Zum Zwischenentscheid nach Art. 237 ZPO

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Transkript:

Zum Zwischenentscheid nach Art. 37 ZPO Prof. Dr. Art. 37 ZPO Zwischenentscheid Das Gericht kann einen Zwischenentscheid treffen, wenn durch abweichende oberinstanzliche Beurteilung sofort ein Endentscheid herbeigeführt und so ein bedeutender Zeitoder Kostenaufwand gespart werden kann. Der Zwischenentscheid ist selbständig anzufechten; eine spätere Anfechtung zusammen mit dem Endentscheid ist ausgeschlossen.

Mit jedem individualisierten Rechtsbegehren das zugleich einen Streitgegenstand bildet behauptet die Ansprecherin, Anrecht auf Zusprechung von Rechtsschutz in der beantragten Form zu haben. Ob sie wirklich diesen behaupteten Anspruch auf Rechtsschutz hat, hängt von dreierlei ab: () von der prozessualen Zulässigkeit einer Prüfung der Begründetheit ihrer Sachrechtsfolgebehauptung, () vom positivem Ausgang der Begründetheitsprüfung und (3) von der Klagebarkeit des bejahten Sachanspruchs, d.h. dessen Eignung, Rechtsgrundlagen für die Zusprechung des beantragten Rechtsschutzes zu bilden. Bei einer auf Erlass eines Zwischenentscheids angelegten Verfahrensgestaltung wird eine Frage ins Zentrum gerückt. Diese erlangt damit einen Behandlungsvortrag, sie wird zur Schlüsselfrage. Ihre Besonderheit: gegenteilige Beurteilung würde sofort zu einem Endentscheid führen, weil dann eines der unverzichtbaren Elemente, deren es für die Zusprechung des mit der Klage beantragten Rechtsschutzes bedarf, fehlen würde.

Ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 37 ZPO liegt etwa vor, weil die jeweils gegenteilige Beurteilung zu einem Endentscheid führen würde, wenn das Gericht feststellt, dass: a. das Rechtsschutzgesuch doch formgerecht eingereicht wurde; b. die beklagte Partei doch keine Immunität vor der Gerichtsbarkeit des angerufene Gerichts geniesst; c. die klagende oder Gesuch stellende Partei doch ein schutzwürdiges Interesse an der sachlichen Beurteilung ihres Rechtsschutzgesuches hat; d. das Gericht doch sachlich oder örtlich zuständig ist; e. die Parteien doch partei- und prozessfähig sowie prozessführungsbefugt sind; f. die Sache nicht anderweitig rechtshängig ist; g. die Sache nicht bereits rechtskräftig entscheiden wurde; h. die verlangten Kautionen doch rechtzeitig geleistet wurden; i. die Klagefrist nicht verpasst wurde; j. die zur Begründung des eingeklagten Sachanspruchs in Frage kommenden Rechtsgründe nicht (alle) verjährt sind; 3

k. die Sachlegitimation der Klägerin (Aktivlegitimation) bzw. der Beklagten (Passivlegitimation) doch gegeben sind; l. die Beklagte der Klägerin dem Grundsatz nach doch haftet; m. die Beklagte ein Kündigungsrecht nicht rechtsgültig ausgeübt hat. Lässt sich diese Liste noch erweitern? Insbesondere: Ist ein Zwischenentscheid ferner etwa denkbar, um das auf die Streitsache anwendbare Recht festzustellen, oder um das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien zu qualifizieren? 4

Art. 9 BGG Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und den Ausstand Gegen selbständige eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandbegehren ist die Beschwerde zulässig. Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden. Art. 93 BGG Andere Vor- und Zwischenentscheide Gegen andere selbständige eröffnete Vor- und Zwischenentscheide oder die Zuständigkeit und über Ausstandbegehren ist die Beschwerde zulässig. a. wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder b. wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. 5

Art. 93 BGG Andere Vor- und Zwischenentscheide [... betrifft nicht Zivilsachen...] 3 Ist die Beschwerde nach den Absätzen und nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken. Das worst case scenario tritt ein, wenn sich ein unteres kantonales Gericht durch Zwischenentscheid auf eine falsche Fährte begibt, die obere kantonale Instanz dies indes nicht merkt, das Bundesgericht auf eine (erste) Beschwerde gegen den Rechtsmittelentscheid nicht eintritt, worauf die untere kantonale Instanz (immer noch nichts ahnend auf der falschen Fährte schreitend) einen Endentscheid fällt, der auf Rechtsmittel hin die obere kantonale Instanz schützt (insbesondere auch bezüglich der Frage, die Gegenstand des Zwischenentscheids bildete, den sie bereits im ersten Rechtsmittelzug bestätigt hatte). 6

Nun kommt die Sache zum zweiten Mal vor das Bundesgericht, welches just die Frage, die Gegenstand des Zwischenentscheids bildete, gegenteilig beurteilt und die Sache an die kantonalen Instanzen zur weiteren Behandlung auf dem richtigen Weg zurückweist. Es sind aber auch better case scenarios vorstellbar... fertig 7