Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft Warum mischt sich die Kirche bei TTIP ein? 1.11.2016 Kamer - Methler
Ja, die Kirche mischt sich ein! Die Synode der EKD äußerte sich im November 2014 mit einem Beschluss zu TTIP Es folgte die Synode der EKvW auch im November 2014 mit dem Beschluss Kein Freihandel um jeden Preis. Brot für die Welt und andere Landeskirchen haben sich inzwischen entsprechend öffentlich zu Wort gemeldet Die aktuellste und ausführlichste Stellungnahme in Deutschland hat der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt im Verband Kirche Wirtschaft Arbeitswelt im September 2016 erstellt (epddok 37)
Warum? Sorge: Handelsabkommen gefährdet bürgerliche Freiheitsrechte und unsere Demokratie durch Schaffung von Sondergerichten und Privilegien von Unternehmen, die eine Demokratie aushebeln können. Ziel: Gerechtere Globalisierung - Abbau von Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten beiträgt. Landesbischof Cornelius-Bundschuh : Abstand zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden wird vergrößert und die Armut in den ärmsten Ländern verschärft. Der wirtschaftliche Vorsprung der Industrienationen wird weiter ausgebaut Das gilt besonders für die, die auf der Südhalbkugel von der Landwirtschaft und ihren Produkten abhängig sind Wir befürchten: Absatzchancen für Produkte aus Ländern des Südens auf den europäischen Märkten werden sinken. Es gab keine Überprüfung, ob CETA noch TTIP zur Verringerung von Armut und Ungleichheit beiträgt
Kirchliche Stimmen stehen nicht allein Irische Senat (2.Kammer) gegen CETA Hälfte aller Bürgermeister aus Slowenien Ca. 2000 Kommunen haben sich zu TTIP/CETA freien Zonen erklärt (zb auch die Stadt Köln)
Warum Freihandel? Vor ca. 250 Jahren Theorie Smith/Ricardo: Jedes Land spezialisiert sich auf Produkte, die es am besten und billigsten herstellen kann (Wein Textilien, Arbeitsteilung) England (ab 1760) : Maschinen ersetzen menschliche Arbeitskraft Textilindustrie, moderne Stahlverhüttung, Eisenbahn Tricks der Europäer/USA: Industriespionage, Abwerbung von Technikern, hohe Zollschranken
Motto über mehr als 100 Jahre: Protektionismus, nicht Freihandel 1820-1939 : Zölle der USA liegen bei 35 50% Übergang zum Freihandel Abbau der US - Zölle erst ab 1950 aus der Position der Weltmarktführer Konkurrenz war nicht mehr zu fürchten
Japan, Taiwan, Südkorea zeigen: Wirtschaftliche Entwicklung findet statt, wenn der Staat einsteigt mit enormen Anfangsinvestitionen. 50 Jahre Technologievorsprung des Westens wurden aufgeholt Staat vergab Aufträge für Elektrizitätswerke, Hochöfen und Autofabriken Gleichzeitige Errichtung von Zollschranken zum Schutz vor westlichen Produkten = Kopie dessen, was Europäer/USA im 19.Jht machten
Wachstumseffekt? Echtes Wachstum kann nur entstehen, wenn Produktivität steigt. Aber Unternehmen in USA und EU produzieren bereits sehr kostenbewusst. Effekte können nur entstehen, wenn die Märkte vorher abgeschottet waren und nicht funktionierten (Paul Krugman) Studien: CEPR (Centre for Economic Policy Research) im Auftrag der EU Kommission) ifo Institut im Auftrag des BM für Wirtschaft und Technologie Ifo Institut im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung Die berichteten Effekte sind Langfristeffekte, die ihre volle Wirkung erst im Ablauf von 10-20 Jahren erreichen.
Wachstum?
Umweltstandards TTIP: Erklärtes Ziel ist die Vereinheitlichung Doch EU/USA gehen grundsätzlich anders mit Gesundheits und Umweltrisiken um EU: Vorsorgeprinzip USA: Beträchtliche Gefahr eines Stoffes muss nachgewiesen sein Umweltbundesamt: Es ist nicht damit zu rechnen, dass USA die anspruchsvollen EU Standards übernehmen wird
TTIP/CETA/TISA: Risiko für die Demokratie Matt Wuerker, Politico
Warum gibt es TTIP/CETA? Zölle sind jetzt schon sehr niedrig Konzentration auf nicht-tarifäre Handelshemmnisse: Produktvorschriften, die hinderlich sind (Autofirmen/Maschinenbauer benannten mehrere Tausend Vorschriften, die harmonisiert werden sollen)
Investor Schutzklauseln Bilaterale Schutzabkommen seit den 1950igern schützen vor Enteignungen nach Einschätzungen eines Umfeldes als unsicher
Das Besondere: Einführung indirekter Enteignung in Schutzklauseln In der Regelung des deutschen Rechtssystems nicht enthalten: Nichtrealisierung legitimer (Gewinn-)Erwartungen wird als indirekte Enteignung definiert Unternehmen berufen sich auf Standard gerecht und fair (fair and equitable) behandelt zu werden (CETA Art X.9.4)
Beispiel von Klagen gegen Staaten im Rahmen von Investor Staats Schiedsverfahren: Uruguay und Australien Tabakkonzern Philipp Morris verklagt wegen schärferen Gesetzen zur Gesundheitspolitik Folge Uruguay: Warnhinweise bzgl. der Gesundheitsschädigung durch Rauchen noch sichtbarer als bisher auf Zigarettenschachteln. Von Uruguay verlangt das Unternehmen eine Entschädigung von US$ 2 Mrd. Dies entspricht 2% des BIP von Uruguay. Australien Anklage über Philip Morris Tochter Hong Kong: Neutrale Verpackungen haben Effekt, der Enteignung gleichkommt. Sie zerstören den kommerziellen Wert der gewerblichen Schutzrechte
Beispiel von Klagen gegen Staaten im Rahmen von Investor Staats Schiedsverfahren: Deutschland Das schwedische Unternehmen Vattenfall verklagt Deutschland, weil aufgrund der Regierungsentscheidung zum Atomausstieg die AKWs Krümmel und Brunsbüttel stillgelegt wurden. Vattenfall klagt auf einen Schadensersatz von 3,7 Mrd. Kanada Das kanadische Unternehmen Lone Pine klagt über ihre US Tochter die kanadische Regierung wegen ihres Moratoriums zu Fracking an Lone Pine verlangt CAD 250 Mill.als Kompensation Südafrika wurde verklagt wegen der Politik der Affirmative Action Black Empowerment (Beendigung des Investitionsabkommens, wie auch u.a. Bolivien, Ecuador, Venezuela)
Kennzeichen der Investor-Staat Schiedsverfahren:: Nur Staaten können verklagt werden Nur ausländische Investoren können klagen Finanzakteure bieten sich an für Anwalts und Verfahrenskosten zum Preis von 20 50% der Entschädigungssumme
Kennzeichen der neuen Investor-Staat Schiedsverfahren: (Stand seit November 2015) Keine privaten Schiedsgericht, sondern Investitionsgerichtshof Doch Einkommen der Richter hängt ab von der Zahl der klagenden Unternehmen und der Länge der Verfahrensdauer Kerne der Kritik bleiben bestehen: Paralleljustiz und indirekte Enteignung Extrem hohe Entschädigungszahlungen sind nicht ausgeschlossen
Kommunen und TTIP TTIP/CETA würden Daseinsvorsorgeleistungen der Städte unter Liberalisierungsdruck setzen: Kommerzielle Anbieter mit Niederlassungen in USA oder Kanada könnten eine Gleichbehandlung beim Zugang zu städtischen Fördermitteln einfordern CETA enthält strikte Vorschriften für transatlantische Ausschreibung öffentlicher Aufträge. Ähnliche Regeln sind für TTIP geplant. Kommunen: mehr Flexibilität im europäischen Vergaberecht! Liefer-, Dienstleistungs und Bauaufträge müssen oberhalb der festgelegten Schwellenwerte europaweit ausgeschrieben werden so dass die Städte keine Möglichkeit haben, Aufträge an eigene, gemeinnützige oder ortsansässige Unternehmen zu vergeben
Kommunen und TTIP Schwellenwerte : Sonderziehungsrechte (vom IWF eingeführte Währung) 1 SZR entspricht 1,2547 (28.10.16). Waren und Dienstleistungen transatlantische Ausschreibung ab Wert von SZR 200 000. Dies gilt ausdrücklich auch für Krankenhäuser, Schulen, Universitäten und verschiedene soziale Dienste. Beschaffungen von Waren und Dienstleistungen netzgebundener Versorger in den Bereichen Trinkwasser, Energie und Verkehr : SZR 400 000. Bauaufträge: SZR 5 Millionen.
CETA Text: Transparenz verbessert Anhörungen sind öffentlich, Dokumente zugänglich (außer vertraulichen )und Anhörung Dritter ist möglich) Auswirkung auf öffentliche Daseinsvorsorge und öffentliche Beschaffung Großteil der öffentlichen Dienste ist betroffen (Wasserver - und entsorgung, Abfall etc) Alle Aufträge, die auch für private Unternehmen geöffnet sind, werden transatlantisch ausgeschrieben werden
CETA Text (2): Keine Hinweise auf Stärkung bäuerlicher und Verbraucherstandards Gentechnikfreie Erzeugung, ressourcenschonende landwirtschaftliche Systeme Quote für Schweinefleisch für Einfuhr steigt um das 16fache ( 5 549 t 80 549 t) Quote für Rindfleisch um das 10fache ( 4 160 t 50 000 t) Druck auf Qualität und Standards in der Schlachtindustrie (ist auch z.t. gewünscht von hiesiger Agrar und Lebensmittelindustrie)
Leseraum im Wirtschaftsministerium keine Kopien, kein Foto, keine Handys, keine eigenen Stifte, keine wörtlichen Zitate abschreiben - Nicht länger als 2 Stunden am Stück - Es wird vermerkt, was angesehen wurde - Einsicht unter Aufsicht - nur handschriftliche Notizen - Englischer Text, mehrere hundert Seiten - Zwischenergebnisse mit Anmerkungen Bundestagsabgeordnete und Mitglieder des Bundesrates (Landesminister und Ministerpräsidenten) Wer liest muss schweigen es gibt keine öffentliche Diskussion
Problem: CETA steht komplett zur Abstimmung Ausländische Investoren erhalten mit CETA innerhalb der EU Sonderklagerechte. Das ändern auch nicht die umbenannten Schiedsgerichte von ISDS (Investor State Dispute Settlement) zu ICS (Investment Court System). ICS ist transparenter, es gibt eine zweite Instanz und die Parteien dürfen sich die Schiedsrichter nicht mehr aussuchen. Doch die Unternehmen bekommen weiterhin ein eigenes Recht und eigene Richter eine Paralleljustiz. Die Gesetze des parallelen Rechtssystems bleiben vage und einseitig. Konzerne haben zum Beispiel Anspruch auf den Schutz berechtigter Erwartungen. Klageverfahren sind über kanadische Tochterfirmen möglich, falls ISDS aus TTIP herausgenommen bzw. verbessert wird
Wallonen kündigen Veto im Blick auf nationale Ratifizierung an, wenn Schiedsgerichte bleiben In Österreich und im deutschen Bundesrat gibt es derzeit keine Mehrheit für CETA Zollabbau, Vereinfachung der Zollabwicklung, Harmonisierung technischer Standards ja Eingriffe in gesellschaftliche Standards und Demokratie - gehören nicht hinein Zivilgesellschaftliches Engagement! Volksinitiative NRW.
Vielen Dank!