Keramische Werkstoffe 97 20. Ionisch und gemischt leitende Keramik. Leitfähigkeit s: v i = se v (20.1) i: Stromdichte, E: elektr. Feld. Mit der Geschwindigkeit der Ladungsträger u v und der Konzentration n (Ladungsträger / Einheitsvolumen) gilt v i = znq v u. (20.2) Elektrische Beweglichkeit n i = qd i kt. (20.3) Elektrische Leitfähigkeit: s = znq 2 kt D Ê 0 exp - E a Á (20.4) Ë kt Einwirken eines elektrischen Feldes: Abb. 20.1. Wahrscheinlichkeit des Überwindens der Potentialbarriere V: P = a kt h exp Ê - V Á (20.5) Ë kt kt : Vibrationsfrequenz des Ions in dem Wall; a: h Proportionskoeffizient. Anlegen eines Feldes: Verschieben der Potentialhöhe (siehe Abb. 20.1.) Æ P + = 1 2 a kt h exp È - V - 1 2 Fd Î Í kt ;P- = 1 2 a kt h exp È - V + 1 2 Fd Î Í kt bzw. (20.6) P + = 1 Ê Fd 2 PexpÁ ;P - = Ë 2kT 1 Ê 2 P expá - Fd (20.7) Ë 2kT F: Kraft auf das Ion; d: Abstand zwischen den Potentialwällen. Folglich gilt P + > P - (20.8) Mittlere Driftgeschwindigkeit ( ) = 1 È Ê 2 dp expá Fd v u = d P + - P - Î Í Ê - expá - Fd Ë 2kT Ë 2kT (20.9) v Ê u = dpsinh Fd Á (20.10) Ë 2kT Falls 1 2 Fd << kt gilt näherungsweise: v u ª d 2 PF 2kT (20.11) Bei sehr hohen Feldstärken dominiert der 1. Term in Gleichung (20.9), und es gilt v Ê u = const exp df Á (20.12) Ë 2kT Bei Raumtemperatur gilt für Felder bis 10 V/cm df << kt. Es gilt dann das Ohmsche Gesetz i = nzqu (20.13) und damit i = nzqd2 PF 2kT = nz 2 q 2 d 2 P v E 2kT (20.14) Abb. 20.1. Potentialkasten-Energie-Konfiguration in Glas oder Keramik. Die durchgehende Linie zeig t Energie ohne Feld; die gestrichelte Linie zeigt Energie mit angelegtem Feld E. mit P = akt h exp Ê - V Á Æ logr = A + B Ë kt T. Gläser: Abb. 20.2.; Kristalline Keramik: Abb. 20.3.
98 Keramische Werkstoffe Einfluß der Glas-Zusammensetzung und Struktur-Effekte auf die elektrische Leitfähigkeit. Substitution von Si durch Alkaliionen in Alkalisilikatgläsern führt zu raschem Leitfähigkeitsanstieg bis 20-30 m/o. Relativer Effekt: Na + >Li + >K + Abb. 20.2. Beständigkeit einiger ionischer Gläser. (a) 18Na 2 O 10CaO 72SiO 2. (b) 10Na 2 O 20CaO 70SiO 2. (c) 12Na 2 O 88SiO 2. (d) 24Na 2 O 76SiO 2. (e) Pyrex. Zugabe von Na im ppm-bereich erhöht die Leitfähigkeit drastisch. Zugabe von divalenten Ionen zu Natriumsilikatgläsern erniedrigt die Leitfähigkeit mit der relativen Stärke Ba 2+ > Pb 2+ > Sr 2+ > Ca 2+ > Mg 2+ > Zn 2+ > Be 2+ > Abb. 20.4.: Der Einfluß auf die Abnahme der Leitfähigkeit nimmt mit zunehmendem Radius der Metallionen zu. Die divalenten Ionen blockieren den Leitungspfad der Alkaliionen in dem Maße wie die Größe der zweiwertigen Ionen zunimmt. Partielle Substitution eines Alkalimetalloxids für ein anderes in Silikat-, Borosilikat- und Boratgläsern: großer Anstieg des elektrischen Widerstands = Mixed Alkali Effect. (Abb. 20.5. für 3 Systeme) Abb. 20.3. Temperaturabhängigkeit der Leitfähigkeit für verschiedene Oxide von der Aktivierungsenergie in Kcal/mol (in Klammern). Unterscheidung zwischen Enthalpie- und Entropieänderungen durch die Leitfähigkeit mit V = DH - TDSÆ DS logr = c 1 + c 2 k - c DH 3 kt (20.15) Steigung Æ Enthalpie; Achsenabschnitt Æ DS. Abb. 20.4. Der Einfluß divalenter Ionen-Radien auf die Beständigkeit von 20Na 2 O 20MO 60SiO 2 Glas. Die gestrichelte Linie zeigt die Beständigkeit von 20Na 2 O:80SiO 2.
Keramische Werkstoffe 99 Frühere Interpretation: Bewegung gekoppelter Ionen, weil die Aktivierungsenergie um fast einen Faktor 2 zunimmt. Neuere Untersuchungen: Auftreten von Glas-in-Glas- Phasenseparationen mit den kleineren (beweglichen) Ionen in der dispergierten Phase und den großen Ionen in der Matrix-Phase, die (nahezu alkaliionenefrei) einen hohen Widerstand darstellt. NaAl 11 O 17 (b-alumina): t Na + = 1, aber KFe 11 O 17 (mit gleicher Struktur) ist gemischt-leitend, da Fe 2+ neben Fe 3+ vorliegt (Elektrodenmaterial). Ionenleitung tritt im Falle fehlgeordneter und partiell besetzter Untergitter auf. Beispiele: 3-dim.: Na 3 Zr 2 PSi 2 O 12 2-dim.: NaAl 11 O 17 1-dim.: LiAlSiO 4 Abb. 20.5. Beständigkeit gemischter Alkali-Silikat-Gläser. Es werden besonders folgende 4 strukturelle Eigenschaften benötigt: i) Eine (oder mehrere) Ionensorte(n) bilden eine starke Skelettstruktur. ii) Große unbesetzte Bereiche sind im Netzwerk vorhanden, wobei die Zahl der Leerstellen größer als die Zahl der beweglichen Ionen ist. Tab. 20.1. Vergleich ionischer und elektronischer Materialien.
100 Keramische Werkstoffe Tab. 20.2. Beispiele schneller ionischer Leiter. iii) Die Plätze sind energetisch nahezu äquivalent und haben relativ niedrige Aktivierungsenergie dazwischen. iv) Es gibt eine Verbindung zwischen den Plätzen, damit eine tranlatorische Bewegung entlang bevorzugter Pfade möglich ist. Kriterium für schnelle Ionenleitung Ladungsträgerkonzentration (Frenkel und Schottky) für normale ionische Festkörper: Ê n = n 0 exp - DE t Á Ê = n 0 exp DS f Ë kt R - DH f Á (20.16) Ë RT Daher ist Ê logs ª exp DS m + DS f Ê Á - Á Ë R Ë DH m + DH f RT (20.17) Für schnelle Ionenleiter gilt n Æ n 0 und daher ist DS f @ 0, DH f @ 0 (20.18) Typische Werte für normale ionische Verbindungen DE f ª 2-4eV, DE m ª 0. 05-1eV Andere Faktoren, die zu hoher Ionenleitung beitragen: i) Anharmonische Gitterschwingungen. Sie erniedrigen den Volumenmodus des Gitters, was zu einer Abnahme von DH f + DH m und DS f + DS m führt. ii) Gitterpolarisation. Große lokale Gitterpolarisation ist unvorteilhaft, da die sich bewegenden Teilchen die
Keramische Werkstoffe 101 Polarisation mitführen müssen. Die sich bewegenden Ionen müssen leicht polarisierbar sein (Ag +, Cu + ). iii) Korrelationseffekte. Wechselwirkungen wandernder Ionen untereinander (z. B. zwischen Na + -Ionen in b- Al 2 O 3 ) können die effektive Aktivierungsenergie beträchtlich erniedrigen. b-alumina Spinellblöcke mit Al 3+ - und O 2- -Ionen. Spiegelebenen mit lose gepackten M + -Kationen und 1 O 2- -Ion. In der Spiegelebene existieren 7 alternative Positionen für die Na + -Ionen. Diejenige mit niedrigster Energie heißt Bevers-Ross (BR-)-Position (Abb. 20.8.). Die Mid- Oxygen (mo) und Anti-BR-Positionen können ebenfalls besetzt sein. Die Verteilung und Gesamtzahl der M + - Ionen hängt von der Größe der beweglichen Ionen ab (Tab. 20.3.). Ladungskompensation für die Nichtstöchiometrie erfolgt durch Frenkel-Defekte. Darin involviert sind 1 interstitielles Sauerstoffion in der Leitfähigkeitsebene (z. B. auf einem mo-platz) mit einem Al-Leerstellen / Al- Zwischengitter-Paar innerhalb der Spinellblöcke (Abb. 20.9) Daher gibt es in der Leitfähigkeitsebene eine Vielzahl von Plätzen, die mit einem großen Anteil an Kationen gefüllt sind. Es entsteht ein flüssigkeitsähnlicher Zustand für die M + -Ionen. Abb. 20.6. Kristallstruktur. Dieser Abschnitt, eine Planparallele zur c-achse, zeigt nicht die geringste Sodium-Sodium-Entfernung. Abb. 20.7. Die Anordung von Atomen in der Spiegelebene von b-alumina Abb. 20.8. Struktur von b-alumina; Platzbesetzung in der Leitungsebene.
102 Keramische Werkstoffe Tab. 20.3. Besetzungsfaktoren der verfügbaren Plätze von b-alumina. Korngrenzeneffekte Abb. 20.10.: b-alumina. Lokale elektrische Felder von 10 5 V/cm bei 1 V angelegter Spannung für b-al 2 O 3 von 1 mm Dicke und 10 3 Korngrenzen / cm bei einer Korngrenzendicke von 10-7 cm. Anwendungen in Brennstoffzellen und Hochleistungsbatterien. Erste Demonstration einer H 2 /O 2 -Brennstoffzelle vor 150 Jahren durch Grove in London. Anwendung wäßriger Elektrolyt-Brennstoffzellen im All (Apollo, Space-Shuttle): Abb. 20.11. DG 0 / DH 0 -Werte können sehr hoch sein, beispielsweise 95% bei 298 K, im Gegensatz zu den Beschränkungen durch den Carnot-Wirkungsgrad T 2 - T 1 T 2 (Abb. 20.12.). Für flüssige Elektrolyte sind poröse Strukturen mit hydrphoben Teilchen und ein 3-dimensional elektronisch leitendes Netzwerk, das die dispergierten elektrokatalytischen Teilchen trägt, erforderlich. Typische Leistungsdaten: 0.7 V bei 150 ma/cm 2. Planare Konstruktion: Abb. 20.13. Verwendung zur lokalen Energieumwandlung in Städten (leise, geringe Umweltbelastung,...) Abb. 20.9. Frenkel-Defekt in b-alumina. Die Niedrigtemperatur-Systeme (PAFC, AFC, SPFC) benötigen reinen Wasserstoff, da sie fossile Brennstoffe elektrochemisch nicht oxidieren können. Mit H 2 /O 2 werden Wirkungsgrade von 60-65% für AFCs erreicht. die hohen Kosten für reinen Sauerstoff verhindern eine weite Verbreitung. PAFCs können mit H 2, das durch externe Reformierung von Kohlenwasserstoffen bei 750 C erzeugt wird, betrieben werden. Dieser Prozeß erniedrigt den Wirkungsgrad auf 40%. Dagegen können die Hochtemperatur-Brennstoffzellen die Kohlenwasserstoffe intern reformieren und zeigen wesentlich höhere Wirkungsgrade (Abb. 20.15.) Abb. 20.10. Spezifische Leitfähigkeit x Temperatur.
Keramische Werkstoffe 103 Abb. 20.11. Schematische Darstellung der Arbeit einer Brennstoffzelle. Abb. 20.12. Vergleich des Carnot-Kreis-Wirkungsgrads (untere Temperatur T 1 = 500 K, obere Temperatur T 2 angezeigt auf der x-achse) und der ideale Wirkungsgrad einer Wasserstoff- Sauerstoff-Brennstoffzelle. Abb. 20.14. Hauptbestandteile der 5 wichtigsten Brennstoff- Zellen, die sich zur Zeit in der Entwicklung befinden. Abb. 20.13. Ebene Anordung von Brennstoffzellen-Komponenten. Abb. 20.15. Elektrisch / Brennstoff-Umwandlungs-Wirkungsgrad für ausgewählte Brennstoffzellen als Funktion der Stromdichte.
104 Keramische Werkstoffe SPFCs (Solid Polymer Fuel Cells) Polymer-Membran-Elektrolyt ursprünglich von Dupont (Nafion). Besseres Verhalten mit einer neuen Serie perfluorinierter Ionomere von Dow Chemicals. Elektroden: Pt- Kristallite auf Kohlenstoff-Substraten (porös) auf den Polymer-Elektrolyten (150-250 m dick) aufgebondet. Bei 100 C werden ª 3.5 Wassermoleküle mit jedem Proton transportiert. (Wasser-Management-Problem!). Anode: Gefahr der Dehydratation Æ geringere Leitfähigkeit und Leistung. Hersteller: Ballard Power Systems (BC). Leistungsdichten ª 1 W / cm 2 Entwicklungsprogramme bei Los Alamos, GM und Ford. SOFCs ª 900 C. In-situ-Reformierung der Kohlenwasserstoffe. Wirkungsgrad ª 60%. Durch die Kombination hoher Konversions-Wirkungsgrade und hochwertiger Wärme ist das System für kombinierte Wärme- und Elektrizitätserzeugung im Bereich vn 100 kw - 10 MW von Interesse. Elektrolyt: Zr 1-x Y x O 2-x/2 Kathode: La 1-x Sr x MnO 3 Anode: Ni/ZrO 2 -Cermet Bipolare Platte: La 1-x Sr x CrO 3, LaCr 1-x Mg x O 3 Abb. 20.16. Einzelne SOFC-Zellen, die in der Westinghouse- Röhren-Anordnung verwendet werden. Gegenwärtig 3 Konfigurationen: i) Westinghouse: Röhrenkonzept (Abb. 20.16.). Abscheiden der einzelnen Schichten durch CVD oder Plasmaspritzen auf porösem keramischem Substrat. Länge des Rohrs: 75 cm (aktive Länge 50 cm). Prototypen 3 kw - 25 kw. ii) Argonne. Monolithische SOFCs (Abb. 20.18.) iii) Siemens. Planare Konfiguration. Bisher 1 kw. Auch Verwendung zur HT-Elektrolyse (Dornier). Abb. 20.19. Abb. 20.17. Westinghouse SOFC Modul mit gebündelter Röhren-Anordnung Abb. 20.18.
Keramische Werkstoffe 105
106 Keramische Werkstoffe Batterien (sekundär) Typische Spezifikationen: Tab. 10.4. Anforderungen für elektrische Fahrzeuge: Tab. 20.5. Elektrische Batteriesysteme: Tab. 20.6. Abb. 20.19. Planare SOFC Querfluß Anordnung. Tab. 20.6. Zusammenfassung von sekundären Hochenergie- Batteriesystemen. Tab. 20.4. Sekundäre Batterien: Parameter enthalten eine festgesetzte Leistung Tab. 20.5. Batterie-Leistungsziele für elektrische Fahrzeuge.