sollte daher auch bei Vorliegen eines prinzipiell konservativ zu therapierenden Frakturtyps die primäre operative Stabilisierung erwogen werden. 1.2.2 Operative Therapie Prinzipiell sind bei der operativen Therapie die kopferhaltende und die kopf- bzw. gelenkersetzende Therapie zu unterscheiden. Es ist überwiegend Konsensus in der Literatur, dass bei Patienten unter 65 Jahren die kopferhaltende Therapie indiziert ist [17,47]. Umgekehrt gilt für Patienten über 84 Jahre, dass hier der Kopferhalt nicht indiziert ist, da schon sehr früh gezeigt werden konnte, dass in dieser Gruppe Osteosynthesen in bis zu 50 % fehlschlagen [11]. Das diese einfache, am chronologischen Alter ausgerichtete Systematik der Lebensrealität des älteren Menschen in einer westlichen Industrienation in der heutigen Zeit zunehmend weniger gerecht wird, findet seit Mitte der Neunziger Jahre seinen Niederschlag in der Literatur [19,83]. Die Autoren empfehlen eine differenziertere Betrachtung, um somit beispielsweise den biologisch jung gebliebenen 70- Jährigen mit hohem funktionellem Anspruch vom vorgealterten Patienten mit Anfang 60 Jahren zu unterscheiden. Hierzu wurden Scores entwickelt, um ein entsprechende Einschätzung des Patienten vornehmen zu können [70]. Schon früh wurde im Rahmen dessen der Osteoporose eine besondere Bedeutung beigemessen [83]. Beim Kopfersatz kann zum einen zwischen unipolarem und bipolarem Ersatz bzw. Hemiprothese unterschieden werden (Abb. 3). Die unipolare Prothese ist durch die

1. Einleitung 5 bipolare Prothese weitestgehend verdrängt worden, da für letztere eine bessere Beweglichkeit, weniger Schmerzen und ein größere Mobilität der Patienten gezeigt werden konnte [24]. Jüngere Studien zeichnen jedoch ein anderes Bild. So konnten Ong et al. [62] in ihrer retrospektiven Studie an 288 Patienten keinen Vorteil der teureren, bipolaren Hemiprothese hinsichtlich funktionellem Ergebnis und Komplikationsrate zeigen. Dasselbe Ergebnis berichten Raia et al. [68] in ihrer Studie mit prospektiven Design. Abb. 3: Unipolare (links) und bipolare Hemiprothese (rechts) als Femurkopfersatz [95]. Die bipolare Prothese weist im Gegensatz zur unipolaren im Kopfbereich zwei Komponenten auf, die miteinander artikulieren Die kopfersetzende Therapie kann auch mit einer Totalendoprothese (TEP) des Hüftgelenkes erfolgen (Abb. 4). Hinsichtlich der Indikation einer Hüft-TEP bei dislozierter, medialer Schenkelhalsfraktur besteht in der Literatur ein Dissens [34,76,89]. Die Autoren führen als Entscheidungskriterien eine vorbestehende Coxarthrose sowie das Aktivitätsniveau des Patienten vor der Fraktur bzw. das biologische Alter an.

1. Einleitung 6 Abb. 4: Hüft-Totalendoprothese (TEP). Hüftkopf und Gelenkpfanne werden durch die Prothese ersetzt [96]. Für die kopferhaltene Therapie stehen verschiedene Implantate zur Verfügung. Am weitesten verbreitet sind die dynamische Hüftschraube (DHS) und die kanülierte Schraubenosteosynthese (Abb. 5) [75]. Abb. 5: Dynamische Hüftschraube (DHS) und kanülierte Schraubenosteosynthese (SOS) [7,8].

1. Einleitung 7 Mit der klassischen DHS lassen sich Erfolgsraten von bis zu 95 % erzielen [55,75]. Die Komplikationsrate erhöht sich jedoch beträchtlich bei der Versorgung dislozierter bzw. instabiler Frakturen, bei vorbestehender Osteoporose oder wenn eine ungenügende Reposition vorliegt [58,88]. Eine häufige Form der Komplikation ist hierbei das Ausschneiden (englisch = cut out) der Schrauben durch den weichen spongiösen Knochen des Hüftkopfes [80,90]. Diese Komplikation zeigt eine hohe Korrelation mit der lokalen Knochendichte des proximalen Femurs und wird in klinischen Studien mit einer Häufigkeit von bis zu 6 % beschrieben [33,84]. Der Problematik der Implantatverankerung im osteoporotischen Femurkopf versucht man seit Ende der neunziger Jahre mit helikal geformten Schenkelhalsklingen zu begegnen (Abb. 6). Mit Erfolg wird dieses Konzept mit dem intramedullären PFN-A (Proximal Femoral Nail Antirotation, Synthes, Schweiz) in der Versorgung per- und subtrochantärer Femurfrakturen angewendet (Abb. 6) [33,49,50,81]. Die biomechanischen Vorteile eines intramedullären Kraftträgers werden hier mit einer minimalinvasiven Operationstechnik kombiniert [57]. Keine Indikation hat dieses Implantat derzeit für die Versorgung der medialen Schenkelhalsfraktur. Abb. 6: Proximal Femoral Nail - Antirotation (PFN-A). Links ist die an ihrem distalen Ende helikal geformte Schenkelhalsklinge abgebildet [86].

1. Einleitung 8 Eine Weiterentwicklung der klassischen DHS liegt seit kurzem mit der DHS-Blade (Synthes, Schweiz) vor. Auch hier wird eine helikal geformten Schenkelhalsklinge angewendet und mit dem klassischen Seitplattenkonzept der DHS kombiniert (Abb. 7) [91]. Für dieses Implantat konnte eine höhere Rotationsstabilität gezeigt werden. Klinische Erfahrungen mit diesem Implantat liegen bislang nicht vor. Abb. 7: Dynamische Hüftschraube (DHS)-Blade. Links ist die an ihrem distalen Ende helikal geformte Schenkelhalsklinge abgebildet [85]. 1.3 Ziel der Arbeit Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Primärstabilität eine intra- und einer extramedullären Osteosynthese am Osteotomiemodell der instabilen, medialen Schenkelhalsfraktur zu vergleichen. Beiden Implantaten gemeinsam ist, dass sie eine helikal geformte Schenkelhalsklinge verwenden. Als Hypothese wurde angenommen, dass der PFN-A aus biomechanischer Sicht eine intramedulläre Alternative für die Versorgung der medialen Schenkelhalsfraktur darstellt, die klinisch in minimalinvasiver Technik implantiert werden kann.

2. Material und Methoden 9 2 Material und Methoden 2.1 Präparate Die Untersuchung erfolgte an sechs Paaren humanen Femura (n = 12 Knochen), nachdem die Versuchsdurchführung durch die Ethikkommission der Universität Ulm genehmigt worden war (Ethikvotum 103/08). Vier Spender waren weiblichen und zwei Spender männlichen Geschlechtes. Das Durchschnittsalter der Präparate betrug 78,3 Jahre (± 7,2 Jahre; 69-87 Jahre). Für die Studie relevante Begleiterkrankungen (Deformitäten, schwere Arthrose mit Zysten, Neoplasien) oder Frakturen wurden mittels Röntgen ausgeschlossen. Die Osteoporose wurde als einzige strukturelle Begleiterkrankung akzeptiert, da mit den Präparaten die typische klinische Situation des alten Patienten möglichst genau simuliert werden sollte. 2.2 Vorbereitung der Präparate und Röntgen Nach Entfernung sämtlicher Weichteile erfolgte eine Röntgenuntersuchung der Präparate, um relevante Pathologien auszuschließen und eine standardisierte Bestimmung der Knochengeometire durchzuführen. Die Röhrenspannung betrug 45 kv bei einer Bestrahlungsdauer von 5 Minuten (Faxitron 43805N, Hewlett - Packard, Palo Alto, USA). Es erfolgten anthropometrische Messungen (Anthropometrie, griechisch = Wissenschaft von den Körpermaßen und den Maßverhältnissen des Menschen und ihrer Bestimmung) der Länge des Oberschenkelhalses (die lineare Entfernung zwischen der Basis des Trochanter major und dem Scheitelpunkt des Oberschenkelkopfes), des Durchmessers des Oberschenkelhalses und des Oberschenkelkopfes [45,46].

2. Material und Methoden 10 2.3 Bestimmung der Knochendichte Die Knochendichte (englisch = BMD = bone mineral density) wurde mittels peripherer quantitativer Computertomographie (pqct) bestimmt (XCT 960, Stratec, Pforzheim, Deutschland). Das hochauflösende Verfahren erlaubt eine dreidimensionale Bestimmung der Knochendichte in einem festgelegten Abschnitt eines peripheren Knochens mit einer in vitro Präzision von ca. 1 % [73]. Somit lassen sich sehr kleine Unterschiede in der Knochendichte präzise ermitteln. Aus einer Vielzahl von Absorptionsprofilen wird ein volumetrischer Querschnitt des entsprechenden Knochens ermittelt. Das System wird mit einem Hydroxyapatit Phantom der Dichte 262,5 mg/cm 3 kalibriert. Dieser Vorgang wurde nach jeweils 50 Scanvorgängen wiederholt. Die CT Scans haben eine Schichtdicke von 1mm, Ortsauflösung 0,590 mm und eine Matrixgröße von 128x128 Pixel. Zunächst wurde das gesamte proximale Femur gescannt und anschließend die Knochendichte im Zentrum des Femurkopfes an drei parallelen Schnitten in der Sagittalebene bestimmt, die in einem Winkel von 45 Grad zur Femurschaftebene verliefen (Abb. 8). Dies entspricht der Verankerungsregion der Implantate im Femurkopf. Der Abstand der drei Schnitte zueinander betrug 1 mm. Die Auswertung der Schnitte erfolgte mit der systemeigenen Software. Die Platzierung der ROI (englisch = region of interest) erfolgt auf den CT-Schnitten so, dass ausschließlich spongiöser Knochen ausgewertet wurde. Die Lagerung der Knochen bis zur Testung erfolgte bei -20 C.

2. Material und Methoden 11 Abb. 8: Anordnung der drei parallelen Schnittebenen im Femurkopf zur Bestimmung der Kochendichte mittels peripherer quantitativer Computertomographie (pqct). 2.4 Osteotomiemodell Vor Durchführen der Osteotomie wurden die Präparate über Nacht bei 4 C gelagert. Mittels standardisierter Sägeosteotomie wurde eine hochgradig instabile, mediale Schenkelhalsfraktur vom Typ AO (Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen) 31-B2 mit posteromedialen Defekt simuliert (Abb. 9). Das standardisierte Vorgehen beim Erzeugen der Osteotomien erlaubt die Vergleichbarkeit der Osteosynthesen sowohl innerhalb einer Gruppe, als auch zwischen den beiden Gruppen. Das instabile Frakturmodell stellt realistische Anforderungen an die Primärstabilität einer osteosynthetischen Versorgung, da dies die Fälle sind, die in der Klinik einer operativen Versorgung zugeführt werden. Somit ist eine gewisse Übertragbarkeit der Ergebnisse dieser Studie auf die in vivo Situation möglich. Zum Erzeugen der Osteotomie wurden die Femura in eine Sägeschablone eingespannt, die den Verlauf der Osteotomien vorgibt. Eine oszillierende Säge wurde verwendet. Der Schenkelhals wurde in einem Winkel von 20 zur

2. Material und Methoden 12 Femurschaftachse osteotomiert (Abb. 9). Zur Simulation des posteromedialen Defektes wurden zwei Keile entfernt. Ein posteriorer mit einem Winkel von 15 und ein medialer mit einem Winkel von 30. Der mediale Keil umfasst 50% des Durchmessers des Schenkelhalses (Abb. 9). Abb. 9: Schematische Darstellung des Osteotomiemodelles einer instabilen, medialen Schenkelhalsfraktur mit posteromedialen Defekt. Ansicht von dorsal. 2.5 Implantation Die Implantation erfolgte am gleichen Tag wie die Osteotomien, um einen erneuten Einfrier- bzw. Auftauvorgang zu vermeiden. Das Anbringen der Implantate erfolgte gemäß den OP-Anleitungen des Herstellers (Fa. Synthes). Die Versorgung mit der 135 DHS-Blade oder dem 130 PFN -A wurde innerhalb eines Paares Knochen randomisiert (Tab. 1). Um eine korrekte Positionierung der Implantate und eine anatomische Reposition der Fragmente zu ermöglichen,

2. Material und Methoden 13 wurden die Implantate vor Durchführen der Osteotomien angebracht und hierzu dann wieder entfernt. Tab. 1: Randomisierte Zuordnung der zwei Implantate zu den Präparaten (humane Femura). (DHS= Dynamische Hüftschraube; PFN-A= Proximal Femoral Nail-Antirotation) Probennummer Implantat Seite Alter (Jahre) 001 PFN-A Rechts 80 002 DHS Links 80 003 DHS Links 73 004 PFN-A Rechts 73 005 PFN-A Links 69 006 DHS Rechts 69 007 PFN-A Links 74 008 DHS Rechts 74 009 PFN-A Rechts 87 010 DHS Links 87 011 PFN-A Links 87 012 DHS Rechts 87 2.5.1 Implantation der DHS-Blade Die DHS-Blade wird in einer Gesamtlänge von 65 bis 145 mm angeboten. Die Länge der Helix variiert zwischen 20 mm (Gesamtlänge Klinge bis 80 mm), 25 mm (Gesamtlänge Klinge bis 100 mm) und 30 mm (Gesamtlänge Klinge bis 145 mm) bei einem Durchmesser von 12,5 mm. Die DHS-Blade kann mit einer herkömmlichen oder einer LCP (Locking Compression Plate) Seitplatte kombiniert werden (Abb.10). Die Klinge wird mit einem Drehmoment von 1,5 Nm verriegelt und so gegen Rotation gesichert. Die Implantation einer Antirotationsschraube, wie bei früheren Versionen der DHS, ist daher nicht erforderlich.

2. Material und Methoden 14 Abb. 10: DHS (Dynamische Hüftschraube) Klingen unterschiedlicher Länge, konventionelle und LCP (Locking Compression Plate) Seitplatte [85]. In der klinischen Anwendung erfolgt die geschlossene Reposition der Fraktur auf dem Extensionstisch. Es erfolgt ein lateralseitiger Zugang zum proximalen Femur, dessen Hautinizision etwas distal des Trochanter major beginnt und ca. 10 cm lang ist. Nach Durchtrennen des Tensor fasciae latae wird der darunter liegende Musculus vastus lateralis stumpf im Faserverlauf gespreizt, wodurch man einen direkten, lateralen Zugang zum proximalen Femurschaft erhält. Im eigenen Vorgehen wurde zunächst der Führungsdraht für die Blade entsprechend der gewünschten Position der DHS-Blade -in zentraler Position in der ap (= anterior / posterior) und axialen Ansicht- über das Zielinstrumentarium platziert, das entsprechend der präoperativen Bestimmung des CCD-Winkels am Röntgenbild die Implantation in einem Winkel zwischen 130 und 150 erlaubt (Abb. 11). Die Längenmessung für die DHS-Blade erfolgt über den Führungsdraht. Als Klingenposition hinsichtlich der Einbringtiefe wurde ein Tip Apex Abstand (= Abstand zwischen Klingenspitze und kortikaler Begrenzung des Femurkopfes) von 10 mm gewählt. Baumgaertner et al. [12] haben einen Gesamt Tip Apex Abstand (= Summe des Abstandes im ap und axialen Röntgenbild) von < 25 mm als

2. Material und Methoden 15 signifikanten Faktor zur Vermeidung eines Ausschneidens der Schenkelhalsklinge beim PFN-A beschrieben. Da in der vorliegenden Studie der Knorpel mit dem Draht perforiert wurde, um auch makroskopisch die korrekte Position bestimmen zu können, ließ sich dieses Vorgehen durch Abziehen von 10 mm problemlos standardisieren. Anschließend wurde mit dem Stufenbohrer die Blade gemäß der zuvor erfolgten Längenmessung vorgebohrt (Abb. 12). Bei schlechter Knochenqualität kann hierauf verzichtet werden, um den Halt des Implantates durch eine zusätzliche Verdrängung der Spongiosa nicht zu schwächen. Nacheinander wurden dann die DHS Seitplatte und die DHS-Blade mit dem Zielinstrumentarium verbunden (Abb. 13). Mit leichten Hammerschlägen wurde die DHS-Blade eingebracht. Die DHS-Seitplatte wurde dann in zentraler Position auf der lateralen Kortikalis des proximalen Femur ausgerichtet und mit einem Impaktor versenkt. Abschließend erfolgte die Fixierung derselben mit konventionellen, selbstschneidenden 4,5 mm Kortikalisschrauben (Durchmesser Bohrer 3,2 mm), die bikortikal verankert werden. Die Verriegelung der DHS-Blade zur Rotationssicherung erfolgt mit einem 1,5 Nm Drehmomentschraubenzieher (Abb. 14). Die korrekte Positionierung des Implantates wurde mittels Röntgen dokumentiert (Abb. 15) und die Präparate anschließend wieder bei -20 C gelagert. Abb. 11: Führungsdraht für die Klinge, der über das lateral an den Knochen anliegende Zielinstrument eingebracht wird. Der zweite abgebildete Draht (*) dient

2. Material und Methoden 16 in der klinischen Anwendung der Bestimmung der Antetorsion des Schenkelhalses [85]. Abb. 12: Stufenbohrer zum Vorbohren der Klinge. Die Detailansicht links oben zeigt die Skalierung des Bohrers, die entsprechend der Längenmessung über den Führungsdraht eingestellt werden kann [85]. Abb. 13: Einbringinstrumentarium für Klinge und Seitplatte [85].

2. Material und Methoden 17 Abb. 14: Rotationssicherung der Klinge mit dem Drehmoment Schraubenzieher Seitplatte [85]. Abb. 15: Röntgenkontrolle der DHS (Dynamische Hüftschraube)- Blade.

2. Material und Methoden 18 2.5.2 Implantation des PFN-A Das anatomische Design des Nagels weist einen medial-lateralen Winkel von 6 auf, was das einfache Einbringen des Implantates über die Spitze des Trochanter major ermöglicht (Abb. 6). Die Länge des Standard PFN-A beträgt 240 mm. Weitere Längen sind 170 mm, 200 mm und 300 420 mm (lange Version). Mit Ausnahme der langen Version des PFN-A erfolgt die Verriegelung distal statisch oder dynamisch. Der lange PFN-A kann distal zweifach verriegelt werden. In der klinischen Anwendung erfolgt die Lagerung des Patienten und die geschlossene Frakturreposition analog zum oben beschriebenen Vorgehen bei Anwendung der DHS-Blade. Eine ca. 5 cm lange Hautinzision erfolgt proximal und etwas dorsal des Trochanter major. Die dorsale Ausrichtung der Inzision entspricht der nach proximal fortgesetzten Antekurvation des Femurschaftes, um im weiteren Verlauf das problemlose Einführen der Instrumentarien und des Implantates zu ermöglichen. Schrittweise werden die Faszie des Musculus gluteus maximus eröffnet und dann dessen Fasern stumpf gespreizt. Das Aufsuchen des Eintrittspunktes mit dem Führungsdraht erfolgt dann unter Bildwandler. Im eigenen Vorgehen wurde der korrekte Eintrittspunkt, der sich auf der Spitze des Trochanter major befindet (Abb. 16), makroskopisch identifiziert und anschließend mit dem Führungsdraht eingegangen. Nach manuellem Eröffnen des Markraumes wurde der PFN-A mit Hilfe des Zielbügelinstrumentariums eingebracht (Abb. 17). Über die Zielhülse wurde der Führungsdraht für die Schenkelhalsklinge platziert, wobei wiederum die zentrale Position in der ap- und Seitansicht angestrebt wurde. Die Lage des Drahtes wurde makroskopisch kontrolliert, wozu der Knorpel des Femurkopfes perforiert wurde. Analog zum Vorgehen bei der DHS-Blade wurden auch hier von der Längenmessung über den Führungsdraht 10 mm abgezogen, um den standardisierten Tip Apex Abstand von 10 mm zu erhalten [12]. Die laterale Kortikalis wurde mit dem Bohrer eröffnet und anschließend die Klinge mit dem Stufenbohrer vorgebohrt. Diese wurde dann über das Führungsinstrumentarium eingebracht und verriegelt (Abb. 18). Abschließend wurde der PFN-A distal statisch verriegelt und die korrekte Lage des Implantates im Röntgenbild dokumentiert (Abb. 19). Die Präparate wurden dann bis zur weiteren Bearbeitung wieder bei -20 C gelagert.

2. Material und Methoden 19 Abb. 16: Eintrittspunkt auf der Spitze des Trochanter major in der Aufsicht auf ein linkes Femur [86]. Abb. 17: Einbringen des PFN-A (Proximal Femoral Nail - Antirotation) mit Zielbügel [87].

2. Material und Methoden 20 Abb. 18: Verriegelung der Schenkelhalsklinge über den Zielbügel durch Drehen des Schraubenziehers nach rechts ( lock ) [87]. Abb. 19: Röntgenkontrolle des PFN-A (Proximal Femoral Nail - Antirotation).

2. Material und Methoden 21 2.6 Vorbereitung der Implantate für die mechanische Testung Nach Implantation wurden die Femura auf eine Gesamtlänge von 19 cm gekürzt und in einen speziell angefertigten Metallzylinder in Polymethylmethacrylat (PMMA, Technovit 3040, Heraeus Kulzer GmbH, Wehrheim Deutschland) eingegossen. 2.7 Goniometer Messsystem Zur Messung der Relativbewegungen der Fragmente zueinander kam ein ultraschallbasiertes 3D-Echtzeit-Bewegungsanalyse System (CMS 70 P, Zebris, Isny, Deutschland) zum Einsatz. Das Verfahren beruht auf der kinematischen Analyse dreidimensionaler Ortskoordinaten und erlaubt Messungen mit einer Präzision von 0,1. Der Aufbau besteht aus zwei Mes ssonden, einem Sender und einem Empfänger (Abb. 20). Der Sender gibt gepulsten Ultraschall ab und der Empfänger misst den Zeitraum von der Abgabe bis zum Empfang des Signals, wodurch die relativen Bewegungen der beiden Kreuze zueinander im Koordinatensystem berechnet werden. Mit Hilfe der Datenerfassungs- und Datenauswertungssoftware (WinBioMechanics, Version 0.1.2., Zebris, Isny, Deutschland) können die Koordinaten graphisch dargestellt werden. Im Ergebnis erhält man die Absolutwinkel der einzelnen Bewegungen in drei Ebenen, die im Frakturspalt entstehen.

2. Material und Methoden 22 Abb. 20: Sender (vorne) und Empfänger des ultraschallbasierten Bewegungsanalyse Systems. Sender und Empfänger wurden in einer gedachten Linie angebracht, die vom Zentrum des Femurkopfes ausgeht und durch die Mitte des Schenkelhalses verläuft. Der Sender wurde auf dieser Linie am proximalen Femurschaft und der Empfänger im Zentrum des Femurkopfes befestigt. Sowohl Sender als auch Empfänger wurden parallel zur Osteotomie in allen Ebenen ausgerichtet (Abb. 21). Abweichungen des Kopffragmentes entlang der x-achse (Varus / Valgus), der y- Achse (Rotation) und z-achse (anterior / posterior) wurden mit der Herstellersoftware (WinBioMechanics, Version 0.1.2., Zebris, Isny, Deutschland) aufgezeichnet (Abb. 22).

2. Material und Methoden 23 Abb.21: Montage der beiden Messsonden am Präparat. y x Abb. 22: Koordinatensystem der drei Achsen (x, y, z) im Raum, entlang derer die Abweichung des Kopffragmentes gemessen wurde. z

2. Material und Methoden 24 2.8 Mechanische Testung Vor Durchführen des Testes wurden die Knochen über Nacht bei 4 C aufgetaut und dann die letzten drei Stunden vor dem Test bei Raumtemperatur gelagert. Eine Materialtestmaschine (TMTC-FR 010 TH, Zwick, Ulm, Deutschland) wurde verwendet. Jede Probe wurde in 6 Valgusstellung fi xiert (Abb. 23) [45]. Die Oberschenkelknochen wurden entsprechend der Modifizierung von Roberts et al. [69] distal eingespannt und proximal auf den Hüftkopf belastet. Eine geformte Gelenkpfanne, die auf einem Ersatzbecken fixiert war, übertrug die Belastung direkt auf den Oberschenkelkopf. Die Belastung erfolgte indirekt durch die Simulation der auf das Becken einwirkenden Gewichtskraft. Das Körpergewicht wurde durch eine Kraft simuliert, die auf das Ersatzbecken wirkte und von der Materialprüfmaschine erzeugt wurde. Das dadurch relativ zum Hüftkopfzentrum erzeugte Drehmoment wurde durch ein Zuggurtungssystem auf der lateralen Seite des Femur kompensiert, analog dem Vorgehen bei Krischak et al. [45]. Das Zuggurtungssystem bestand aus einer Metallkette mit 10 mm Breite, das seitlich befestigt wurde, um die Muskelgruppe am Darmbein zu simulieren. Diese Kette verlief über den Trochanter major und weiter parallel zum Schaft, analog dem Tractus iliotibialis, und wurde an der Schale am distalen Femurende befestigt [16,45]. Die Kette im Bereich des Trochanter major wurde durch eine kleine Blechplatte geführt, um sowohl ein Abrutschen der Kette vom Trochanter major, als auch ein Einschneiden der Kette in denselben zu vermeiden (Abb. 24). Die Kette war auf Höhe der Seitplatte der DHS-Blade durch eine Aluminiumbrücke unterbrochen, um einen Kontakt mit der Platte zu vermeiden. Zur Standardisierung des Versuchsaufbaus wurde dieses Element auch bei der PFN-A Gruppe verwendet. Jedes Segment der Kette wurde durch einen Schraubmechanismus ausgerichtet, so dass die Fixierung unter kontrollierter Vorlast nivelliert werden konnte. Die Kraftmessdose war auf einem Rollenlager zur Vermeidung der bei dem Lastversuch auftretenden Scherkräfte während der Testung frei gelagert.

2. Material und Methoden 25 Abb. 23: Versuchsaufbau. Das Präparat ist in kranio-kaudaler Ausrichtung und in 6 Valgusstellung fixiert. Die Kraftmessdose ist au f einer Kugellagerplattform gelagert, um Scherkräfte zu vermeiden. Abb. 24: Detailansicht des Versuchsaufbaus. Der rote Pfeil weist auf das Blechplättchen hin, dass die Kette zur Simulation des Tractus iliotibialis führt, um ein Einschneiden in den Knochen oder ein Abrutschen zu vermeiden.

2. Material und Methoden 26 Das Bewegungsanalyse-System wurde, wie oben beschrieben, an die Präparate angebracht. Vor Beginn der Testung wurde eine Vorlast von 50 N appliziert, um sicher zu stellen, dass die Fragmente vollständigen Kontakt miteinander hatten. Die Präparate wurden sinusförmig mit drei vollständigen Zyklen einer axialen Last von 200 N bei einer Geschwindigkeit von 10 mm / min belastet. Beim letzten Zyklus wurde die maximal Last für 10 s gehalten. Für die Analyse wurde nur der dritte Zyklus ausgewertet (Abb. 25). Der Beginn der Messung lag bei 50 N zwischen dem zweiten und dem dritten Zyklus, das Ende bei 50 N nach Beendigung des dritten Zyklus. Demselben Protokoll folgend wurde die Testung mit 400 N, 600 N, 800 N und 1000 N wiederholt bzw. bis die Osteosynthese versagte. Als Versagen wurde eine makroskopisch sichtbare, plastische Deformierung der Osteosynthese definiert, die stets mit einer irreversiblen, negativen Steigung der Last-Deformitätskurve einherging. Das Maximum der Last- Deformitätskurve wurde als maximale Versagenslast ( load to failure ) definiert. Lastzyklen, bei denen es zum Versagen kam, gingen in die Analyse der Abweichung des Kopffragmentes nicht mit ein, sondern wurden lediglich zur Bestimmung der maximalen Versagenslast verwendet. Abb. 25: Schema der zyklischen mechanischen Testung. Nach Aufbringen einer Vorlast von 50 N wurden drei vollständige Lastzyklen (hier mit 200 N) appliziert. Die Messung erfolgte über einen Zeitraum von 10 Sekunden während des dritten Zyklus. Im weiteren Verlauf wurde die Last auf 400 N, 600 N, 800 N und 1000 N oder bis zum Versagen der Osteosynthese gesteigert (N= Newton; s= Sekunden; F= Last in Newton; t= Zeit in Sekunden).

2. Material und Methoden 27 2.9 Statistische Auswertung Deskriptiv wurden der Mittelwert sowie die Standardabweichungen (Maximum und Minimum) der Geometrie der Präparate, der Knochendichte und der Analyse der Abweichung des Kopffragmentes ermittelt (Statview, Abacus, Palo Alta, USA). Beim Vergleich der Mittelwerte wurde eine Normalverteilung vorausgesetzt. Eine Irrtumswahrscheinlichkeit p < 0,05 wurde als signifikant definiert. Beim Vergleich mehrerer Mittelwerte gegeneinander erfolgte eine Varianzanalyse (ANOVA). Es wird getestet, ob das arithmetische Mittel der Strichproben sich signifikant vom arithmetischen Mittel der Grundgesamtheit unterscheidet. Bei Signifikanz im ANOVA wurde ein post-hoc-test nach Bonferoni bei gepaarten Stichproben verwendet, um Unterschiede zwischen einzelnen Mittelwerten zu detektieren.

3. Ergebnisse 28 3 Ergebnisse 3.1 Geometrie der Präparate Die Ergebnisse für die anthropometrischen Messungen des Durchmessers des Femurkopfes und des Schenkelhalses, der Länge des Schenkelhalses und des CCD-Winkels (Centrum-Collum-Diaphysen- Winkel) sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen ließen sich für keinen Parameter feststellen (p > 0,05). Tab. 2: Ergebnisse der anthropometrischen Messungen der zwei Präparate DHS (Dynamische Hüftschraube)-Blade und PNA-A (Proximal Femoral Nail - Antirotation). (CCD = Centrum- Collum-Diaphyse; n= Anzahl). DHS-Blade Gruppe (n = 6) PFN-A Gruppe (n = 6) Gesamt (n = 12) Durchmesser Femurkopf 45,2 (± 3,3) 45 (± 4) 45,1 (± 3,5) (Mittelwert, mm) Durchmesser Schenkelhals 30,7 (± 2,1) 31,2 (± 2,4) 30,9 (± 2,2) (Mittelwert, mm) Länge Schenkelhals 100,5 (± 8,8) 99 (± 8,5) 99,8 (± 8,3) (Mittelwert, mm) CCD-Winkel (Mittelwert, Grad) 132 (± 2,3) 130,3 (± 4,1) 131,2 (± 3,3) 3.2 Knochendichte Die Knochendichte der Präparate (englisch: Bone Mineral Density = BMD) betrug für das gesamte Kollektiv im Mittelwert 319,3 mg/cm 3 ± 26,4 mg/cm 3. Für die DHS-

3. Ergebnisse 29 Blade Gruppe betrug dieser Wert 323,2 mg/cm 3 ± 32,2 mg/cm 3 und die PFN-A Gruppe 315,5 mg/cm 3 ± 21,4 mg/cm 3. Ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen bestand nicht (p > 0,05). Tab 3: Knochendichte der einzelnen Präparate als Mittelwert aus drei Messungen Probennummer Knochendichte (mg/cm 3 ) 001 326,0 002 319,0 003 334,4 004 311,4 005 300,2 006 348,7 007 342,4 008 370,2 009 296,3 010 278,0 011 293,4 012 311,9 3.3 Zyklischer Belastungstest Die Messung konnte an allen sechs Paaren (n = 12 Knochen) durchgeführt werden. Alle Knochen konnten mit mindestens 200 N belastet werden. Zum Versagen bei 400 N kam es bei zwei Knochen aus der PFN-A Gruppe. Bei 600 N versagten jeweils drei Knochen beider Gruppen. Bei 800 N versagte ein Knochen der PFN-A Gruppe und zwei der DHS-Blade Gruppe. Bei 1000 N versagte ein Knochen (DHS-Blade Gruppe). Die größte Fragmentdislokation fand bei beiden Gruppen in den Varus statt, gefolgt von der Außenrotation und der Dislokation nach Anterior.

3. Ergebnisse 30 3.3.1 Dislokation in Varusrichtung In der DHS-Blade Gruppe fanden sich höhere Werte für die anguläre Dislokation in Varus-Richtung bei 400 N (DHS-Blade n = 6, PFN-A n = 6) und bei 600 N (DHS-Blade n = 6, PFN-A n = 4). Gleiche Werte für beide Gruppen fanden sich bei 200 N (DHS-Blade n = 6, PFN-A n = 6) und bei 800 N (DHS-Blade n = 3, PFN-A n = 1). Für die DHS-Blade Gruppe zeigte sich die größte Dislokation in Varusrichtung. Für die PFN-A-Gruppe war dies sowohl in Varusrichtung, als auch in Außenrotation der Fall. Ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen ließ sich nicht feststellen. Abb. 26: Rotationsabweichung in Varusrichtung in Grad ( ) be i Implantation des PFN-A bzw. der DHS-Blade in humane Femurpräparate. Die Punkte bzw. Dreiecke geben die jeweiligen Mittelwerte und die Balken die dazugehörigen Standardabweichungen wieder. (PFN-A= Proximal Femoral Nail - Antirotation; DHS= Dynamische Hüftschraube; n= Anzahl; N= Newton).

3. Ergebnisse 31 3.3.2 Abweichung in die Rotation Für die Auswertung der Abweichung in die Rotation konnte die gleiche Anzahl an Präparaten in beiden Gruppen herangezogen werden, wie bei der Dislokation in Varusrichtung. Mit Ausnahme der Belastung mit 800 N zeigte sich in der DHS- Blade Gruppe eine größere Abweichung in Rotation. Jedoch ließ sich auch im Falle der Rotation kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen feststellen. Abb. 27: Abweichung Rotation in Grad ( ) bei Implantation de s PFN-A bzw. der DHS-Blade in humane Femurpräparate. Die Punkte bzw. Dreiecke geben die jeweiligen Mittelwerte und die Balken die dazugehörigen Standardabweichungen wieder. (PFN-A= Proximal Femoral Nail Antirotation; DHS= Dynamische Hüftschraube; n= Anzahl; N= Newton). 3.3.3 Abweichungen nach Anterior Dieselbe Anzahl an Präparaten wie bei der Abweichung in Varus und Außenrotation ging in die Auswertung der Abweichung nach Anterior ein. Insgesamt wies die Abweichung nach Anterior sowohl in der DHS-Blade Gruppe,

3. Ergebnisse 32 als auch in der PFN-A-Gruppe den geringsten Dislokationsgrad von allen drei Richtungen auf. Statistisch signifikante Unterschiede ließen sich auch für diese Dislokationsrichtung nicht feststellen. Abb. 28: Interfragmentäre Rotation nach Anterior in Grad ( ) bei Implantation des PFN-A bzw. der DHS-Blade in humane Femurpräparate. Die negativen Werte entsprechen einer Dislokation nach Posterior. Die Punkte bzw. Dreiecke geben die jeweiligen Mittelwerte und die Balken die dazugehörigen Standardabweichungen wieder. (PFN-A= Proximal Femoral Nail - Antirotation; DHS= Dynamische Hüftschraube; n= Anzahl; N= Newton). 3.3.4 Belastung bis zum Versagen Die maximale Kraft (F max ) beim Versagen der Osteosynthese war im Mittel in der DHS-Blade Gruppe mit 872,5 N (± 252,2 N) höher als in der PFN-A Gruppe (708,4 N ± 176,8). Ein statistisch signifikanter Unterschied ließ sich jedoch nicht nachweisen.

3. Ergebnisse 33 Abb. 29: Box plot der maximalen Versagenskraft (F max ) in Newton (N) getrennt nach den beiden Gruppen: DHS (Dynamische Hüftschraube)-Blade und PFN-A (Proximal Femoral. Nail - Antirotation). Der untere bzw.- obere Boxrand definiert das 1. bzw. 3. Quartil. Somit liegen 50 % der Daten innerhalb der Box. Die untere und obere Querlinie (Whiskers) stellen die 10% und die 90% Perzentile dar. Die außerhalb der Whiskers liegenden Punkte geben das Minimum und das Maximum der Werte (Extremwerte) an. Der häufigste makroskopische Versagensmodus in beiden Gruppen war die Impaktierung in den Varus (DHS-Blade n = 5, PFN-A n = 4). Ein cut-out der Schenkelhalsschraube trat bei zwei Knochen aus der PFN-A-Gruppe auf. Ein Auslockern oder Bruch der Platte bzw. des Nagels oder von Kortikalisschrauben kam nicht vor.

4. Diskussion 34 4 Diskussion 4.1 Einfluss der Osteoporose auf die Frakturversorgung Die klassische DHS ist ein weit verbreitetes Implantat in der kopferhaltenden Versorgung der medialen Schenkelhalsfraktur, für das hohe Erfolgsraten beschrieben sind [75,83]. Die Komplikationsrate erhöht sich jedoch beträchtlich bei der Versorgung instabiler Frakturtypen, osteoporotischer Knochenqualität, ungenügender Reposition oder Fehlplatzierung der Schenkelhalsklinge [77,78]. Eine häufige Komplikation hierbei ist das Durchschneiden (englisch = cut-out) der Schrauben durch den spongiösen Knochen im Femurkopf mit varischer Fragmentverkippung [3,9,77,78]. In klinischen Studien wird dieses Phänomen mit einer Häufigkeit von bis zu 6 % beschrieben [33]. Die Bedeutung der Osteoporose hierbei belegen die Daten von Leichter [48] und Swiontkowski [83], die eine signifikante Relevanz zwischen diesem Versagensmechanismus und der Knochenmineraldichte zeigen konnten. Der in seiner Dichte verminderte Knochen bietet hierbei ein ungenügendes Widerlager für das Implantat, weswegen es beim Überschreiten der maximal tolerablen Last zur Dislokation kommt. Lotz et al. [54] haben die in vitro tolerable Kompressionskraft von spongiösen Knochen als Quotienten aus Knochendichte und Gesamtmasse des Präparates beschrieben. Der PFN-A hat bislang keine Indikation zu Versorgung medialer Schenkelhalsfrakturen, weswegen entsprechende klinische Daten fehlen. Die Untersuchung einer früheren Version des PFN, bei der analog zur klassischen DHS neben der Schenkelhalsklinge ebenfalls eine Antirotationsschraube eingesetzt wurde, ergab mit 8 % cut-out bei der Versorgung osteoporotischer, pertrochantärer Femurfrakturen eine vergleichbare Inzidenz dieser Komplikation [3]. In der vorliegenden Studie wurden daher ausschließlich Femura von osteoporotischer Knochenqualität verwendet, wie die Bestimmung der Knochenmineraldichte zeigt, um ein klinisches worst-case Szenario zu simulieren [45,91,92].

4. Diskussion 35 Die Osteoporose ist eine Systemerkrankung des Skelettes, die mit einer Reduktion der Knochenmasse einhergeht als Folge einer Rarefizierung der Knochenbälkchen. Unterschieden werden die primäre (ca. 95 %) und die sekundäre Form. Die Ätiologie der primären Form ist bislang weitestgehend ungeklärt, jedoch werden Östrogenmangel und Immobilisation eine wichtige Rolle zugeschrieben. Entsprechend wird die primäre Osteoporose in einen Typ I und einen Typ II unterteilt. Der Typ I ist Folge des postmenopausalen Östrogenmangels und der Typ II (senile oder Altersosteoporose) betrifft Frauen und Männer gleichermaßen ab dem 60. Lebensjahr. Die sekundäre Osteoporose ist Folge von unterschiedlichen Grunderkrankungen, wie Malignomen, Stoffwechsel- und Bindegewebserkrankungen etc. [6,22]. Zwischen Osteoporose und Frakturinzidenz besteht ein klarer Zusammenhang. Das einfache Sturzereignis führt in Verbindung mit schlechter Knochenqualität zu Frakturen an den typischen Prädilektionsstellen (proximaler Humerus, distaler Radius, proximales Femur, Wirbelsäule), den sogenannten Altersfrakturen [18,23]. Wie bereits aufgeführt, stellt die Osteoporose aber nicht nur einen Risikofaktor für das Erleiden einer Fraktur dar, sondern erschwert auch die Implantatverankerung bei osteosynthetischer Versorgung, was wiederum das Risiko des Versagens der Osteosynthese erhöht [1,39]. So berichten Kim et al. [40] über eine Versagensrate von mehr als 50% bei osteosynthetischer Versorgung von osteoporotischen pertrochantären Femurfrakturen. Bonnaire [17] beschreibt die Osteoporose als den entscheidenden prognostischen Faktor bei der kopferhaltenden Versorgung der medialen Schenkelhalsfraktur. 4.2 Einfluss helikal geformter Schenkelhalsklingen auf die Stabilität Mit dem Ziel der verbesserten Verankerung im osteoporotischen Knochen und Verminderung der Rate an cut-out bei der Versorgung hüftgelenknaher Frakturen wurden Ende der neunziger Jahre Schenkelhalsklingen mit helikaler Form entworfen [49,50,81]. Durch Einbringen des Implantates kommt es zu einer volumetrischen Verdichtung der Spongiosa um das Implantat herum. Die viskoelastischen Eigenschaften des so verdichteten, spongiösen Knochens werden für

4. Diskussion 36 eine verbesserte Verankerung des Implantates verantwortlich gemacht [21,35,43,44]. Eine kontroverse Theorie beschreibt im Gegensatz dazu eine Mikrofrakturierung der spongiösen Trabekelstruktur im Rahmen der spongiösen Verdichtung, was avitalen Knochen um das Implantat zur Folge hat und eine vorzeitige Implantatlockerung begünstigen könnte [44,82]. Die Bedeutung der spongiösen Verdichtung in diesem Zusammenhang ist somit nicht abschließend geklärt. Erstmals wurde für die DHS das Konzept einer helikalen Schenkelhalsklinge unter Verzicht auf die Antirotationsschraube und in Verbindung mit dem extramedullären Seitplattenkonzept der klassischen DHS in Form der DHS-Blade vorgestellt [91]. In ihrer biomechanischen Studie verglichen Windolf et al. [91] die Primärstabilität der DHS-Blade mit der klassischen DHS im Osteotomiemodell der instabilen medialen Schenkelhalsfraktur. Es zeigte sich 50% mehr Implantatmigration im Femurkopf für die klassische DHS sowie eine statistisch signifikant höhere Überlebenswahrscheinlichkeit für die DHS-Blade. Neben der spongiösen Verdichtung führten die Autoren ihre Ergebnisse auf eine größere Implantatoberfläche der helikalen Blade zurück, die senkrecht zur einwirkenden Kraft angeordnet ist, wodurch eine verbesserte Lastverteilung und Stressreduktion an der Kontaktfläche Implantat-Knochen resultiert. Außerdem schneiden die stumpfen Enden der helikalen Blade weniger stark in den Knochen ein als ein klassisches Schraubengewinde. Die Bedeutung der spongiösen Verdichtung beim Einbringen der helikalen DHS- Blade wurde in einer weiteren Studie von Windolf et al. [92] untersucht. Die Autoren beschreiben eine spongiöse Verdichtung von 30% nach Einbringen der DHS-Blade ohne Vorbohren. Mit Vorbohren fand sich eine statistisch signifikant geringere (ca. 20%) Verdichtung. Die Bestimmung der Ausdehnung des spongiösen Knochens nach Entfernen der Blade zeigte, dass mit Vorbohren ca. 10% plastische Deformierung verblieb, während ohne Vorbohren eine vollständige Ausdehnung stattfand. Das Ausdehnen des Knochens nach Entfernen des Implantates wird als spring back effect beschrieben [42].

4. Diskussion 37 Der PFN-A wendet das Konzept der helikalen Klinge ebenfalls unter Verzicht auf eine Antirotationsschraube und in Verbindung mit einem intramedullären Kraftträger an. Sowohl in biomechanischen als auch klinischen Studien zeigten sich verbesserte Ergebnisse hinsichtlich Implantatversagen mit cut-out und Fragmentdislokation bei der per- und subtrochantären Femurfraktur [33,49,50,81]. In ihrer biomechanischen in vitro Studie haben Strauss et al. [81] zwei intramedulläre Kraftträger mit unterschiedlich konfigurierter Schenkelhalsklinge (Helix vs. Schraubengewinde) am Modell der instabilen pertrochantären Femurfraktur verglichen. Für die Helix konnte eine signifikant höhere Stabilität gezeigt werden. Auch Al-Munajjed et al. [2] haben anhand eines biomechanischen in vitro Vergleiches zwischen einer helikal geformter Schenkelhalsklinge und einem herkömmlichen Schraubengewinde eine höhere Rotationsstabilität und Ausreißkraft für die Helix beschrieben. Ein neuer Ansatz zur weiteren Verbesserung der Implantatverankerung im osteoporotischen Knochen ist die Zementaugmentation [60,80]. Hierbei wird über die Klingen im Schenkelhals bzw. Femurkopf Knochenzement eingebracht, um den Halt derselben im osteoporotischen Knochen weiter zu verbessern [63]. Derzeit wird eine multizentrische Studie der AO durchgeführt, in der die Ergebnisse der Zementaugmentation der helikalen Schenkelhalsklinge des PFN-A zur Versorgung per- und subtrochantärer Femurfrakturen untersucht werden. Die Resultate dieser Studie stehen aktuell noch aus. 4.3 Primärstabilität der DHS-Blade und des PFN-A In der klinischen Anwendung ist die Primärstabilität von großer Bedeutung, da das Maß derselben wesentlich darüber entscheidet, wie der Patient nachbehandelt werden kann [4]. Insbesondere bei geriatrischen Patienten, die typischerweise die hüftgelenksnahe Fraktur im Rahmen eine Bagatelltraumas erleiden, ist eine hohe Primärstabilität erforderlich, um eine rasche Rehabilitation zu ermöglichen. Andernfalls drohen eine länger andauernde Immobilisation und akute Komplikationen, wie Thrombosen, Embolien oder Dekubitalulcera bzw. mittel- bis

4. Diskussion 38 langfristig der Verlust der sozialen Unabhängigkeit [56]. Hinzu kommt, dass betagte Patienten häufig Einschränkungen der kognitiven Funktion aufweisen, die es ihnen erschweren oder gar unmöglich machen, einem anderen Nachbehandlungsschema als der sofortigen Vollbelastung zu folgen [94]. Somit ist für die kopferhaltende Versorgung der medialen Schenkelhalsfraktur eine möglichst hohe Primärstabilität zu fordern, die die sofortige freifunktionelle Nachbehandlung des Patienten ermöglicht. Auf die Bedeutung der (Primär-) Stabilität für die Vermeidung des typischen cut-out nach Osteosynthese einer hüftgelenksnahen Fraktur ist bereits eingegangen worden. Klinische Daten, die Rückschlüsse auf die Primärstabilität der beiden untersuchten Implantate in der Versorgung der instabilen medialen Schenkelhalsfraktur zulassen könnten, existieren bislang nicht. Für die DHS-Blade ist dieser Aspekt bislang lediglich experimentell untersucht worden, wie zuvor dargelegt [91,92]. Der PFN-A ist derzeit nicht für die Versorgung der medialen Schenkelhalsfraktur zugelassen, weswegen auch hier entsprechende klinische Daten fehlen. Für die per- und subtrochantäre Femurfraktur konnten jedoch verbesserte Ergebnisse sowohl in biomechanischen als auch klinischen Studien gezeigt werden [33,41,65,72,81]. In der vorliegenden in vitro Studie ließen sich keine statistisch signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Primärstabilität zwischen der DHS-Blade und dem PFN-A im Osteotomiemodell der instabilen, medialen Schenkelhalsfraktur zeigen. Hinsichtlich der klinisch relevantesten Dislokationsrichtung (Varus) zeigte die DHS-Blade bei 400 N und 600 N tendenziell etwas mehr interfragmentäre Bewegung bei gleichen Werten bei 200 N und 800 N. Die mittlere maximale Versagenslast war bei der DHS-Blade höher, jedoch konnte auch hier keine statistische Signifikanz nachgewiesen werden. Obgleich mit der helikal geformten Schenkelhalsklinge bei beiden Implantaten dasselbe Prinzip angewendet wird, gibt es Detailunterschiede im Design, die das leicht unterschiedliche, wenngleich statistisch nicht signifikante, biomechanische Verhalten möglicherweise erklären. Der Durchmesser der Helix der DHS-Blade ist etwas größer als der des PFN-A (12,5 mm vs. 10,55 mm). Die Länge der Helix (30 mm) und die Gewindesteigung (100 mm) sind hingegen bei beiden Implantaten identisch. Die höhere mittlere maximale Versagenslast der DHS-Blade ist