Organisationsbeispiele für Modellstudiengänge: Hannover. Prof. Dr. Hermann Haller Studiendekan der Medizinischen Hochschule Hannover

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Transkript:

Organisationsbeispiele für Modellstudiengänge: Hannover Prof. Dr. Hermann Haller Studiendekan der Medizinischen Hochschule Hannover Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will Ihnen mit meinem Vortrag zeigen, was und wie wir an der MHH mit dem Modellstudiengang experimentieren. Wir haben heute morgen bereits gehört, daß wir eigentlich keine Modellstudiengänge brauchen, um eine gute Lehre zu machen. Auch wenn ich jetzt über Strukturen reden werde, glaube ich doch an Persönlichkeiten. Auch das haben wir heute morgen schon gehört eine Strukturänderung allein wird nicht zu einer besseren Lehre führen. Wir beschwören heute die Wichtigkeit der Lehre. Ich liebe meine Hochschule, die MHH, muß aber auch feststellen, daß die erste Kennzahl für die Abteilungsleiter das ärztliche Budget ist jeder weiß in jeder Woche, wo er steht. Die zweite Kennzahl sind dann die LOM und die eingeworbenen Drittmittel und die Publikationen. Auch dort weiß jede Abteilung in Hannover, wo sie steht. Die Kennzahl Lehre kommt schlichtweg nicht vor. Als Studiendekan kämpfe ich, wie meine Kolleginnen und Kollegen an den anderen Hochschulstandorten, daß die Lehre die dritte Kennzahl wird und wir in der Lehre nicht kostenneutral arbeiten müssen. Wir wollen mehr und wollen auch ein wichtiger Teil der Hochschule werden. Unsere Ausbildung ist durch die ÄAppO geregelt. Wir haben Kleingruppen, wir sollen und müssen wissenschaftlich ausbilden und klinisches Wissen und klinische Praxis vermitteln. In Hannover haben wir von Anfang an eine patientenbezogene Ausbildung eingeführt. Der Studierende erlebt im Patientenkontakt beginnend mit den Beschwerden eines Patienten über Anamnese und körperliche Untersuchung das Stellen einer Verdachtsdiagnose. Er lernt 1

das diagnostische Vorgehen, das dann zur Diagnose führt und wird an die daraus abzuleitenden Therapieprinzipien herangeführt. Das mag trivial klingen, doch ist das ärztliche Handwerk die Richtschnur unserer Ausbildung. Von den gleichen Personen sollen aber auch die zellulären und molekularen Grundlagen einer Erkrankung gelehrt werden, denn wir wollen auch die Wissenschaftlichkeit der Ausbildung sicherstellen. Das ist nicht immer gegeben, ist aber unser Anspruch. Für die Umsetzung dieses Anspruches braucht man Didaktik, Kurse, das Skillslab, OSCEs, Schauspiel-Patienten und POL. Ich gehe davon aus, daß wir das alle schon so tun und will diese Aspekte aus meinem Vortrag ausklammern. Ich will hier über Randbedingungen sprechen, denn das Experimentierfeld eines Modellstudienganges lotet auch aus, was überhaupt gemacht werden kann. Auf der einen Seite stehen die akademischen Lehrer unter den Bedingungen von DRG und LOM. Das betrifft mich persönlich und daher kam vorhin auch meine Frage, wie mit einer Vorgabe von 6,5 Tagen Liegezeit umgegangen werden kann, wenn ich diese Patienten in der gleichen Zeit auch in der Vorlesung vorstellen möchte. Wie geht man mit hochmotivierten Lehrkräften um, deren Karriere an Publikationszahlen und Drittmitteleinwerbungen hängt? Wie gehe ich unter den eben genannten Bedingungen mit Kleingruppen um? Manchmal stehen Kleingruppen vor Räumen, die von ganz anderen Veranstaltungen belegt sind, der Unterricht fällt aus. Die Realität ist trotz aller guten Vorsätze häufig schwierig und wir müssen die Frage beantworten, wie solche Modellstudiengänge im Detail strukturiert werden können. Das dritte Element sind die Patienten unter den Bedingungen eines Hochleistungskrankenhauses, welches Erträge erwirtschaften und sein Defizit abbauen muß. Wie gestalte ich unter diesen Bedingungen Lehre, wie schaffe ich in einer poliklinischen Ambulanz mit kleinen und für den Unterricht wenig geeigneten Räumen trotzdem Bedingungen für eine gute Lehre? Für die Lösung dieser Fragen braucht man einen Modellstudiengang. Nur dann haben wir die Freiheit, mit Zeit zu experimentieren. Die Reduktion der Studierendenzahl um 100 an der MHH hat uns die Möglichkeit gegeben, 2

strukturelle Veränderungen einzuführen, die mit größeren Studierendenzahlen nicht realisierbar wären. Wir haben die Struktur der ärztlichen Tätigkeit von einem Symptom bis zur Diagnose und wollen diese Struktur in einem 6-jährigen Studium umsetzen. Dazu nutzen wir die Lehr-Lern-Spirale, die heute schon mehrfach angesprochen wurde. Wir haben aber auch mit den jahrgangsübergreifenden Curricula etwas eingeführt, was recht schwierig erscheint. Jeder, der Curricula plant, weiß, daß die Jahre abgeschottet sind. Hochschullehrer, die im 4. Studienjahr unterrichten, wissen im Regelfalle nicht, was im 1. Studienjahr unterrichtet wird und umgekehrt. Ein Zusammenbringen von Hochschullehrern aus den theoretischen oder vorklinischen Fächern mit Hochschullehrern aus der Klinik in einer interdisziplinären Veranstaltung führt nicht selten zu Problemen, z. B. bezüglich der Fach- oder Themenkompetenz. Umgekehrt haben Studierende im 4. Studienjahr vieles aus dem 1. Studienjahr schon wieder vergessen. Solche Probleme sind lösbar, ihre Lösung bedarf aber struktureller Maßnahmen und uns erschien das jahrgangsübergreifende Curriculum, das in Abbildung 1 am Beispiel der Inneren Medizin gezeigt wird, als eine geeignete Lösung. Propädeutikum Verzahnung: Innere, Neuro, HNO Gruppen: Prüfung Schriftlich MCQ Teil A (Diagnostische Methoden) Verzahnung: Innere, Neuro, HNO Gruppen: Teil A Prüfung Schriftlich MCQ OSCE Teil (Klinisches Propädeutikum) Verzahnung: Innere, Neuro, HNO Gruppen: Teil B Prüfung Schriftlich MCQ Untersuchungsbögen Teil C (Block Spezielle Innere) Verzahnung: Innere, Neuro, HNO Gruppen: Teil C Prüfung Schriftlich MCQ mündlich Teil D (DDT) Verzahnung: Innere, Neuro, HNO Gruppen: Teil D Prüfung Schriftlich MCQ mündlich; OSCE Abb. 1: Lernspirale durch jahrgangsübergreifende Curricula: Beispiel Innere Medizin 3

Für den Entwurf dieser Curricula brauchen wir eine neue Form des Qualitätsmanagements (Abbildung 2), das an Entwurf, Umsetzung und Evaluierung einen entscheidenden Anteil hat. = Evaluation = Beratung = Beschlüsse Extracurriculares Studium Studiendekanat Evaluation LOM Studierende Kritische Diskussion der Inhalte und Strukturen Curriculare Lehre Inhalte, Struktur und Organisation der Prüfungen Inhalte und Organisation Struktur der der Lehrveran- Lehrveranstaltungestaltungen Lehrende Inhalte und Struktur der Lehrveranstaltungen Beratung Organisation Studentensekretariat Aussenamt Präsidium Senat Studienkommission Abb. 2: Modellstudiengang an der MHH: Qualitätsmanagement der Lehre Die Studienkommission an der MHH ist durch Lehrende und Studierende paritätisch besetzt. Dort werden die Curricula verabschiedet oder zur weiteren Überarbeitung zurückgegeben. Auch an dieser Stelle gibt uns der Modellstudiengang die Freiheit, über den Umfang der Lehre selbst zu bestimmen. Kleine Studierendengruppen sind ein wichtiger Faktor. Ich beneide Hochschulen wie Greifswald, an der man alle Studierenden kennt. In Hannover passen die 270 Studierenden zwar in einen Hörsaal, doch kennen wir sie nicht namentlich oder persönlich. Daher war es eines der ersten Ziele an der MHH, in solch kleinen Gruppen zu arbeiten, daß ein persönlicher Zusammenhang entsteht. Harvard ist nicht nur durch sein vieles Geld zu der berühmten Hochschule geworden, sondern, weil auch die Betreuungsrelation so gut ist. In Cambridge oder Oxford hat ein Studierender einen akademischen Betreuer. So weit werden wir nicht kommen. Dennoch wollen wir un- 4

sere Kleingruppen durch klinische Lehrer zumindest in den ersten beiden Jahren in den klinischen Visiten und im Untersuchungskurs durchgehend betreut wissen. Sie lernen dort role models für gute klinische Medizin kennen, die gleichzeitig akademische Lehrer sind. An der MHH bilden wir Klassen von Studierenden zu je 30 Personen, die dann wiederum in 5 Visitengruppen zu je 6 Studierenden aufgeteilt werden. 6 Studierende können an einem Nachmittag in einer Lehrvisite betreut werden. Eine weitere wichtige Maßzahl war die Zahl 90 Studierende. Das ist an der MHH die Größe eines mittleren Hörsaales, dort hat man die Chance, seine Studierenden noch zu kennen. Wir haben ein Tertialsystem eingeführt (Abbildung 3), in dem sich alle 270 Studierenden befinden, die Tertiale aber in Gruppen von 90 in unterschiedlicher Reihenfolge absolvieren. A-Tertial B-Tertial C-Tertial B-Tertial C-Tertial A-Tertial C-Tertial A-Tertial B-Tertial Oktober-Dezember - Januar-März - April-Juli Abb. 3: Modellstudiengang an der MHH: die Tertialisierung Die Tertialisierung macht die Lehre überschaubar, erhöht aber den Lehraufwand beträchtlich. Eine Kostenneutralität ist hier nicht zu erreichen. Auch die Diskussionen um die Lehrbelastung werden recht hart geführt. Die Abbildung 4 zeigt den gesamten Ablauf des Studiums mit den Tertialen A bis C in den Studienjahren 3 bis 5. Das M1-Examen wurde durch Äquivalente ersetzt. Für die Prüfungen mußten neue Formate entwickelt werden. So setzt die MHH seit 2006 computergestützte Prüfungen über Labtops oder Terminals ein. Der Aufwand ist hoch, denn Fragen und Antworten sind randomisiert. Es werden ca. 400 Präsenz-Klausuren mit ca. 56.000 Studierenden-Klausuren durchgeführt. Die Computerisierung führt zu einer Qualitäts- 5

steigerung durch die Administration und Evaluation von Prüfungsprozessen. Das beginnt bei der Terminierung von Prüfungen und der Authentifizierung des berechtigten Personenkreises und reicht bis zur Auswertung, d. h. der Prüfung der Anwendung der relativen Bestehens-Grenze (Gleitklausel), der Einsichtnahme und Einspruchsverfahren der Studierenden, der Datenmanipulation (Fragenkorrektur) und Datensicherung (Archivierung). Für alle Klausuren gibt es eine Item-Analyse und die neuen Klausuren können nach Schwierigkeitsgrad der Fragen zusammengestellt werden. Somit können wir nicht nur schneller und genauer auswerten, sondern mit dem Instrument Prüfung sehr viel besser umgehen. Okt Nov Dez Jan Feb März Apr Mai Juni Juli Aug Sept 1. SJ 2. SJ A - Tertial B -Tertial C -Tertial 3. SJ A - Tertial B -Tertial C -Tertial 4. SJ A - Tertial B -Tertial C -Tertial 5. SJ Staatsexamen 6. SJ Abb. 4: Modellstudiengang an der MHH: die Tertiale Die akademische Lehre findet unter den Bedingungen von DRG und LOM statt. Ich erwähnte eingangs, daß die Kennzahl Lehre noch etabliert werden muß. Daher stellt sich die Frage, ob sich die Lehre für den akademischen Lehrer lohnt. Natürlich lohnt sich Lehre immer, weil von den Studierenden ein Feedback kommt, doch Idealismus allein kann Lehre nicht finanzieren. An der MHH wurde die Finanzierung der Lehre umgestellt, es gibt nur noch eine geringe Grundausstattung und die in Stunden geleistete Lehre wird abgerechnet (Abbildung 5). 6

Grundausstattung (GA) Im Budget der Abteilungen enthaltene L-Mittel + Geleistete Lehre (Berechnung in Stunden) 1.38 Mio/Jahr + Lehr-LOM (Lehrpreise, Evaluation, Prüfungsqualität) 1.3 Mio/Jahr + aus Studiengebühren (Antrag an die Studienkommission) 1.4 Mio/Jahr Abb. 5: Modellstudiengang an der MHH: Finanzierung der Lehre Ein Ableisten vieler Lehrstunden durch ein Fach würde zu einem hohen Zuweisungsbetrag führen, doch wird in der Studienkommission unter Einbeziehung der Studierenden kritisch diskutiert, ob ein solch hoher Lehreinsatz tatsächlich nötig und nützlich ist. Die Verteilung Lehr-LOM ist eines der schwierigsten Dinge. Wir haben lange um die dafür anzusetzenden Kriterien gerungen, denn wir verteilen hier mit 1,3 Mio. Euro/Jahr signifikante Summen. Aus den Studiengebühren können auf Antrag Lehrpersonen und andere lehrbezogene Ausgaben finanziert werden. Die Bestimmung und Verteilung von Lehr-LOM an der MHH ist in der Abbildung 6 schematisch dargestellt. 7

studentische Evaluation Gesamtnote des Moduls Punkte 0-15 Prüfungsqualität Lehrvolumen Punkte 0-8 Punkte 0-6 Die Summe der Qualitätspunkte Modul 1 LOM-Zuteilung Modul 15 Modul 45 Verteilung auf die am Modul beteiligten Abteilungen nach Dozentenstunden 66.000 pro Modul 50% 50% anteilsmäßige Verwendung direkt Abteilung durch den einzelnen Dozenten, entsprechend seinem Anteil am Unterricht Abb. 6: Qualitative Beurteilung der Lehre an der MHH Lehr-LOM Wie steht es um die Patienten unter den stationären/ambulanten Bedingungen von 2010? Wir haben große Anstrengungen hinsichtlich der Verfügbarkeit der stationären Patienten unternommen. Es läuft eine Feldstudie, wir haben die patienten-basierte Kapazität berechnet, dennoch bleibt bei einer durchschnittlichen Liegezeit von 6,5 Tagen nur sehr wenig Zeit für die Lehre. Wer soll entscheiden, wann ein Patient mit bestimmten Verfahren untersucht oder entlassen werden kann, weil er noch in der Lehre vorgestellt werden soll? Solche Fragen werden unter den Bedingungen eines Hochleistungskrankenhauses zunehmend relevant. Die baulichen Voraussetzungen spielen hier auch hinein. Für die Polikliniken trifft das gleiche zu. Der Wissenschaftsrat hat gerade wieder kritisiert, daß die poliklinischen Patienten nicht adäquat eingesetzt werden. Das ist sicher richtig, doch wie sollen Organisation und Abläufe der Poliklinik geregelt sein. Wenn man sie an der Lehre orientieren will, steht man erneut vor der Frage, wer diese Aufwendungen finanzieren soll. Auch 8

müßte man bei den baulichen Voraussetzungen nach Polikliniken für die Lehre fragen. Weiterhin müßte man in der Lehre mit alten Gewohnheiten brechen und Lehrveranstaltungen zu den Zeiten ansetzen, zu denen die entsprechenden Patienten auch verfügbar sind. Ich habe Aspekte der Forschung in meinem Vortrag bewußt ausgeklammert. An der MHH gibt es Forschungsprogramme und ich finde es sehr wichtig, möglichst viele unserer Studierenden für die Forschung zu begeistern. Die Evaluation unseres Studienganges wird die große Herausforderung sein, denn Kriterien oder Bewertungsparameter existieren bisher nicht. Weder die Struktur der Lehre noch der Enthusiasmus der Studiendekane sind Größen, die über ein Besser entscheiden könnten. Standortspezifka spielen eine Rolle, Vorlieben für den einen oder anderen Studienort werden möglicherweise bei Beliebtheitsaussagen wichtiger sein, als das gewählte Curriculum. Vergleichen wir das Curriculum an der MHH mit dem in Greifswald, wo kein Modellstudiengang betrieben wird, ist die Struktur dennoch wenig unterschiedlich. Ich glaube, daß aufgrund der Rahmenbedingungen ein Modellstudiengang erforderlich ist. HannibaL ist eine große Herausforderung. Der Phönizier Hannibal hat die Alpen überwunden, besiegt wurde er durch die Jahre in der Ebene. Wir haben bei uns erleben müssen, daß Abteilungen mit hervorragender Lehre über die Jahre in das Mittelfeld zurückfielen und andere an die Spitze rückten. Ich wünsche uns, daß wir HannibaL über die Ebene der täglichen Arbeit weiter als eine Herausforderung sehen und diesen Studiengang weiterentwickeln. 9