Deutsche Trümmer : Erfahrungen, Erinnerungen und Re-Konstruktionsarbeiten in Deutschland Möding, Nori; Plato, Alexander von

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Transkript:

www.ssoar.info Deutsche Trümmer : Erfahrungen, Erinnerungen und ReKonstruktionsarbeiten in Deutschland Möding, Nori; Plato, Alexander von Veröffentlichungsversion / Published Version Konferenzbeitrag / conference paper Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Möding, Nori ; Plato, Alexander von: Deutsche Trümmer : Erfahrungen, Erinnerungen und ReKonstruktionsarbeiten in Deutschland. In: Friedrichs, Jürgen (Ed.) ; Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) (Ed.): 23. Deutscher Soziologentag 1986: Sektions und AdhocGruppen. Opladen : Westdt. Verl., 1987. ISBN 3531118641, pp. 461464. URN: http://nbnresolving.de/urn:nbn:de:0168ssoar150629 Nutzungsbedingungen: Dieser Text wird unter einer DepositLizenz (Keine Weiterverbreitung keine Bearbeitung) zur Verfügung gestellt. Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, nichtkommerziellen Gebrauch bestimmt. Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. Terms of use: This document is made available under Deposit Licence (No Redistribution no modifications). We grant a nonexclusive, nontransferable, individual and limited right to using this document. This document is solely intended for your personal, noncommercial use. All of the copies of this documents must retain all copyright information and other information regarding legal protection. You are not allowed to alter this document in any way, to copy it for public or commercial purposes, to exhibit the document in public, to perform, distribute or otherwise use the document in public. By using this particular document, you accept the abovestated conditions of use.

in Siegfried Deutsche Trümmer. Erfahrungen, Erinnerungen und ReKonstruktionsarbeiten in Deutschland Nori Möding, Alexander von Plato (Hagen) Uns interessiert hier nicht so sehr die Rekonstruktion von Lebensweisen (Alltagsgeschichte) oder von Aspekten der Zeitgeschichte (Zeitzeugeninterviews) als vielmehr die Erfahrungen, die jemand in seinem Leben und seiner Zeit machte, wie er sie verarbeitete und wie die Erfahrung aller durch Kriegsende und Nachkriegszeit zur "Urorientierung" und Integration in die bundesrepublikanische Gesellschaft beitrug; wie also "große" und Erfahrungsgeschichte sich zueinander in Beziehung setzen lassen. Den Bericht über die bisherigen Ergebnisse der Projektarbeit weitgehend vernachlässigend, werde ich hier vor allem über die Verunsicherungen reden, die bei der Analyse lebensgeschichtlicher Interviews entstehen und uns dabei auf das Problem des "Übergangs" vom NS zur BRD konzentrieren. Als wir über diesen Vortrag nachdachtet fiel ins zufällig ein Text in die Hände, in dem ein deutscher Held aus einer früheren Katastrophe Untergang der Nibelungen und der Wagner'scher Fassung zitiert wurde: "Den Trümern allein trau ich was zu." Die deutsche Geschichte ist für längere Zeit durch solche Trüirrerproduktion gekennzeichnet und lange Zeit (weit vorm NS) ersehnte man Katastrophen als kathartischen Prozeß, als ein Ende und einen Neuanfang. Obwohl man also ständig Trümer produzierte, konnte man dennoch nicht mit ihnen leben. Den zerstörerischen Helden folgten die Entrümerungarbeiter/innen des Wiederaufbaus als die Helden der neuen Epoche. In den Erzählungen und Lebensgeschichten ist man für diesen Zeitraun mit einer besonders verwirrenden Mischung unvereinbarer Erfahrungen konfrontiert. Sehr übertrieben könnte man sagen, es klingt, als ob da nicht das rationale Ich, nicht als ob eine konsistente "Identität" sich in der Rekonstruktion ihrer Geschichte vorstelle, sondern als db das "Es" (Freudscher Konzeption) rede, in dem logisch unvereinbares nebeneinander steht. Diese Vermischung von unterschiedlichen, positiv und negativ empfundenen Erfahrungen zu einem festen Erfahrungsverbund, genauer gesagt, zu einem Syndrom, ist bezeichnend für die Zeit. Mit einem Erfahrungsbegriff, der subjektive 461

Erfahrungen immer als rational verarbeitete und konsistent präsentierte versteht, ist diesem Phäncmen nicht beizukamen. Angesichts dieser Schwierigkeiten ist ein "Enttypisierungschock diagnostiziert worden, da die erlernten Kategorien nicht ausreichten, um die so repräsentierten Erfahrungen zu fassen, und politischtheoretische Erwartungen enttäuscht worden seien. Der Konflikt des Theoretikers mit den Texten ist aber auch (vielleicht zun größten Teil) der Enttäuschung einer Kcinsistenzerwartung geschuldet. Wem nur unsere erlernten Kategorien nicht ausreichten, oder wir nur von der Arbeiterklasse oder "den Frauen" enttäuscht wären, wäre es nicht so schlirrm. Aber wir verstehen sie nicht "ohne weiteres". Erfahrungen sind so einfach nicht zu haben. Die Erinnerungen partizipieren an dieser Qualität der Erfahrungen oder der "Erfahrungslosigkeit", wem wir von einem errphatisehen Erfahrungsbegriff ausgehen. Erfahrungen und Erinnerungen an Erfahrungen sind nur in bestirtmter Weise und manchmal gar nicht zu formulieren. Schon im Prozeß des Erlebens setzt die Selektion ein, manches wird behalten, anderes vergessen oder verdrängt; und nicht alles "Behaltene" ist auch verarbeitet; verarbeitet in den Sime, daß es einer anderen Generation als "Lehre" mitgegeben werden körnte. In den Geschichten sind Sp uren des Vergessenen oder Verdrängten aufgehoben, es kam auch an anderer Stelle zun Ausdruck kamen, jedenfalls ist es auffindbar. Es läßt sich rekonstruieren. Uns geht es dabei nicht im die subjektive Verdrängungsleistung, das kann nur eine Psychoanalyse leisten, sondern um die kollektive Formen, dann, wie "die Gesellschaft" aus den Trümern wiederaufgebaut wird, was "in die Neue Zeit" eingebaut, was verworfen wird, über die Schwelle der Nachkriegszeit, der Entnazifizierung und ihrer Ltorientierungen werden die "Trümer" zu neuen Übereinstimmungen arrangiert und werden Bestandteil des neuen Gebäudes. Manchmal ist ihre Herkunft dam nicht mehr erkennbar. Rekonstruktion in diesem Sime bedeutet auch, nicht nur Verschüttetes zu finden, sondern analytisch die "Enttrürnerungsarteiten" rückgängig zu machen. In der Kürze können wir nur einige äußerst grobe Beispiele geben, die wir in der Diskussion vielleicht vertiefen können: Eines der wesentlichen ''Überbrückungselemente" wird die Dcminanz des Privaten gegenüber der Politik gewesen sein. "1945" wird im Gegensatz zur geschriebenen Ge schichte von den meisten Interviewten nicht als Bruch empfunden. Für sie war 462

meist die Frage wichtiger, ob persönliche Kontinuitäten gewährleistet waren. So bleiben verschiedene Vorerfahrungen aus dem NS wirksam. Die hundesdeutsche Gesellschaft konnte für die im NS vielfach empfundene Mischung von Angst und Sicherheitsgefühl offenbar nur wenige (und kaumi bekannte) kritischen Verarteiliingsangebote liefern und der NS lebte gerade auch von der Anbivalenz zwischen der Angst vorm Terror und von der Teilhabe am Terror. Dieses NichtAngebot hat Schwellen oder überbrückungsfunktion. Deshalb ist es heute z.b. möglich, die "ordnende" oder Sicherheitsseite zu verselbstständigen und zu hoffen, daß irgendein "Adolf" die Arbeitslosen, die rebellierenden Jugendlichen und andere bedrohliche Figuren wieder autoritärondnend "von der Straße" brächte. Das wäre in dieser Generation nach allen Erfahrungen politisch nicht desavouiert. Private Haltungen und Einstellungen greifen nach dem NS auch in die Beurteilung des Politischen über. "Der Jude im Keller", das "Butterbrot, das hinter einer Mülltome für Fremdarbeiter versteckt wurde", sind Entschuldungsstereotypen der Nachkriegszeit. Aber es tarnt doch mehr darin zun Ausdruck: die menschliche Haltung war ein Mcment der Selbstvergewisserung, nicht "unmenschlich" wie "das System" gewesen zu sein. Gleichzeitig hält sich damit ein Element des NS, Po litik "mit dem Herzen zu verstehen", menschliche Übereinstimnungen zu inszenieren, statt sich den Schwierigkeiten der Argunentation und Kritik auszusetzen: "Adenauer hab ich sehr geliebt,... Schuhmacher war eine ganz große Größe..., die wirklich verehrungswürdig auch ist. Das hat jetzt nichts damit zu tun, ob der SPD ist oder CDU, für mich ist der Mensch maßgebend." Eine NSErfahrung war, daß politisch Mißliebiges weder offiziell noch privat zun Thema wurde, höchstens "privatissine": "man redete nur hinter vorgehaltener Hand"; etwas passierte einfach, man wißte oder ahnte irgendetwas Politisches im Hirrtergrunde und diesem Hintergrund wollte man nicht näherkamen. Eine Art "StillhalteAbkaten" zwischen Politik und Privat: die Trennungslinie wird "normalerweise" nicht, nur in Extremfällen doch überschritten; da liegt die Entwicklung einer privaten Extrerniismustheorie nahe: wer sich exponiert, der ist identifizierbar. Dem folgt die sichernde Schlußfolgerung: "Wir waren doch alle nur Mitläufer". Damit verbanden sich Erfahrungen, die sich als Subalternitätserfahrungen entschlüsseln lassen. Ein geheinriisvolles "Es" agiert im Hintergrund. Ehemalige Soldaten sagen "dam hieß es, dam ging es dahin"; über andere auch weibliche Einsätze heißt es: "wir wurden ja nicht gefragt, wir rußten es tun und also taten 463

wir es." Gegenüber diesem übermächtigen "Es" verhalten sich viele wie abhängige Kinder. Aber aus der Subaltemitäts konnte die Bewährungserfahrung werden, "es dennoch geschafft" zu haben. Mit dieser Haltung körnte dam auch der Wiederaufbau und die Eingliederung in die neue Zeit bewältigt werden. 464