IHK-Studie: Mit mehr privatem Kapital gegen die Dauerbaustelle Infrastruktur IHK-Gremiumssitzung am 19.3.2014, Geretsried Dipl.-Kaufmann
1. Deutschland steht vor dem Infrastrukturinfarkt 2. Modelle zur Infrastrukturbereitstellung durch Private 3. Private Infrastrukturbereitstellung in den Bereichen Straße, Schiene und Energie 4. Private Infrastrukturbereitstellung wird benachteiligt 5. Fünf Impulse für mehr private Infrastrukturbereitstellung Seite 2
1. Deutschland steht vor dem Infrastrukturinfarkt Deutschlands Infrastruktur veraltet Investitionen werden seit Jahren zurückgefahren Anteil der Straßeninfrastruktur, die den Zustands-Warnwert überschritten hat: Bundesstraßen 39% Autobahnen 19% Brücken 47% Seite 3
1. Deutschland steht vor dem Infrastrukturinfarkt Die grundsätzlich ausreichenden staatlichen Einnahmen werden nicht zweckgebunden eingesetzt Einnahmen und Investitionen in die Infrastruktur, 2012 (Mrd. ): 52,8 Mrd. LKW Maut KfZ Steuer 4,5 8,5 18,6 Mrd. Energiesteuer 39,8 Wasser Schiene 2,1 4,2 Straße 12,3 Einnahmen Investitionen Seite 4
1. Deutschland steht vor dem Infrastrukturinfarkt Die Schuldenbremse beschränkt die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand Verschuldung der öffentlichen Hand, 1990 2010 (Mrd. ): + 374 % 2.011 Mrd. 124 Kommunen 600 Länder 538 Mrd. 64 Bund 1287 168 306 1990 2010 Seite 5
1. Deutschland steht vor dem Infrastrukturinfarkt Private Bereitstellung ist kompatibel mit zentralen Forderungen bisheriger Kommissionen Langfristige und klare Strategie als Basis für effizienten Einsatz von Ressourcen im Infrastrukturbereich Unabhängigkeit der Mittelausstattung von tagespolitischen Debatten schafft Glaubwürdigkeit und Planungssicherheit Zweckbindung von Abgaben und Steuern zur Infrastrukturfinanzierung von zentraler Bedeutung für die öffentliche Akzeptanz Erfolgreiche privatfinanzierte Infrastrukturprojekte in Deutschland illustrieren Mobilisierungspotenzial Im internationalen Vergleich liegt Bereitstellungsvariante im Verkehrsbereich in Deutschland nahezu brach Private Bereitstellung von Infrastruktur muss Teil einer Lösung zur Neugestaltung der Finanzierung öffentlicher Infrastruktur sein. Seite 6
1. Deutschland steht vor dem Infrastrukturinfarkt Privates Kapital im internationalen Vergleich wenig genutzt Projektfinanzierungen im Transportbereich 2007 2012: Europa 137,3 Mrd. 222 Projekte UK 25,2 Mrd. 20 Projekte Deutschland 3,4 Mrd. 13 Projekte Seite 7
1. Deutschland steht vor dem Infrastrukturinfarkt Der Energiesektor zeigt das große Mobilisierungspotenzial Investitionen in Erneuerbare Energien 2004 bis 2012 (Mrd. ): 26,4 22 23,2 19,5 16,5 8,8 10,6 12,7 13,7 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Seite 8
2. Modelle zur Infrastrukturbereitstellung durch Private Für die Bereitstellung durch Private sind projektspezifische Faktoren entscheidend Abgrenzbarkeit klar definierte Zuständigkeit, Standards, Verantwortung Informationslage zum Ist-Zustand Gutachten zum Ist-Zustand, detaillierte Unterlagen, detaillierte Planung Leistungsumfang Planung, Bau, Finanzierung, Betrieb Verlässlicher Rahmen langfristige Strategie, Rechts- bzw. Planungssicherheit Einfluss über Risiko keine Übertragung nicht beeinflussbarer Risiken Seite 9
2. Modelle zur Infrastrukturbereitstellung durch Private Die Kapitalmarktkonditionen für Infrastrukturfinanzierung sind gut, aber Transaktionen fehlen Verfügbarkeit von Kapital Anhaltend hohes Interesse und gute Verfügbarkeit von Kapital zu marktgerechten Konditionen Neue Investorengruppen sind neben der klassischen Projektfinanzierung durch Banken im Markt aktiv Basel III und Solvency II Neue Regularien werden Finanzierungskonditionen für langfristige Infrastrukturprojekte verschlechtern Eine Kreditklemme für Projektfinanzierungen wird nicht erwartet Grundsätzlich gute Bedingungen im Kapitalmarkt, mangelndes Transaktionsvolumen erhöht Transaktionskosten, wirkt sich langfristig negativ auf die Verfügbarkeit aus. Seite 10
2. Modelle zur Infrastrukturbereitstellung durch Private Private Bereitstellung kann im Rahmen der Schuldenregel Handlungsspielraum schaffen Neue Schuldenregel des Grundgesetzes Zahlungen der öffentlich Hand im Rahmen von öffentlich-privaten Projekten sind keine Kredite Zahlungen stellen jährlich laufende Ausgaben dar Zahlungsverpflichtungen werden nicht der Verschuldung zugerechnet Ausstehende Zahlungsverpflichtungen aus öffentlich-privaten Projekten defizitrelevant Maastricht- Kriterien Einstufung in Abhängigkeit der Risikoübernahme Zuordnung der Risiken durch den Bund zur öffentlichen Hand werden der Verschuldung zugerechnet Bilanzielle Aspekte nur bedingt eine Argumentationsgrundlage. Zweckbindung der Mittel erfordert langfristig orientiertes Haushaltsmanagement. Seite 11
2. Modelle zur Infrastrukturbereitstellung durch Private Aktuelle Situation Fazit Überwiegend konventionelle Beschaffung Referenzprojekte Einige Betreibermodelle sind privat finanziert vorhanden, Amortisation meist aus Haushaltsmitteln schleppende Umund Mauteinnahmen setzung Konventionelle Beschaffung Finanziert durch Haushaltsmittel und Eigenbetrag der Bahn. Refinanzierung durch regulierte Entgelte Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen erforder- lich Weitestgehend privatisierter und regulierter Markt Investitionen regelmäßig privat finanziert und über teilweise regulierte Entgelte refinanziert Fehlende Strategie Seite 12
3. Private Infrastrukturbereitstellung in den Bereichen Straße, Schiene und Energie Status Quo private Infrastrukturbereitstellung Es besteht erheblicher Finanzierungsbedarf in allen Bereichen der Verkehrsinfrastruktur. Das Interesse des Kapitalmarkts an Infrastrukturfinanzierungen ist vor allem in Deutschland anhaltend hoch. Es stehen verschiedene erprobte Modelle zur Beteiligung Privater an der Umsetzung öffentlicher Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung. Referenzprojekte im Straßenbereich werden positiv bewertet. dennoch begrenztes Volumen privatwirtschaftlicher Bereitstellung und deutliche Unterschiede zwischen den Infrastrukturbereichen Was sind die Gründe für die schleppende Einbindung Privater bei der Infrastrukturbereitstellung? Seite 13
4. Private Infrastrukturbereitstellung wird benachteiligt Problematische Rahmenbedingungen und Auswahlverfahren Die Wirtschaftlichkeits- Untersuchung (WU) Ausschlaggebendes Instrument für die Entscheidung vielmals nicht oder nicht sachgerecht durchgeführt Mangelnde Budgetund Terminsicherheit Bei Infrastrukturprojekten im Bereich Verkehr werden geplante Kosten häufig deutlich überschritten Eignungstest Vorläufige WU Abschließende WU Projektcontrolling Vorentscheidung bzgl. Weiterverfolgung privater Finanzierung Vorentscheidung bzgl. Alternative Ausschreibung; Veranschlagung im Haushalt Letzte Prüfung privater Angebote; Zuschlagserteilung Controlling über gesamte Projektlaufzeit Stufen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung Seite 14
4. Private Infrastrukturbereitstellung wird benachteiligt Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (WU) wird oft nicht durchgeführt WU wird in 85% der Fälle nicht durchgeführt Private Bereitstellung kommt häufig nicht zum Zug, da scheinbar keine entscheidenden Vorteile erwartet werden Prämissen und Annahmen sind zu plausibilisieren Wirtschaftlichkeitsvergleich muss vollständig und praxisgerecht sein Bei durchgeführten WU hinterfragt der Bundesrechnungshof vielfach methodische und organisatorische Ansätze Gesamtwirtschaftliche und qualitative Auswirkungen (bspw. frühere Fertigstellung oder Leistungsqualität) werden meist nicht berücksichtigt Eignungstest Vorläufige WU Abschließende WU Projektcontrolling Seite 15
4. Private Infrastrukturbereitstellung wird benachteiligt Deutliche Kostenüberschreitungen bei öffentlichen Infrastrukturprojekten sind oft zu beobachten Projekttyp N Weltweit N = 806 Westeuropa N = 459 Mittlere Standardabweichung N Mittlere Standard- Kostensteigerunsteigerung Kostenabweichung % % Straße 537 19,8 31,4 315 20,9 30,2 Schiene 195 34,1 43,5 90 22,3 34,9 Feste Verbindung 74 32,8 58,2 54 31,5 48,6 Brücke 38 30,3 60,6 22 32,9 50,6 Tunnel 36 35,5 56,3 32 30,6 48 Gesamt 806 459 Ursachen häufig auftretender Unterschätzung der Infrastrukturkosten durch die öffentliche Hand: Technische Defizite von Planern Wirtschaftliche Motivationen von Entscheidungsträgern Psychologische Beweggründe von Entscheidungsträgern Politischer Einfluss Eignungstest Vorläufige WU Abschließende WU Projektcontrolling Seite 16
4. Private Infrastrukturbereitstellung wird benachteiligt Die öffentliche Hand preist Risiken oft nicht ausreichend ein und erscheint dadurch wirtschaftlicher Risiken sind bei privaten In der öffentlich-privaten Beschaffung sind die Investitionsentscheidungen Kosten im Vergleich zur konventionellen Beeingepreist schaffung gedeckelt Bei Kostenplanung der Kosten öffentlichen Hand ist dies meist nicht der Fall Öffentlich ------------------------- Eingepreistes Risiko Erstellungskosten Erstellungskosten private Beschaffung Kosten Planungs und Vergabeprozess Bau und Betriebsphase Kostenrisiko auf den Privaten übertragen Zeit Konventionelle Finanzierung Private Finanzierung konventionelle Beschaffung Kostenrisiko bei konventioneller Beschaffung weiterhin vorhanden Planungs- und Vergabeprozess Bau und Betriebsphase Zeit Eignungstest Vorläufige WU Abschließende WU Projektcontrolling Seite 17
4. Private Infrastrukturbereitstellung wird benachteiligt Mehr Transparenz und eine Versachlichung durch begleitende Moderation und Mediation Mehr Transparenz kann bestehende Missverständnisse in Bezug auf Projektrealisierung frühzeitig ausräumen. Projektunterlagen und Verträge von 13 ÖPP-Projekten sind auf der Transparenzplattform der ÖPP Deutschland AG verfügbar. Die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ist inhaltlich und aufgrund Um einen sachlichen Vergabeprozess im Sinne einer wirtschaftlichen Entscheidung zu ermöglichen, wäre eine neutrale Moderation durch unabhängige Dritte sinnvoll Eignungstest Vorläufige WU Abschließende WU Projektcontrolling Seite 18
5. Fünf Impulse für mehr private Infrastrukturbereitstellung Zwingende Prüfung der Option einer privaten Bereitstellung bei Infrastrukturprojekten Unabhängige Überprüfung der Annahmen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung Moderation des Entscheidungsprozesses bei Infrastrukturvorhaben Erhöhung der Standardisierung Förderung von Pilotprojekten Seite 19
IHK für München und Oberbayern Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Ich freue mich nun auf Ihre Fragen. Referent Schiene/ÖPNV Telefon: 089 5116-1238 E-Mail: gerhard.wieland@muenchen.ihk.de Semir Fersadi (Federführung) Telefon: 089 5116-1335 E-mail: semir.fersadi@muenchen.ihk.de Balanstraße 55-59 81541 München Seite 20