Stellungnahme des Einzelsachverständigen. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. P. Michael Schmitz. des Instituts für Agrarpolitik und. Marktforschung, Zeughaus



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Transkript:

Stellungnahme des Einzelsachverständigen Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. P. Michael Schmitz des Instituts für Agrarpolitik und Marktforschung, Zeughaus für die 43. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur öffentlichen Anhörung zum Thema Spekulationen mit agrarischen Rohstoffen verhindern am Montag, dem 27.06.2011, 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr Sitzungssaal: 3.101 Sitzungsort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Adele-Schreiber-Krieger-Straße 1

Spekulationen mit agrarischen Rohstoffen verhindern I Allgemeine Bemerkungen Stellungnahme im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 27. Juni 2011 von Prof. Dr. Dr. h. c. P. Michael SCHMITZ Justus-Liebig-Universität Giessen Heftige Agrarpreisschwankungen in den letzten Jahren und aktuell erneut deutlich ansteigende Nahrungsmittelpreise haben eine intensive Diskussion über die möglichen Ursachen und einen notwendigen staatlichen Handlungs- bzw. Regulierungsbedarf ausgelöst. Vor allem die Spekulanten und Indexfonds stehen im Kreuzfeuer der Kritik. Ihnen wird vorgeworfen, die Agrarmärkte zu destabilisieren, die Nahrungsmittelpreise künstlich hochzutreiben und so die Hungersituation in zahlreichen Entwicklungsländern noch zu verschärfen. Vor diesem Hintergrund scheint es folgerichtig, das Engagement von Spekulanten und Indexfonds auf Agrarmärkten zu beschränken oder ganz zu verbieten, wie es von zahlreichen Politikern gefordert wird. Tatsächlich ist nicht nur die Ursachenanalyse der erhöhten Preisvolatilität und des erneuten Preishochs falsch, sondern es bestehen offensichtlich erhebliche Wissensdefizite über die Funktionsweise von Warentermin- und Kassamärkten (auch Spot-, Cash- oder reale Märkte genannt). Schließlich sind die vorgeschlagenen Maßnahmen alles andere als zielführend, mitunter sogar kontraproduktiv im Hinblick auf die Ziele der Ernährungssicherung und Marktstabilisierung. Das soll im Folgenden erläutert werden. Die Preisexplosion von 2007/08 und der erneute Anstieg in 2010/11 lässt sich weitgehend auf angebots- und nachfrageseitige Fundamentalfaktoren der Agrarmärkte selbst, die handelspolitische Abschottung heimischer Märkte sowie auf makroökonomische Einflüsse zurückführen. Zu letzteren gehören konjunkturell abhängige Variablen, wie das Wachstum des Bruttosozialprodukts, die Beschäftigungssituation, die Frachtraten, die Ölpreise, die Wechselkurse, das Zinsniveau, etc., aber auch Änderungen eher stetiger Größen, wie die Geldmenge und die Binnennachfrage. Auch der starke Einbruch der Agrarpreise in 2009 lässt sich so erklären. Zwei Jahrhunderternten in 2008 und 2009 zusammen mit der heftigsten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit ließen die Preise in den Keller fallen. Wenn überhaupt Spekulation dabei eine Rolle gespielt hat, dann war es die Spekulation auf Kassamärkten mit physischer Ware durch Landwirte selbst, durch Händler und Verarbeiter und nicht zuletzt durch Haushalte. Dazu liegen aber kaum Informationen vor und niemand wird wohl ernsthaft erwägen, diese millionenfachen Einzelentscheidungen von Marktteilnehmern staatlicherseits zu kontrollieren, zurückzudrängen oder gar zu verbieten. Wie sieht es nun aber mit der Spekulation auf Warenterminmärkten aus bzw. mit dem zunehmenden Engagement von Indexfonds auf Warenterminmärkten? Gehen von diesen destabilisierende Effekte auf Termin- und dann letztlich die Kassapreise an den Realmärkten aus? An dieser Hypothese sind eher Zweifel angebracht. Die Unterscheidung der WTM-Teilnehmer in Spekulanten und Hedger gilt als überholt. Hedger spekulieren auch und Spekulanten sichern sich mitunter ab. Indexfonds 1

beispielsweise gehen an WTM zum Zweck der Diversifikation ihres Portfolios, weil Rohstoffmärkte und Aktienmärkte unkorreliert sind. Die Zunahme des Anteils der Indexfonds an WTM-Geschäften ist dem Preisboom von 2007/08 deutlich vorausgegangen, kann also nicht die Ursache sein. Preisexplosionen gab es auch an Warentermin- und Agrarrohstoffmärkten, an denen Indexfonds gar nicht beteiligt sind, z.b. Reis, und auch an Rohstoffmärkten, wo gar keine WTM existieren, z.b. bei Äpfeln, Zwiebeln und Bohnen. Verschiedene empirische Studien zeigen, dass es keinen signifikanten Einfluss der Spekulationstätigkeit und des Engagements von Indexfonds an WTM auf die Volatilität und das Niveau der Terminpreise und der Kassapreise gibt. Entscheidend für die Kassapreise sind die gegenwärtigen Fundamentalfaktoren und für die Terminpreise die erwarteten Ausprägungen der Fundamentalfaktoren. Nur wenn neue Informationen darüber vorliegen, ändern sich die Terminpreise, und nicht weil Indexfonds long gehen. Zu jedem long- Geschäft gehört nämlich ein entsprechendes short-hedge-geschäft. Indexfonds und Spekulanten sorgen somit für die notwendige Liquidität zur Absicherung der Preisrisiken, die dann offensichtlich auch von Landwirten, Händlern und Verarbeitern höher eingeschätzt werden. Deshalb ist es auch falsch zu behaupten, dass das weit über das physische Volumen hinausgehende Kontraktvolumen von Agrarrohstoffen verantwortlich für die Preisinstabilität sei. Es spiegelt lediglich den Absicherungsbedarf der Hedger wider, der ohne Spekulation nicht realisierbar wäre. Selbstverständlich muss es auch an WTM Spielregeln geben. An den Chicago Board of Trade sind diese offensichtlich erfolgreich erprobt. Der Ruf nach schärferer Regulierung wird jedoch lauter. Die Gefahr ist dabei, dass WTM-Teilnehmer vertrieben werden und somit die WTM ihre Funktionsfähigkeit der Preisabsicherung und Preisvorhersage verlieren. Das würde die Agrarrohstoffmärkte dann eher destabilisieren. Die Beschränkung der Spekulation wäre dann nicht nur unwirksam, sondern würde auch das Gegenteil von dem bewirken, was man eigentlich anstrebt. Ernährungssicherheit und Marktstabilisierung erreicht man stattdessen am besten durch Investitionen in die Agrarwirtschaft, eine Öffnung und internationale Koordination des Handels, gezielte Bekämpfung von Armut, Hunger und Korruption sowie durch die Bereitstellung einer möglichst breiten Palette privater Risikomanagementinstrumente. II Antworten auf die Fragen der Fraktionen 1. Haben sich die Akteure auf den landwirtschaftlichen Rohstoffmärkten Ihrer Meinung nach in den vergangenen Jahren verändert und welchen Einfluss hatten diese Veränderungen? Die Struktur der Akteure auf den Kassamärkten landwirtschaftlicher Rohstoffe (= reale Märkte) hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert. Auf den Warenterminmärkten (WTM) dagegen hat es einen deutlichen Zuwachs der institutionellen Anleger (z.b. Indexfonds und Hedgefonds) gegeben. Ein eindeutig destabilisierender Effekt auf Termin- oder Kassapreise von Agrarrohstoffen konnte jedoch bislang empirisch ebenso wenig nachgewiesen werden, wie eine Beeinträchtigung der traditionellen Funktionen von WTM, nämlich die Risikoabsicherung und die Preisvorhersage. Im Gegenteil verschiedene empirische Studien zeigen, dass das Engagement institutioneller Anleger die notwendige Liquidität für das Short-Hedging sichert und die Terminpreise sogar stabilisiert. Selbst dort, wo gegenteilige empirische Ergebnisse abgeleitet werden, ist man bei der Interpretation sehr vorsichtig und betont die Vorläufigkeit der Analyse. 2

2. Welche Zusammenhänge gibt es nach Ihrer Einschätzung zwischen der Entwicklung auf den Agrarmärkten und den (Finanz-)Märkten einerseits und der Entwicklung auf den Agrarmärkten und Energiemärkten andererseits? Die realen Agrarmärkte werden vor allem von den Fundamentalfaktoren (u.a. von den Witterungs- und Ertragsschwankungen) beeinflusst, aber auch von den Makro- und Finanzvariablen, wie dem Bruttosozialprodukt, der Inflation, dem Zinsniveau, der Geldmenge, dem Wechselkurs und der Arbeitslosigkeit, sowie von den Energiemärkten über das Vehikel der Bioenergie. Der Umfang der Spekulation auf WTM spielt dabei für das reale Preisniveau, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Spekulation findet aber auch auf den realen Kassamärkten statt, z.b. durch Bestandsaufbau und abbau bei Landwirten, Händlern, Verarbeitern und Haushalten. In der Tendenz wirken diese Aktivitäten preisstabilisierend. 3. Wie weit hat die Veränderung der EU-Agrarpolitik mit dem Zurückfahren der Getreideintervention in den letzten Jahren zur Verstärkung der Spekulationsgeschäfte in den Agrarrohstoffmärkten beigetragen? Staatliche Lagerhaltung und kollektive Preisstützung verdrängen private Lagerhaltung und individuelles Risikomanagement. Wird beides zurückgebaut, entfaltet sich privatwirtschaftliches Engagement, z.b. durch stärkere Nutzung von WTM. Und ohne Spekulanten können WTM nicht funktionieren und Landwirte ihre Risiken nicht absichern. 4. Welchen Einfluss auf die Entwicklung der Agrarrohstoffpreise hat Ihrer Ansicht nach die Spekulation bzw. die Investitionen von marktfremden Akteuren (Finanzinstitute) und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Empirisch finden sich keine überzeugenden Belege für einen negativen Einfluss von Spekulation und marktfremden Akteuren. Eine Bekämpfung der Spekulation und eine Beschränkung der Finanzialisierung von Agrarrohstoffmärkten ist nicht nur nicht notwendig, sondern kann sogar zu einer Destabilisierung der Märkte und einer Verschlechterung ihrer Funktionsfähigkeit beitragen. 5. Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht reine Spekulationsgeschäfte auf die Preisentwicklung an den Agrarrohstoffmärkten? Reine Spekulationsgeschäfte sind ein unverzichtbarer Bestandteil für die Funktionsfähigkeit von WTM. 6. Viele Akteure sehen im Engagement reiner Finanzinvestoren (Fonds, Banken) im Agrarrohstoffmarkt eine der Ursachen für Preisentwicklungen, die mit Fundamentaldaten im Agrarsektor nicht begründet werden können. Wie lassen sich aus Ihrer Sicht die Finanz- und Agrarrohstoffmärkte trennen? Eine Trennung ist nicht notwendig, weil die Ursachen für die Preisexplosionen und eine erhöhte Preisvolatilität woanders liegen. 7. Die gemeinsame EU-Agrarpolitik wurde in den vergangenen Jahren in Richtung einer stärkeren Marktorientierung weiterentwickelt. Dazu gehören auch stärkere Preisschwankungen auf den Rohstoffmärkten in der EU. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Forderung nach einer Beschränkung der Rolle von landwirtschaftsfernen Akteuren und möglichen Spekulanten auf Warenterminmärkten? 3

Eine Beschränkung der Rolle von landwirtschaftsfernen Akteuren und Spekulanten zerstört die Funktionsfähigkeit von WTM und damit ein wichtiges Instrument der Preisabsicherung für Landwirte, Händler und Verarbeiter. 8. Welche Möglichkeiten sehen Sie zur Regulierung von Spekulationsgeschäften und welche konkreten Maßnahmen kann die Bundesregierung im nationalen bzw. internationalen Kontext ergreifen? Erstbeste Lösungen sind die Schaffung von mehr Transparenz und eine umfassende Informationsversorgung aller Marktteilnehmer über WTM und OTC-Geschäfte. Über Positionsund Preislimits sowie über eine stärkere Eigenkapitalunterlegung kann man nachdenken, aber Vorsicht ist geboten. Preislimits unterbrechen den Handel und zerstören bei restriktivem Einsatz die Preisvorhersagefunktion von WTM. Abwanderung der Akteure ist die Folge mit Liquiditätsentzug für das Short-Hedging. Eher sind Positionslimits denkbar, die es aber auch schon gibt. Hier müssten die Erfahrungen damit noch einmal ausgewertet werden. Auch Preislimits sind in den USA an der Chicago Board of Trade (CBOT) schon im Einsatz, allerdings eher mit der Tendenz zur Ausweitung der täglich zulässigen Preisabweichungen. Generelle dynamische Preisober und Preisuntergrenzen für Terminpreise sind dagegen als staatliche Preismanipulation abzulehnen. Auch eine stärkere Eigenkapitalunterlegung sollte, wenn überhaupt, nur behutsam vorgenommen und in ihren Folgen sorgfältig beobachtet werden. 9. Welchen Einfluss hätte eine politische Beschränkung der Teilnahme von landwirtschaftsfernen Investoren auf die Funktionsfähigkeit von Warenterminmärkten im Sinne eines Absicherungsinstruments für Landwirte und Agrarhandelsunternehmen? Siehe Antwort zu Frage 1! 10. Wie wirkt sich der Derivatehandel auf die Rohstoffpreise aus und welche Auswirkungen hätten Interventionen im Derivatehandel wie z.b. Positions- und Preislimits auf die Warenterminmärkte? Sehen Sie einen Kapitalentzug aus den Märkten durch Regulierungen? Siehe Antwort zu Frage 8! 11. Welche Auswirkungen haben Interventionen und regulatorische Maßnahmen im Derivatehandel auf die deutsche Landwirtschaft insgesamt und auf landwirtschaftliche Unternehmen direkt? Bei zu hoher Regulierungsdichte verlieren Landwirte, Händler und Verarbeiter ein wichtiges Risikomanagementinstrument. 12. Welchen Handlungsbedarf im Bereich der Warenterminmärkte, des OTC-Handels, des Derivatehandels und der Spekulationen mit Agrarrohstoffen gibt es? Wie bewerten Sie die angedachten Maßnahmen innerhalb der EU und der G20? Informationsverbesserung und Transparenzschaffung sowie Übertragung der auf WTM geltenden und bereits erprobten Regeln auf OTC-Geschäfte reichen aus. 13. Der Handel mit Rohstoffen und Rohstoffderivaten im over-counter-bereich (OTC) wird allgemein als zu intransparent wahrgenommen, was die Nervosität der Rohstoffmärkte und damit die Preisfluktuation erhöht. Welche Instrumente empfehlen Sie, 4

mit denen die Transparenz im OTC-Sektor verbessert werden könnte, und welche weiteren Maßnahmen zur Regulierung des OTC-Bereiches halten Sie für sinnvoll? Siehe Antwort zu Frage 12! 14. Als Regulierungsinstrument werden u.a. Preis- oder Positionslimits für den Handel mit Agrarrohstoffen diskutiert. Welche Vor- oder Nachteile hätte die Einführung dieser Instrumente aus Ihrer Sicht für die Höhe und Stabilität der Rohstoffpreise? Siehe Antwort zu Frage 8! 15. Wie stehen Sie zu einem Verbot von indirekten Investments auf die Preisentwicklung von Agrarrohstoffen (z.b. durch Retailderivate)? Verbote sind kontraproduktiv. 16. Können Steuern bzw. Abgaben auf Börsenspekulation dazu beitragen, Spekulationsgeschäfte einzugrenzen und in besonders betroffenen Märkten die Auswirkungen hoher Preise für Grundnahrungsmittel abzumildern? Spekulationssteuern drängen die Spekulation zurück, mit ihr aber auch alle positiven Wirkungen der Spekulation. Die Preisvolatilität nimmt zu und ein Dämpfungseffekt für hohe Nahrungsmittelpreise ist nicht zu erwarten. 17. Macht es Sinn, den Rohstoffbereich, beziehungsweise den für Agrarrohstoffe getrennt von dem Finanzmarkt zu regeln? Agrarrohstoffmärkte haben im Gegensatz zu den Finanzmärkten keinen systemischen Charakter, benötigen also weniger Regulierung und staatliche Aufsicht. 18. Welche Nebenkosten haben Interventionen und regulatorische Maßnahmen wie z.b. staatliche Lagerhaltung? Regulierung und staatliche Lagerhaltung sind in der Regel mit hohen fiskalischen und volkswirtschaftlichen Kosten verbunden, die den Nutzenzuwachs nicht wert sind. 19. Wie muss die personelle Ausstattung auf europäischer und auf internationaler Ebene in den unterschiedlichen Behörden aussehen, damit eine Aufsicht der Agrarrohstoffmärkte effizient stattfinden kann? Neue Behörden sind nicht notwendig. 20. Kann weltweit gesehen eine Verstärkung staatlicher Lagerhaltung für landwirtschaftliche Rohstoffe im Bereich der Grundnahrungsmittel einen Beitrag leisten zur Gegensteuerung der Agrar-Spekulation? Staatliche Lagerhaltung bzw. internationale Rohstoffabkommen sind weltweit gescheitert. Ökonomisch effizienter sind vermehrte Anreize für private Lagerhaltung und offenere Handelsgrenzen. Das stabilisiert die internationalen Agrarrohstoffmärkte. 21. Welche internationalen Initiativen zur Regulierung von Rohstoffmärkten halten Sie für zielführend, um übermäßige Preisaufschläge aufgrund von Spekulationen zu verhindern? 5

Transparenzschaffung, Informationsverbesserung, Produktivitätsverbesserung der Agrarproduktion und Handelsliberalisierung sind zielführend. Spekulation sollte nicht verhindert werden. 22. Welche Beispiele für Positionslimits könnten auf europäischer Ebene als Vorbild dienen, um große Fonds davon abzuhalten, große Positionen aufzubauen und zu halten? Das Beispiel des Chicago Board of Trade. 23. Sind das Transaktionsregister und die Clearingstelle nach amerikanischem Vorbild auf europäische Märkte übertragbar? Beides ist übertragbar. 6