Landesaktionsplan gegen Gewalt an Frauen

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Transkript:

Landesaktionsplan gegen Gewalt an Frauen Beschlossenes Papier der UAG Interventionsketten Standards für die Arbeit von Interventionsstellen 1 in Baden-Württemberg I. Einführung Diese Standards beziehen sich auf die Arbeit von Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt. 2 Die Arbeit der Interventionsstellen ist Bestandteil der Interventionskette bei akuter häuslicher Gewalt. Sie ist das Bindeglied zwischen schnell greifenden und kurzfristig wirkenden polizeilichen Eingreifbefugnissen, z.b. Wohnungsverweis und mittelfristig wirkenden zivilrechtlichen Schutzmöglichkeiten, z.b. nach dem Gewaltschutzgesetz. Die Interventionsstellen sind eingebunden in regionale Interventionsverbünde/Interventions-ketten. Es wird empfohlen, dass sich die Interventionsverbünde auf Stadtkreis-/ Landkreis-ebene sich regelmäßig (mindestens 2 x jährlich) treffen. Aufgabenschwerpunkte der Kooperationsbündnisse: - Abstimmung der Öffentlichkeitsarbeit - Beschwerdemanagement - Evaluation von Interventionsabläufen. Empfehlungen, wo bzw. bei welcher Institution die Verantwortung für die Koordinierung der regionalen Interventions- bzw. Kooperationsbündnisse liegen soll, wurden nicht abgegeben. Die flächendeckende Umsetzung und Weiterentwicklung standardisierter Interventionsabläufe und die Arbeit der Interventionsbündnisse 3 im Land soll durch die Einführung einer Landeskoordinationsstelle mit Steuerungs- und Monitoringfunktion - gewährleistet werden. Für das Monitoring sollte ein interdisziplinäres Fachgremium eingerichtet werden, das Berichte der regionalen Ebene entgegen nimmt. Die Interventionsarbeit erfordert Einrichtungsstrukturen, in denen die Aufgaben langfristig ausgerichtet und institutionell verstetigt geleistet werden. Die Interventionsarbeit wird in Einrichtungen mit unterschiedlicher Trägerschaft geleistet. Ein Schwerpunkt der Träger liegt in der Beratung und Betreuung von häuslicher Gewalt Betroffener. Betroffene sind das zeigen Polizeistatistiken ebenso wie sozialwissenschaftliche Untersuchungen überwiegend Frauen. Darüber hinaus sind aber auch Männer von häuslicher Gewalt betroffen. Interventionsstellen, die an eine Frauenberatungsstelle mit feministisch-parteilichem Beratungsansatz angegliedert sind, bera- 1 Von der Bundeskonferenz der Interventionsprojekte und Interventionsstellen am 2. November 2006 beschlossene Standards, die im Rahmen des Landesaktionsplans gegen Gewalt an Frauen für Baden-Württemberg angepasst wurden. 2 Häusliche Gewalt umfasst alle Formen der körperlichen, sexuellen und seelischen (u.a. sozialen und ökonomischen) Gewalt, die zwischen erwachsenen Menschen stattfindet, die in einer nahen Beziehung zueinander stehen oder gestanden haben, unabhängig vom Tatort. Das sind vor allem Personen in Lebensgemeinschaften, aber auch in anderen Verwandtschaftsbeziehungen. Die Tatorte können auch die Arbeitsstelle, öffentliche Plätze oder andere sein. In: 2. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland (BMFSFJ, Dezember 2012, S. 81). 3 Frühere Runde Tische 1

ten ausschließlich weibliche Betroffene. Bei Interventionsstellen in anderer Trägerschaft gehören ggf. auch männliche Opfer von häuslicher Gewalt zur Zielgruppe. Außerdem gibt es an einigen Standorten auch Männerinterventionsstellen, die ausschließlich männliche Opfer beraten. 4 Die Interventionsstellen arbeiten mit einem pro-aktiven Beratungsansatz. Pro-aktive Beratung ist ein zugehendes Beratungsangebot für Betroffene von häuslicher Gewalt. Die Kontaktaufnahme erfolgt durch die Beraterinnen und Berater vorrangig nach Polizeieinsätzen zu häuslicher Gewalt, insbesondere auf telefonischem Weg. Es wird ein Beratungsangebot unterbreitet. Die anschließende Beratung erfolgt ausschließlich mit Zustimmung der Betroffenen von häuslicher Gewalt. Für eine erfolgreiche Umsetzung dieser Interventionsarbeit ist gleichzeitig die Realisierung der Kooperation mit involvierten Institutionen, die Öffentlichkeitsarbeit und Fortbildungsarbeit für verschiedene Berufsgruppen notwendig. II. Strukturqualität 2.1. Rechtlicher Rahmen Der rechtliche Rahmen, in den die Arbeit der Interventionsstellen eingebunden ist, ist von Bundes- und Landesgesetzen geprägt. 2.1.1. Bundesgesetze Bundesweit gilt seit Januar 2002 das Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz - GewSchG). Das Gesetz verfolgt das Ziel, den zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen im Allgemeinen und bei häuslicher Gewalt im Besonderen zu verbessern. Opfer häuslicher Gewalt haben die Möglichkeit, schnell Schutz zu erhalten: Im Wege von (Eil-)Anordnungen kann ihnen die gemeinsame Wohnung zur alleinigen Nutzung zugewiesen werden. Möglich ist es auch, Kontakt- und Näherungsverbote auszusprechen. Ein Verstoß gegen eine Schutzanordnung ( 1 GewSchG) ist strafbewehrt. Ebenfalls im Jahr 2002 ist das Gesetz zur weiteren Verbesserung von Kinderrechten (Kinderrechteverbesserungsgesetz) in Kraft getreten. Nach 1666, 1666 a BGB sind die zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Das Spektrum möglicher Maßnahmen des Familiengerichtes reicht dabei von Ermahnungen, Ge- und Verboten bis hin zur Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts oder der elterlichen Sorge insgesamt. Klargestellt ist, dass auf der Grundlage der 1666, 1666 a BGB auch eine Untersagung der Wohnungsnutzung gegenüber einem gewalttätigen Elternteil zum Schutz des Kindes vor häuslicher Gewalt möglich ist. Im Bereich des Strafrechts gibt es keinen besonderen Straftatbestand häusliche Gewalt. Vielmehr haben fast alle Tathandlungen häuslicher Gewalt eine strafrechtliche Relevanz, wie z. B. Körperverletzung, Beleidigung, Hausfriedensbruch, Sexualdelikte, Tötungsdelikte, Stalking usw. Im Bereich der Strafverfolgung und sanktionierung sind die Regelungen von Offizialdelikten, des Täter-Opfer-Ausgleichs und der Weisung in Täterprogramme zu beachten. 4 Für die Arbeit mit von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen ist der Einsatz weiblicher Fachkräfte geboten, für die Beratung von betroffenen Männern sollten ggf. männliche Berater eingebunden werden. 2

2.1.2. Ländergesetze In Baden-Württemberg werden die Bundesgesetze durch den 27a Abs. 3-5 im Polizeigesetz flankiert. Dieser ermöglicht eine befristete Wegweisung aus der Wohnung bzw. ein Rückkehrverbot einer gewalttätigen Person dorthin. 5 2.2 Ausstattung Die Ausstattung muss dem Aufgabenkatalog (Pkt. III. 4.) der Interventionsstelle entsprechen. 2.2.1 Personal Für die Interventionsstellenarbeit ist qualifiziertes Personal erforderlich. Es bedarf fachlich und persönlich geeigneter Mitarbeiterinnen, insbesondere Sozialpädagoginnen, Psychologinnen und/oder Juristinnen bzw. vergleichbare Qualifikationen. Erforderlich sind sozialpädagogische Fähigkeiten insbesondere im Bereich häuslicher Gewalt, Erfahrungen in der Krisenintervention, pschosozialen Beratung und Telefonberatung, Kenntnisse des Straf-, Zivil-, Sozial-, Aufenthalts-, Asyl- und Polizeirechts im Kontext häuslicher Gewalt, Fähigkeiten in der Fortbildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, sowie zur Kooperation. Der Personalschlüssel ist abhängig vom Umfang der Aufgabe: Relevant sind dabei neben den Einsatzzahlen der Polizei die Bevölkerungsdichte im Einzugsgebiet der Interventionsstelle (z.b. Pauschale zzgl. X-Cent- Betrag pro Einw.), die Verkehrsinfrastruktur und das bestehende System der Unterstützungseinrichtungen. Durch den Träger sind eine regelmäßige Supervision und fachliche Fortbildung sicher zu stellen. 2.2.2. Räume Es müssen eigene, der Beratungssituation und dem Aufgabenkatalog angemessene Räume zur Verfügung stehen. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass sie einen geschützten und gesicherten Rahmen sowohl für die Betroffene häuslicher Gewalt als auch für die Mitarbeiterinnen bieten. Eine Spielecke bzw. Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder sollten vorgehalten werden. 2.2.3. Ausstattung Telefon, Fax, PC, Internet, E-Mail, Kopierer und Handys sind erforderlich. Ein Dienstwagen ist insbesondere bei aufsuchender Arbeit in ländlich strukturierten Gebieten erforderlich. Der Schutz der personenbezogenen Daten ist sicherzustellen. 2.2.4. Trägerschaft Träger der Interventionsarbeit sind Institutionen mit einem Schwerpunkt im Bereich der häuslicher Gewalt. 2.2.5. Finanzierung Die Arbeit von Interventionsstellen ist langfristig sicherzustellen. Entsprechend der Aufgaben der Interventionsstellen (siehe III Punkt 4) sowie der Einwohnerzahl ist eine ausreichende Ausstattung der Personal- und Sachkosten unabdingbar. Empfehlenswert ist die Vergütung entsprechend mindestens BAT IV a bzw. TvöD. 5 Situationsbeschreibung: In Baden-Württemberg werden nach einem Polizeieinsatz im Zusammenhang mit einem Wohnungsverweis Daten der Opfer mit Einwilligung der Opfer an die Interventionsstellen weitergegeben. Wünschenswert wäre, dass mit Einwilligung der Opfer Daten bei jedem Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt bzw. Anzeige zu häuslicher Gewalt an die Beratungsstelle weitergeleitet würden (vgl. Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein ( 52 SOG M-V; 201 a LVwG Schleswig-Holstein, SOG-NS, 17) 3

III. Prozessqualität 3.1. Selbstverständnis Die Arbeit der Interventionsstellen erfolgt stets parteilich für die von häuslicher Gewalt Betroffenen, sie allein entscheiden darüber, ob sie die angebotene Beratung in Anspruch nehmen möchten. Innerhalb der gesetzlichen Vorgaben werden Informationen über Beratungsinhalte von der Beraterin nicht an andere Stellen übermittelt bzw. weitergegeben. Dies gilt nicht, wenn die Betroffene einer Informationsweitergabe zugestimmt hat oder wenn eine Gefahr für das Kindeswohl droht bzw. vorliegt. Die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen ist selbstverständlich. 3.2. Ziele Ziel der Interventionsstellenarbeit ist es zum einen, Betroffene häuslicher Gewalt psychosozial zu unterstützen und zum anderen, sie dabei zu unterstützen, sich selbst vor weiterer Gewalt zu schützen. Hierzu erhalten sie Informationen über rechtliche, tatsächliche und individuelle Schutzmöglichkeiten. Auf weiterführende Unterstützungsangebote / -einrichtungen werden sie hingewiesen und gegebenenfalls an diese vermittelt. Die Arbeit verfolgt weiter den Zweck, einen Kontakt zu denjenigen Betroffenen herzustellen, die von sich aus - aus unterschiedlichen Gründen Hilfe und Unterstützung nicht in Anspruch nehmen. Ein weiteres Ziel ist es, die Öffentlichkeit und Fachinstitutionen über die Aufgaben und Arbeitweisen von Interventionsstellen zu informieren. 3.3. Zielgruppen Primäre Zielgruppen der Interventionsarbeit sind erwachsene Betroffene häuslicher Gewalt, die im Anschluss an einen Polizeieinsatz ein pro-aktives Beratungsangebot erhalten. Das Angebot richtet sich auch an Betroffene, die sich von sich aus Unterstützung suchen sowie an Betroffene die von anderen Stellen vermittelt werden. Zudem können auch MultiplikatorInnen zu häuslicher Gewalt informiert werden und Fachberatung in Anspruch nehmen. Gleiches gilt für die allgemeine Öffentlichkeit. Auch Kinder als Mit-Betroffene häuslicher Gewalt sind Zielgruppe von Interventionsstellen, denn das Miterleben von häuslicher Gewalt kann traumatisierend wirken und Kinder in ihrer Entwicklung schaden. Daher ist Kindern mit Einverständnis ihrer Mutter möglichst zeitnah nach dem Gewaltgeschehen - eine persönliche Ansprechperson bzw. Zugang zu einer kindgerechten Krisenberatung zu ermöglichen. Ein entsprechendes Angebot kann von einer qualifizierten Fachkraft der Interventionsstelle bzw. einer kooperierenden Fachstelle durchgeführt werden. 3.4. Aufgaben 3.4.1.Kontaktaufnahme o Die Kontaktaufnahme erfolgt mit dem Ziel, ein Beratungsangebot zu unterbreiten o Nach polizeilicher Meldung unverzüglich (24-Stunden-Erreichbarkeit ist gewünscht), spätestens am nächsten Arbeitstag der Interventionsstelle o In der Regel telefonischer Kontakt, Kontaktversuche mehrfach zu verschiedenen Tageszeiten o Im ländlichen Raum und in der Krisenberatung von Kindern oder von Betroffenen mit mobilitätseinschränkenden Behinderungen sollte aufsuchende Beratung angeboten werden. 4

3.4.2.Beratung o Über die Annahme des Krisenberatungsangebotes entscheiden die Betroffenen von häuslicher Gewalt (bei Kindern gewaltbetroffene Elternteile/Jugendamt) o Inhalt der Beratung sind für erwachsene Betroffene: Psychosoziale Unterstützung, Gefährdungseinschätzung, das Aufzeigen rechtlicher, tatsächlicher und individueller Schutzmöglichkeiten, die Existenzsicherung, die gesundheitliche Unterstützung, die Beachtung der Situation der Kinder sowie die Beachtung der besonderen Situation von Migrantinnen im Hinblick auf mögliche Einschränkungen durch das Aufenthaltsgesetz. Für Kinder: Klärung, an wen und wohin es sich wenden können, Entlastung von Schuldgefühlen und persönliche Stärkung. o Die Beratung ist eine Krisenintervention bzw. ein kurzfristiges Beratungsangebot, das zeitnah erfolgt. o Bei weiterem Beratungs- und Unterstützungsbedarf Weitervermittlung in eine Frauen- bzw. Fachberatungsstelle bzw. an eine sozialpädagogischpsychotherapeutische Einzel- bzw. Gruppenberatung für betroffene Kinder 3.4.3. Kooperation und Vernetzung o Die Kooperation mit Polizei, Justiz, Ämtern, Beratungs- und Schutzeinrichtungen und ggf. weiteren Institutionen erfolgt sowohl aufgaben- als auch fallbezogen. 3.4.4.Öffentlichkeitsarbeit/Fortbildung o Die Beratungsstellen/Interventionsstellen machen den pro-aktiven Beratungsansatz und rechtliche Handlungsmöglichkeiten von Opfern häuslicher Gewalt in der Öffentlichkeit bekannt. o In die Fortbildung zu häuslicher Gewalt für die an der Intervention beteiligten Berufsgruppen sind die BeraterInnen mit ihrem Erfahrungshintergrund einzubeziehen. Diese Arbeit ist von den verantwortlichen Institutionen entsprechend zu honorieren. IV. Ergebnisqualität Die Angebote und Leistungen von Interventionsstellen unterliegen einer permanenten Leistungs- und Qualitätskontrolle. Eine landeseinheitliche Statistik bzw. Datenerfassung ist empfehlenswert. Sie orientiert sich an folgenden Parametern: - Zahl der Zuweisungen/Datenübermittlungen durch die Polizei, - Zahl der erfolgreichen Kontaktaufnahmen, - Anzahl der Beratungen, - Anzahl der Vermittlung in weiterführende Beratungs- und Unterstützungseirichtungen, - Lückenlose Datenübermittlung durch die Polizei, - Akzeptanz und Vernetzung im Unterstützungssystem. Als Instrumente für die Transparenz und Messung der Leistungen und Qualität der Interventionsarbeit sind Dokumentationen, Statistiken und Evaluation geeignet. 5