Präsentation «Luzerner Tierhaltung am Scheideweg» Innere Aufstockung aus rechtlicher Optik (Art. 16a RPG und 36 RPV)

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Transkript:

Präsentation «Luzerner Tierhaltung am Scheideweg» aus rechtlicher Optik (Art. 16a RPG und 36 RPV) RA Pius Koller www.ritterkoller.ch

Einleitung RA Pius Koller Folie 2

Urteil BGer 1C_426/2016 vom 23.08.2017 Erw. 7: Die Trockensubstanzbilanz genügt nach dem oben Gesagten nicht, um die beantragte Aufstockung zu bewilligen, weil dieses Kriterium jedenfalls im vorliegenden Fall - nicht sicherstellt, dass die bodenabhängige Produktion überwiegt (anders als im Fall 1C_221/2016 vom 10. Juli 2017 E. 3.2, wo aufgrund des grossen Rinderbestands davon ausgegangen werden konnte, dass ein hinreichend grosser Teil des Trockensubstanzpotenzials effektiv auf dem Betrieb verfüttert werde). ( ) RA Pius Koller Folie 3

Rechtslage vor Urteil BGer 1C_426/2016 Art. 36 RPV 1 Als innere Aufstockung (Art. 16a Abs. 2 RPG) gilt die Errichtung von Bauten und Anlagen für die bodenunabhängige Tierhaltung, wenn: a. der Deckungsbeitrag der bodenunabhängigen Produktion kleiner ist als jener der bodenabhängigen Produktion; oder b. das Trockensubstanzpotenzial des Pflanzenbaus einem Anteil von mindestens 70 Prozent des Trockensubstanzbedarfs des Tierbestandes entspricht. RA Pius Koller Folie 4

Rechtslage nach Urteil BGer 1C_426/2016 (vereinfacht gesagt) Art. 36 RPV 1 Als innere Aufstockung (Art. 16a Abs. 2 RPG) gilt die Errichtung von Bauten und Anlagen für die bodenunabhängige Tierhaltung, wenn: a. der Deckungsbeitrag der bodenunabhängigen Produktion kleiner ist als jener der bodenabhängigen Produktion; oder b. das Trockensubstanzpotenzial des Pflanzenbaus einem Anteil von mindestens 70 Prozent des Trockensubstanzbedarfs des Tierbestandes entspricht. RA Pius Koller Folie 5

Begründung Urteil BGer 1C_426/2016 Erw. 5.6: Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Art. 16a Abs. 1 RPG die Landwirtschaftszone bodenabhängig wirtschaftenden Landwirtschaftsbetrieben vorbehält ( ). Bodenunabhängige Betriebe sind nur in den Teilen der Landwirtschaftszone zonenkonform, die in einem Planungsverfahren dafür freigegeben worden sind ( ). Die ebenfalls als zonenkonform anerkannte "innere Aufstockung" soll es bodenabhängig wirtschaftenden Stammbetrieben ermöglichen, zusätzlich eine kleinere bodenunabhängige Produktion zu errichten ( ). Der Boden muss aber der überwiegende Produktionsfaktor bleiben, d.h. die bodenunabhängige Produktion muss gegenüber der bodenabhängigen von untergeordneter Bedeutung sein. ( ) RA Pius Koller Folie 6

Zonenkonforme Bauten und Anlagen in der Landwirtschaftszone Art. 16a RPG 1 Zonenkonform sind Bauten und Anlagen, die zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung oder für den produzierenden Gartenbau nötig sind. Vorbehalten bleibt eine engere Umschreibung der Zonenkonformität im Rahmen von Artikel 16 Absatz 3. 1bis ( ) 2 Bauten und Anlagen, die der inneren Aufstockung eines landwirtschaftlichen oder eines dem produzierenden Gartenbau zugehörigen Betriebs dienen, sind zonenkonform. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten. RA Pius Koller Folie 7

Fazit aus Urteil BGer 1C_426/2016 Das Trockensubstanz-Kriterium gemäss Art. 36 Abs. 1 lit. b RPV steht gemäss Bundesgericht im Widerspruch zur Umschreibung der Zonenkonformität in der Landwirtschaftszone gemäss Art. 16a RPG. Die Anwendung der Verordnungsbestimmung führt gemäss Bundesgericht zu einem gesetzeswidrigen Ergebnis. RA Pius Koller Folie 8

Fazit aus Urteil BGer 1C_426/2016 Eine innere Aufstockung gemäss Art. 16a Abs. 2 RPG ist nur dann zu bewilligen, wenn sichergestellt ist, dass der um Bewilligung nachsuchende Landwirtschaftsbetrieb auch nach der Aufstockung überwiegend bodenabhängig bewirtschaftet wird. Dies wird durch das Deckungsbeitrags-Kriterium gemäss Art. 36 Abs. 1 lit. a RPV sichergestellt. RA Pius Koller Folie 9

Urteile des Kantonsgerichts Luzern Rechtsprechung des BGer wurde übernommen in: Urteil 7H 17 242 vom 25.01.2018 (Schweinestall) Urteil 7H 17 196 vom 29.01.2018 (Schweinestall) Urteil 7H 17 27 vom 16.04.2018 (Schweinestall) Urteil 7H 17 131 vom 17.04.2018 (Legehennenstall) Evtl. weitere RA Pius Koller Folie 10

Rechtliche Analyse des Urteils BGer 1C_426/2016 Ergebnis Expertenanalyse RA Pius Koller im Auftrag des LBV: Rechtsprechung des BGer ist aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden Übergang vom Produktions- zum Produktemodell, wie in Botschaft zu einer Teilrevision des RPG vom 22.05.1996 gefordert, erfolgte nicht konsequent Es wurde bei der inneren Aufstockung nur die damals bestehende Rechtsprechung normiert (in Kraftsetzung: 01.09.2000) Eine überwiegend bodenabhängige Bewirtschaftung ist weiterhin Voraussetzung für eine innere Aufstockung Diese Voraussetzung wird durch das Trockensubstanz-Kriterium (meistens) nicht sichergestellt RA Pius Koller Folie 11

Konkrete Auswirkungen der neuen Rechtsprechung Möglichkeit der inneren Aufstockung wurde massiv eingeschränkt Trockensubstanzpotential liess deutlich höhere Aufstockung zu Aufstockung gemäss Urteil BGer 1C_426/2016: DB-Kriterium: 9 % bzw. 30 % aus bodenabhängiger Produktion TS-Kriterium: 70.4 % Kanton Luzern hat neue Rechtsprechung übernommen Anwendung auf alle nicht bewilligten Bauvorhaben Spezialisierung von Landwirtschaftsbetrieben (z.b. Aufgabe Milchviehhaltung mit Ausdehnung Schweinehaltung) ist nur noch eingeschränkt möglich Rindviehbestand hat (wieder) an Bedeutung gewonnen RA Pius Koller Folie 12

Wie kann das Problem gelöst werden? Anpassung Art. 36 Abs. 1 RPV m.e. nicht zielführend Anpassung Art. 16a Abs. 1 und 2 RPG realistisch? Konsequente Umsetzung des Produktemodells im RPG realistisch? Anpassung des Berechnungstools der KOLAS Korrekturen möglich, aber Aufstockungspotential gemäss Trockensubstanz- Kriterium wohl nicht erreichbar Schonender Vollzug, v.a. bei bestehenden Tierhaltungen RA Pius Koller Folie 13

Was gilt für bestehende Tierhaltungen? Baubewilligung wurde aufgrund eines korrekt durchgeführten Verfahrens erteilt Tierhaltungen haben verfassungsrechtliche Besitzstandsgarantie Erweiterte Besitzstandsgarantie gemäss Art. 24c und 37a RPG ist in vielen Fällen nicht anwendbar Besitzstand schützt die Baute und m.e. auch den Tierbestand Bauliche Veränderung der Baute ohne Erhöhung des Tierbestandes (z.b. infolge Anpassung an TSchG) ist m.e. möglich (z.b. Bewilligung nach Art. 24 RPG als standortgebundene Baute) RA Pius Koller Folie 14

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Pius Koller Rechtsanwalt Fachanwalt SAV Erbrecht dipl. Ing. Agr. FH Ritter Koller AG rechtsanwälte. www.ritterkoller.ch RA Pius Koller Folie 15