Policy Papers on Transnational Economic Law



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Transkript:

Policy Papers on Transnational Economic Law No. 31 Solvency II: Aktuelle Entwicklungen der Reform des Versicherungsaufsichtsrechts in Europa Sven Leif Erik Johannsen T RANSNATIONAL E CONOMIC LAW RESEARCH CENTER Faculty of Law Martin-Luther-University Halle-Wittenberg Universitätsplatz 5 06099 Halle (Saale) Germany Tel.: +49 345 / 55 23149 / 55 23180 Fax: +49 345 / 55 27201 E-Mail: telc@jura.uni-halle.de www.telc.uni-halle.de November 2008

Solvency II Aktuelle Entwicklungen der Reform des Versicherungsaufsichtsrechts in Europa I. Das Projekt Solvency II der Europäischen Kommission Das Projekt Solvency II ist Teil des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen (FSAP) der Europäischen Kommission (Mitteilung der Kommission vom 11.5.1999; KOM(1999) 232). Es handelt sich um einen Vorschlag zu einer grundlegenden Reform des Versicherungsaufsichtsrechts. Der Rechtssetzungsprozess soll nach dem im Zusammenhang mit dem FSAP entwickelten Lamfalussy-Verfahren in vier Stufen erfolgen (hierzu ausführlich Fürstenwerth/Gause, in: FS- Lorenz, 2004, 253ff.). Auf der ersten Stufe werden Rahmenbestimmungen im Mitentscheidungsverfahren (Art. 251 EG) von Rat und Parlament erlassen, die sich auf die wesentlichen Grundzüge des Rechtsaktes (vgl. EuGH, Rs. 25/70, Köster, Slg. 1970, 1161 ff. Rn. 6) konzentrieren. Die zweite Stufe betrifft Umsetzungsvorschriften, die gemäß Art. 202, 3. Spiegelstrich EG durch die Kommission in übertragener Kompetenz erlassen werden. Die Kommission wird hierbei im Wege der Komitologie (siehe hierzu EuGH, Rs. 57/72, Westzucker, Slg. 1973, 321 Rn. 17; EuGH, Rs. 25/70, Köster, Slg. 1970, 1161 Rn. 9) durch die Ausschüsse EIOPC (European Insurance and Occupational Pensions Committee) und CEIOPS (Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors) unterstützt. Auf der dritten Stufe werden Leitlinien für die auf nationaler Ebene zu verabschiedenden Verwaltungsvorschriften, Empfehlungen zu Auslegungsfragen und die Setzung gemeinsamer Standards durch den Ausschuss CEIOPS erarbeitet. Auf der vierten Stufe soll die Kommission schließlich über die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts wachen und ggf. Vertragsverletzungsverfahren (Art. 226 EG) einleiten. Gegenwärtig steht der Entwurf der Rahmenrichtlinie der Kommission vom 26.2.2008 (KOM(2008) 119; nachfolgend RL-E2008) auf der ersten Stufe des Lamfalussy-Verfahrens zur Diskussion. Solvency II stellt eine gemeinschaftliche Maßnahme zur Errichtung eines Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen dar. Rechtsgrundlage sind Art. 47 Abs. 2 und Art. 55 EG. Gegenwärtig sind auf Gemeinschaftsebene lediglich Mindestvorschriften vorhanden, die durch zusätzliche Regelungen der Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene ergänzt werden können. Die nationalen Zusatzregelungen und die erheblichen Unterschiede in der Arbeitsweise der Aufsichtsbehörden beeinträchtigen nach Auffassung der Kommission die reibungslose Funktionsweise des Versicherungsbinnenmarkts und führen zu einem Anstieg der Kosten für die Versicherer der EU sowie zu einer Behinde- Page 2

rung des innergemeinschaftlichen Wettbewerbs (SEK(2007) 870). Die Kommission verfolgt die Vorstellung, durch eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts und eine Konvergenz der Aufsichtspraxis mit weitreichender Risikoerfassung Anreize für Versicherer zu schaffen, Risiken angemessen zu steuern. Hierbei wurden Erfahrungen aus der Finanzkrise 2001/2002 berücksichtigt, die auch die Versicherungswirtschaft betraf. Das Projekt Solvency II dient dem öffentlichen Gut der Finanzmarktstabilität. Die Rahmenrichtlinie orientiert sich an einem 3-Säulen-Modell. Säule 1 beschreibt die quantitativen Solvenzkapitalanforderungen. Säule 2 betrifft qualitative Governanceanforderungen, d.h. insbesondere den Aufbau interner und externer Risikomanagementsysteme durch die einzelnen Versicherungsunternehmen. Die dritte Säule beschäftigt sich mit Offenlegungspflichten. Aufgrund der zentralen Thematik des Projektes dem Risikomanagement und dem Zusammenhang des Projektes mit der Finanzkrise 2001/2002 wird Solvency II auch eine Signalwirkung für die aktuelle Finanzkrise 2008 zugeschrieben. Der Bundesminister der Finanzen Steinbrück erwähnte in seiner Regierungserklärung Zur Lage der Finanzmärkte am 25.09.2008 im Zusammenhang mit der Frage der Krisenprävention, dass er sich für die Umsetzung von Solvency II einsetzen werde. II. Die maßgeblichen strittigen Punkte bei Solvency II Solvency II konnte bislang nicht verabschiedet werden. Am 7.10.2008 fand der ECOFIN-Rat keine gemeinsame Haltung. Das Thema wurde nicht auf die Tagesordnung des ECOFIN-Treffens am 4.11.2008 gesetzt und ist auch bereits von der Tagesordnung für das Treffen am 2.12.2008 genommen worden. Grund hierfür sind einzelne umstrittene Punkte, die eine zeitnahe Verabschiedung bislang verhindert haben. 1. Marktrisiko Die Berechnung der quantitativen Solvenzkapitalanforderungen in der ersten Säule von Solvency II werden mithilfe einer Standardformel oder eines von der nationalen Aufsichtsbehörde zuvor anerkannten individuellen internen Modells des Versicherers berechnet (Art. 100 RL- E2008). Auf Stufe 1 des Lamfalussy- Verfahrens sind die wesentlichen Bestandteile zur Berechnung der Solvenzkapitalanforderungen in der Rahmenrichtlinie enthalten. Der Ansatz ist risikobasiert, d.h. richtet sich nach der Möglichkeit der Abweichung von geplanten Größen. Die Berechnung umfasst im Gegensatz zu derzeitigen Regelungen auch das Marktrisiko (Art. 101 Abs. 4 d RL-E2008). Die Richtlinie beschreibt den Begriff Marktrisiko näher in den besonderen Vorschriften Page 3

zur Standardformel. Das Marktrisiko setzt sich zusammen aus allen Risiken, die sich aus Schwankungen von Preisen auf Kapitalmärkten ergeben. Eine strukturelle Inkongruenz zwischen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten insbesondere im Hinblick auf deren Laufzeit (Asset-Liability-Mismatch) ist hierbei auch angemessen widerzuspiegeln (Art. 105 Abs. 5 RL-E2008). Das Marktrisiko ist in sechs Teilmodule unterteilt. Ein Teilmodul stellt das Aktienrisiko dar (Art. 105 Abs. 5 b RL-E2008). Auf Stufe 2 des Lamfalussy-Verfahrens werden Methoden, Annahmen und Standardparameter zur Berechnung in Durchführungsmaßnahmen durch die Kommission festgelegt (Art. 109 Abs. 1 b RL-E2008). Hierbei wird die Kommission insbesondere durch den Ausschuss CEIOPS unterstützt. CEIOPS führt seit 2005 sogenannte Quantitative Impact Studies (QIS) durch, um die Umsetzbarkeit von Durchführungsmaßnahmen auf Stufe 2 zu prüfen. Hierbei wird für die Berechnung der Standardformel zur Ermittlung des Aktienrisikos aktuell eine Teilung der Wertpapiere in zwei Kategorien verfolgt. In die erste Kategorie fallen Aktien von und Beteiligungen an Gesellschaften mit Sitz in einem Schwellen- oder Entwicklungsland, Aktien von und Beteiligungen an Gesellschaften, die nicht börsennotiert sind, alternative Finanzinstrumente, z.b. Derivate, soweit sie nicht zur Absicherung dienen, Hedge-Fonds, Managed Futures und Investments in Zweckgesellschaften (SPVs) oder Collateralized Debt Obligations (CDOs), also besonders risikoreiche Anlagen. Zur zweiten Kategorie werden insbesondere Aktien aus Industrieländern gezählt. Für die erste Kategorie wird in einem szenariobasierten Ansatz ein Marktwertverlust von 45% im Laufe eines Jahres, für die zweite ein Verlust von 32% im Laufe eines Jahres angenommen. Dieses so angesetzte Verlustrisiko muss nach den Solvenzkapitalanforderungen mit Eigenkapital hinterlegt werden. Hierdurch werden Anreize für Versicherungsunternehmen gesetzt, in Anleihen mit hoher Bonitätseinstufung zu investieren. Obgleich das Modul des Aktienrisikos ausdrücklich nur in den Artikeln zur Standardformel in dem Rahmenrichtlinienentwurf Erwähnung findet (Art. 103 Abs. 1 a, 104 Abs. 1 d 105 Abs. 1, 5 b RL- E2008), ist dieses auch bei internen Modellen zu berücksichtigen. Das interne Modell muss das Marktrisiko einbeziehen (Art. 101 Abs. 4 d RL-E2008). Das Marktrisiko umfasst hierbei auch das Aktienrisiko. Die Rahmenrichtlinie orientiert sich bei internen Modellen in Form eines Teilmodells an den Modulen für die Standardformel (Art. 110 Abs. 2 a, 105 RL-E2008). Die enge Orientierung des internen Modells an den Risikomodulen der Standardformel geht auch daraus hervor, dass das interne Modell und die Standardformel zwei Jahre nach Genehmigung des internen Modells durch die nationale Aufsichtsbehör- Page 4

de parallel zu berechnen sind (Art. 110 Abs. 7 RL-E2008). Dies dient der Überprüfung der Konsistenz der beiden Modelle. Ferner ist der Sinn und Zweck der Option eines internen Modells anzuführen. Es stellt einen Anreiz dar, Risiken individuell für das Versicherungsunternehmen zu berechnen, um das Risikoprofil besser darstellen zu können. Hiermit ist also keine allgemeine Einschränkung der Solvenzkapitalanforderungen verknüpft. Vielmehr werden die Vorgaben des Standardmodells im Hinblick auf die abgebildeten Risiken als Mindestanforderungen für interne Modelle verstanden. Diese Betrachtung des Marktrisikos überzeugt aufgrund der Erfahrungen aus der Finanzkrise 2001/2002. Die Mannheimer Lebensversicherung AG musste die Geschäftstätigkeit infolge der Krise aufgeben. Als Ursache hierfür wurde der Wertverlust des Aktienportfolios erkannt. Die deutschen Lebensversicherer gewährten zu diesem Zeitpunkt Zinsgarantien zwischen 3% p.a. und 4% p.a. Diese Passiva müssen jedoch im Rahmen eines Asset- Liability-Managements mit den Aktiva abgestimmt werden. Die Aktienquote muss demzufolge bei zu hohem Risiko reduziert werden. Die Mannheimer Lebensversicherung AG versäumte diesen Schritt nach heutiger Kenntnis. Doch gegen diesen Ansatz von Solvency II wird auch massive Kritik vorgebracht. Henri de Castries, Vorstandsvorsitzender der französischen Versicherungsgesellschaft Axa S.A., bemängelt, dass die Betrachtung des Marktrisikos die Versicherungen aus Aktieninvestments treiben werde. Die Anforderungen von Solvency II würden die Versicherungen in Anleihen mit geringer Rendite zwingen bzw. hohe Kapitalkosten bei Aktieninvestitionen verursachen und somit die Versicherungspolicen verteuern. Axa S.A. verfügt über einen im Vergleich mit deutschen Versicherungsunternehmen sehr hohen Aktienbestand und müsste daher nach Solvency II voraussichtlich mehr Eigenkapital aufbringen. Die französische Regierung hat sich die Auffassung von Castries daher als Partikularinteresse zu eigen gemacht und gegen die betreffenden Regelungen Stellung bezogen. 2. Freie RfB Ein aus deutscher Sicht maßgeblicher Streitpunkt ist die Berücksichtigung der sogenannten freien RfB als Eigenmittel zur Erfüllung der Solvenzkapitalanforderungen. Versicherungsunternehmen in Deutschland haben in ihren Bilanzen versicherungstechnische Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen (RfB), z.b. Überschussbeteiligungen, zu bilden, soweit diese nicht bereits endgültig den einzelnen Versicherungsnehmern zugeteilt sind ( 341e Abs. 2 Nr. 2 HGB). Die eingestellten Beträge dürfen grundsätzlich nur zu Beitragsrückerstattungen verwendet Page 5

werden ( 56a S. 4 VAG). Den Versicherungsunternehmen wird somit die unternehmenspolitische Entscheidung eröffnet, ob sie Beträge im Wege der Direktgutschrift den Versicherungsnehmern zuteilen oder eine Rückstellung bilden, um unabhängig von Marktentwicklungen eine angemessene Ausschüttung zu gewährleisten. Die Bildung einer RfB bietet darüber hinaus den Vorteil, dass Versicherungsunternehmen durch sie eine teure Aufnahme von Eigenkapital vermeiden können. Die durch die RfB vereinnahmten Beträge sind jedoch eine Schuld gegenüber den Versicherungsnehmern und somit dem Versicherer grundsätzlich endgültig entzogen. Die freien RfB, d.h. noch nicht festgelegte RfB, dürfen jedoch nach deutschem Recht in Notsituationen zur Abwendung eines Notstandes genutzt werden ( 56a S. 5 VAG). An diese nationale Regelung knüpft der Vorschlag der Rahmenrichtlinie an (Vgl. Art. 90 RL-E2008). Die freien RfB werden als Eigenmittel zur Deckung der Kapitalanforderungen anerkannt. Eigenmittel werden bei Solvency II in drei Qualitätskategorien unterteilt. Die freien RfB sind in dem Richtlinienentwurf der Kommission der höchsten Qualitätsklasse (Tier 1) zugewiesen (Art. 96 Abs. 1, 90 RL-E2008). Sie bilden den Großteil des aufsichtsrechtlichen Eigenkapitals der deutschen Lebensversicherer. Hieraus ergibt sich das besondere deutsche Partikularinteresse. Der Bundesminister der Finanzen Steinbrück bekundete am 13.11.2008, dass es aus deutscher Sicht kein Solvency II ohne die Anerkennung der freien RfB als Eigenkapital höchster Qualität geben werde. Zu den Gegnern dieser Regelung zählen insbesondere Großbritannien, Niederlande, Spanien und Frankreich. Es lag auch ein Änderungsantrag des Europäischen Parlaments vor, die freien RfB lediglich in Tier 2 einzustufen (2007/0143(COD), Änderungsantrag 16). Zur Begründung wurde angeführt, dass die freien RfB nicht in jedem Fall einen vollständigen Verlustausgleich ermöglichten. Der Währungs- und Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments (ECON) hat jedoch am 7.10.2008 einem Kompromiss zugestimmt, nach dem die freien RfB als Eigenmittel höchster Qualität anerkannt werden. 3. Gruppenaufsicht Den strittigsten Punkt bildet gegenwärtig das Thema Gruppenaufsicht. International tätige Versicherungskonzerne fallen gegenwärtig in den Zuständigkeitsbereich mehrerer nationaler Aufsichtsbehörden. Die Versicherungsaufsicht ist nach deutschem Recht grundsätzlich auf ein einzelnes Versicherungsunternehmen ausgerichtet (Solo- Aufsicht; vgl. 1 Abs. 1 VAG). Die Solo-Aufsicht wird jedoch durch eine Gruppenaufsicht am Sitz des Mutterunternehmens ergänzt (Solo- Page 6

Plus-Aufsicht, vgl. 104a bis 104i VAG). Diese Ergänzung beinhaltet insbesondere die Beaufsichtigung konzerninterner Geschäfte ( 104e VAG) und die Überwachung der bereinigten Solvabilität, d.h. der Gruppensolvabilität ( 104g VAG). Ein Versicherungskonzern wird hierdurch jedoch nicht das Objekt der Aufsicht. Der Entwurf der Rahmenrichtlinie verfolgt das Konzept einer Gruppenaufsicht. Es wird eine für die Gruppenaufsicht zuständige Behörde bestimmt (Art. 251 RL-E2008). Dieser werden weitgehende Kompetenzen bei der Aufsicht übertragen. Ihr obliegt u.a. die Planung und Koordinierung der Gruppenaufsicht (Art. 252 Abs. 1 e RL-E2008) und die Kontrolle der qualitativen Governanceanforderungen Säule 2 (Art. 252 Abs. 1 d, 250 RL- E2008). Zudem entscheidet die für die Gruppenaufsicht zuständige Behörde auch über den Antrag einer Versicherungsgruppe auf ein internes Modell zur Berechnung der Solvenzkapitalanforderungen Säule 1, wenn die zuständigen Aufsichtsbehörden auf Soloebene keine Einigung binnen sechs Monaten nach Eingang des Antrags finden (Art. 229 Abs. 5 RL-E2008). Durch die Konzentrierung der Kompetenz auf eine Gruppenaufsichtsbehörde kann der administrative Mehraufwand für internationale Versicherungskonzerne gemindert werden. Gegenwärtig besteht ein erheblicher bürokratischer Aufwand durch die Ermittlung der verschiedenen nationalen Solvenzkapitalanforderungen für alle Versicherungsunternehmen der Gruppe, die regelmäßig auf nationalen Rechnungslegungsvorschriften beruhen. Hierbei müssen nationale Besonderheiten Berücksichtigung finden (z.b. freie RfB nach deutschem Recht, vgl. II. 2). Das Konzept der Gruppenaufsicht bietet auch zwei wesentliche Vorteile für Versicherungskonzerne bei der Berechnung der Solvenzkapitalanforderungen: Gruppenunterstützung und Diversifikationseffekte. Die Solvenzkapitalanforderungen können bei Tochterunternehmen eines Versicherungskonzerns auf Antrag des Mutterunternehmens durch eine schriftlich und rechtsverbindlich erklärte Unterstützung der Gruppe erfüllt werden, soweit diese die absoluten Mindestkapitalanforderungen übersteigen (Art. 237 Abs. 1, 234ff. RL-E2008). Durch die Berechnung der Solvenzkapitalanforderungen auf Gruppenebene (Art. 228 Abs. 2 RL-E2008) wird zudem ermöglicht, eine Risikominderung durch Ausgleichseffekte (sog. Diversifikationseffekte ) zwischen den einzelnen Gruppeneinheiten zu berücksichtigen. Hieraus resultiert eine Verringerung der Solvenzkapitalanforderungen. Die für die Gruppenaufsicht zuständige Behörde wird regelmäßig die Behörde sein, die das Mutterunternehmen zugelassen hat (Art. 251 Abs. 2 a RL-E2008). Die Mutterunternehmen der größten europäischen Versicherungskonzerne sind Page 7

in Deutschland und Frankreich zugelassen. Dementsprechend würde die Gruppenaufsicht den Einfluss dieser nationalen Aufsichtsbehörden erweitern. Durch die Gruppenaufsicht wird zugleich die Solo- Aufsicht über Tochtergesellschaften eingeschränkt. Aus diesem Grund haben mehrere osteuropäische Staaten, insbesondere Polen, gegen diese Regelungen Stellung bezogen. Sie befürchten einen erheblichen Einflussverlust bei der Aufsicht, soweit die Versicherungsunternehmen dieser Länder von ausländischen Unternehmen übernommen wurden. Frankreich hat im Rat bereits einen Kompromiss zur Diskussion gestellt. Hiernach sollen die einzelnen Mitgliedstaaten frei entscheiden, ob sie sich der Gruppenaufsicht anschließen. Bundesfinanzminister Steinbrück sprach in seiner Rede vom 13.11.2008 Wie viel Vertrauen verdienen die Finanzmärkte? bereits davon, Solvency II notfalls auch ohne die Regelungen der Gruppenaufsicht durchzusetzen. III. Ausblick Solvency II gilt als Paradigmenwechsel im Versicherungsaufsichtsrecht, da hierdurch ein Wandel von der quantitativen zu einer qualitativen Aufsicht mit dem Schwerpunkt Risikomanagement realisiert wird. Im deutschen Recht ist dieser Wandel bereits mit der 9. VAG-Novelle weitgehend vollzogen. Es bestehen aufsichtsrechtliche Anforderungen an das Risikomanagement ( 64a VAG) und die Risikoberichterstattung ( 55c VAG) für Versicherungsunternehmen. Dennoch ist die Umsetzung von Solvency II aus deutscher Perspektive von maßgeblicher Bedeutung. Denn Solvency II bringt in der Fassung des Entwurfs der Kommission Vorteile für die deutschen Versicherungsunternehmen, insbesondere durch das Modell der Gruppenaufsicht. Die Eigenmittelanforderungen sind sachgerecht, da sie sich an dem vorhandenen Risiko orientieren. Es bleibt gegenwärtig jedoch fraglich, ob der weitgehend schlüssige und begrüßenswerte Entwurf der Rahmenrichtlinie der Kommission in der gegenwärtigen Fassung im Rat durchsetzungsfähig ist oder aus den aufgezeigten Gründen einem Kompromiss weichen muss. Assessor Sven Leif Erik Johannsen ist Student im Master-Studiengang Wirtschaftsrecht des Instituts für Wirtschaftsrecht der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg sowie Doktorand am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsvergleichung und Medizinrecht der MLU (Prof. Dr. Hans Lilie). Page 8