Bericht. des Gesundheitsausschusses. über die Drs. 20/10120



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Transkript:

BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 20/14441 20. Wahlperiode 21.01.15 Bericht des Gesundheitsausschusses über die Drs. 20/10120 Versorgung mit Arztpraxen in den Stadtteilen Planung auf der Grundlage des Hamburger Morbiditätsatlasses vorantreiben (Antrag SPD) (Selbstbefassung gemäß 53 Absatz 2 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft) Vorsitz: Sylvia Wowretzko Schriftführung: Dennis Thering I. Vorbemerkung Der Gesundheitsausschuss beschloss in seiner Sitzung am 9. Januar 2015 einvernehmlich, sich im Rahmen einer Selbstbefassung gemäß 53 Absatz 2 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft mit der Drs. 20/10120 zu befassen und die inhaltliche Beratung am selben Tag stattfinden zu lassen. II. Beratungsinhalt Die Senatsvertreterinnen und -vertreter führten eingangs aus, mit diesem Thema habe man sich schon im Plenum und auch im Gesundheitsausschuss beschäftigt. Der Morbiditätsatlas sei bereits ausführlich vorgestellt worden. Die Senatorin der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz habe der Präsidentin einen Bericht zum bürgerschaftlichen Ersuchen zugeleitet (Drs. 20/14332). Die Landeskonferenz Versorgung habe eine Arbeitsgruppe gegründet, in der die Kassenärztliche Vereinigung, die Krankenkassen, die Behörden, die Patientenorganisationen und die Ärztekammer vertreten seien. Diese Arbeitsgruppe habe sich auf Grundlage des Morbiditätsatlasses und von Daten zur ärztlichen Versorgung, die die Kassenärztliche Vereinigung beigesteuert habe, mit der Frage der Verteilung der Versorgung der Arztpraxen in Hamburg befasst. Aus den Daten gehe hervor, welchen Versorgungsbeitrag Praxen leisteten. Dieser sei nicht immer gleich, denn unter dem Begriff Hausarzt würden sich häufig unterschiedliche Leistungen verbergen. Manche Hausärzte seien schon sehr stark spezialisiert, andere machten die grundlegende, umfassende Versorgung. Auch das Ausmaß der Versorgung differiere. Außerdem lägen der Kassenärztlichen Vereinigung Ergebnisse zu Patientenströmen vor. Grundlage seien dabei immer Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg aus dem Jahre 2011 gewesen. Die Arbeitsgruppe habe sich über einen längeren Zeitraum mit dieser Thematik befasst. Von Anfang an sei klar gewesen, dass man die Versorgung durch Haus- und Kinderärzte in den Blick nehmen wolle und weniger die fachärztliche Versorgung, weil Hausund Kinderärzte nach der Bedarfsplanungsrichtlinie zur kleinräumigen Versorgung zählten und hier das Argument der Entfernung stärker ins Gewicht falle. Der Morbiditätsatlas habe schon verdeutlicht, dass es bei der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen und der Betroffenheit von Volkskrankheiten regionale Unterschiede gebe. Dies korreliere mit der sozialen Situation, aber nicht unbedingt mit der Versorgung durch Arztpraxen in den Stadtteilen. Auf der Grundlage dieser Daten habe die Arbeitsgruppe

Drucksache 20/14441 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 20. Wahlperiode einen Vorschlag zur flexiblen Bedarfsplanung vorgelegt, der im November 2014 von der Landeskonferenz Versorgung beschlossen worden sei. Anfang des Jahres sei ein Beschluss des Zulassungsausschusses zur Aufnahme dieser Kriterien als Anlage in den Bedarfsplan für den Planungsbereich Hamburg vorgesehen. Dieser Katalog beinhalte Fragestellungen, die abgeprüft würden, um lokale Versorgungsengpässe zu identifizieren und zu beurteilen sowie Maßnahmen zu deren Abhilfe. Dabei handle es sich nicht um eine starre, sondern um eine sehr flexible Bedarfsplanung, die sich statt an Stadtteil- oder Bezirksgrenzen an konkreten Versorgungsund Problemsituationen orientiere. Man habe sich darauf verständigt, dass bei Hausärzten die Betrachtung eines Radius von drei Kilometern um eine bestehende Praxis, die möglicherweise aufgegeben werden solle, oder um ein zu benennenden Versorgungsproblem sachgerecht sei. Bei Kinderärzten betrage der Radius vier, bei Fachärzten zwölf Kilometer. Um zu analysieren, ob ein Versorgungsproblem vorliege oder entstehen könne, würden die Verhältniszahlen von Einwohnern und Ärzten auch im bundesweiten Vergleich innerhalb des Radius betrachtet. Dabei sei es wichtig, auch die demografischen Verhältnisse miteinzubeziehen. Außerdem würden die durchschnittlichen Arztfallzahlen und weitere Indikatoren des patientenseitigen Versorgungsbedarfs in Augenschein genommen. Hierzu würden auch Abrechnungszahlen der jeweiligen Fachgruppe der Ärzte herangezogen. Darüber hinaus blicke die Kassenärztliche Vereinigung auf das Tätigkeitsspektrum der vor Ort niedergelassenen Ärzte, um festzustellen, ob die Versorgung eher spezialisiert oder breit angelegt sei. Außerdem werde bei den in diesem Radius zusätzlich tätigen Ärzten angefragt, ob diese noch Aufnahmekapazitäten hätten oder selbst schon mit Wartezeiten umgehen müssten. Wenn nach dieser Analyse ein tatsächliches Versorgungsproblem festgestellt worden sei, gebe es einen ganzen Katalog von Maßnahmen, um dem Problem abzuhelfen. Dazu gehöre zum Beispiel, die Versorgungskapazitäten der vorhandenen Praxen zu erweitern, indem man etwa durch finanzielle Förderung das Budget erhöhe. Denkbar sei auch das Ergreifen organisatorischer Maßnahmen, um den Praxen die Versorgung zu erleichtern. Man könne hier die personelle Aufstockung unterhalb der Zulassung einer zusätzlichen Praxis betreiben, zum Beispiel durch das Erweitern einer nicht vollständigen Zulassung. Eine weitere Maßnahme sei die Unterstützung für die Eröffnung einer Zweitpraxis einer bereits vorhandenen Praxis oder für eine Praxisverlegung in einen unterversorgten Bereich. Möglich sei auch, in diesem Zusammenhang eine Praxisverlegung zu untersagen, wenn dadurch ein Problem in dem betrachteten Bereich entstehen würde. Im Einzelfall könne es auch die Verlegung eines Arztsitzes mit räumlicher Sitzbindung in eine Region mit Versorgungsproblem geben. Wenn zum Beispiel ein Arzt seine Praxis in einem Bereich aufgebe, in dem eine Nachbesetzung nicht notwendig sei, könnte es eine Verlegung in einen Planungsbezirk innerhalb Hamburgs geben, in dem ein Bedarf bestehe. Des Weiteren existiere das Instrument einer lokalen Sonderbedarfszulassung. Weiterhin müsse man in Augenschein nehmen, ob die Probleme außerhalb der Versorgung lägen, etwa im Bereich der Verkehrsinfrastruktur. Die aus diesen Empfehlungen resultierenden Maßnahmen würden einmal jährlich der Landeskonferenz Versorgung vorgelegt. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter hielten dies für ein gutes Instrument, das einer starren Bedarfsplanung deutlich überlegen sei. Es sei auch schon diskutiert worden, Hamburg in mehrere Planungsbezirke aufzuteilen; dies hätte aber nicht zu einem solch flexiblen und gezielt wirkenden Instrument geführt. Möglicherweise hätte man durch die starren Grenzen Versorgungsprobleme vermeintlich gelöst, die gar nicht vorhanden gewesen seien oder hätte tatsächliche nicht lösen können. Betrachte man die Bezirke in Hamburg, stelle man fest, dass sie zwar unterschiedlich versorgt seien, dass aber trotzdem nirgends ein Versorgungsgrad erreicht werde, der Unterversorgung bedeuten würde. Dieser liege bei unter 75 Prozent dessen, was an Verhältniszahlen bundesweit vorliege. Deshalb wären bei einer solchen Betrachtung auch keine Maßnahmen ergriffen worden. Der Katalog der Instrumente und die Analyse der Probleme seien sachgerecht und besser anwendbar. Der FDP-Abgeordnete wies auf seine Schriftliche Kleine Anfrage aus Drs. 20/13597 hin, wonach laut Senat keine Praxisschließungen geplant seien. Die Aussage des Senats, Hamburg nicht in Versorgungsbezirke aufteilen zu wollen, begrüßte er ausdrücklich. Unklar bleibe für ihn, inwieweit die von den Senatsvertreterinnen und -vertretern beschriebenen Maßnahmen neu seien, denn in den Paragrafen 101 und 2

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 20. Wahlperiode Drucksache 20/14441 103 SGB V sowie im Paragraf 24 der Bedarfsplanungsrichtlinie seien hierzu schon sehr umfangreiche Ausführungen gemacht worden. Darüber hinaus interessierte ihn, an welcher Stelle eine Regelung über die erwähnten Zuschüsse zu finden sei und wie diese finanziert würden. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter erläuterten, neu sei die systematische Analyse unter Einbeziehung der demografischen Gegebenheiten, die von der Kassenärztlichen Vereinigung selbst vorgeschlagen worden sei. Auch die Verständigung auf die Betrachtung eines Radius von drei Kilometern bei Hausärzten und von vier Kilometern bei Kinderärzten habe es zuvor nicht gegeben. Neue Elemente seien auch der vereinbarte Maßnahmenkatalog und der Bericht an die Landeskonferenz Versorgung. Früher habe es zwar auch punktuell einmal Sonderbedarfszulassungen gegeben; diese seien dann aber mehr oder weniger eine Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung gewesen in einem Verfahren, das nicht sehr transparent gewesen sei. Finanzielle Zuschüsse würden wie auch jetzt schon gesetzlich geregelt aus dem Budget der Kassenärztlichen Vereinigung bezahlt. Die Abgeordnete der GRÜNEN wollte wissen, mit welchem Ereignis die systematische Analyse ausgelöst werde und ob es möglich sei, dass diese auch von Bürgerinnen und Bürgern angefordert werde. Außerdem interessierte sie, wie der Senat die Möglichkeit der Kassenärztlichen Vereinigung, Arztsitze aufzukaufen, einschätze. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter erklärten, das Verfahren könne ausgelöst werden, wenn ein Arztsitz, etwa durch Eintritt in den Ruhestand, aufgegeben werde. Anhand der vorliegenden Kriterien könne der Bedarf ermittelt werden. Ein weiterer Auslöser sei ein Antrag an die Kassenärztliche Vereinigung, einen Arztsitz zu verlegen. Auch Bürgerinnen und Bürger sowie politische Gremien könnten sich an die Kassenärztliche Vereinigung wenden, wenn sie der Meinung seien, dass ein Versorgungsproblem bestehe. Der Aufkauf von Arztsitzen beziehe sich auf den Entwurf des Versorgungsstärkungsgesetzes auf Bundesebene. An dieser Stelle werde aus einer Kann-Regelung eine Soll-Regelung. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter teilten dabei nicht die Sorge der Kassenärztlichen Vereinigungen, die eine Versorgung von über 100 Prozent mit dem Abbau und Aufkauf von Arztsitzen gleichgesetzt hätten. Das Gesetz sehe einen ganzen Katalog an Ausnahmen vor, wie zum Beispiel die Weitergabe einer Praxis an ein Familienmitglied oder an einen Arzt, der bereits in der Praxis mitarbeite, oder wenn ein Beitrag zur Barrierefreiheit geleistet werde. Im Gesetz sei auch ausdrücklich geregelt, dass ein Aufkauf nicht infrage komme, wenn innerhalb eines Planungsbezirks, der an sich wie in Hamburg überversorgt sei, ein Arztsitz in eine Region, in der ein Bedarf gesehen werde, verlegt werde. Im Übrigen beinhalte das Gesetz auch, dass die Mitversorgungsfunktion des Planungsbereichs für Regionen, die außerhalb dieses Bereiches lägen, mit in Betracht gezogen werden müsse, was für Hamburg in großem Maße zutreffe. Inzwischen gebe es etwa 25 Prozent Patientinnen und Patienten, die nicht in Hamburg wohnten, aber dort versorgt würden. Darüber hinaus falle eine Entscheidung zum Aufkauf einer Praxis nicht gegen, sondern immer nur mit der Kassenärztlichen Vereinigung. Dabei bestehe die Möglichkeit, den Versorgungsbedarf sehr flexibel zu prüfen. Zudem werde man im Bundesrat einen Antrag stellen, die Verhältniszahlen noch einmal grundsätzlich zu überprüfen, denn im Grunde stellten sie den Status quo der Neunzigerjahre dar, den man anhand der Bevölkerungszahlen weiterentwickelt habe. Ob diese Zahlen auch unter heutigen demografischen Bedingungen noch adäquat seien, müsse noch einmal untersucht werden. Dabei müsse auch die Frage der Umlandversorgung mit ins Auge gefasst werden, denn auch sie nehme mit der demografischen Entwicklung zu. Die SPD-Abgeordneten fanden es wichtig, dass ein Hausarzt auch Hausbesuche mache, gerade in Stadtteilen mit vielen älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Pflegeheime berichteten von Schwierigkeiten, Ärzte zu finden, die auch der aufsuchenden Tätigkeit nachgingen, obwohl dies gesetzlich vorgesehen sei. Eine ausreichende Versorgung mit Arztpraxen sei nicht zielführend, wenn Ärzte nicht bereit seien, Hausbesuche zu machen. Sie wollten wissen, wie der Senat diesem Problem begegne. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter bemerkten, in der heute zur Debatte stehenden Richtlinie sei in der Erhebung der jeweiligen Bedarfssituation berücksichtigt, ob ein Kinderarzt wirklich noch Kinder versorge und impfe oder ob er zum Beispiel nur für 3

Drucksache 20/14441 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 20. Wahlperiode Kindernephrologie zuständig sei. Gleiches gelte für die Hausärzte in Hamburg. Auf Bundesebene müsse diese Frage in die Bedarfsplanung einfließen. Wie schon ausgeführt, handle es sich aber um Verhältniszahlen, die die wahre Tätigkeit des Arztes nicht berücksichtigten. Diese Problematik werde man mit dem erwähnten Antrag im Bundesrat noch einmal aufgreifen. Der FDP-Abgeordnete betonte, die Änderung einer Kann- auf eine Soll-Regelung habe deutliche Auswirkungen. Zum Thema Hausbesuche wies er darauf hin, dass die Rechtsprechung hinsichtlich des Arzthaftungsrechts zunehmend strikt geworden sei. Viele Ärzte hätten Angst, Hausbesuche zu tätigen, weil sie oft die selbst bei scheinbar unbedeutenden Krankheiten geforderten Befunderhebungen bei Hausbesuchen nicht durchführen könnten, was ihnen möglicherweise später vorgeworfen werde. In der Schriftlichen Kleinen Anfrage aus Drs. 20/13597 zitiere der Senat die Empfehlung aus der Sitzung der Landeskonferenz vom 7. November 2014 wie folgt: Die Landeskonferenz Versorgung empfiehlt den für die Bedarfsplanung zuständigen Partnern der Selbstverwaltung (Kassenärztliche Vereinigung Hamburg, Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen) zur Beurteilung der lokalen haus- und kinderärztlichen Versorgungssituation die in den Maßnahmen zur flexiblen Gestaltung der ambulanten Versorgung in Hamburg genannten Kriterien zu berücksichtigen und als Anlage im Bedarfsplan für den Planungsbereich Hamburg aufzunehmen. In diesem Zusammenhang wies der FDP-Abgeordnete darauf hin, dass weder die Kassenärztliche Vereinigung noch die Krankenkassen über Sonderbedarfszulassungen entschieden, sondern die Zulassungsausschüsse. Zwar würden beide Gremien Personen in die Zulassungsausschüsse entsenden, diese seien aber nicht weisungsgebunden. Sonderbedarfszulassungen würden von den Mitgliedern der Zulassungsausschüsse durchaus aus einer persönlichen Sicht heraus erteilt oder eben nicht. Eine negative Entscheidung gehe dann zum Beschwerdeausschuss und schließlich den sozialgerichtlichen Weg, was mehrere Jahre in Anspruch nehme. Damit sei die Macht eines Mitglieds des Zulassungsausschusses außerordentlich groß. Die Entscheidung könne zwar am Ende von Gerichten aufgehoben werden, da dies aber Jahre später erfolge, sei das Interesse an der Sonderbedarfszulassung längst weg. Somit liege die entscheidende Macht nicht bei der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen, sondern bei den einzelnen Mitgliedern des Zulassungsausschusses. In diesem Zusammenhang interessierte ihn, ob diese Empfehlung die nach dem Text ohnehin nicht dem Zulassungsausschuss gegeben werde, sondern nur den die Mitglieder entsendenden Gremien einen motivierenden Einfluss auf das entscheidende Gremium des Zulassungsausschusses habe. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter betonten, wie wichtig es gewesen sei, dass an der Arbeitsgruppe diejenigen mitgewirkt hätten, die die erarbeiteten Kriterien später auch umsetzten. Innerhalb dieser Arbeitsgruppe sei zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen maßgeblich diskutiert und verhandelt worden, bis man sich auf diesen Katalog verständigt habe, der Anfang des Jahres zu einem Bestandteil des Bedarfsplans werde. Dabei habe es teilweise lange Beratungen und Ringen um einzelne Regelungen gegeben. Die Zulassungsausschüsse agierten in Hamburg auf Grundlage des Bedarfsplans, der deswegen einen verbindlichen Charakter habe, wobei die Landeskonferenz Versorgung keine Kompetenz habe, auf einzelne Entscheidungen einzuwirken. Da die Mitwirkung durch immer wieder dieselben Organisationen mit denselben Personen erfolge, sei der erzielte Konsens innerhalb der Arbeitsgruppe von außerordentlicher Bedeutung gewesen. Es gebe eine Übereinkunft, auf dieser Grundlage zu handeln. Der Abgeordneten der GRÜNEN fiel es noch schwer, sich vorzustellen, wie aufwendig das Verfahren der Analyse eigentlich sei. Sie erkundigte sich, wie viele solcher Verfahren in einem bestimmten Zeitraum zu leisten sein würden und wie es mit den Ressourcen aussehe, denn die Kassenärztliche Vereinigung habe damit zahlreiche Aufgaben hinzubekommen. Wenn man die unterschiedlichen Radien bereits mit drei, vier und zwölf Kilometern definiert habe, müsste man auch schon Kenntnisse haben, wie die Lage sich über das Stadtgebiet verteilt darstelle und wo es Bereiche mit Nachsteuerungsbedarf gebe. Hier interessierte sie, um welche es sich handle und wie hoch deren Anteil sei. 4

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 20. Wahlperiode Drucksache 20/14441 Die Senatsvertreterinnen und -vertreter entgegneten, sie könnten nicht vorhersagen, wie viele Fälle untersucht würden. Das Verfahren beinhalte eine aufwendige Auswertung von Abrechnungsdaten, die durch die entsprechenden Fachleute der Kassenärztlichen Vereinigung mit Hilfe von EDV-Auswertungen erfolge. Abhängig sei die Zahl davon, bei wie vielen Praxen Bewegung entstehe, zum Beispiel dadurch, dass Ärzte in den Ruhestand gingen, aber auch davon, wie viele Probleme an den Zulassungsausschuss herangetragen würden. Im Grundsatz herrsche eine gute Versorgung in Hamburg. Deshalb glaubten sie, dass es sich nicht um so viele Fälle handeln werde, sondern eher um ausgewählte Situationen, die man dann aber eventuell auch durch eines der vielen bereits aufgezeigten Instrumente lösen könne. Die SPD-Abgeordneten erinnerten daran, dass bereits die letzten zehn Jahre über dieses Thema debattiert worden sei. Jahrelang habe es einen Stillstand gegeben. Insofern sei das jetzige, einvernehmlich mit den handelnden Institutionen vereinbarte Verfahren ein gewaltiger Schritt, den sie ausdrücklich begrüßten. III. Ausschussempfehlung Der Gesundheitsausschuss empfiehlt der Bürgerschaft, von seinen Beratungen Kenntnis zu nehmen. Dennis Thering, Berichterstattung 5