Auf dem Flughafen Geilenkirchen

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Transkript:

Die Wiedergeburt des Kampfpanzers Autorenteam: Oberstleutnant Jürgen Beitzel, Oberstleutnant Rolf Köpke und Hauptmann Mathias Scholz Auf dem Flughafen Geilenkirchen verladen kanadische Soldaten von Deutschland geleaste Kampfpanzer LEOPARD 2 A6M in eine ANTONOV 124 sowjetischer Bauart für den Einsatz in Afghanistan. Dreizehn Stunden später landet die Maschine im Lager Kandarhar, die Kampfpanzer werden entladen und auf Sattelschleppern in den Einsatzraum transportiert. Noch vor vier Jahren hatte die kanadische Regierung entschieden, den Kampfpanzer LEOPARD C2 (kanadische Version/entspricht einer kampfwertgesteigerten Variante des KPz LEOPARD 1 A5) aus der Nutzung zu nehmen und auf leichte Radfahrzeuge amerikanischer Bauart umzurüsten. Doch die Einsätze im Süden Afghanistans zeigten auf drastische Weise, wie wichtig die Kampfpanzer auch für Einsätze in urbanen Räumen Deshalb hat sich die kanadische Regierung entschlossen, 20 KPz LEOPARD 2 A6M von Deutschland zu leasen und diese unmittelbar in Afghanistan einzusetzen. Dass diese Entscheidung richtig war, zeigte nicht nur der erste IED- Angriff am 2. November 2007 auf diesen minengeschützten Kampfpanzer. Der Kommandant fasst es mit den Worten zusammen: Vielen Dank der deutschen Armee für die Ausbildung und der Firma Krauss-Maffei-Wegmann für das exzellente Minenschutzpaket, das funktionierte. Es blieb der kanadischen Armee erspart, vier Särge ins Heimatland zu transportieren. Die dänische Regierung hat aufgrund der Bedrohungslage im Süden Afghanistans ebenfalls entschieden, dort einen Panzerzug mit Kampfpanzern LEOPARD 2 einzusetzen. Entscheidender Faktor war dabei die Erweiterung des eigenen Verantwortungsbereiches um einen urbanen Raum sowie die Tatsache, dass seit dem Einsatz der LEO- PARDEN die Angriffe der TALIBAN im kanadischen Verantwortungsbereich zurückgegangen Erleben wir derzeit die Wiedergeburt des Kampfpanzers oder war es vielmehr schon der Beginn des Einsatzes im Kosovo oder die Irak-Kriege, die diese Renaissance einleiteten? Mit der deutschen Einheit, der Auflösung des Warschauer Paktes und dem Zerfall des sowjetischen Reiches, fiel auch die unmittelbare Bedrohung der deutschen Ostgrenze weg. Die sicherheitspolitischen Veränderungen ließen die Landesverteidigung in den 90er Jahren immer weiter in den Hintergrund treten. Die Verteidigungspolitischen Richtlinien wurden an die neuen Risiken, nicht zuletzt durch die Anschläge des 11. September 2001, angepasst und zielen auf die Vor- Bild 1: Verladung LEOPARD 2 A6M DAS SCHWARZE BARETT NR.39 11

BLICKRICHTUNG ZUKUNFT beugung und Begrenzung von Krisen sowie Konflikten ab. Die schnelle, globale Verlegbarkeit von Kräften ließ leichte Waffen in den Fokus des Interesses rücken. In der Annahme, durch leichte Kräfte möglichst flexibel auf Krisen und Konflikte reagieren zu können, flossen Rüstungsgelder und vor allen Dingen Schöpfungsgeist in ihre Entwicklung. Die Vorzüge der schweren Kräfte im Einsatz gerieten unter der Focussierung auf die Luftverlegbarkeit in Vergessenheit. Die Komplexität möglicher Szenare und die in unterschiedlichen Intensitäten ablaufenden Gefechtshandlungen auf engem Raum innerhalb eines Einsatzes, der Three Block War ist hingegen unzureichend beleuchtet worden. Der größte Teil der Weltbevölkerung lebt in urbanem Umfeld. Hier sind meist die Schmelztiegel politischer und ethnischer Gruppierungen sowie neural-gische Punkte der Infrastruktur zu finden. Deshalb sind Schauplätze unzähliger bewaffneter Konflikte zunehmend in bebautem Gelände. Während dieser Einsatze in Städten und großen Ortschaften hat sich gezeigt, dass bei intensiven Gefechtshandlungen nur schwere Kräfte die Entscheidungen herbeiführen konnten. Was wie eine Binsenweisheit klingt, ist tägliche Erkenntnis aus den Berichten weltweiter Krisenherde, die in den Einsätzen oftmals mit einem hohen Blutzoll bezahlt wurden. Die israelische Armee sammelt bereits seit Jahrzehnten Erfahrungen bei militärischen Operationen in urbanem Umfeld, z.b. in Gaza. Es hat sich auch hier gezeigt, dass die Intensität der Auseinandersetzung von einer auf die andere Sekunde wechseln kann. Der MERKAVA, das Hauptwaffensystem der israelischen Panzertruppe, wurde seit 1990 gezielt auf die Gefährdungen und Risiken der Szenare eines Einsatzes in urbanem Umfeld weiterentwickelt. Auch die Bilder aus den Gefechten des zweiten Golfkrieges und die andauernden Stabilisierungsbemühungen der Alliierten in der Region zeigen, dass Schutz, Beweglichkeit und überlegene Feuerkraft unverzichtbare Komponenten bei Gefechten in Ortschaften und Städten Aus diesem Grund passt die U.S. Army ihre gepanzerten Gefechtsfahrzeuge sowie ihre Einsatzgrundsätze kontinuierlich den aktuellsten Bedrohungslagen im Einsatz an. Bei konsequenter Auswertung dieser Erfahrungswerte wird deutlich, wie unverzichtbar gepanzerte Kräfte im Kampf gegen asymmetrisch kämpfende Gegner in Bebauungen von Städten und Ortschaften Einsätze in urbanen Räumen, ohne die Unterstützung der leichten Verbände durch gepanzerte Kräfte, führten regelmäßig zu hohen Verlusten und konnten oftmals erst durch den nachträglichen Einsatz von Kampfpanzern entschieden werden. Deshalb lautete das Fazit der US-Streitkräfte: In urbanem Gelände ist der Kampfpanzer ein MUSS, der Schützenpanzer ein KANN! Nach eingehender Auswertung dieser Einsatzberichte stellt sich deshalb nicht die Frage, ob man den Kampfpanzer LEOPARD 2 in urbanen Räumen einsetzt, sondern vielmehr die Frage, wie man ihn für diese Einsätze weiter optimiert. Welche Parameter bestimmen nun die zusätzlichen Forderungen an einen Einsatz in urbanem Umfeld? Einsätze in urbanem Umfeld zeichnen sich durch die Fragmentierung des Gefechtsfeldes aus. Gegenseitige Unterstützung durch Beobachtung vom Nachbarn oder Überwachung kann in Straßenzügen nicht realisiert werden, vielmehr muss bereits auf der Ebene der Gruppe, in Ausnahmefällen sogar das Einzelfahrzeug in der Lage sein, auf sich gestellt alleine kämpfen und sich selbst schützen zu können. Die Sicht- und Kampfentfernungen für den Feuerkampf sind durch die Bebauung deutlich verringert. Weiterhin ist die eigene Truppe enger am Gegner und die Wirkung von indirektem Feuer kann, ohne die Gefährdung der eigenen Truppe und hoher Kollateralschäden, nicht in vollem Umfang zur Wirkung kommen. Dadurch bedingt ergeben sich u.a. weitere Anforderungen an die eigene Bewaffnung und die eingesetzten Wirkmittel. Ein weiterer Aspekt in den Einsätzen ist die mangelnde Ortskenntnis der Infrastruktur in den Städten, die dazu führt, dass asymmetrisch agierende Kräfte sie vorteilhaft für ihre Zwecke nutzen können. Die Bewegungsmöglichkeiten für mechanisierte Kräfte sind in urbanem Umfeld eingeschränkt. Eingestürzte Häuser oder Fahrzeuge können Straßen blockieren und so das Heranführen von Kräften und Reserven erschweren, vielleicht sogar unmöglich machen. Der Vorteil der Geschwindigkeit von mechanisierten Kräften kann in urbanem Gelände deshalb nur eingeschränkt zur Geltung kommen. Die Dislozierung in überdehnten Räumen und die Infrastruktur in Städten vermindern die Kommunikationsmöglichkeiten der eigenen Kräfte untereinander bzw. zu höheren Führungsebenen. Das führt zur Dezentralisierung der Kommandogewalt. Grundsätzlich kann die Präsenz von Zivilisten und Medien bei Einsätzen in urbanem Umfeld vorausgesetzt werden. Dies vermindert die militärischen Handlungsmöglichkeiten, Bilder stehen unmittelbar weltweit zur Verfügung und die Bedrohung durch Aufstände ist immer gegeben. Kämpfe in urbanem Umfeld erfordern für den infanteristischen Einsatz viele Kräfte und Mittel, die relativ schnell vom Gefechtsfeld absorbiert werden. Die psychologische Wirkung der räumlichen Enge, die ständige Bedrohung und die zumeist unklare Lage belasten die Truppe der mechanisierten Verbände zusätzlich beim Einsatz in urbanem Umfeld. Diesen Herausforderungen sieht sich die Panzertruppe mit dem KPz LEOPARD 2 gegenüber. Im Folgenden sollen die wichtigsten Maßnahmen aufgezeigt werden, die erforderlich sind, um den Panzer für Einsätze in urbanem Umfeld zu optimieren. Ausrüstung der Panzertruppe Zukünftig wird die Panzertruppe noch über 350 Kampfpanzer verfügen. Dem Deutschen Heer stehen zurzeit 70 minengeschützte KPz LEOPARD 2 A6 M, 155 LEO 2 A6 und 125 LEO 2 A5 zur Verfügung. Die Anpassung an die Einsätze in urbanem Umfeld ist nur für einen gewissen Anteil der Panzerflotte sinnvoll, da die Kernfähigkeit des Kampfpanzers, der Kampf gegen feindliche Panzer, erhalten bleiben muss. Konzeptionell ist die Umrüstung von 50 LEOPARD 2 gefordert, dies entspricht einem Bataillonsäquivalent und einem Anteil für die Ausbildung. Kampfpanzer LEOPARD 2 PSO Während der Informations- und Lehrübung Das Heer im Einsatz wurde am 19. und 20. Juni 2007 in Munster ein Demonstrator des Kampfpanzers LEO- PARD 2 PSO (Peace Support Operation) dem Verteidigungsausschuss des Bundes- 12 DAS SCHWARZE BARETT NR.39

Bild 2: Demonstrator LEOPARD 2 PSO der Firma KMW tages und der nationalen Presse vorgestellt. Der PSO-Panzer wurde durch die Firma Krauss-Maffei-Wegmann gebaut und erfüllt bereits viele der geforderten Funktionalitäten. Modularität der Türme Grundsätzlich ist für die Anpassung des LEOPARD 2 an UrbOp (Bezeichnung der von militärischer Seite geforderten Anpassung) die Wanne des minengeschützten LEO 2 A6 M vorgesehen. Um die exzellenten, auf Duellfähigkeit gegen feindliche Kampfpanzer optimierten Türme des A6M nicht zerstören zu müssen, wird angestrebt, 50 verfügbare LEO- PARD 2 A4-Türme zu UrbOp Modulen umzurüsten. Mit den Modulbausteinen A6-Turm für den Kampf gegen feindliche Kampfpanzer und dem Turm UrbOp für den Einsatz in urbanem Umfeld kann der Kampfpanzer den Erfordernissen des jeweiligen Einsatzes schnell angepasst werden. Die Turmmodule könnten mit Truppenmitteln im Einsatzland auf die vorbereiteten A6M Wannen aufgesetzt werden. Ein weiterer Grund für die Nutzung der A4 Türme ist die Reduzierung des Gewichts. Allein der Einsatz einer L 44 Waffenanlage (kurzes Rohr) in den A4 Türmen ermöglicht eine Gewichtseinsparung von ca. 600 kg. Das derzeitige Potenzial des KPz LEO- Bild 3: angestrebte Modullösung LEOPARD 2 UrbOp PARD 2 A6 M deckt einen Großteil der Anforderungen an Operationen hoher Intensität ab. Der bereits jetzt vorhandene hohe Schutz, die Durchsetzungsfähigkeit und die Mobilität prädestinieren den LE- OPARD 2 geradezu für eine Anpassung an die Einsätze in urbanem Umfeld, da der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen gering ist. Als Grundlage für die Überlegungen dienen die Fähigkeitskategorien Überlebensfähigkeit und Schutz, Wirksamkeit im Einsatz, Führungsfähigkeit, Mobilität sowie Unterstützung und Durchhaltefähigkeit. Zwischen den Fähigkeitskategorien gibt es Überlappungen, sodass Maßnahmen nicht immer nur einer Kategorie zugeordnet werden können. Überlebensfähigkeit und Schutz Den Panzerbesatzungen bestmöglichen Schutz zu bieten, ist höchstes Ziel der militärischen Forderungen. Das bereits umgesetzte zukunftsweisende Minenschutzkonzept des KPz LEOPARD 2 A6M, ist der erste Schritt dieser Bemühungen. Der hohe Grundschutz des Kampfpanzers weist allerdings in den Flanken, dem Heck sowie im Dachbereich gegen Panzerabwehrhandwaffen, Improvised Explosive Devices (IED) und Richtminen einen noch nicht optimales Schutzpotential auf. Aufgrund der hohen Bedrohung durch diese Waffen in unübersichtlichen Straßenzügen und uneinsehbaren Winkeln von DAS SCHWARZE BARETT NR.39 13

BLICKRICHTUNG ZUKUNFT Bebauungen ist diese Lücke im Schutzkonzept zu schließen. Dabei gilt es passive und aktive Schutzsysteme zum Schließen der Lücken zu betrachten. Zurzeit ist allerdings nur der passive Schutz serienreif, die aktiven Schutzsysteme befinden sich im Entwicklungsstadium und könnten vor allem im Bereich des geringeren Gewichtsaufwuchses entscheidende Vorteile bringen. Weiterhin muss die Besatzung befähigt werden, unter Schutz eine wirkungsvolle Sekundärbewaffnung zum Einsatz bringen zu können, die auch in höher gelegene Stockwerke und in tote Winkel der Hauptwaffe wirken kann. Dieses könnte durch eine Ladeschützenwaffenstation, die unabhängig von der Hauptbewaffnung unter Schutz durch den Ladeschützen bedienbar ist, ermöglicht werden. Die bereits querschnittlich qualifizierten Waffenstationen für geschützte Transportfahrzeuge eignen sich als Basis und bedürfen nur einer Anpassung an das System. Die Optiken des Kampfpanzers sind noch nicht ausreichend gegen Beschuss durch Scharfschützen, Splitterwirkung oder seien es nur Farbbeutel geschützt. Eine permanente Rundumsicht ist in den Szenaren des Einsatzes in urbanem Gelände anzustreben. Dabei gilt es, die vorhandenen toten Bereiche von Optiken und Winkelspiegeln abzudecken. In diesem Bereich gibt es erste Lösungsansätze. Bei allen Überlegungen zur Verbesserung des Panzerschutzes darf die persönliche Ausrüstung der Besatzung nicht unberücksichtigt bleiben. Wenn Kommandant oder Ladeschütze sich über Luke exponieren, bietet die vorhandene Sprechhaube keinen Bild 4: Sichtfeld LEOPARD 2 in urbanem Umfeld ausreichenden Schutz. Höchste Priorität hat die Ausstattung der Besatzungen mit ballistischen Helmen und Schutzkragen, da auch die Verwendung modernster Sensorik und Kamerasysteme den Blick ins Gelände nicht ersetzen können. Modelle für ballistisch geschützte Helme und Schutzkragen sind bereits vorhanden und werden zurzeit auf Tauglichkeit überprüft. Wirksamkeit im Einsatz Die Bedrohung von allen Seiten in urbanem Umfeld erfordert, wie bereits erwähnt, eine Rundum-Sicht. Ziel muss es sein, die Besatzung durch elektronische Hilfsmittel bei ihrem Auftrag zu unterstützen und damit frühzeitigen Ermüdungserscheinungen entgegenzutreten. Um eine permanente Überwachung des Ortsbereiches zu ermöglichen, muss eine weitestgehend automatisierte Zielerkennung und -verfolgung angestrebt werden. Die Fähigkeit, Personen und Waffen im Orts- und Nächstbereich bei Tag und eingeschränkter Sicht automatisiert zu identifizieren, darf nicht als Luxus der Panzerbesatzungen angesehen werden, sondern ist vielmehr eine Lebensversicherung. Erste Schritte sind bereits mit dem Studienprojekt automatische Zielerkennung und verfolgung (AZEV) gemacht und werden querschnittlich betrachtet. Die bereits beim Schutz angesprochene Ladeschützenwaffenstation ist natürlich auch in der Fähigkeitskategorie Wirksamkeit im Einsatz zu berücksichtigen. Um die größtmögliche Flexibilität zu gewährleisten, sollen verschiedene, möglichst bereits in die Bundeswehr eingeführte Waffen und Wirkmittel (letal bis nicht-letal), eingesetzt werden können. Die Waffenstation ist so anzuordnen, dass sie die Einschränkungen des Richtbereiches der Hauptwaffe abdeckt und auch Ziele in höheren Stockwerken sowie in den unmittelbaren Flanken unter Feuer nehmen kann. Führungsfähigkeit Mit den vorgesehenen Anpassungen und den damit erweiterten Fähigkeiten können Kampfpanzer autark eingesetzt werden aber auch abgesessene Kräfte in urbanem Gelände unterstützen. Das Zusammenspiel mit den abgesessenen Kräften erfordert eine Möglichkeit der Kommunikation mit der Panzerbesatzung. Diese Kommunikationseinrichtung sollte außerhalb des Panzers für die abgesessenen Kräfte zugänglich sein oder über eine drahtlose Anbindung ermöglicht werden. Weiterhin ist vorgesehen, Sprechfunk sowie BV-Anlage mit einer Geräuschunterdrückung auszustatten. Neben einer sofort vorzusehenden weitreichenden Sprachkommunikation ist in einem weiteren Schritt die Möglichkeit zu einer stabilen, weitreichenden und breitbandigen Kommunikation zu schaffen, um beispielsweise die durch Sensoren und Kamerasysteme erlangten Aufklärungsergebnisse über-mitteln bzw. empfangen zu können. Mobilität Das System LEOPARD 2 ist trotz der langen Nutzungsdauer immer wieder an neue Erfordernisse angepasst worden. Zwei Säulen für das hohe Aufwuchspotenzial des Kampfpanzers sind das exzellente Triebwerk in Verbindung mit dem bewährten Fahrwerk. Diese Komponenten bedürfen nur geringfügiger Veränderungen. Die zusätzliche Nutzung elektrischer Komponenten bedeutet allerdings, dass zusätzliche Energie bereitgestellt werden muss. Dies kann nicht allein durch das Triebwerk geschehen. In Verbindung mit einer Klimaanlage wird über ein Zusatzaggregat, ähnlich dem griechischen Modell, nachgedacht. Engen in Ortschaften und städtischer Bebauung sind relativ rasch mit einfachen Mitteln zu sperren. Es ist daher notwendig über minengeschützte Räumkapazität zu verfügen, mit der diese Barrikaden geräumt werden können. Aus diesem Grund ist zum Erhalt der Mobilität der Panzerkräfte ein Räumschild für einen Teil der KPz LE- 14 DAS SCHWARZE BARETT NR.39

OPARD 2 UrbOp vorgesehen. Dieses Räumschild kann durch einfache Adaption an den Panzer durch den Fahrer unter Schutz bedient werden. Ob bestaunt oder belächelt, das selbstständige Räumen von Barrikaden und Hindernissen ist kein Selbstzweck, sondern kombiniert im System LEOPARD 2 UrbOp Waffenwirkung mit Mobilität. Dies wiederum garantiert den nachfolgenden Kräften das Vorgehen mit Panzerunterstützung, da zurzeit noch keine minengeschützte Räumkapazität zur Verfügung steht. Durchhaltefähigkeit Kampfeinsätze im gesamten Einsatzspektrum der Panzertruppe kennen keine Etappe. Die Versorgung der Panzerbesatzungen mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln wird sich in zukünftigen Szenaren als äußerst schwierig gestalten. Daher ist ausreichender Stau- sowie Transportraum zur Wasserversorgung vorzusehen. Ferner benötigt die Panzerbesatzung aufgrund der autarken Einsatzmöglichkeiten eine erweiterte Sanitätsausbildung und ausrüstung, vergleichbar mit KSK-Kräften, um eine ausreichende Erstversorgung von Verwundeten vornehmen zu können. Das System LEOPARD 2 ist für die gemäßigten Klimazonen der Welt ausgelegt. Ohne eine angemessene Klimatisierung des Kampfraumes werden Einsätze in heißen Klimazonen für die Besatzungen bei Innentemperaturen bis zu 60 Celsius unerträglich. Deshalb hat Kanada die geliehenen LEO- PARD 2A6M nachgerüstet und stattet ihre Besatzungen mit Kühlanzügen aus. Die Bundeswehr wird mit dem Projekt Energie- und Kampfraumkühlanlage eine leistungsfähige Kühlung der Besatzung realisieren. Weiterhin soll mit einer separaten Energieversorgung (EKKA) die Voraussetzung für weitere Adaptionen geschaffen werden. Derzeitige Untersuchungen von modernsten Tarnkits zeigen neben einer optimalen Signaturreduzierung ebenfalls eine vorteilhafte Isolierung gegen Wärmeeinstrahlung, sodass im Verbund der aufgezeigten Maßnahmen die hochgesteckten Ziele an die Klimatisierung in den Klimazonen A1 und A3 erfüllt werden.. Dies beschließt die technische Anpassung der KPz LEOPARD 2 UrbOp, mit der der erste Schritt in die Zukunft bereits begonnen hat. Die Spezialisten für mechanisierte Operationen in Munster sehen natürlich, dass Einsatzgrundsätze und die Ausbildung mechanisierter Kräfte auf den Einsatz in urbanem Umfeld zu überprüfen und an die neuen Herausforderungen anzupassen Zusammenfassung Bei der Umsetzung einer möglichst schnellen Realisierung muss immer auch die Einbringung neuer Techniken geprüft werden und die Erfahrungen anderer Nationen und die Auswertung der Lessons Learned zielgerichtet umgesetzt werden. Der Kampfpanzer muss mit allen seinen Vorzügen evolutionär weiter entwickelt werden. Er wird als Systemträger, als Plattform für die klassischen Stärken Schutz, Durchsetzungsfähigkeit und Mobilität stehen. Schrittweise muss er durch integrierte und vernetzte Systeme, die moderne Robotik und Sensorik nutzen, z.b. für die Aufklärung im Nahbereich und die durch abstandsaktive Schutzsysteme sowie Freund-Feind-Kennungen weiter entwickelt werden. Auf dem Weg in das Gefechtsfeld 2030 werden die Fähigkeiten des Kampfpanzers modulartig auf die Plattformen verteilt sein und der Panzertruppensoldat der Zukunft (PdZ) wird als Manager innerhalb eines Systemverbundes Kampf, bestehend aus autonomen oder halbautonomen Systemen, stehen. Die Autoren gehören dem Ausbildungszentrum Panzertruppen, Bereich Weiterentwicklung in Munster an. Oberstleutnant JürgenBeitzel war bis September 2007 Bevollmächtigter Vertreter des Generals der Panzertruppen für den Kampfpanzer LEOPARD 2 und ist seit Oktober 2007 Dezernatsleiter des Dezernates 2 (Ausbildung) im Bereich Weiterentwicklung am AusbZ Panzertruppe. Oberstleutnant Rolf Köpke war bis September 2007 Stabsoffizier für Konzeption im AusbZ Panzertruppe, Bereich Weiterentwicklung, Dezernat 1. Seit Oktober 2007 Rüstungsstabsoffizier Panzer und Bevollmächtigter Vertreter des Generals der Panzertruppen für den Kampfpanzer LEOPARD 2, Dezernat 3 (CPM). Hauptmann Mathias Scholz war bis Juni 2007 Einsatzoffizier bei der 3./ Panzerbataillon 33 und ist seit Juli 2007 Rüstungsoffizier Panzer im AusbZ Panzertruppe, Bereich Weiterentwicklung, Dezernat 3 (CPM). DAS SCHWARZE BARETT NR.39 15