Behavioral Finance. Bearbeitet von Rolf J. Daxhammer, Máté Facsar

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Transkript:

Behavioral Finance Bearbeitet von Rolf J. Daxhammer, Máté Facsar 1. Aufl. 2012. Taschenbuch. 338 S. Paperback ISBN 978 3 8252 8504 3 Format (B x L): 17 x 24 cm Wirtschaft > Internationale Ökonomie > Internationale Finanzmärkte Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

224 Zusammenfassung Die Informationsverarbeitung und -bewertung wird, wie auch die Informationsaufnahme, durch die Anwendung von Heuristiken beeinträchtigt. Hierbei spielen mehrheitlich Heuristiken kognitiven Ursprungs die Hauptrolle. Die Verankerungs- & Anpassungsheuristik zeigt ihre Auswirkung darin, dass der gesetzte Anker nicht ausreichend angepasst wird, sobald neue Informationen verarbeitet werden. Diese Heuristik verstärkt zudem den Konservatismus-Effekt. Die Repräsentativitäts-Heuristik stellt ein Abkürzungsmechanismus dar, welcher es dem Gehirn erlaubt, die vorhandene Informationsmenge zu organisieren und über Stereotypen zu beurteilen. Der Marktteilnehmer schätzt auf Basis dieser Heuristik z.b. Wahrscheinlichkeiten falsch ein. Die Ambiguitätsaversion stellt die Unsicherheit über die Unsicherheit dar. Der Marktteilnehmer kann die objektive Wahrscheinlichkeit von Sachverhalten nicht richtig einschätzen und verzichtet daher auf mögliche lukrative oder Diversifikation fördernde Investitionen. Konservatismus als Heuristik kognitiven Ursprungs ist die Einstellung, bestehende Ansichten bzw. Erwartungen bei Eintreffen neuer Informationen nicht anzupassen. Neue Informationen werden tendenziell zu wenig beachtet und erst mit Verzögerung in die Wertpapierkurse eingepreist. Das Mental Accouting steht für die begrenzt rational Neigung der Marktteilnehmer, ihr Vermögen in Abhängigkeit bestimmter Kategorien in mentalen Konten zu verbuchen. Die verbuchten Anlagesummen und Investitionsentscheidungen werden unabhängig voneinander bewertet. Der Rezenz-Effekt beschreibt die Neigung der Marktteilnehmer, sich an kürzlich erlebte Ereignisse besser zu erinnern und diese höher zu gewichten als Ereignisse die weiter in der Vergangenheit zurückliegen. Durch diese Verhaltensweise wird die objektive Realität verzerrt und der Marktteilnehmer trifft seine Entscheidung basierend auf kürzlich veröffentlichten Daten. Die Umkehr der Risikobereitschaft führt zu einer Einstellungsänderung, bei der die Marktteilnehmer beim Übergang von Gewinnen zu Verlusten risikofreudig werden, beim Übergang von Verlusten zu Gewinnen dagegen risikoscheu. Die Selbstüberschätzung zeigt sich als ungerechtfertigter Glaube in die eigenen kognitiven Fähigkeiten. Marktteilnehmer überschätzen ihren Kenntnisstand, unterschätzen Risiken und neigen zur übertriebenen Ansicht, Marktbewegungen kontrollieren zu können. Die Kontrollillusion erweckt beim Marktteilnehmer das Gefühl, die Märkte besser prognostizieren bzw. stärker kontrollieren zu können, als dies tatsächlich der Fall ist. Sie ist eng verknüpft mit der Selbstüberschätzung und steigert diese zusätzlich.

0 9 Begrenzte Rationalität bei der Investitionsentscheidung Im neunten Kapitel werden Sie die dritte und letzte Prozessstufe im Informations- und Entscheidungsprozess erkunden. Sie werden die wesentlichen Heuristiken, die während der Entscheidungsfindung zur Anwendung kommen, kennenlernen und können die begrenzt rationalen Verhaltensweisen des Homo Oeconomicus Humanus nachvollziehen. Abb. 46: Angewandte Heuristiken bei der Investitionsentscheidung Nachdem in den vorgelagerten Prozessstufen des Informations- und Entscheidungsprozesses zahlreiche begrenzt rationale Verhaltensweisen herausgestellt wurden, werden nachfolgend die Heuristiken während der Investitionsentscheidung betrachtet. Innerhalb der Heuristiken kognitiven Ursprungs ist die selektive Entscheidung eine der Heuristiken, die im Entscheidungsverhalten eine renditeschädliche Wirkung aufweisen. Wie bei der selektiven Wahrnehmung aus der Informationswahrnehmung versucht der Marktteilnehmer auch bei dieser Vorgehensweise, kognitive Dissonanzen abzubauen. Eine weitere Heuristik kognitiven Ursprungs ist die. Der Marktteilnehmer sieht sich in seiner Kompetenz bestätigt, sobald er einen Gewinn realisiert. Verluste dagegen werden äußeren Umständen angelastet. Schließlich komplettiert der - die Heuristiken kognitiven Ursprungs. Im Rahmen dieser Heuristik lernen die Marktteilnehmer nicht aus ihren Fehlern, sondern reden sich vielmehr ein, die Geschehnisse im Vorfeld bereits erwartet zu haben. Neben den Heuristiken kognitiven Ursprungs bestehen in dieser Phase des Informations- und Entscheidungsprozesses auch zahlreiche Heuristiken emotionalen Ursprungs. Dies kann z.b. als Erklärung dafür herangezogen werden, wieso Marktteilnehmer plötzlich zu panikartigen Reaktionen auf den Börsen neigen sowohl als Käufer als

226 9 Begrenzte Rationalität bei der Investitionsentscheidung auch Verkäufer von Wertpapieren. So zeigt sich in dieser Gruppe der Heuristiken, der e, der u.a. dazu führt, dass Marktteilnehmer ungerechtfertigt lange an einer Investition festhalten. Der - steht für die Neigung der Marktteilnehmer die Marktentwicklungen grenzenlos positiv zu sehen. Eine weitere Heuristik, die entfaltet ihre renditeschädliche Wirkung im Rahmen des Dispositionseffektes. Der Marktteilnehmer hält an Verliereraktien fest, verkauft jedoch zu früh die Gewinneraktien. Die Verlustaversion kann zudem durch den - - verstärkt werden. Der Marktteilnehmer verharrt in Passivität. Zudem wird eine renditeschädliche Wirkung durch der Marktteilnehmer ausgelöst. Schließlich führt die zur nachhaltigen Renditeschädlichkeit, da der Marktteilnehmer aus Sorge vor falscher Entscheidung, lieber gar keine trifft, bzw. in den getroffenen verharrt. 9.1 Heuristiken kognitiven Ursprungs Abb. 47: Heuristiken kognitiven Ursprungs im Rahmen der Entscheidungsfindung 9.1.1 Fehleinschätzung der objektiven Realität Selektive Entscheidung Allgemeine Beschreibung Die selektive Entscheidung ist eine der beiden Folgen aus dem Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit (vgl. Kapitel 6.1.3). Im Fall einer selektiven Informationswahrnehmung versucht der Marktteilnehmer, eine getroffene Entscheidung durch die gezielte Wahrnehmung bestätigender Informationen zu rechtfertigen. Die selektive Entscheidung auf der anderen Seite hat die Zielsetzung, eine frühere Entscheidung, welche unter hoher Selbstverpflichtung eingegangen wurde, auf jeden Fall zum gewünschten Erfolg zu führen. So wird bspw. in Unternehmen weiter in laufende, jedoch defizitäre Projekte investiert, damit die bisherigen Investitionen nicht umsonst waren (vgl. Goldberg & von Nitzsch, 2000, S. 128 f.). Diese Verhaltensweise ist vergleichbar mit dem Ausgabeneffekt (Sunk-Cost-Effekt), der dazu führt, dass der Marktteilnehmer eine getätigte Investition, welche sich im Verlustbereich befindet, nicht veräußert, sondern vielmehr u.u. sogar noch zusätzliches Kapital nachschießt,

9.1 Heuristiken kognitiven Ursprungs 227 um die Investition zu einem späteren Zeitpunkt doch noch gewinnbringend abschließen zu können. Selektive Entscheidung Zur Verdeutlichung der Auswirkungen der selektiven Entscheidung (insbesondere des Ausgabeneffektes) werden nachfolgend zwei Beispiele aufgeführt. Beide unterscheiden sich durch zwei Faktoren: zum einen durch die Investition und zum anderen durch die Zeitdauer. Im Fall 1 erwirbt ein Tourist Eintrittskarten für das winterliche Vierschanzen-Skispringen in Innsbruck für 50,00 EUR. Er freut sich schon seit längerer Zeit auf diese Veranstaltung. Am Tag des Skispringens herrscht dann jedoch ein schwerer Schneesturm am Wohnort des Touristen. Obwohl er weiterhin zur Veranstaltung gehen könnte, ist dies mit einer erheblichen Anstrengung verbunden, wodurch die eigentliche Freude getrübt wird. Würde der Marktteilnehmer eher zur Veranstaltung gehen, wenn er für die Karten gezahlt hätte oder wenn er diese umsonst erhalten hätte? Im Fall 2 ist die veränderte Komponente die Zeitdauer. Der Tourist möchte wie im Fall 1 zum Skispringen fahren, welches nächste Woche stattfinden soll. Am Tag des Ereignisses herrscht an seinem Wohnort ein Schneesturm. Wie würde sich der Tourist entscheiden, wenn er die Tickets vor 6 Monaten erworben hätte und wie, wenn er diese erst gestern gekauft hätte? Beide Sachverhalte werden durch die beeinflusst. Im Fall 1 wurde ein mentales Konto eröffnet und mit 50 EUR belastet. Geht der Tourist nicht zur Veranstaltung, so schließt er das Konto, ohne die entsprechende Freude, das Skispringen angesehen zu haben. Um die emotionale Belastung des Fehlkaufs der Tickets zu vermeiden, würde der Marktteilnehmer demnach zur Veranstaltung gehen und zusätzliche Anstrengungen aufwenden, um das Ereignis doch noch positiv abschließen zu können. Im Fall 2 spielt die zeitliche Komponente entscheidend mit. Sind die Tickets bereits vor einem halben Jahr erworben worden, sinkt die emotionale Belastung, die beim Schließen des mentalen Kontos ohne Besuch am Skispringen entstehen würde entsprechend dem Abstand zum Erwerbszeitpunkt der Tickets. Der negative Einfluss des Ausgabeneffektes, d.h. der Investition zusätzlichen Kapitals, sinkt somit im Zeitverlauf (vgl. Nofsinger, 2007, S. 47 f.). Die selektive Entscheidung kann anhand der Wertfunktion aus der beschrieben werden (vgl. Kap 6.2). Entsprechend der konvexen Krümmung im Verlustbereich sinkt die Sensitivität für zunehmende Verluste. Der Marktteilnehmer ist dementsprechend nicht gewillt, eine Position, die sich bereits im Minus befindet, zu verkaufen. Vielmehr würde der Marktteilnehmer durch die selektive Entscheidung, einen Nachkauf anstreben, um durch die zusätzliche Investition den durchschnittlichen Einstiegskurs zu senken und auf diese Weise bei einer möglichen Erholung der Aktienkurse schneller in die Gewinnzone zu kommen. Diese weit verbreitete Handlungsweise meist privater Anleger wird auch als Verbilligen bezeichnet.

228 9 Begrenzte Rationalität bei der Investitionsentscheidung Risiko-/renditeschädliches Verhalten der Marktteilnehmer In der Praxis ist die selektive Entscheidung besonders häufig wahrnehmbar. Anleger neigen dazu, Buchverluste nicht zu realisieren, da dies als ein Fehlereingeständnis gewertet werden könnten. Vielmehr halten betroffenen Anleger an Investitionen fest, die bei heutiger Entscheidung nicht mehr gekauft werden würden. Dieses Verhalten wird auch als Dispositionseffekt bezeichnet (vgl. Kap. 6.2.2). (Sunk-Cost-Effekt) Die portfolioschädliche Wirkung der selektiven Entscheidung wird zudem durch die Investition neuer Geldmittel in die bereits bestehende Verlustposition verstärkt. Begrenzt rational ist hierbei die Investition neuer Mittel in Anlagen, die der Anleger heute wahrscheinlich nicht mehr erwerben würde, da die unternehmerischen Aussichten sich signifikant verschlechtert haben. Als Resultat erhöhen die Anleger die Portfoliorisiken und binden zusätzliches Kapital, welches in andere Anlagen investiert werden könnte. Nachträgliche Investitionen neuer Anlagemittel im Rahmen eines Sparplanes (regelmäßige Wertpapieranlage) z.b. in einen breit diversifizierten Fonds sind dagegen nicht als begrenzt rational anzusehen. In diesem Fall, verhilft das regelmäßige Nachkaufen zu einem langfristig ausgeglichenen Kaufkurs ohne kurzfristige Überreaktionen. Beschreiben Sie die Auswirkung der selektiven Entscheidung auf das Investitionsverhalten des Marktteilnehmers. Ist dieses Phänomen mit dem Dispositionseffekt vergleichbar? Die selektive Entscheidung hat die Zielsetzung, eine frühere Entscheidung, welche unter hoher Selbstverpflichtung getroffen wurde, auf jeden Fall zum gewünschten Erfolg zu führen. Diese Heuristik verstärkt den Dispositionseffekt und den Sunk-Cost-Effekt.

9.1 Heuristiken kognitiven Ursprungs 229 9.1.2 Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeiten (2) Allgemeine Beschreibung Das menschliche Verhalten ist stark davon geprägt, dass wir über unsere Fähigkeiten lernen, indem wir die Auswirkungen unseres Handelns beobachten. Bei vielen Menschen und in diesem Sinne auch Marktteilnehmern ist eine Neigung zu beobachten, die eigene Verantwortung für Erfolge zu überschätzen. Diese auch als Selbstattribution (Self-Attribution Bias) bezeichnete Verhaltensweise verdeutlicht, wie Marktteilnehmer Erfolg ihrem eigenen Können zuschreiben, für Misserfolg jedoch andere, äußere Umstände verantwortlich machen. In diesem Sinne spricht man von Steigerung des Selbstbewusstseins (Self-Enhancing Bias) bei Verinnerlichung der Faktoren, die zum Erfolg führten, oder vom Selbstschutz (Self-Protecting Bias), wenn die Verantwortung für Misserfolge abgelehnt wird. Selbstattribution verstärkt demnach die Selbstüberschätzung (Overconfidence Bias) des Marktteilnehmers, weshalb die renditeschädliche-wirkung der Selbstattributions-Heuristik besonders ausgeprägt ist. Während Self-Enhancing Bias einen kognitiven Bezug aufweist, geht man beim Self- Protecting Bias von einem emotionalen Hintergrund aus. Für einen Erfolg versucht der Marktteilnehmer sich aktiv verantwortlich zu machen, im Fall eines Misserfolgs soll jedoch die Selbstsicherheit automatisch geschützt werden (vgl. Pompian, 2006, S. 105 ff.). Risiko-/renditeschädliches Verhalten der Marktteilnehmer Privatanleger wie auch institutionelle Anleger laufen Gefahr, durch die Anwendung dieser Heuristik ihre Rendite-/Risikoperformance nachhaltig zu schädigen. net Anleger gehen oft ein erhöhtes Risiko ein, wenn sie Erfolge ihrem eigenen Können statt den meist zufällig ablaufenden Marktbewegungen zuschreiben. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Anleger Wertpapiere erwerben, bei denen sie davon ausgehen, selbst für den Erfolg der Firma verantwortlich zu sein. Zu diesem Verhalten neigen insbesondere Unternehmenslenker. Selbstattribution erweckt den Eindruck erfolgreichen Investitionsverhaltens und führt damit zur Selbstüberschätzung. Aus diesem Grund steigt auch die Handelstätigkeit mit der bekannten Auswirkung auf die Portfolioschädlichkeit (vgl. Kap. 8.1.4). Marktteilnehmer werden neben der Selbstüberschätzung auch zur selektiven Wahrnehmung verleitet, da sie dazu tendieren, entscheidungsbestätigende Informationen stärker zu gewichten.

230 9 Begrenzte Rationalität bei der Investitionsentscheidung Die Selbstattribution führt dazu, dass die Marktteilnehmer Erfolg ihrem eigenen Können zuschreiben, für Misserfolg jedoch andere, äußere Umstände verantwortlich machen. - Allgemeine Beschreibung Mit dem Rückschau-Effekt (Hindsight Bias) wird die Heuristik bezeichnet, die dazu führt, dass Marktteilnehmer die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Ereignisses, im Nachhinein höher einschätzen als sie dies taten, solange sie den Eintritt noch nicht erlebt hatten. Ein Ereignis wird im Nachhinein als vorhersehbar eingestuft. Diese Heuristik wird daher auch als I-knew-it-all-along effect bezeichnet (vgl. Baker/Nofsinger, 2010, S. 46). Diese Heuristik basiert darauf, dass die Markteilnehmer ihre Fähigkeit, Eintrittswahrscheinlichkeiten zu bestimmten, höher einschätzen als diese tatsächlich ist. In der Folge nehmen Marktteilnehmer an, dass sie auch künftig Ereignisse besser werden vorhersagen können. Der Rückschau-Effekt führt dazu, dass die Marktteilnehmer nicht aus ihren Fehlern lernen und sich bei Investitionsentscheidungen in falscher Sicherheit wiegen (vgl. Pompian, 2006, S. 199 ff.). Rückschau-Effekt Die Entwicklung der Finanz- und Schuldenkrise nahm ihren Anfang mit den ausufernden US-amerikanischen Hypothekenvergaben an Schuldner geringer Bonität. Erste Anzeichen für den drohenden Absturz des Sub-prime-Hypothekenmarktes wurden bereits im Sommer 2007 sichtbar. Die Marktteilnehmer handelten jedoch erst ab Sommer/Herbst 2008, als die Krise sich vollends entfaltete und mehrere Kreditinstitute unter staatliche Obhut gestellt wurden. Im Nachhinein wird die Entstehung dieser Krise von diversen Seiten als unausweichlich dargestellt. Mehr noch, es werden Gründe aufgezählt, die diese Blase unweigerlich zum Platzen gebracht haben (u.a. Zinsentwicklung, regulatorische Bedingungen, Verhalten der Ratingagenturen). Viele Marktteilnehmer sind sich heute einig, dass diese Krise kommen musste. Erstaunlich ist jedoch, dass die Marktteilnehmer vor der Eskalation der Krise aggressiv in die verbrieften Hypothekenprodukte investiert haben. Ihre Neigung zur selektiven Wahrnehmung, selektiven Entscheidung (bei schon aufgelaufenen Verlusten) als auch die konservative Reaktion auf neue Informationen, haben ihre Reaktionsfähigkeit im Vorfeld der Krise stark eingeschränkt. Der Rückschau-Effekt in der Finanz- und Schuldenkrise verdeutlicht sehr gut die Auswirkungen dieser Heuristik. Neben dem ungerechtfertigten Glauben an die Vorhersehbarkeit der Krise gesellt sich zudem die fehlende Einsicht, wie künftig solche Entwicklungen vermieden werden könnten.

231 Risiko-/renditeschädliches Verhalten der Marktteilnehmer Der Rückschau-Effekt kann dazu führen, dass die Marktteilnehmer (private wie institutionelle Anleger) mehr Risiko eingehen als sie dies ohne diese begrenzt rationale Verhaltensweise tun würden. Die Marktteilnehmer beginnen Ereignisse im Nachhinein als vorhersehbar darzustellen. Durch dieses Verhalten glauben sie im Rückblick, über bessere Prognosefähigkeiten zu verfügen. Zudem lernen sie nicht aus ihren Fehlern, mit der Folge, dass sie auch in Zukunft zu risiko-/renditeschädlichem Handeln neigen. Sie wollen sich nicht eingestehen, dass ein möglicher Herdentrieb sie in ihrer Entscheidungsfindung beeinflusst hat. Privatanleger können ungerechtfertigt die Erfolge bzw. Misserfolge von Portfoliomanagern loben bzw. tadeln, so als hätten sie dies bereits schon immer geahnt. Sie ziehen damit zu früh ihre Investitionen ab bzw. investieren vermehrt, wenn die Wertpapierkurse schon über längere Zeit gestiegen sind. Diese Verhaltensweise verstärkt sowohl bei fallenden als auch bei steigenden Kursen die vorherrschende Marktbewegung. Der Rückschau-Effekt führt dazu, dass Marktteilnehmer im Nachhinein glauben, die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Ereignisses höher eingeschätzt zu haben. Daher lernen sie nicht aus ihren Fehlern. 9.2 Heuristiken emotionalen Ursprungs Abb. 48: Heuristiken emotionalen Ursprungs im Rahmen der Entscheidungsfindung

232 9 Begrenzte Rationalität bei der Investitionsentscheidung 9.2.1 Fehleinschätzung der objektiven Realität (4) e Allgemeine Beschreibung Der Besitztumseffekt (Endowment Bias) beschreibt die Neigung der Marktteilnehmer, den Wert einer Anlage höher einzuschätzen, wenn sie diesen erworben haben, als wenn sie die Anlage noch nicht erworben haben. Diese Verhaltensweise weicht von den Annahmen der traditionellen Ökonomie in der Weise ab, dass die Marktteilnehmer die Investition nicht nur nach dem intrinsischen Wert beurteilt, sondern auch nach ihrer Bindung oder Gewöhnung an die Anlage. Es stellt sich also die Frage, weshalb Marktteilnehmer einen Zuschlag auf den Verkaufspreis aufschlagen verglichen mit dem Preis, den sie unter gleichen Umständen beim Kauf bezahlen würden. Die Wissenschaftler und (2008) sind dieser Frage nachgegangen und zeigten durch ihre Experimente, dass der Marktteilnehmer durch einen Aufschlag auf den Verkaufspreis den Schmerz über den Verlust des Objektes kompensieren möchte. So steigt der Schmerz und damit der geforderte Aufschlag, je mehr positive Aspekte der Anleger mit dem entsprechenden Objekt verbindet. Diese Verhaltensweise kann wiederum gut an der Wertfunktion aus der Prospect Theory erklärt werden. Die Marktteilnehmer empfinden den Schmerz des Verkaufes als einen Verlust. Verluste werden allerdings ungern realisiert, weshalb der Marktteilnehmer eine zusätzliche Kompensation vom Käufer erwartet. Im Weiteren wurde aus Experimenten (List, 2004; Nicolosi, Peng und Zhu, 2009) sichtbar, dass der Besitztumseffekt weniger stark ist, wenn der Markteilnehmer ausreichende Erfahrung mitbringt und entsprechend weniger emotional ist (vgl. Baker/Nofsinger, 2010, S. 315 f.). Besitztumseffekt Der Besitztumseffekt kann sehr gut an Wertpapieremissionen (Initial Public Offerings) verdeutlicht werden. Nach den Wissenschaftlern und (2002) kann mittels dieser Heuristik das Phänomen leaving money on the table erklärt werden. Dieses Phänomen beschreibt die signifikanten Gewinne, die oft am ersten Tag der Emission zu beobachten sind. Insbesondere zu Zeiten der Dotcom-Blase waren enorme Zugewinne bei der Erstemission der damaligen Unternehmen zu beobachten. So notierte die Aktie des Halbleiterherstellers Infineon am Ende des ersten Handelstages bei rund 85 EUR, obwohl der Emissionspreis bei 35 EUR lag. Die Wissenschaftler argumentieren, dass die Marktteilnehmer, die Gefahr, mögliche Zusatzgewinne in den ersten Tagen der Erstemission auf dem Tisch liegen zu lassen bzw. diese zu verpassen, falls sie frühzeitig aussteigen, höher ansehen, als die entstehenden Transaktionskosten und Steuern, die bei einem sofortigen Verkauf der Wertpapiere (sofern eine Zuteilung bei der Emission erfolgt ist) anfallen würden. Zudem kann das Phänomen auch mit der Wahrscheinlichkeitsbewertungsfunktion in Verbindung gebracht werden. Wenn geringe objektive Wahrscheinlichkeiten von den Marktteilnehmern subjektiv höher eingeschätzt werden, so sind sie eher bereit

9.2 Heuristiken emotionalen Ursprungs 233 für Kursgewinne ein Risiko einzugehen sprich, sie bleiben zunächst im Investment in der Hoffnung zusätzliche Gewinne im Laufe der ersten Handelstage zu verbuchen. Die Behavioral-Finance-Forschung beschäftigt sich mit der Erstemission von Aktien nicht nur im Rahmen des Besitztumseffektes. In Kapitel 11.3 werden drei im Rahmen von Erstemissionen auftretende Phänomene näher beleuchtet werden. Hierbei geht es um die Unterbewertung des Emissionspreises als einen weiteren Erklärungsansatz, um signifikante Zeichnungsgewinne zu begründen; temporäre IPO Booms, die zusätzlich andere Unternehmen anlocken sowie die langfristige Negativperformance im Anschluss an den Börsengang. Risiko-/renditeschädliches Verhalten der Marktteilnehmer bten Marktteilnehmer laufen Gefahr, signifikante Verluste zu erleiden, wenn sie geerbte Aktien bzw. Aktien des Arbeitgebers nicht rechtzeitig veräußern. Beispielhaft können hier die erheblichen Gefahren genannt werden, die auftreten können, wenn z.b Rentner nach ihrem Ausscheiden aus einem Unternehmen, die bislang erworbenen Unternehmensaktien aufgrund emotionaler Bindungen nicht verkaufen wollen. Im Fall der zwischenzeitlichen Insolvenz von General Motors Ende 2008 erlitten betroffene Anleger erhebliche Verluste. -Q - Markteilnehmer vermeiden zudem Wertpapiere zu verkaufen, da sie die Kosten aus Transaktion sowie die Steuerzahlungen auf die Gewinne vermeiden bzw. herauszögern wollen. Dadurch können notwendige Portfolioanpassungen gar nicht oder zu spät erfolgen. Der Besitztumseffekt beschreibt die Neigung der Marktteilnehmer, den Wert ihrer Anlage höher einzuschätzen, wenn sie diesen erworben haben, als wenn sie die Anlage noch nicht erworben haben. Sie zögern, Wertpapiere zu verkaufen und riskieren dadurch eine entsprechende Verringerung der Portfoliorentabilität. - Allgemeine Beschreibung Die traditionelle ie beschäftigt sich mit Marktteilnehmern, die sich rational verhalten und homogene Erwartungen hegen. Zunehmend zeigt sich jedoch, dass Marktteilnehmer durchaus heterogene Erwartungen haben. Manche Marktteilnehmer neigen z.b. zur Selbstüberschätzung oder zu überzogenem Optimismus (Taylor und Brown, 1988). Der Optimismus-Effekt (Optimism Bias) kennzeichnet die Verhaltensweise der Marktteilnehmer, positive Marktentwicklungen als wahrscheinlicher einzuschätzen als negati-

234 9 Begrenzte Rationalität bei der Investitionsentscheidung ve. Sie gehen davon aus, dass negative Marktereignisse nur andere Marktteilnehmer betreffen können. Zudem zeigt es sich, dass die Marktteilnehmer sich selbst als besser informiert ansehen, weshalb sie auch ihre Fähigkeiten überschätzen. Diese Verhaltensweise ist insbesondere bei Unternehmenslenkern beobachtbar (vgl. Baker/Nofsinger, 2010, S. 393). Kahneman und führen den Optimismus-Effekt auf die interne Sichtweise der Marktteilnehmer zurück. Bei der internen Sichtweise fokussieren sich begrenzt rationale Marktteilnehmer auf die gegenwärtige Situation und stellen dabei ihre eigene Investitionsbeteiligung in den Vordergrund. Marktteilnehmer, die dagegen die äußere Sichtweise verfolgen, vergleichen die gegenwärtige Situation mit vergangenen Marktentwicklungen und können dadurch eher eine zutreffende Prognose über zu erwartende Entwicklungen abgeben (vgl. Pompian, 2006, S. 163 f.). Optimismus-Effekt Marktteilnehmer, die eine Neigung zum Optimismus-Effekt erkennen lassen, laufen Gefahr, verstärkt in die Aktien ihres Arbeitgebers zu investieren. Ende 2000 waren in den USA 62 Prozent der Pensionsanlagen der Mitarbeiter von Enron in die eigene Firma investiert. Die Vermutung, dass die Mitarbeiter von Enron die künftige Entwicklung des Unternehmens überaus optimistisch betrachtet haben, liegt hierbei nahe. Insbesondere in den USA bieten Unternehmen ihren Mitarbeitern die Anlage der Pensionsanzahlungen in die eigenen Aktien an. Die Mitarbeiter von Procter & Gamble investieren sogar bis zu 95 Prozent ihrer Pensionseinlagen in die eigene Firma und laufen dadurch Gefahr, dass sie zu einseitig investieren. Diese Vorgehensweise mag verständlich sein, wenn die Anleger nicht ausreichend Kenntnisse über andere Anlagemöglichkeiten haben. In diesem Fall erscheint ihnen die Investition in die Aktien des Arbeitgebers als bequeme Alternative zu anderen ihnen nicht bekannten Investitionsmöglichkeiten. Neben dem Optimismus-Effekt, kann allerdings auch der (vgl. Abb. 37 in Kapitel 7.1.1) für die verstärkte Investition in die Unternehmen des Heimatlandes verantwortlich sein (vgl. Pompian, 2006, S. 165 f.). Risiko-/renditeschädliches Verhalten der Marktteilnehmer Der Optimismus-Effekt betrifft insbesondere Privatanleger. Im Bereich der Private Equity Investitionen können die General Partner zum Optimismus-Effekt neigen. Privatanleger neigen auf Basis des Optimismus-Effektes zur Überinvestition in die Wertpapiere des eigenen Arbeitgebers. Die Anleger gehen davon aus, dass es sicherer ist, die Aktien des Arbeitgebers zu erwerben, da man die Firma gut kennt und daher keine negativen Überraschungen erwartet. Diese Denkweise erweist sich als sehr gefährlich und führt zu einer Risikokonzentration im Portfolio (Klumpenrisiko).

9.2 Heuristiken emotionalen Ursprungs 235 Der Optimismus-Effekt entfaltet seine risiko-/renditeschädliche Wirkung zudem durch die Neigung der Marktteilnehmer zur Selbstüberschätzung. Die Anleger denken, sie würden im Gegensatz zu anderen Anlegern überdurchschnittliche Investitionsresultate einfahren. Dabei handeln die Marktteilnehmer übertrieben oft mit entsprechender Erhöhung der Portfolioschädlichkeit allein aufgrund der Transaktionskosten. Der Optimismus-Effekt kann auch den hervorrufen, da die Anleger zu optimistisch die Unternehmen aus dem eigenen Heimatland betrachten. Diese Heuristik beschreibt die Neigung der Privatanleger in Unternehmen aus dem eignen Land zu investieren. Privatanleger neigen zudem dazu, zu viel in positive Berichterstattungen zu vertrauen und entsprechend zu investieren. Die verfälschte Sichtweise auf die Renditeentwicklung steigert die Risikobereitschaft. Der Optimismus-Effekt kennzeichnet die Verhaltensweise der Marktteilnehmer, positive Marktentwicklungen als wahrscheinlicher einzuschätzen als negative. Diese Heuristik ruft zudem Selbstüberschätzung sowie Investitionen in geografisch oder anderweitig bekannten Gebieten hervor. e Allgemeine Beschreibung Der Dispositionseffekt (Dispositions Effect) wurde 1979 von Kahneman und als Bestandteil der Prospect Theory vorgestellt. Er wurde aus dem Bestreben der Marktteilnehmer abgeleitet, Verluste zu vermeiden und Gewinne dafür zügig zu realisieren. Shefrin und Statman gelangten zu der Erkenntnis, dass der Versuch, Veräußerungsverluste und das damit verbundene Bedauern zu vermeiden und mittels Veräußerungsgewinnen nach Ruhm zu streben, das Investitionsverhalten der Marktteilnehmer nachhaltig verändert. Diese psychologische Verhaltensweise ist die Grundlage des von den beiden Wissenschaftlern erforschten Dispositionseffektes. Dieser Effekt tritt in der Praxis auch in Form der auf (Loss Aversion). und (1985) erstellten ein konzeptionelles Grundgerüst, welches auf den vier Ursachen für die Entstehung des Dispositionseffektes fußt (vgl. Baker/Nofsinger, 2010, S. 181 f.). Der Marktteilnehmer verhält sich entsprechend der Präferenzen aus der Prospect Theory risikoscheu, sobald relative Gewinne entstehen und risikofreudig, wenn eine Investition in den Verlustbereich rutscht. Gewinne werden demnach frühzeitig realisiert, Verlustpositionen dagegen festgehalten, da der Marktteilnehmer nun risikofreudig ist. Als charakteristisch für die Bewertung von Wertpapieren entlang der Wertfunktion können die nachfolgenden Punkte genannt werden:

236 9 Begrenzte Rationalität bei der Investitionsentscheidung In der Nähe des Bezugspunktes ist sie sehr hoch, flacht jedoch mit zunehmender Entfernung wieder ab. Diese Erkenntnis, beruht auf der Wölbung der Wertfunktion (vgl. Kap. 6.2) Demnach sorgt die Rechtskrümmung im Gewinnbereich zu einer verfrühtem Veräußerung von Wertpapieren. Im Verlustbereich sorgt die abflachende Linkskrümmung für das Festhalten am bestehenden Buchverlust, wobei die Hoffnung besteht, diesen bei steigenden Kursen ausgleichen zu können. Entgegen der Erwartung, kann die Risikoaversion auch im Verlustbereich der Wertfunktion schlagartig ansteigen (vgl. Abb. 50). Dies ist der Fall, wenn der Marktteilnehmer sich mit extrem hohen Verlusten konfrontiert sieht. Die Sensitivität steigt erneut an und der Marktteilnehmer veräußert die Wertpapiere, um den andauernden psychischen Schmerz zu lindern. Abb. 49: Zunehmende Risikoaversion im Verlustbereich bei extremen Ausprägungen, Dieser auch als Umkehr der Risikobereitschaft bezeichnete Effekt liegt an der Wölbung der Wertfunktion gemäß der Prospect Theory. Der Marktteilnehmer verhält sich nach dem - (vgl. Kap. 6.2.3) im Gewinnbereich risikoscheu, bei einem Wechsel in den Verlustbereich jedoch risikofreudig. e Framing Bias Z.B. mediale Äußerungen von Analysten hinsichtlich Kaufkursen, Interpretation von wirtschaftlichen Daten durch Anlageberater etc.

9.2 Heuristiken emotionalen Ursprungs 237 Wie bereits beschrieben, führt die mentale Buchführung zur Anlage mentaler Konten, die entweder nach Herkunft oder auch nach ihrer Verwendung finanzielle Mittel verbuchen. Die begrenzt rationale Verhaltensweise äußert sich darin, dass der Marktteilnehmer jede einzelne Position für sich betrachtet und entsprechend der hedonistischen Bewertung (vgl. Kap. 8.1.2) teilweise zur Segregation als auch zur Integration von Verlusten und Gewinnen neigt. Nach dieser Heuristik bereut der Marktteilnehmer die Investition in eine Anlage, wenn diese im Nachhinein als Verlust veräußert und dadurch ein Fehler eingestanden werden muss. Die Reueaversion verstärkt demnach ebenfalls den Dispositionseffekt. In diesem Zusammenhang neigen Marktteilnehmer dazu, sich nicht an vorher festgelegte Kursniveaus zu halten, bei denen sie Verlustpositionen verkaufen würden, um dadurch ihren Investitionskapital vor weiteren Verlusten zu schützen. Verlustaversion Zur Verdeutlichung der Verlustaversion ist es ratsam, das bereits aufgeführte Beispiel 6.1 der selektiven Wahrnehmung noch einmal zu betrachten. In dem Beispiel handelte es sich um einen Marktteilnehmer, der nach langer Nachforschung in Presse und Unternehmensanalysen 100 Stammaktien des Abwicklers von Kreditkartenumsätzen erworben hat. Die sich einstellenden Verluste im Anschluss an die Investition lösten beim Marktteilnehmer zwar kognitive Dissonanzen aus, die Entscheidung für einen Verkauf mit entsprechender Verlustrealisierung konnte jedoch nicht gefällt werden. Der Marktteilnehmer blieb aufgrund seiner Verlustaversion bei seiner Investition in der Hoffnung, die anfänglichen Verluste von mittlerweile 25 Prozent würden sich bald wieder aufgeholt. Seine Hoffnung bestätigte sich in der Folgezeit jedoch nicht, und so wuchsen die Verluste auf bis zu 50 Prozent seines Engagements an. Der Marktteilnehmer entschied sich nun, die Investition als langfristige Anlage zu betrachten, wodurch er teilweise die kognitiven Dissonanzen, die aufgrund der Buchverluste entstanden waren, verringern konnte. Im Ergebnis bewahrheiteten sich jedoch die renditeschädlichen Auswirkungen der Verlustaversion. Er akzeptierte die Buchverluste und verzichtete damit auf eine möglicherweise rentablere Neuanlage. Risiko-/renditeschädliches Verhalten der Marktteilnehmer Die Verlustaversion tritt wiederum sowohl bei privaten als auch bei institutionellen Anlegern auf. Gewinnpositionen werden zu früh verkauft, Verlustpositionen dagegen zu lange gehalten. Die Abb. 51 zeigt die durchschnittliche Haltedauer von Wertpapieren in den Portfolios der Anleger, die im Rahmen einer Studie der UBS (2008) analysiert wurden. Fallende Aktien (Verliereraktien) verbleiben im Durchschnitt 124 Tage im

238 9 Begrenzte Rationalität bei der Investitionsentscheidung Portfolio, bevor sie verkauft werden, während steigende Aktien (Gewinneraktien) im Durchschnitt nach 104 Tagen verkauft werden. Der Dispositionseffekt verdeutlicht, dass die Anleger aus psychologischen Gründen ihre Investitionen in Abhängigkeit davon bewerten, ob deren Wert nach dem Erwerb gestiegen oder gefallen ist (in Bezug auf den subjektiven Referenzpunkt). Folglich werden Verluste laufen gelassen, während Gewinne durch den frühzeitigen Verkauf begrenzt werden (vgl. Goldberg & von Nitzsch, 2000, S. 93 f.). Dieses Verhalten erhöht signifikant das Portfoliorisiko der Anleger und verringert die zu erwartende Rendite. Abb. 50: Durchschnittliche Haltedauer von Verlierer- und Gewinneraktien (Quelle: UBS Wealth Management Research, 2008) Überprüfen Anleger mit der Neigung zur Verlustaversion zu häufig ihre Depotstände, können sie zu häufigem Handeln verleitet werden. Dieses kurzfristig orientierte Anlageverhalten entspricht der Myopic Loss Aversion von und beschrieben. Die Begriffsbezeichnung myopic steht für Kurzsichtigkeit im Anlagehorizont des Marktteilnehmers (vgl. Pompian, 2006, S. 243). Wenn die Marktteilnehmer die Wertpapiere, in die sie investiert haben, zu oft überprüfen und diese zugleich auch eine hohe Volatilität aufweisen, dann sind die Marktteilnehmer öfter mit einem möglichen Verlust konfrontiert als mit Gewinnen, die sich u.u. erst über einen längeren Zeithorizont einstellen können. Die schädliche Wirkung des Dispositionseffektes tritt auch nach dem Verkauf der Gewinneraktien auf. Abb. 52 zeigt die Entwicklung von Gewinneraktien ein Jahr nach deren Verkauf. Es wird deutlich, dass die durchschnittliche Performance der Aktien in den zwölf Monaten nach dem Verkauf der Gewinneraktien erheblich höher ausfällt als

9.2 Heuristiken emotionalen Ursprungs 239 die der im Portfolio verbliebenen Verliereraktien. So legten die verkauften Gewinneraktien im Durchschnitt um weitere 11,6 Prozent zu, während die Verliereraktien, die im Portfolio gehalten wurden, in den nachfolgenden Monaten nur um durchschnittlich 5 Prozent stiegen. Das nachfolgende Beispiel verdeutlicht noch weiter die preisverzerrende Auswirkung des Dispositionseffektes auf den Kapitalmärkten. Abb. 51: Ertragsentwicklung Verlierer- und Gewinneraktien (Quelle: UBS Wealth Management Research, 2008) Auswirkung des Dispositionseffektes auf die Preisbildung Der Dispositionseffekt kann zu Abweichungen vom Fundamentalwert der Wertpapiere führen. Wenn viele Marktteilnehmer unrealisierte Gewinne und unrealisierte Verluste mit einem bestimmten Wertpapier erzielt haben, so tendieren die Marktteilnehmer u.u. nach positiven Nachrichten zum Verkauf des Wertpapiers, um ihre Gewinne zu realisieren. Folglich sinkt die Notierung des Wertpapiers, obwohl gute Fundamentaldaten eher zu steigenden Notierungen führen müssten. Mit positiven bzw. negativen Nachrichten sind solche gemeint, die eine entsprechende wirtschaftliche Auswirkung auf das Unternehmen haben. Auf der anderen Seite wird ein Wertpapier, welches bereits durch sinkende Notierungen gekennzeichnet ist, von den Marktteilnehmern nicht mehr verkauft, da Verluste entsprechend dem Dispositionseffekt nicht realisiert werden. Folglich notiert der Kurs des Wertpapiers möglicherweise oberhalb seines gerechtfertigten Fundamentalwertes. Die Wissenschaftler und haben festgestellt, dass ehemalige Gewinneraktien in der Folge zur Unterbewertung tendieren, während ehemalige Verliereraktien zur Überbewertung neigen. Diese auch als Winner-Loser-

240 9 Begrenzte Rationalität bei der Investitionsentscheidung Effekt bekannte Erscheinung wurde bereits 1985 von den Wissenschaftlern e und analysiert. Demnach entwickeln sich ehemalige Verliereraktien überdurchschnittlich gut, ehemalige Gewinneraktien dagegen unterdurchschnittlich (vgl. Kapitel 4.3.3, vgl. Shleifer, 2000, S. 17). Die Risikoeinstellung der Anleger verändert sich u.u. mit der Zunahme einer Verlust- bzw. Gewinnposition. Der Marktteilnehmer wird im Verlustbereich zunächst risikofreudig. Mit dem Erreichen extrem hoher Verluste wird der Anleger jedoch u.u. wieder risikoscheu und liquidiert seine Position schlagartig, um zum einen existenzielle Gefahren zu begrenzen und zum anderen das Reuegefühl, die falsche Entscheidung getroffen zu haben, dadurch zu begrenzen, dass er die Position komplett eliminiert (vgl. Goldberg & von Nitzsch, 2000, S. 98 ff.). Der Dispositionseffekt wurde in zahlreichen empirischen Studien untersucht. So hat (1998) den Effekt für den amerikanischen Aktienmarkt bestätigt, und (2001) haben die Auswirkungen des Effektes an der israelischen Börse nachgewiesen. Viele andere Wissenschaftler haben den Dispositionseffekt zudem unabhängig vom Börsenplatz nachweisen können (vgl. Hens & Bachmann, 2008, S. 84). Der Dispositionseffekt steigt mit zunehmender Selbstverpflichtung zu dem eingegangenen Engagement. Er lässt sich an der Steigung der Wertfunktion im Verlustbereich erkennen, welche absolut deutlich größer ist als im Gewinnbereich. -Q - Allgemeine Beschreibung Vergleichbar mit dem Besitztumseffekt erweist sich der Status-Quo-Effekt als eine Heuristik, die den Marktteilnehmer ebenfalls zu einer passiven Haltung tendieren lässt. Die Erforschung des Besitztum-Effekts lieferte daher auch einen Großteil der theoretischen Erkenntnisse über den Status-Quo-Effekt, dessen Erforschung hauptsächlich durch die Wissenschaftler und (1988) erfolgte. Im Rahmen dieser Heuristik belassen Marktteilnehmer die Zusammensetzung ihrer Portfolios unverändert, obwohl eine Anpassung der Einzelgewichte infolge von Marktentwicklungen notwendig wäre. Diese Verhaltensweise kann die Verlustaversion der Marktteilnehmer verstärken, wenn sie an zunehmenden Buchverlusten festhalten. Der Grund für die Verlustaversion kann, wie bereits in Kap. 6.2 dargestellt, in der doppelten Wertigkeit von Verlusten gegenüber Gewinnen auf der Wertfunktion gesehen werden. Aus diesem Grund halten Marktteilnehmer an Verlusten fest statt die Wertpapiere zeitnah zu veräußern. Es hat sich gezeigt, dass diese Heuristik insbesondere von Marktteilnehmern verwendet wird, die es bevorzugen, wenn gegebene Sachverhalten relativ unverändert bleiben. Der Status-Quo-Effekt wird aufgrund der Präferenz, keine Veränderungen herbeizu-

9.2 Heuristiken emotionalen Ursprungs 241 führen, gerne von der Versicherungsindustrie verwendet, um die Haltedauer eines Versicherungsproduktes durch die Versicherungsnehmer länger aufrechtzuerhalten (vgl. Beispiel 9.7 Status-Quo-Effekt). Der Status-Quo-Effekt verstärkt sich insbesondere je mehr Alternativen zur Auswahl gestellt werden so auch in der Fondsindustrie, wo der Anleger tendenziell bei einem bereits gewählten Produkt verbleibt, wenn ihm unübersichtlich viele Alternativen angeboten werden (vgl. Baker/Nofsinger, 2010, S. 316). Status-Quo-Effekt Anfang der 1990er Jahre reformierten New Jersey und Pennsylvania die Tarifbedingungen ihrer Kfz-Versicherungen. Es wurden zwei Arten von Versicherungen angeboten eine teurere Versicherungen mit zusätzlichen Mehrleistungen sowie eine günstigere ohne Mehrleistungen. Den Versicherungsnehmern wurde zunächst eine der beiden Versicherungen automatisch zugeordnet, sie hatten jedoch die Möglichkeit, die anfänglich zugeordnete Versicherung zu ändern. In New Jersey wurde die teurere Versicherung als Opt out -Möglichkeit vorgegeben. Hierbei haben die Versicherungsnehmer die Möglichkeit, sich, falls gewünscht, aktiv für eine andere Versicherung zu entscheiden. Tun sie das nicht, verbleiben sie in der ihr zugeordneten Versicherung. In Pennsylvania wurde die günstigere Versicherung als Opt out den Versicherungsnehmern vorgegeben. Wie man nun aufgrund der Wirkungsweise des Status-Quo-Effektes erahnen kann, ist der überwiegende Teil der Versicherungsnehmer in der ihnen jeweils zugeteilten Versicherung verblieben. Tatsächlich haben 70 Prozent der Versicherungsnehmer in New Jersey die teurere Versicherung behalten. In Pennsylvania sind 80 Prozent der Versicherungsnehmer in der ihnen zugeteilten, günstigeren Versicherung verblieben (vgl. Pompian, 2006, S.248). Dieses Beispiel zeigt sehr eindrucksvoll, wie eine Heuristik zur Erhöhung des Produktabsatzes ausgenutzt werden kann. Wie mit den Heuristiken in der Anlageberatung entweder produktabsatzfördernd oder eher beratungsqualitätsfördernd umgegangen werden kann, wird in Kapitel 10 im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Risiko-/renditeschädliches Verhalten der Marktteilnehmer Privatanleger, die zum Status-Quo-Effekt und damit zur Inaktivität neigen, können eine Verschlechterung des Risiko-Ertrags-Verhältnisses in ihren Portfolien erleiden, da sie notwendige Anpassungen der Einzelgewichte unterlassen. Es ist zudem möglich, dass sie an einer Anlage festhalten, um die Zahlung von Transaktionskosten bzw. Steuern so weit wie möglich hinauszuschieben. Als Folge dieser Verhaltensweise, steigt u.u. das Risiko verbunden mit einzelnen Wertpapierpositionen, wenn deren Portfoliogewicht im Zuge der Marktentwicklungen nicht angepasst wird.