Transformationen und Perspektiven des Sozialen: Solidarisierung statt Ökonomisierung

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Transkript:

Transformationen und Perspektiven des Sozialen: Solidarisierung statt Ökonomisierung FH Campus Wien 4. November 2010 MMag. a Dr. in Gabriele Michalitsch Gabriele.Michalitsch@univie.ac.at

Neoliberale Transformation Institution: Markt Staat Organisations- und Entwicklungsmethode: Konkurrenz Kooperation gesellschaftlicher Ordnungs- und Entwicklungsentwurf ökonomische Selbstregulation Redefinition von Staat/Ökonomie, Privat/Öffentlich, Subjekt

Neoliberale Transformation des Sozialen Marktdominanz, schlanker Staat, Sicherung von Rahmenbedingungen interventionslose Selbstregulation neue Aufgabenteilung Staat Gesellschaft Individuum

Privatisierung Transfer staatlicher Aktivitäten in Privatbereich (Markt/Haushalt) Entstaatlichung, Entpolitisierung, Entdemokratisierung

Privatisierung öffentliches Eigentum Deregulierung der Ökonomie Rückbau und Redefinition des Staates als Unternehmen Politiken der Individualisierung

Ökonomisierung des Sozialen Redefinition öffentlicher Verantwortung Postulate: Chancengleichheit, Eigenverantwortung, unternehmerische Initiative, Leistungsbereitschaft, Wahlfreiheit permanentes ökonomisches Tribunal (Foucault) Arbeit an sich unternehmerisches und konkurrenzielles Subjekt

Ökonomisierung des Sozialen Redefinion von Arbeit und Arbeitslosigkeit Erwerbsarbeit: Entfaltung von Kreativität, individuellen Fähigkeiten, persönlichen Neigungen und Potenzialen Verhaltensmodell der Entrepreneurship Erwerbslosigkeit: Ausdruck persönlichen Ungenügens Mangel an Qualifikation oder Initiative Ausblendung von Reproduktionsarbeit

Ökonomisierung des Selbst selbstentfremdende Identifikationen Entpolitisierung und Privatisierung individueller Existenz Entwirklichung unbeeinflussbarer Lebensrealitäten Enthistorisierung gesellschaftlichen und individuellen Bewusstseins Reduktion von Lebensentwürfen auf Privates, Beschränkung aktiver Gestaltung auf Reproduktionsbereich konsumtiv statt produktiv

Krise des Sozialen Differenzierung von Arbeitsverhältnissen und Einkommen Prekarisierung, (Langzeit-) Erwerbslosigkeit soziale Ungleichheit, Exklusion soziale Polarisierung Verfestigung durch Wirtschaftskrise und Sparpakete soziale Krise

Krise des Politischen Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe, gesellschaftliche Spaltungen Desintegrationsprozesse Aushöhlung demokratischer Grundlagen Postdemokratie politische Krise

Geschlechter-Krise diskursive Rekonstruktion Naturalisierung, Biologismus Arbeitslosigkeit Stille Reserve Unterbeschäftigung Prekarisierung Arbeitsbedingungen Zeitregime Entgeltsysteme Externalisierung unternehmerischen Risikos informeller Sektor Versorgungsökonomie

Krise und Kritik krinein: scheiden, sondern, trennen krisis: Entscheidung, Ausschlag, Trennung Veränderung krites: Richter Urteilsfähigkeit Haltung der Kritik als Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden (Foucault) Regierung Führung der Führungen

Solidarität solidus: gediegen, echt, fest Grundvorstellung im Römischen Recht: obligatio in solidum = gemeinsame Verpflichtung, gemeinsame Haftung in solidum = auf das Ganze bezogen, für Gesamtsumme haftend

Solidarität Brüderlichkeit Brüderlichkeit der Bürger, der Proletarier, des Volkes hegemoniale Männlichkeit hegemoniale Weiblichkeit: sozialer Bezug, Fürsorge, Altruismus Verknüpfung mit Privatheit nicht als Solidarität gedeutet

Solidarität Gegenseitige (Mit-)Verantwortung und (Mit-)Verpflichtung Sicherung Grundlagen: gemeinsame politische Intention, gemeinsame ökonomische und soziale Lage

Solidarität Inklusion aller Minimierung von Ausschluss und Hierarchisierung Infragestellung von Machtverhältnissen anders regiert werden anders leben Demokratie Ansatzpunkte: Politische Ökonomie Diskurse Selbst-Entwürfe

Politische Ökonomie Arbeit und Einkommen öffentliche Dienste Redistribution Besteuerung, Zeit Bildung Integration

Wissenspolitik Wissensproduktion und -zirkulation Bedingungen Ausrichtung Pluralität wirtschaftswissenschaftliche Konzeptionen von Ökonomie, Markt, Konkurrenz, Wohlstand, Bedürfnis

Diskursive Strategien Besetzung und Aneignung von Begriffen Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Gerechtigkeit, Sicherheit, Wohlstand Thematisierung De-Thematisierung Benennung Entnennung

Selbst-Entwürfe Leben? Beziehungen? Begehren? Angst? Willen? Mündigkeit? Widerstand? Wie regieren wir uns selbst?