Der Einfluss bildungspolitischer Reformen auf die soziale Ungleichheit beim Sekundarschulbesuch

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Transkript:

Der Einfluss bildungspolitischer Reformen auf die soziale Ungleichheit beim Sekundarschulbesuch Tobias Roth und Manuel Siegert 9. Nutzerkonferenz "Forschen mit dem Mikrozensus" - Analysen zur Sozialstruktur und zum sozialen Wandel, 27.11.2018, Mannheim

Motivation Soziale Bildungsungleichheit Dauerthema in Soziologie, öffentlichem Diskurs und Bildungspolitik Verringerung von Bildungsungleichheit ein zentrales bildungspolitisches Ziel

Zentrale bildungspolitische Reformen letzte Jahre Verbindlichkeit Grundschulempfehlung Roth, Tobias und Manuel Siegert. 2016. "Does the selectivity of an educational system affect social inequality in educational attainment? Empirical findings for the transition from primary to secondary level in Germany." European Sociological Review 32:779-791. Roth, Tobias und Manuel Siegert. 2015. Freiheit versus Gleichheit? Der Einfluss der Verbindlichkeit der Übergangsempfehlung auf die soziale Ungleichheit in der Sekundarstufe. Zeitschrift für Soziologie 44: 118-136. G8/G9 Roth, Tobias 2018. Welchen Einfluss hat die Schulzeitverkürzung am Gymnasium (G8) auf das Ausmaß der sozialen Ungleichheit beim Besuch der gymnasialen Oberstufe? Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, (publ. online before print).

Welchen Effekt hat die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung auf die soziale Ungleichheit beim Gymnasialbesuch?

Theorie Höhere Schichten bessere Platzierung im Bildungssystem, da: Bessere Leistungen (Primäre Effekte) Ambitioniertere Bildungsentscheidungen bei gleichen schulischen Leistungen aufgrund besserer Ressourcenausstattung und Statuserhaltungsmotiv (Sekundäre Effekte) (Boudon 1974) Verbindliche Empfehlung für weiterführende Schulart, die auf Leistungen basieren sollten sekundäre Effekte verringern (+) (schwieriger Kind auf Gymnasium zu schicken, wenn Schulleistungen nicht ausreichen => eher höhere Schichten) Wenn primäre Effekte unverändert sollte soziale Ungleichheit verringern (???) (Neugebauer, 2010; Gresch et al., 2009; Contini und Scagni, 2011; Dollmann, 2011)

Reform Nordrhein-Westfalen Vor 2007 freier unverbindliche Empfehlung => freier Elternwille Nach Wechsel Landesregierung führt Schwarz-Gelb für Sommer 2007 verbindliche Grundschulempfehlung ein Rot-Grün führt für Sommer 2011 unverbindliche Empfehlung wieder ein Quasiexperimentelles Design NRW = Experimentalgruppe Bundesländer ohne Reform = Kontrollgruppe Vergleich vor und nach Reform mit Treatment- und Kontrollgruppe Vorteil gegenüber Querschnittsdesign: Kontrolle zeitkonstanter Drittvariablen Annäherung an Kausaleffekte Policy Evaluation

Difference-in-Differences Ansatz (DiD) Ausmaß soziale Bildungsungleichheit Konstante Differenz Tatsächlicher Wert Experimentalgruppe Experimentalgruppe Kontrollgruppe Kontrafaktischer Wert Experimentalgruppe Effekt Intervention Konstante Differenz T1 Intervention T2 Zentrale Annahme: Ohne Intervention Trends nicht unterschiedlich Keine Verzerrung durch zeitkonstante Drittvariablen Keine Verzerrung durch auf beide Gruppen gleich wirkende Periodeneffekte Voraussetzung: Reform + geeignete Daten => Mikrozensus wiederholte Befragung, gleiche Fragen, repräsentativ, große Fallzahlen

Daten Mikrozensus 2008-2012 Sample Zwischen 1990 und 2007 keine Info besuchte Schulart Repräsentativ, große Fallzahlen, jährliche Befragung Jugendliche 11-15 Jahre in 12 Bundesländern nicht: Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern da Übergang nach Klasse 6 Nicht Saarland, da Reform im Beobachtungszeitraum Abhängige Variable Gymnasialbesuch Ja/Nein Unabhängige Variable Höchster Bildungsabschluss der Eltern: (Fach-)Abitur Ja/Nein Sensitivitätsanalyse: Höchster Berufsstatus der Eltern

Alter, Erhebungsjahr und Jahr Übergang in Sek I Jahr meiste Schüler in Sek I wechseln 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Erhebungsjahr 11-Jährige 2008 2009 2010 2011 2012 12-Jährige 2008 2009 2010 2011 2012 13-Jährige 2008 2009 2010 2011 2012 14-Jährige 2008 2009 2010 2011 2012 15-Jährige 2008 2009 2010 2011 2012 unverbindlich verbindlich unverbind.

Bildungsungleichheit NRW vs. Kontrollgruppe (11-Jährige) Unterschied Wahrscheinlichkeit Gymnasialbesuch Eltern (Fach-Abi) vs. Eltern kein (Fach-)Abi Prozentpunkte 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Andere Bundesländer NRW unverbindlich verbindlich unverbind.

Unterschied Bildungsungleichheit NRW vs. Kontrollgruppe (11-Jährige) Unterschied Ausmaß soziale Ungleichheit Gymnasialbesuch NRW vs. andere Bundesländer Prozentpunkte 0,06 6 0,05 5 0,04 4 0,03 3 0,02 2 0,01 1 0-0,01-1 -0,02-2 -0,03-3 -0,04-4 -0,05-5 -0,06-6 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 11-Jährige unverbindlich verbindlich unverbind.

Unterschied Bildungsungleichheit NRW vs. Kontrollgruppe (11-15-Jährige) Unterschied Ausmaß soziale Ungleichheit Gymnasialbesuch NRW vs. andere Bundesländer Prozentpunkte 0,06 6 0,05 5 0,04 4 0,03 3 0,02 2 0,01 1 0-0,01-1 -0,02-2 -0,03-3 -0,04-4 -0,05-5 -0,06-6 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 11-Jährige 12-Jährige 13-Jährige 14-Jährige 15-Jährige unverbindlich verbindlich unverbind.

Ergebnisse Multivariate Analysen Lineare Wahrscheinlichkeitsmodelle (cluster robuste Standard-fehler Bundeslandebene und wild cluster bootstrap Verfahren) Reformeffekt auf soziale Ungleichheit Gymnasialbesuch: Dreifachinteraktion Sozialschicht, Treatmentgruppe, Treatmentperiode Zeitlich variierende Kontrollvariablen auf Bundeslandebene Effekt Reform auf Ausmaß soziale DiD-Schätzer N Bildungsungleichheit (Prozentpunktveränderung) 11-Jährige (verbindlich unverbindlich) 2,4* 25,980 12-Jährige (unverbindlich verbindlich) -1,9 28,370 13-Jährige (unverbindlich verbindlich) -2,1 28,212 14-Jährige (unverbindlich verbindlich) 0,3 28,381 15-Jährige (unverbindlich verbindlich) -2,2 26,977 11-15-Jährige (unverbind. verbind. unverbind.) -1,1 137,920 Durchschnittliche soziale Ungleichheit: ca. 37 Prozentpunkte

Fazit Verbindlichkeit Grundschulempfehlung keine substanziellen Effekte auf soziale Ungleichheit beim Gymnasialbesuch Höhere soziale Schichten können auch bei verbindlicher Empfehlung ihre Vorteile wahren Mögliche Gründe: Stärkere Förderung während Grundschule (primäre Effekte) Auch Empfehlungen durch soziale Herkunft beeinflusst Einfluss auf Lehrerentscheidung und Prognoseunterricht Niedrigere Schichten können nach unten abweichen Effekt Verbindlichkeit auf soziale Ungleichheit hängt ab von schichtspezifischer Verteilung Leistungen und Aspirationen (Extremfall: wenn alle Kinder höhere Schichten ausreichend Leistung für Gymnasialempfehlung, dann nur niedrigere Schichten von Verbindlichkeit betroffen)

Welchen Einfluss hat die Schulzeitverkürzung am Gymnasium (G8) auf das Ausmaß der sozialen Ungleichheit beim Besuch der gymnasialen Oberstufe?

G8-Reform: Zwischen 2001 und 2008 in Bundesländern eingeführt (Ausnahme: Rheinland Pfalz; Thüringen und Sachsen schon davor) Quasiexperimentelles Design DiD-Analysen Ziel: Ausbildungszeiten verkürzen bei stabiler Qualität Abitur Internationale Wettbewerbsfähigkeit; soziale Sicherungssysteme Schuljahre am Gymnasium bis Abitur 8 vs 9 Jahre Mindeststunden bis Abitur unverändert, Lehrpläne ähnlich Mehr Schulstunden, mehr Stoff und schwerere Inhalte aus höheren Jahrgangsstufen Eine der größten und umstrittensten Bildungsreformen seit der Wiedervereinigung Meiste westdt. Bundesländer wieder ganz oder teilweise zu G9 zurückgekehrt

Theorie: Zentraler Kritikpunkt: G8 überfordert viele Schüler Abschulungen häufiger, Aufwärtsmobilität in Gymnasium verringert Mögliche schichtspezifische Auswirkungen Gymnasialbesuch Sek. I Niedrige Schichten seltener auf Gymnasium: Entscheidung gegen noch riskanter eingeschätzen Übergang auf Gym.; Abschulungen Niedriger Schichten häufiger auf Gymnasium: Kosten geringer Empirie: kein Einfluss Ungleichheit (Homuth 2012/17; Huebener et al. 2016) Mögliche schichtspezifische Auswirkungen auf Wahrscheinlichkeit Besuch gymnasiale Oberstufe (Gymnasium vs andere Schulformen)? Niedrige Schichten: Mehr Abschulungen, weniger Aufwärtsmobilität Alternative Wege zum (Fach-)Abitur (nicht von G8 betroffen) Niedrige Schichten: weniger riskant Höhere Schichten: Leistungsschwache nutzen Umweg => Statuserhalt ohne Überforderung

Daten Mikrozensus 2008-2012 Sample 18-Jährige in 16 Bundesländern Übergang in Sek I zwischen 2000 und 2005 Abhängige Variablen Besuch Gymnasiale Oberstufe (Ja/Nein) Besuch Gymnasiale Oberstufe Gymnasium (Ja/Nein) Besuch Gymnasiale Oberstufe andere Schulform* (Ja/Nein) * Gesamtschule, Waldorfschule, berufliche Gymnasien, Wirtschaftsgymnasien, Fachoberschulen, Berufsoberschulen, technische Oberschulen und Berufsfachschulen 6% nicht mehr auf Schule => Info ob Abitur bzw. Fachhochschulreife Unabhängige Variable Höchster Bildungsabschluss der Eltern: (Fach-)Abitur Ja/Nein Sensitivitätsanalyse: Höchster Berufsstatus der Eltern

Ergebnisse Multivariate Analysen Effekt Reform auf Ausmaß soziale DiD-Schätzer N Bildungsungleichheit (Prozentpunktveränderung) Besuch gymnasiale Oberstufe: Alle Schulformen 0,2 20.931 Gymnasium -3,8 20.931 Alternative Schulform 4,0* 20.931 Anteil Schüler gymnasiale Oberstufe: Alle Schulformen 51%; nur Gymnasium 39%; nur andere Schulformen 12% Durchschnittliche soziale Ungleichheit gymnasiale Oberstufe Alle Schulformen 40 Prozentpunkte; nur Gymnasium 38 Prozentpunkte; nur andere Schulformen 2 Prozentpunkte

Fazit Hinweise, dass Schüler/-innen höhere Schichten häufiger Ausweichbewegungen auf alternative Wege (G9) zum Abi G8-Reform insgesamt kein substanziellen Effekt auf soziale Ungleichheit beim Besuch der gymnasialen Oberstufe Im Einklang mit Befunden G8 => keine eindeutigen Auswirkungen auf Leistungsniveau, Abiturientenanteil und soziale Ungleichheit in der Sekundarstufe I (Kühn et al. 2013; Huebener und Marcus 2015a; Homuth 2017) Ähnlich Befunde für Verbindlichkeit Empfehlung Soziale Ungleichheit bei Schulplatzierung recht resistent gegenüber bildungspolitischen Reformen

Gesamtfazit Empirische Evaluation (bildungs-)politischer Reformen wichtig Normativ aufgeladene Debatte versachlichen Belastbare empirische Analysen (Design und Datenbasis) Vorher-Nachher-Messung => Kausalität Mikrozensus geeignete Datenbasis Repräsentativ, große Fallzahlen, jährliche Befragung Einschränkungen: Teilweise Veränderung der Fragen über Zeit Begrenztes Set an Fragen => Mechanismen können nicht näher untersucht werden Info soziale Herkunft nur für Kinder die mit (Stief-)Eltern in HH leben Zeitpunkt Übergang auf Sekundarstufe I approximiert über Alter zum Zeitpunkt Befragung => unscharfe Zuteilung

Vielen Dank