Einstürzende Neubauten Statikprobleme im Säulenmodell der Alterssicherung und was sich dagegen tun lässt



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Transkript:

Frank Nullmeier Einstürzende Neubauten Statikprobleme im Säulenmodell der Alterssicherung und was sich dagegen tun lässt 1

Die Drei-Säulen-Konstruktion (frühe 2000er) 2

Die Drei-Säulen-Konstruktion (frühe 2000er) 3

Das Ideal der Symmetrie 4

Säulen und Schichten 5

Pillars and Tiers (nach Ebbinghaus 2011) Pillars Public Pillar Pillar Occupational Occupational Pillar Personal Pillar Tiers State Social Partners Employer Individual First Tier Social Assistance or Basic Pension Second Tier Earnings- Related Pension Collective Agreement Firm-Level Pension Plan Third Tier Personal Savings 6

Die Realität - Viersäulensystem Viersäulensystem Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist hinzuzurechnen Viersäulensystem mit Nebensäulen - Säulen für berufsständisch ausgerichtete Nebenräume der Alterssicherung Asymmetrisches Viersäulensystem Verhältnis der Säulen weit entfernt von Symmetrie und gleicher Stärke 7

Die Realität 8

Asymmetrisches Viersäulensystem (Ausgaben geschätzt für 2013 in Mrd nach Sozialbericht 2013) Grundsicherung Alter/EM 5 GRV 259 Betriebliche Altersvorsorge 24 Beamtenversorgung 48 Zusatzversorgung öff. Dienst 11 Private Altersvorsorge Riester- und Rürup-Renten Leistungen 0,3 (Beiträge 10,7) Zulagen 3,1 Lebensversicherungen gesamt 79 (GDV-Daten) 9

Leistungen der betrieblichen Alterssicherung 10

Gesetzliche und betriebliche Altersicherung GRV: Aktiv Versicherte (Ende 2012): 35,7 Mill. Rentner (7/2013): 20,6 Mill. Betriebliche Alterssicherung Aktive Anwartschaften (Ende 2011) 19,6 Mill. 2001: 14,6 Mill. Anstieg vor allem 2001-2005 11

Riester-Geförderte Private Altersvorsorge Stand Ende Versicherungsverträge Banksparverträge Investmentfondsverträge Wohn- Riester Gesamt 2005 4.796.900 260.000 574.000-5.630.900 2008 9.185.000 554.000 2.386.000 22.000 12.147.000 2012 10.956.000 781.000 2.989.000 953.000 15.679.000 2013 10.898.000 806.000 3.027.000 1.154.000 15.885.000 6/2014 10.853.000 813.000 3.038.000 1.265.000 15.969.000 12

Lebensversicherungen 13

Übersicht 1. Private Altersvorsorge in der Finanzmarktkrise und in Zeiten der Niedrigzinspolitik 2. Reaktionen der betrieblichen und privaten Alterssicherungsträger 3. Handlungsmöglichkeiten der GRV 14

Erster Teil: Private Altersvorsorge in der Finanzmarktkrise und in Zeiten der Niedrigzinspolitik 15

Siegeszug der (Teil-)Privatisierung World Bank 1994 Averting the Old Age Crisis: Policies to Protect the Old and Promote Growth parallel zu anderen Ansätzen einer kapitalmarktgetriebenen Wirtschaftsentwicklung incl. Privatisierung vormals öffentlicher Unternehmen und Einrichtungen bei Liberalisierung der Kapitalmärkte Internationaler Diffusionsprozess (beschrieben in Orenstein 2008 Privatizing Pensions ), insbesondere auch Osteuropa, durch Beitritt 2004ff. Einfluss auf EU. Umbruch in Deutschland 2001 (Riester-Rente) Fortsetzung auch 2009-2013: UK, Israel, CZ und staatliche Anreize zum Einstieg in betriebliche oder freiwillige Sicherungssysteme in anderen OECD-Staaten 16

Grenzen der (Teil-)Privatisierung (I) Veränderte Philosophien in World Bank und IMF Erste Rückzugsbewegungen aus der Privatisierung in Polen, Ungarn, Argentinien Notwendigkeit staatlicher Subventionierung und verbesserter Anreizschemata 17

Grenzen der (Teil-)Privatisierung (II) Riester-Rente stagniert und ist kein wirkliches Erfolgsmodell: 6/2014 knapp 16 Mill. unter Einbeziehung von knapp 20% ruhend gestellten Verträgen (Eigene Darstellung nach BMAS, Statistik zur privaten Altersvorsorge http://www.bmas.de/de/themen/ Rente/ Zusaetzliche-Altersvorsorge/statistikzusaetzliche-altersvorsorge.html) Eine flächendeckende Kompensation der Leistungsrücknahmen ist so nicht erreichbar (Bert Rürup: Alte Fehler in der Rente, FAZ 31.1.2014) 18

Aktuelle Bremsen einer Kapitaldeckungspolitik Das niedrige Zinsniveau setzt private Produkte unter Druck Senkung des Garantiezinses in der privaten Lebensversicherung Alternative Gefahrenszenarien: Depression und Deflation bei niedrigen Zinsen oder Zinserhöhung und Inflationsgefahr 19

Zweiter Teil: Reaktionen auf die Vertrauenskrise der privaten Altersvorsorge 20

Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung Übergang zu einem Zweisäulenmodell, dem Rentensystem mit dualem Kern (aba 2014) Vorbilder: DAN, NL, CH Kritik der 3. Säule: Die Politik individualisierter privater Vorsorge hat nicht die erhofften Ergebnisse gebracht. Im Gegenteil: Im Niedrigzinsumfeld haben sinkende Erträge bei hohen Kosten zu einer Vertrauenskrise der privaten Vorsorge geführt. (aba 2014) zu teuer! Gegen Finanzdienstleister als Träger der privaten Vorsorge. Diese können allein die Aufgabe nicht adäquat und kosteneffizient bewältigen. 21

Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung Zweisäulenmodell als Schichtenmodell: Rentenversicherung zur Grundsicherung und Armutsvermeidung, kollektive Alterssicherung zur Lebensstandardsicherung und individuelle private Altersvorsorge als Zusatz Politik der guten Rente neben GRV forcierter Ausbau eines kapitalgedeckten Systems bauend auf den institutionellen Sachwaltern : den Sozial-, Tarif- und Betriebsparteien (aba 214) Gegen eine obligatorische oder quasi-obligatorische BAV 22

Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung Kostengünstiger, einfacher (und vereinfachungsfähiger) und bessere staatliche Rahmenbedingungen: kollektiv organisierte bav Forderungen: Eigenständiges Aufsichtsrecht Steuerrecht: Reduktion auf ein oder zwei Durchführungswege und Flexibilisierung der Arbeitgeberzusagen durch Reform des 3 Nr. 63 EStG Keine Anrechnung der Betriebsrenten auf die Grundsicherung im Alter Keine Belastung der Betriebsrenten mit dem vollen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung 23

3.63 Erweiterte Steuerfreiheit 3 Nr. 63 EStG: bisher 4% der BBG (BBG 2014: 71.400, davon 4% = 2.856 ) und 1.800 Versorgungszusage Forderung der aba in verschiedenen Varianten, die mehr oder weniger vom Status Quo abweichen und unterschiedliche Anreizwirkungen für die Unternehmen und unterschiedliche Kosten in Form von Tax Cuts haben: 15% des Vorjahreseinkommen Lifetime Allowance 10% der BBG Wegfall der Obergrenze für Zusagen 24

Rürup/Handelsblatt Research Institute 2014 im Auftrag des GDV Automatische Entgeltumwandlung mit Opting-Out- Klausel Arbeitgeber ist freigestellt, ob er eine solche automatische Entgeltumwandlung in alle Arbeitsverträge einfügt (US) Arbeitgeber sind generell zur automatischen Entgeltumwandlung als Vertragsbestandteil verpflichtet (UK) 25

GDV Keine Impulse zur Ausweitung oder Reform der Riester- Rente Bewältigung der Folgen der Niedrigzinspolitik für die Lebensversicherungen Lebensversicherungsreformgesetz (1.8.14) erfüllt die Forderung, die hälftige Ausschüttung der Bewertungsreserven an ausscheidende Kunden nur dann vornehmen zu müssen, wenn der Sicherungsbedarf aller Versicherungsverträge gedeckt ist (neuer 56a VAG) 26

Sechs-Säulenmodell der OECD OECD 2013: Pensions at a Glance 2013 Untersuchungsansatz: Was trägt zu einem angemessenen Lebensstandard im Alter bei? Einkommen aus öffentlichen, betrieblichen und privaten Alterssicherungssystemen Wohneigentum Einkommen aus Geldvermögen Kostenfreier Zugang zu öffentlichen Gütern und Diensten Kriterium: Vermeidung von Altersarmut Ähnlich ausgerichteter Untersuchungsansatz in der Vorbereitung des nächsten Berichts der EU-Kommission zur Angemessenheit der Renten (vorliegend: Angemessenheit der Pensionen und Renten in der Europäischen Union 2010-2050 = 2012 Adequacy Report ), 27

Dritter Teil: Handlungsmöglichkeiten der Gesetzlichen Rentenversicherung 28

Institutioneller Wandel der GRV Doppelte Bewegung: Drift: Sinken der Leistungsniveaus, Transformation in eine Absicherung für viele etwas oberhalb der Grundsicherung weit entfernt von Lebensstandardsicherung und für etliche Personengruppen unterhalb der Grundsicherung mit der Folge des Verlustes an Anerkennung der GRV Conversion: Politische Versuche, die GRV in eine Einrichtung der (nicht bedürftigkeitsgeprüften) Grundsicherung zu verwandeln 29

Institutioneller Wandel der GRV Drift: schleichende Transformation einer Institution ohne einen Akteur, der diesen Prozess absichtlich vorantreibt GRV wird in ihrer Legitimität und Funktionsweise von der Grundsicherung im Alter untergraben Conversion: Aktive Versuche der Veränderung der Ausrichtung einer Institution - Restrukturierung durch Akteure, die nicht zu den traditionellen Trägern einer Institution gehören GRV wird zu einer neuen Einrichtung der Grundsicherung, einer Grundsicherung ohne (oder nur mit Teil-) Bedürftigkeitsprüfung 30

Optionen angesichts des Drifts Schaffung eines Zwischensystems zwischen GRV und Grundsicherung innerhalb oder außerhalb der GRV Automatische Grundsicherung (ohne Bedürftigkeitsprüfung) innerhalb der GRV bei langjähriger Zugehörigkeit zur Versichertengemeinschaft unter möglichst geringer Modifikation der Beitragsäquivalenz Abschmelzen der GRV zu einer Grundsicherung Plus (ohne Bedürftigkeitsprüfung) für viele Versicherte mit mittleren und höheren Entgelten bei Angewiesenheit von Personen mit geringeren Versichertenzeit und geringeren Lohneinkommen auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (mit Bedürftigkeitsprüfung) 31

Optionen angesichts der Conversion Akzeptanz - siehe Drift Widerspruch - Ein Stück des Weges zurück zu einer Art Lebensstandardsicherung Minus durch langsame Erhöhung des Rentenniveaus bei weiterer Altersgrenzenanhebung Offensive - Expansion der Rentenversicherung in Richtung 2. oder 3. Säule Öffentlich gesicherte Formen zusätzlicher Altersvorsorge mitbetreuen Ein neues Geschäftsfeld eröffnen? Internes Kombinationsmodell aus pflichtigen und nichtpflichtigen Alterssicherungsformen? 32

Eine andere Form der Expansion Entwicklung der GRV in Richtung Erwerbstätigen- oder Bürgerversicherung Diese Option ist nicht mit der Frage des Drifts und nur in geringerem Maße mit den Versuchen der Conversion verbunden! Derartige Ausbauten sind nicht geeignet, finanziell Probleme auszugleichen, wie sie durch Drift oder Conversion ausgelöst werden. 33

Expansion in Richtung Erwerbstätigen-/Bürgerversicherung? Zunächst die skeptische Frage: Erhalt einer Beschäftigtenversicherung möglich? Abgrenzung abhängig Beschäftigte Selbständige Atypische Beschäftigungsverhältnisse Einbruchstelle Opting-Out für Minijobber Erweiterung der Entgeltumwandlung: Pflicht mit Opting-Out Neue Formen der Erwerbsarbeit: Share Economy, Prosumer 34

Erhalt der Beschäftigtenversicherung oder Bröckelnder Sockel Versicherte I: Kernnorm 1SGB VI: Versicherungspflichtig sind 1. Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind; Abhängiges Beschäftigungsverhältnis zwingend ( 7 SGB IV): Abhängigkeit ist abzulesen an Weisungsrecht eines Arbeitgebers über Zeit, Dauer, Ort, Art der Tätigkeit. 35

Erhalt der Beschäftigtenversicherung oder Bröckelnder Sockel Versicherte II: Kernnorm 2 SGB VI: Versicherungspflichtig sind selbständig tätige (1-8 Enumeration einzelner Selbständigengruppen) 9. Personen, die a) im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft. 36

Bröckelnder Sockel Prosument Weder Beschäftigter noch Arbeitgeber noch Selbständiger noch Arbeitsentgelt? Kein Weisungsrecht? Schein-Selbständiger? Schwarzarbeiter? Tauschen oder Produzieren/Dienstleisten Neuer Status (z.b. Kleinproduktion für Dritte )? Abgrenzung zu Eigenproduktion oder Haushalts- /Familien-/Freundschaftshilfe? Abgrenzung zur Ehrenamtlichkeit Vorteil: Digitalisierung ermöglicht Dokumentation der Einnahmeströme 37

Erwerbstätigenversicherung Einbeziehung der Selbständigen Von der Pflichtversicherung zur Versicherungspflicht? Ausweitung über die Gruppe der Selbständigen hinaus - Opting Out als neues Grund-Modell? Vom Opting-Out zur Versicherungspflicht? 38

Folgen einer allgemeinen Versicherungspflicht Wettbewerb in einem berufsständisch gegliederten System mit langjährig aufgebauten Anwartschaften Portabilität von Anwartschaften Risikostrukturausgleich oder Finanzausgleich Weg der GKV? Einsturz der bisherigen Architektur 39

Ausblick Rückkehr in ein ruhigeres, sogar Leistungsexpansion zulassendes Fahrwasser lässt konzeptionelle Überlegungen in den Hintergrund treten. Ende der Einnahmenexpansion bei Einbruch der Konjunktur könnte recht schnell zu politischen Reaktionen zwingen. Darauf sollte man vielleicht mit einer Verbindung aus Abwehr von unsystematischen Eingriffen und Entwicklung struktureller Reformangebote reagieren können. 40