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Transkript:

www.ssoar.info Welche Bedeutung hatte die erzwungene Emigration der Juden auf die Entwicklung von Biochemie und Genetik in Deutschland und seinen Nachfolgestaaten? Müller-Hill, Benno Veröffentlichungsversion / Published Version Konferenzbeitrag / conference paper Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Müller-Hill, Benno: Welche Bedeutung hatte die erzwungene Emigration der Juden auf die Entwicklung von Biochemie und Genetik in Deutschland und seinen Nachfolgestaaten?. In: Friedrichs, Jürgen (Ed.) ; Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) (Ed.): 23. Deutscher Soziologentag 1986: Sektions- und Ad-hoc-Gruppen. Opladen : Westdt. Verl., 1987. - ISBN 3-531-11864-1, pp. 750-753. URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-149974 Nutzungsbedingungen: Dieser Text wird unter einer Deposit-Lizenz (Keine Weiterverbreitung - keine Bearbeitung) zur Verfügung gestellt. Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt. Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. Terms of use: This document is made available under Deposit Licence (No Redistribution - no modifications). We grant a non-exclusive, nontransferable, individual and limited right to using this document. This document is solely intended for your personal, noncommercial use. All of the copies of this documents must retain all copyright information and other information regarding legal protection. You are not allowed to alter this document in any way, to copy it for public or commercial purposes, to exhibit the document in public, to perform, distribute or otherwise use the document in public. By using this particular document, you accept the above-stated conditions of use.

Welche Bedeutung hatte die erzwungene Emigration der Juden auf die Entwicklung von Biochemie und Genetik in Deutschland und seinen Nachfolgestaaten? Benno Müller-Hill (Köln) Über die Bedeutung der erzwungenen Emigration der jüdischen Wissenschaftler aus Deutschland 1933 und später gibt es zwei extrem verschiedene Meinungen. Die eine, der ich anhänge, vermutet, daß die Vertreibung der Juden die Wissenschaften in BRD, DDR und Östereich bis auf den heutigen Tag schädigte und in einen Zustand beklagenswerter Provinzialität versetzte. Die andere, die wie mir scheint mehrheitlich geäußert wird, behauptet, dafi die Juden Vertreibung ohne nachhaltige Bedeutung, gewesen sei, daß aber die damalige Politisierung aller Wissenschaften einen mehr oder weniger hemmenden Einfluß hatte, der heute längst überwunden sei. Diese beiden Meinungen, die sich hier gegenüberstehen, werden als Meinungen wahrscheinlich alle Versuche, die Fakten und damit die Wahrheit empirisch festzustellen, überdauern. Nichtsdestoweniger scheinen mir empirische, fachspezifische Analysen des Phänomens wünschenswert, um zumindest einer rationalen Minderheit Argumente in die Hand zu geben. Wie könnte eine derartige Analyse aussehen? Ich beschränke mich hier auf das Feld von Genetik und Biochemie, zwei Gebiete, auf denen ich selbst arbeite und deren Geschichte ich einigermaßen überblicke. Da wäre zunächst die Frage, weshalb Genetik und Biochemie zusammen bearbeitet werden sollen. Der Grund hierfür ist, daß nach der Entdeckung der DNA als Erbsubstanz Genetik immer biochemischer bzw. Biochemie immer genetischer wurden. Hier ist auch zu bedenken, daß die Bezeichnung eines Faches die 750

die Wirklichkeit nur ungenau umschreibt. Humangenetik hieß zwischen 33 und 45 auch Rassenhygiene, Molekularbiologie und Gentechnologie sind heute Bezeichnungen für eine bestimmte Art Biochemie bzw. Genetik Es wären also alle. Biochemiker und Genetiker in die Untersuchung einzubeziehen, auch wenn sie von anders bezeichneten Lehrstühlen aus operierten. Die Direktoren und Abteilungsleiter reiner Forschungsinstitute (z.b. der KWG, der MPG, des Krebsforschungszentrums etc.) sind bzw.waren häufig auch Professoren. Reine Forschungsinstitut sollten aber gesondert ausgewertet werden. Es wäre das gesamte ehemalige Deutsche Reich zu bearbeiten, also auch die Universitäten von Königsberg, Straßburg, Prag, Posen, ebenso wie die auf den Gebieten der DDR und Östereich liegenden Universitäten. Die Untersuchung sollte sich auf die Jahre 1925 bis 1955 konzentrieren, aber auch den Stand von 1960,65,7o,75,8o,85 beschreiben. Es müßte der Versuch gemacht werden, reine Grundlagenforschung von angewandter Forschung zu trennen und gesondert zu untersuchen. Forschungen über Humangenetik, Maisgenetik und Physiologische Chemie wären als mehr oder weniger angewandte Forschung zu betrachten, d.h. als eine auf ein bestimmtes (ökonomisches) Ziel ausgerichtete Forschung. Ich vermute, daß in der Biologie, analog wie in der Physik, zwischen 33 und 45 insbesondere die angewandte Forschung gefördert wurde. Daß nach 45 die Humangenetiker im Gegensatz zu den Atomphysikern nicht zur Forschung in die USA und UdSSR eingeladen wurden, lag am Inhalt ihrer Forschung. Im folgenden wäre also aufzuzeichnen: 1) Es wäre für jedes Jahr die Zahl der Professuren festzustellen. Ich vermute, die Aufzählung würde zeigen, daß Biochemie und Genetik zusammengenommen zwischen 33 und 45 durchaus normal weiterwuchsen. Weiterhin vermute ich, daß die Aufzählung zeigen würde, daß Humangenetik sich zwischen 33 und 45 überproportional entwickelte, um dann bis in die siebziger Jahre zu stagnieren. 751

2) Die Professoren von heute sind die Schüler der Professoren von gestern. Es wären Stammbäume aufzustellen, die alle Professoren von Genetik und Biochemie erfassen. Insbesondere wäre zu untersuchen, inwieweit die auf die Lehrstühle der entlassenen Juden Berufenen schulenbildend wirkten. Für alle zwischen 33 und 45 tätigen Wissenschaftler wäre aus den Unterlagen des Document Center (Berlin) festzustellen, welchen NS-Organisationen sie angehörten. 3) Die Qualität einer Wissenschaft kann nicht aus der Zahl der in ihr tätigen Professoren und des für sie aufgewandten Geldes erschlossen werden. Qualität wird von Wissenschaftlern gern gefühlsmäßig geschätzt. Ich bezweifle allerdings, daß eine diesbezügliche Umfrage zu einem glaubwürdigen Resultat führen könnte. Das einzige objektive Maß, das zur Verfügung steht, ist die Häufigkeit, mit der Arbeiten zitiert d.h. wahrgenommen werden. Ich vermute, daß zwischen 25 und 35 die Häufigkeit der Zitierung deutscher biochemischer und genetischer Arbeiten in ausländischen Journalen einigermaßen konstant war (der Faktor wäre zu bestimmen) und daß dann ein schneller Abstieg begann, der seinen Tiefpunkt Ende der fünfziger Jahre hatte. Bis hierher ist der vorgeschlagene Weg der Untersuchung ohne subjektive Wertung. Zu entscheiden, welche Arbeiten von besonderer Bedeutung für die Entwicklung von Genetik und Biochemie waren, bedarf es jedoch der Wertung. Neueste Lehrbücher der Biochemie und Genetik könnten hier abhelfen. Es wären Einze1forschungsgebiete festzulegen und zu untersuchen, welchen Anteil deutsche Forschung an der Erschließung des Gebietes hatte. Es ist meine Vermutung, daß in der diesbezüglichen Grundlagenforschung nach 42 ein starker Rückgang einsetzte. Bakterien- und Phagen-Genetik, die für die moderne Biochemie (Molekularbiologie) grundlegend wurden, wurden z.b. erst sehr spät in der BRD (von der DDR und Östereich zu schweigen) aufgenommen. 752

aber Am Anfang der intendierten Untersuchung stand die Frage, welchen Einfluß die Entrechtung einer Teilgruppe deutscher Wissenschaftler auf die Entwicklung der Wissenschaft in Deutschland hatte. Dieser Akt der Entrechtung war nicht einzigartig. Er wurde gefolgt von einer immer stärkeren Entrechtung der Klienten und Patienten der Humangenetiker. Verstümmelung war nach 34, Ermordung war nach 39 normaler Bestandteil des humangenetischen Forschungsbetriebes (Lifton 1986; Müller-Hill, 1984). Der deutsche Faschismus soll als ein Experiment gesehen werden, in dem die Arbeitsbedingungen für die Wissenschaftler neuartig festgelegt wurden. Forschung wurde selektiv gefördert - und war frei von den Forschern wurde verlangt, die massiven Ungerechtigkeiten des Regimes positiv darzustellen oder zumindest zu akzeptieren und am Sieg der eigenen Sache nicht zu zweifeln. Es wäre also auch zu erforschen, ob gerade dieses Nutznießen von Entrechtung die Wissenschaftler selbst, als der Entrechtung schließlich ein Ende gesetzt wurde, aus dem internationalen Wissenschaftsbetrieb ausschloß. Ich vermute, daß ein Teil des Niedergangs deutscher Wissenschaft in der durch die vorangegangene Barbarei verursachten Unfähigkeit lag, den ehemaligen, potentiellen Opfern, den ausländischen jüdischen Kollegen, wieder in die Augen zu sehen und mit ihnen zu sprechen. Ob eine solche Vermutung empirisch erhärtet werden kann, kann ich nicht beantworten. Schließlich ist eine für eine soziologische Untersuchung merkwürdige Einschränkung zu formulieren. Die vorgeschlagene Untersuchung kann nicht von einem reinen Soziologen, sondern nur von einem Wissenschaftler durchgeführt werden, der den Inhalt von Genetik und Biochemie versteht.sie entzieht sich daher der einfachen soziologischen Analyse. LIFTON,R. J.1986:The Nazi Doctors. Medical Killing and the Psychology of Genocide, New York. MÜLLER-HILL, B. 1984: Tödliche Wissenschaft. Die Aussonderung von Juden, Zigeunern und Geisteskranken 1933-45, 753