Tagungsbericht Integration im Sozialraum

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Transkript:

Tagungsbericht Integration im Sozialraum INTESO Integration im Sozialraum: Lokale Konzepte zur Vernetzung und Steuerung zivilgesellschaftlicher und institutioneller Ressourcen in der Arbeit mit Flüchtlingen Tagung Integration im Sozialraum 15.06.2018, Hochschule Düsseldorf Projektleitung Prof. Dr. Ulrich Deinet Dr. Anne van Rießen Wissenschaftliche Mitarbeit Kai Hauprich, M.A. Katja Jepkens, M.A. Lisa Scholten, M.A.

Tagung Integration im Sozialraum Das Forschungsprojekt INTESO lud am 15.06.2018 zur zweiten Tagung zum Thema Integration im Sozialraum ein. Die zweite Fachtagung des Forschungsprojekts zielte auf einen Wissenschaft-Praxis-Transfer, indem aktuelle Forschungsergebnisse zum Stand und zu Gelingensbedingungen der sozialräumlichen Integration geflüchteter Menschen wissenschaftlich betrachtet und damit einhergehende Herausforderungen sowie Beispiele gelungener Praxis mit den Anwesenden diskutiert wurden. Die Tagung stieß auf ein breites Interesse unterschiedlicher Personengruppen. Der Einladung folgten insgesamt rund 100 Personen, darunter ehrenamtlich Tätige, Mitarbeiter_innen von Trägern lokaler Integrationsarbeit, Wissenschaftler_innen, sowie Mitarbeiter_innen kommunaler Verwaltungen (etwa der Kommunalen Integrationszentren) aus Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen und ganz Deutschland. 1 Begrüßung und Auftakt Prof. Dr. Ulrich Deinet begrüßte als einer der Projektleiter_innen des Forschungsprojektes INTESO die Anwesenden und gab nach einem kurzen Rückblick auf die erste Tagung des Projekts im Juni 2017 einen Ausblick auf das Programm der aktuellen Fachtagung. Er betonte die unverändert hohe Relevanz des Themas, mit dem sich sowohl INTESO als auch die anderen im Rahmen der Tagung beteiligten Wissenschaftler_innen auseinandersetzen: der Integration neuzugewanderter Menschen, die im Unterschied zu zentralen gesetzlichen Normen, die Zuwanderung und Integration regeln vor Ort, in der einzelnen Kommune, in der jeweiligen Nachbarschaft, erfolgen kann und muss. Der Fokus der Tagung richtete sich dem folgend einerseits auf die Vielfalt in der lokalen Umsetzung zentraler Vorgaben und im Umgang mit derselben Herausforderung, andererseits auf die Identifizierung erfolgsfördernder Faktoren und generalisierbarer Erkenntnisse aus den vorgestellten Forschungsergebnissen.

2 Das Forschungsprojekt INTESO Das Forschungsprojekt INTESO Integration im Sozialraum. Lokale Konzepte zur Vernetzung und Steuerung zivilgesellschaftlicher und institutioneller Ressourcen in der Arbeit mit Flüchtlingen wird vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW im Rahmen des Programms Geistes- und Gesellschaftswissenschaften in NRW, Förderlinie Forschung zu Flucht und Integration, gefördert. Zudem besteht eine Kooperation mit den Düsseldorfer Stadtbezirken 5 und 6, den dort ansässigen Welcome Points und der Landeshauptstadt Düsseldorf (Amt für Migration und Integration, Jugendamt). INTESO startete im September 2016 mit einer Projektlaufzeit von drei Jahren. Es untersucht in den Düsseldorfer Stadtbezirken 5 und 6 Möglichkeiten sozialräumlicher Integrationsarbeit und nimmt dafür vor allem die Entwicklung der auf Stadtbezirksebene angesiedelten sozialräumlich arbeitenden Welcome Points als intermediäre Instanzen in den Blick. 2.1 INTESO Forschungsdesign und Rückblick Dr. Anne van Rießen, Gastprofessorin an der Hochschule Düsseldorf, führte als eine der Projektleiter_innen in die Thematik ein, indem sie das Forschungsdesign von INTESO vorstellte und einen Rückblick auf die bereits unternommenen Schritte und deren Zwischenergebnisse gab. Die Stadt Düsseldorf hat in Reaktion auf den verstärkten Zuzug Geflüchteter seit dem Jahr 2015 sozialräumliche ausgerichtete Welcome Points initiiert, die eine Beratungs-, Informations- und Vernetzungsarbeit auf Stadtbezirksebene leisten sollen, indem sie bestehende Ressourcen nutzen, vernetzen und koordinieren und neue (haupt- und ehrenamtliche) Ressourcen einbinden. INTESO fragt nach der möglichen Rolle einer intermediären Instanz wie die Welcome Points sie darstellen bei der sozialräumlichen Integrationssteuerung. In einem ersten Schritt wurde die Situation in den beiden untersuchten Bezirken erfasst, indem Schlüsselpersonen vor Ort sowohl in Einzel- als auch in Gruppenerhebungen zu sozialräumlichen Veränderungen und zu vor Ort aktiven Akteur_innen und -gruppen sowie deren Zusammenarbeit befragt wurden. Dr. van Rießen fasst erste Ergebnisse zusammen: 1. Die Situation in Düsseldorf ist zurzeit durch die Ver-Regelung ehemals neuer Herausforderungen gekennzeichnet. Dies bedeutet, dass das vormals häufig in Interims- oder Sonderregelungen aufgehende Thema der Integration Geflüchteter nun sukzessive in bestehende oder neu geschaffene reguläre Systeme bzw. Steuerungsinstrumente integriert wird. 2. Bezüglich der relevanten Felder der Integrationsarbeit (Arbeit/ Beschäftigung, Bildung, Wohnen und Freizeit/ Zivilgesellschaft) sind ehrenamtliche Unterstützer_innen vor allem im Bereich der Integration in die Zivilgesellschaft unentbehrlich. 3. Die kommunale Ebene der Integrationsarbeit spielt eine große Rolle für die Arbeit auf der sozialräumlichen Ebene. Die Vernetzung zwischen diesen Ebenen ist sehr dicht. Dabei lässt sich unterscheiden zwischen Netzwerken als informeller Querverbindung und Netzwerken als Formalstrukturen. Weiter stellt sich hier die Frage nach den Beteiligten und der Nutzung der Netzwerke.

Darauf aufbauend wurden weitere Forschungsschritte konzipiert, um im ersten Schritt entstandene Ergebnisse zu vertiefen, zu erweitern oder anfänglich blinde Flecken zu bearbeiten: 1. Dazu zählt eine genauere Betrachtung der Strukturen vor Ort: Welche Angebote sind bekannt und werden von wem (nicht) genutzt? Welche Gründe werden dafür genannt? Dies kann Hinweise zu einer Weiterentwicklung der Welcome Points und eines sozialräumlichen Integrationssteuerungsmodells liefern. 2. Zudem rückt die Verhältnisbestimmung von ehrenamtlichen und professionellen Tätigkeiten in den Fokus: Wer übernimmt welche Aufgaben und Tätigkeiten? In welchen Handlungsfeldern ist ein Einsatz Ehrenamtlicher sinnvoll? Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen? 3. Auch eine Ergänzung der institutionellen um die subjektive Perspektive ist zu nennen. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Perspektive der Nutzer_innen von Angeboten, hier der Geflüchteten, kann dazu beitragen. Aufgrund dessen wurden für 2018 zusätzlich a) Interviews mit Expert_innen auf kommunaler Ebene, b) eine Online-Umfrage unter haupt- und ehrenamtlich Tätigen in Düsseldorf und c) eine Befragung geflüchteter Jugendlicher und junger Erwachsener konzipiert und umgesetzt. Aus zwei dieser Bausteine werden im Rahmen der Tagung erste Ergebnisse präsentiert. 2.2 Online-Befragung Katja Jepkens und Kai Hauprich, wissenschaftliche Mitarbeiter_innen bei INTESO, präsentierten erste Ergebnisse einer quantitativen, standardisierten Online-Befragung, die im März und April 2018 durchgeführt wurde und sich an Personen richtete, die in ihrer haupt- oder ehrenamtlichen Tätigkeit mit Geflüchteten Menschen arbeiten. An der Befragung beteiligten sich 250 Personen, je circa zur Hälfte Haupt- und Ehrenamtliche. Während der Großteil der befragten Haupt- und Ehrenamtlichen Netzwerke und Kooperationen nutzt und schätzt, zeigen sich divergierende Netzwerkstrategien Ehren- und Hauptamtlicher im Hinblick auf die Formalisierung und den Kooperationsstil. So erleben Ehrenamtliche eine niedrigere Wirkmächtigkeit als Hauptamtliche und vernetzen sich im Gegensatz zu Hauptamtlichen (eher interorganisational) eher intraorganisational. Dies ist insofern zu problematisieren, als Reziprozität und subjektive Wirkmächtigkeit als Bedingung für die Aufrechterhaltung des ehrenamtlichen Potentials betrachtet werden können. Die für die eigene Arbeit förderlichen bzw. hinderlichen Faktoren wurden zu drei Faktorenbündeln zusammengefasst, die jeweils Faktoren auf Ebene der Interaktion, der Struktur und des Individuums beinhalten. Neben der Bereitstellung von Ressourcen (Personal, Zeit, Geld) wurden Kommunikation, Vernetzung und Kooperation als zentrale Gelingens- bzw. Misslingensfaktoren der Arbeit deutlich herausgestellt. Die Welcome Points in Düsseldorf sind dem Großteil der Befragten bekannt, ca. zwei Drittel davon nutzen diese Einrichtungen, vor allem zur Information über vorhandene Angebote für Geflüchtete, zur Kontaktaufnahme zu Gremien aus der Flüchtlingsarbeit (v.a. Ehrenamtliche) oder zur Bekanntgabe eines eigenen Angebots für Geflüchtete (v.a. Hauptamtliche). Als Gründe für die Nicht-Nutzung der (Angebote der) Welcome Points wurden neben fehlendem Bedarf und organisatorischen Gründen auch inhaltliche Gründe genannt. Aus diesen Antworten wurden a) stellenweise Konkurrenzen zwischen den Welco-

me Points und anderen Akteur_innen vor Ort und b) Informationsdefizite auf Seiten der Befragten sichtbar. Insgesamt verweisen die Ergebnisse erneut auf die große Bedeutung der Vernetzung, Kommunikation und Zusammenarbeit aller Beteiligten und bestätigen damit bereits vorhandene Erkenntnisse aus dem Projektkontext. Sie legen zudem konkrete Ansatzpunkte für eine Verbesserung des Status quo offen. 2.3 Raumerleben junger Geflüchteter Lisa Scholten, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei INTESO, und Prof. Dr. Ulrich Deinet stellten Ergebnisse der sozialräumlichen Jugendbefragung vor, die im Rahmen des vom Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung (FGW) finanzierten Projektes Raumerleben junger Geflüchteter im April 2018 in den Düsseldorfer Stadtbezirken 5 und 6 durchgeführt wurde. Ziel des Projekts ist es, Aussagen zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Aktions- und Lebensräumen sowie den daraus resultierenden Bedarfen Jugendlicher und junger Erwachsener mit und ohne Fluchterfahrung zu treffen, indem (un-)beliebte Räume/Orte, die (Nicht- )Nutzung von Jugend- und Beratungseinrichtungen sowie die Mobilität der jungen Menschen untersucht werden. Dazu wurden sozialräumliche Beteiligungsmethoden sowie Interviews mit Jugendlichen und Schlüsselpersonen durchgeführt, deren Ergebnisse im Dialogforum am 30.06.2018 validiert werden sollen. Im Rahmen der Untersuchung wurden u.a. ca. 300 junge Menschen anhand der Nadelmethode sozialräumlich befragt und 26 Kurzinterviews geführt. In einer Einführung in theoretische Bezüge des Sozialraumbegriffs stellte Prof. Dr. Ulrich Deinet das Modelle der (konzentrischen) ökologischen Zonen und das Inselmodell gegenüber und legte die zentralen Begriffe Spacing und Syntheseleistung dar, die das Raumaneignungshandeln beschreiben. Erste Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich die befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Fluchterfahrung nicht stark von jenen ohne Fluchterfahrung unterscheiden. Die Nutzung von Freizeitangeboten in Einrichtungen wie z.b. Jugendfreizeiteinrichtung, aber auch Sportvereinen, fördert die Integration aller Jugendlichen. Beliebte Orte erfüllen in der Regel die Kriterien der Niederschwelligkeit. Angst- und Konflikträume stehen u.a. im Zusammenhang mit Diskriminierungserfahrungen. Bei der Konzipierung von Angeboten gilt der Hinweis, dass für junge Geflüchtete insbesondere Angebote/Freizeitbeschäftigungen von Interesse sind, welche niederschwellig und kostenlos sind. Zum Aneignungsverhalten ist zu ergänzen, dass die Lebenswelten sich zwar an geografischen Aspekten, aber auch an der subjektiven Bedeutung orientieren. Die Aneignungs- und Lebenswelten sind also nicht deckungsgleich mit Sozialräumen und gehen nicht konzentrisch von der eigenen Wohnung/Unterkunft aus. Jugendliche und junge Erwachsene mit Fluchthintergrund präferieren dabei noch häufiger Orte außerhalb von Düsseldorf.

3 Integration im Sozialraum: Forschungsergebnisse aus anderen Kommunen Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Integration neuzugewanderter Menschen findet an vielen Orten statt. Wissenschaftler_innen dreier Institutionen, die an Forschungsprojekten beteiligt sind und waren, welche sich aus unterschiedlichen Perspektiven dem gemeinsamen Thema Integration vor Ort nähern, wurden eingeladen, um ausgewählte Ergebnisse ihrer Projekte vorzustellen. 3.1 Prof. Dr. Schahrzad Farrokhzad: Kommunales Management der Migrations- und Integrationsarbeit Prof. Dr. Schahrzad Farrokhzad von der Technischen Hochschule Köln, Institut für Interkulturelle Bildung und Entwicklung (INTERKULT), stellte Aufbau und Ergebnisse der Studie Impulse für Innovationen in der Migrations- und Integrationsarbeit vor, die das Kommunale Integrationszentrum der Stadt Köln beauftragte sowie finanzierte, und die in den Jahren 2016 und 2017 in Kooperation mit der context GbR Köln durchgeführt wurde. Für die Studie wurden sechs Kommunalverwaltungen (Frankfurt, Solingen, Stuttgart, Essen, Zürich und München) anhand von Dokumentenanalysen (v.a. Integrationskonzepte) und Expert_innen-Interviews hinsichtlich generalisierbarer Erfolgsfaktoren und Handlungsempfehlungen sowie andernorts erfolgreicher Ansätze innovativen Umgangs mit Migration und Integration untersucht, um Impulse für die gesamtkommunale Strategie der Stadt Köln abzuleiten. Eingangs sprach Prof. Dr. Farrokhzad die aktuelle Bearbeitung des Themas Integration vor Ort an und stellt dabei sowohl die langfristige Perspektive auf Migration als Normalität, als auch die Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte hin zu einer systematischeren Bearbeitung und Erforschung des Themas in den Vordergrund. Anschließend stellte sie einzelne Aspekte der Integrationskonzepte, deren Gemeinsamkeiten und diverse Besonderheiten anhand konkreter Beispiele vor und ging abschließend auf die abgeleiteten Handlungsempfehlungen ein. Unter anderem wies sie auf Gestaltungsspielräume bei der Berichterstattung und Datenerfassung im Bereich Integration hin und betonte die Bedeutung kontinuierlicher Arbeit an den Konzepten (in Form von Fortschreibung und Aktualisierung) sowie der Verankerung von Integration bzw. Diversity als Querschnittsaufgabe. Dabei sei auf umfassende Partizipation und gegenseitige Anerkennung aller Beteiligten zu achten. Eine weitere Empfehlung betraf die Vernetzung der Kommunen. Erfahrungen anderer Kommunen könnten systematischer genutzt werden, um voneinander zu lernen und Synergien zu schaffen. Sie betonte insge-

samt die Bedeutung von Teilhabe aller Menschen und machte Diversität an Stelle einer eindimensionalen Fokussierung auf das Thema Migration stark. 3.2 Vera Schwarzenberg und Felix Leßke: Sozialräumliche Integration von Flüchtlingen in Hamburg, Köln und Mülheim an der Ruhr Vera Schwarzenberg und Felix Leßke sind wissenschaftliche Mitarbeiter_innen in den Kölner Flüchtlingsstudien unter der Leitung von Prof. em. Dr. Jürgen Friedrichs am Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS) der Universität zu Köln. Die Studie hat eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren und wird von der Fritz-Thyssen-Stiftung, der Körber Stiftung und dem FGW gefördert. Sie stellten im Rahmen der Tagung ausgewählte Ergebnisse der Studie vor. In drei Kommunen (Mülheim/Ruhr, Hamburg und Köln) werden in je zwei Wohngebieten Einwohner_innen, Geflüchtete und Expert_innen befragt. Die Studie untersucht die generelle Einstellung zu Geflüchteten und Unterkünften für Geflüchtete und die Akzeptanz von Geflüchteten und Unterkünften im eigenen Wohngebiet. Dabei schaut sie auf Unterschiede und setzt diese in Zusammenhang mit sozialstrukturellen Merkmalen der Quartiere. Die vorgestellten Ergebnisse zeigen Unterschiede zwischen den untersuchten Wohngebieten auf und geben somit Hinweise darauf, dass tendenziell a) in den Wohngebieten mit höherem Sozialstatus eine höhere Akzeptanz von Geflüchteten im eigenen Wohngebiet und eine positivere Einstellung Geflüchteten gegenüber vorliegen, b) die Personen, die stärkere Ängste in Zusammenhang mit Zuwanderung haben, auch weniger Geflüchteten in ihrem Wohngebiet akzeptieren, c) (auch indirekte) Kontakte zu Geflüchteten dazu führen, mehr Geflüchteten im eigenen Wohngebiet zu akzeptieren, d) ein höheres Einkommen und ein höherer Bildungsstand mit weniger Ängsten und einer höheren Akzeptanz einhergehen. Die Einstellung zum Thema zeigt sich als global: meist weisen die Befragten eine negative oder positive Einstellung zu Geflüchteten generell auf und zugleich zu der Einrichtung von Unterkünften im eigenen Wohngebiet. Dies wiederum fällt zusammen mit der Ausprägung der empfundenen Ängste. 3.3 Ralf Zimmer-Hegmann: Gelingende soziale Integration im Quartier? Ralf Zimmer-Hegmann ist Forschungsgruppenleiter Sozialraum Stadt am ILS Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung ggmbh in Dortmund und war dort Koordinator des Projekts Gelingende Integration im Quartier. In seinem Vortrag hielt er fest, dass zum Thema bereits umfangreiche empirische Befunde der letzten Jahre vorliegen, in denen die Integration im Sozialraum intensiv erforscht wurde und formuliert basierend darauf zehn Thesen. Dabei betonte er, dass trotz der Konjunktur sozialräumlicher Ansätze das Thema nicht ohne die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen gedacht werden könne, die sie beeinflussen. Beim Blick auf die unterschiedlichen Sozialräume (hier differenziert er Stadt und Land sowie sozialstrukturell schwache und starke Quartiere) werde sichtbar, dass viele Sozialräume Potentiale für die Integration von Neuzuwanderern bergen können und ggf. einer passgenauen Unterstützung für deren Entfaltung bedürfen. Diese wiederum kann auf Basis von Sozialraumanalysen präzise erfolgen. Die Verteilung der Neuzugewanderten auf Sozial-

räume sei dabei nicht politisch zu steuern (Bsp. Wohnsitzauflage), sondern vielmehr über die Gestaltung der Infrastruktur und Bedingungen vor Ort. Für die sozialräumliche orientierte Forschung und praktische Arbeit gab er zu bedenken, dass für Menschen mit Fluchterfahrung aufgrund ihrer hohen Mobilität die Bedeutung von Ortsbindungen durchweg geringer ist. Insgesamt stellte er die Bedeutung integrierter Arbeits- und Kooperationsstrukturen auf gesamtstädtischer und kleinräumiger Ebene bei der Aufnahme und Integration von Geflüchteten in den Fokus. Diese Form der Zusammenarbeit sei trotz ihrer Erfolge in den letzten Jahren mancherorts wieder rückläufig, sodass eine sektorale Routine wieder einkehre. Als erfolgsfördernd stellte er weiter a) dezentrale Unterbringungsformen, b) das Vorhalten niedrigschwelliger Begegnungsorte vor Ort, c) die Unterstützung des Themas durch engagierte lokale Schlüsselpersonen und Medien sowie d) ehrenamtliches Engagement heraus.

4 Schlusskommentar durch Prof. Dr. Ulrich Deinet In seinem Tagungskommentar hob Prof. Dr. Ulrich Deinet hervor, dass alle Beiträge und die vorgestellten Ergebnisse nicht zur aktuellen Bundespolitik und besonders den bayerischen Wahlkampfeinlassungen passen, die eine Abkehr von einer offenen Flüchtlings- und Asylpolitikpolitik propagieren und schon eingeleitet haben. Die Beiträge der Tagung betonen dagegen die Bedeutung und auch die Erfolge einer offenen Flüchtlingsarbeit in vielen Kommunen. Auch die Ergebnisse der Befragung von Anwohnen in einigen Stadtteilen (s. Beitrag zu den Kölner Flüchtlingsstudien ) zeigen eine viel größere Akzeptanz der Flüchtlingsarbeit durch die Bevölkerung, als uns Teile der Politik- und Medienlandschaft zurzeit glauben machen wollen. Diese Diskrepanzen und die entstehenden Widersprüche müssen von den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden austariert werden, was Motivation und Engagement erschweren und verhindern kann. Dies spiegeln auch die Aussagen der Befragten der INTESO-Online- Befragung wieder, die als einen wichtigen erfolgsgefährdenden Faktor für ihre eigene Arbeit die aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen nennen. Die während der Tagung vorgestellten Forschungsprojekte zeigen sehr deutlich Chancen und Herausforderungen einer sozialräumlich orientierten, kommunal verantworteten Flüchtlingsarbeit zwischen Konsolidierung und unklaren Perspektiven.