Dr. Andreas Frieser, 9. Dezember 2011 Erbrechtliche Ansprüche und ihre Durchsetzung Materielle und verfahrensrechtliche Fragen (mit simulierter nachlassgerichtlicher Verhandlung im Gerichtslabor)
A. Terminplan 09.12.2011 Vorlesung GC 8/131 13.01.2012 Vorlesung GBCF 04/257 18.01.2012 GC 03/49 - simulierte Gerichtsverhandlung im Gerichtslabor, unter Mitwirkung von Herrn Richter am AG Detmold, Dr. Klaus-Peter Busch 27.01.2012 Vorlesung GC 8/131 2
B. Erbrechtliche Streitigkeiten (Überblick) Streit um die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung Pflichtteilsstreit Streit zwischen Miterben Streit zwischen Erbe und Vermächtnisnehmer Streit zwischen Vorerbe und Nacherbe Streit zwischen Erbe und Testamentsvollstrecker Streit des Erben mit dem vom Erblasser Beschenkten 3
C. Verfahren (Überblick) I. FamFG 1. Erbscheinsverfahren 2. Verfahren auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses 3. Abberufung des Testamentsvollstreckers 4. Nachlasspflegschaft 5. Nachlassverwaltung 6. Betreuungsverfahren II. Zivilprozess 1. Feststellungsklage 2. Stufenklage 4
D. Erbscheinsverfahren I. Bedeutung des Erbscheins II. Arten von Erbscheinen III. FamFG oder ZPO? IV. Gang des Erbscheinsverfahrens V. Entscheidungsmöglichkeiten des Gerichts VI. Rechtsbehelfe VII. Einziehung, Kraftloserklärung und Herausgabeanspruch 5
D. Erbscheinsverfahren I. Bedeutung des Erbscheins 1. Nachweisfunktion Ausweispapier gegenüber Banken, dem Grundbuchamt, Versicherungen, Schuldnern, Gläubigern etc.: Amtliches Zeugnis. Gem. 5 S. 1 Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken und Sparkassen können Kreditinstitute Legitimation des Erben verlangen; existiert eine notariell beurkundete letztwillige Verfügung, kann sich die Bank mit der Vorlage einer beglaubigten Abschrift dieser Verfügung und der Eröffnungsniederschrift des Nachlassgerichts begnügen. Die Forderung, einen Erbschein vorzulegen, kann eine Pflichtverletzung der Bank darstellen (BGH NJW 2005, 2779, m.a.v. Starke S. 3184; vgl. auch Schröder/Meyer NJW 2006, 3252). 6
1. Nachweisfunktion (Forts.) 5 S. 1 AGB entspricht inhaltlich 35 Abs. 1 S. 2 GBO (Grundbuchordnung). Diese Vorschrift gilt auch für das notarielle Testament eines Ausländers, wenn er darin wirksam die Anwendung deutschen Erbrechts gewählt hat (LG München I ZEV 2007, 434). 12 Abs. 1 Satz 3 HGB Bei Lebensversicherungen ist auf die Bezugsberechtigung abzustellen. 7
2. Gesetzliche Definition Der Erbschein ist ein amtliches Zeugnis über das Erbrecht des Erben, 2353 BGB. Der Erbschein hat keine rechtsbegründende Funktion; er erwächst nicht in materielle Rechtskraft (zur formellen Rechtskraft vgl. 45 FamFG). 8
3. Rechtswirkungen Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins, 2365 BGB. Öffentlicher Glaube gem. 2366 BGB. Gem. 2367 BGB wird der gutgläubige Nachlassschuldner bei Leistungen an den Erbscheinserben befreit, auch wenn der Empfänger sich nicht als tatsächlicher Erbe erweist. Kein Schutz des Dritten, wenn dieser die Unrichtigkeit des Erbscheins kennt 9
II. Arten von Erbscheinen 1. Alleinerbschein, 2353, 1. Fall BGB 2. Gemeinschaftlicher Erbschein, 2357 BGB Bei Erbengemeinschaften wird die Erbfolge in den gesamten Nachlass bezeugt. 3. Teilerbschein 4. Gegenständlich beschränkter Erbschein Dieser diente Ausländern zum Nachweis ihres Erbrechts im Inland ( Fremdenrechtserbschein ) und wurde erteilt, wenn zumindest teilweise ausländisches Erbrecht anzuwenden war. Nach 2369 n. F. BGB ist die Anwendung ausländischen 10
II. Arten von Erbscheinen (Forts.) materiellen Rechts nicht mehr Voraussetzung der Erteilung. Nach 105 FamFG ist das Nachlassgericht bei örtlicher Zuständigkeit auch international umfassend zuständig; möglich ist eine Beschränkung auf bestimmte Gegenstände im Ausland oder nur in bestimmten Ländern; auch bei deutschem Erblasser anwendbar. 11
III. FamFG oder ZPO? 1. Alternative zum Erbschein: Feststellungsklage im streitigen Verfahren nach der Zivilprozessordnung. 2. Vorteil der Feststellungsklage: Rechtskraft der Entscheidung mit Bindung des Nachlassgerichts im Rahmen des Erbscheinsverfahrens. Vorteil des Erbscheinsverfahrens: Amtsermittlungspflicht des Gerichts, in der Regel keine Kostenerstattung I. Instanz, (aber Neuregelung in 81 Abs. 1, Abs. 2 FamFG beachten). Zu beachten ist die Anstoßfunktion des Erbscheinsantrages Viele streitigen Erbfälle werden im Rahmen des Erbscheinsverfahrens ausgetragen. Derjenige, der dem Erbscheinsantrag widerspricht und als Beteiligter im Rahmen des Verfahrens angehört wird, macht seine Rechtsposition geltend. 12
IV. Gang des Erbscheinsverfahrens 1. Zuständigkeit Sachlich und örtlich zuständig ist das Nachlassgericht des letzten Wohnsitzes, 343 Abs. 1 FamFG, 23a Abs. 2 Nr. 2 GVG 2. Richter oder Rechtspfleger? 3 Nr. 2 c; 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG? 3. Internationale Zuständigkeit Gem. 105 FamFG leitet sich die internationale Zuständigkeit von der örtlichen ab. Hatte der Erblasser keinen inländischen Wohnsitz ( 343 Abs. 1 FamFG), so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk er seinen Aufenthalt hatte, 343 Abs. 1 FamFG; bei ausländischem Erblasser ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich Nachlassgegenstände befinden, 343 Abs. 3 FamFG. 13
IV. Gang des Erbscheinsverfahrens (Forts.) 4. Antragsberechtigt sind u.a. der Allein- oder Miterbe die Gläubiger des Erben unter der Voraussetzung der 792, 896 ZPO. 5. Form des Antrags Formlos, aber in der Regel eidesstattliche Versicherung erforderlich, 2356 Abs. 2 BGB. Deshalb meist Antragstellung durch Notar oder zu Protokoll des Nachlassgerichts. 14
IV. Gang des Erbscheinsverfahrens (Forts.) 6. Inhalt a) Der Antrag muss das behauptete Erbrecht genau bezeichnen; das Nachlassgericht ist streng an den Antrag gebunden, es kann ihm nur entsprechen oder ihn zurückweisen. Deshalb in der Praxis nicht selten: Haupt- und Hilfsantrag. b) Notwendige Angaben, 2354 BGB 7. Urkunden, 2356 BGB 15
IV. Gang des Erbscheinsverfahrens (Forts.) 8. Es gelten die Verfahrensgrundsätze des FamFG Amtsermittlungsgrundsatz, 26 FamFG Der Sachverhalt wird vom Amtsgericht von Amts wegen ermittelt. Jedem Beteiligten ist rechtliches Gehör zu gewähren, 30 Abs. 4 FamFG i.v.m. Art. 103 GG Das Nachlassgericht hat die Auswahl zwischen strengem Beweis (ZPO, vgl. 30 Abs. 1 FamFG) und freiem Beweis (Ermittlungen in der zweckmäßig erscheinenden Art und Weise, 29 Abs. 1 FamFG). 16
V. Entscheidungsmöglichkeiten des Gerichts 1. Erteilung des Erbscheins 2. Feststellungsbeschluss Vor der Erbscheinserteilung ergeht ein Beschluss, der feststellt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung vorliegen - im unstreitigen Verfahren wird dieser sofort wirksam und nicht zugestellt, 352 Abs. 1 S. 2 FamFG; im streitigen Verfahren wird die sofortige Wirksamkeit ausgesetzt, 352 Abs. 2 S. 2 FamFG, und der Beschluss den Beteiligten bekannt gegeben, dem widersprechenden Beteiligten durch förmliche Zustellung mit Rechtsbehelfsbelehrung, 15, 41 Abs. 1 S. 2 FamFG 17
V. Entscheidungsmöglichkeiten des Gerichts (Forts.) 3. Zwischenverfügung Bei Zulässigkeits- oder Begründetheitsmängeln wird dem Antragsteller aufgegeben, diese innerhalb bestimmter Frist zu beheben. 4. Zurückweisung 5. Vergleich Über die Erbenstellung kann nicht im Vergleichswege disponiert werden. Abschlossen werden kann ein sogenannter Auslegungsvertrag, der gem. 2385 BGB der notariellen Beurkundung bedarf, nicht aber, wenn er als gerichtlicher Vergleich abgeschlossen wird, 127 a BGB. 18
VI. Rechtsbehelfe 1. Beschwerde Gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts ist gem. 58 Abs. 1 FamFG die Beschwerde statthaft; sie ist innerhalb eines Monats einzulegen und soll begründet werden, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 FamFG; sie kann auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden und von jedem eingelegt werden, der in seinen Rechten betroffen ist, 65 Abs. 3, 59 Abs. 1 FamFG. Ist der Erbschein bereits erteilt, kann sie mit Antrag auf Einziehung oder Kraftloserklärung verbunden werden; über die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht, 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG. 19
VI. Rechtsbehelfe (Forts.) 1. Weitere Beschwerde Nach 70-75 FamFG kann die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts mit der Rechtsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof angegriffen werden, wenn das OLG diese in der Beschwerdeentscheidung zugelassen hat, 70 Abs. 1 FamFG; sie ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dies erfordert, 70 Abs. 2 FamFG (keine Nichtzulassungsbeschwerde) Die Frist zur Einlegung der an den BGH zu richtenden Rechtsbeschwerde beträgt einen Monat, 71 Abs. 1 FamFG 20
VII. Einziehung, Kraftloserklärung und Herausgabeanspruch 1. Prüfung von Amts wegen 2361 Abs. 1 BGB 2. Verfahren 3. Kraftloserklärung, 2361 Abs. 2 BGB 4. Herausgabe, 2362 BGB 21
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