Fabian wie geht es ihm jetzt Viele Jahre sind inzwischen vergangen, seit wir das letzte Mal von Fabian berichtet haben um genau zu sagen: seine ganze Schulzeit 12 Jahre. Fabian wurde nach vielen Gesprächen 2006 in die Landesschule für Gehörlose und Schwerhörige in Trier eingeschult. Für ihn sind wir damals umgezogen, damit er es nicht soweit zur Schule hatte. Von unserem damaligen Wohnort aus wäre er nämlich jeweils 1,5 Std morgens und dann abends auch noch mal gefahren. Wir hatten Glück und fanden ein schönes Häuschen in der Nähe der Schule. So war dieses Problem auch schon mal gelöst. Dann gab es eine Zeit vor der Einschulung, in der wir nicht wussten, wie Fabian überhaupt in Gebärden unterrichtet werden sollte. Wir zerbrachen uns den Kopf und hofften, dass es Möglichkeiten gibt. Wir hatten auch überlegt, einen Dolmetscher dafür zu bekommen. Dann hieß es aber doch, dass eine Lehrerin kommt, die Gebärden kann. Wir waren erleichtert. 2006 wurde Fabian eingeschult. Er stand bei der Feier da und wusste nicht so recht was passiert. Fabian hatte sich dann in der Schule gut eingefunden und der Unterricht in Gebärdensprache klappte gut. Die anderen Schüler in der Klasse hatten ihn gut angenommen und lernten bereitwillig die Gebärden mit. Fabian bekam Artikulationsunterricht der ihm geholfen hatte, die Laute zu lernen und die Worte auszusprechen. Das war anfangs nicht zu seiner Freude, aber er hat es mitgemacht. Unser Sohn lernte schnell und behielt sich alles gut. Bei Diktaten und in Mathe war er super, die Rechtschreibung und Grammatik fielen ihm schwer. Die Grundschulzeit für Gehörlose beträgt 5 Jahre und in der Zwischenzeit gab es Lehrerwechsel, aber immer behielten sie die Gebärden für ihn bei. Mit seinen Klassenkameraden kam er gut klar. In der 3. Klasse ist dann ein Mädchen verstorben, was ihn zu der Zeit sehr bewegt hat. Es war ein paar Tage vor seiner Erstkommunion.
Seine Erstkommunion konnten wir in Trier feiern mit Gebärden. Hier gibt es eine Gehörlosengemeinde, in der wir uns in dieser Zeit sehr zu Hause gefühlt haben. Hier war Gottesdienst in Gebärdensprache, alle Feste und Feiern in der Kirche wurden mit Gebärden begleitet. Fabian war sogar eine Zeit lang im Gebärdenchor. Irgendwann kam dann die Frage auf, ob Fabian nicht doch nochmal das CI aktivieren wollte oder vielleicht ein Hörgerät tragen wollte. Solche Fragen bereiten uns Eltern immer wieder Herzklopfen. Die Erinnerung steigt hoch, es wird einem warm und kalt Angst. Fabian wollte das CI nicht mehr probieren, aber auf ein Hörgerät ließ er sich ein. Also fuhr ich mit ihm wieder zum Akustiker. Es wurde ein Hörgerät ausgesucht, Ohr-Passstücke angefertigt und dann kam der Tag, an dem er es das erste Mal probierte. Leider hatte es die Akustikerin für den Anfang nicht ganz leise eingestellt, es war ihm wieder zu laut. Er nahm es mit, aber probierte nicht weiter. Nach 4 Jahren Grundschulzeit gingen wir wieder zur Direktorin um anzufragen, wie es für ihn in der weiterführenden Schule ablaufen kann. Kann auch dort der Unterricht in Gebärdensprache weiter gewährleistet werden? Gar nicht so einfach. Uns wurde nahegelegt, ihn nach München in die Samuel- Heinicke-Realschule (SHR-Schule) zu schicken. Was? So weit weg? Nein, dass konnten wir uns nicht vorstellen. Unser Kind? Einfach so weggeben? Wir kämpften weiter, der Zeitpunkt für München war noch nicht da.
Nach Gesprächen und dem Engagement der Schule kam er dann in die 5. Klasse. Es kamen neue Schüler dazu, die keine Gebärden konnten und auch keine Hörschädigung hatten. Die Lehrer bemühten sich zu gebärden, was einigermaßen klappte, aber nicht ganz zufriedenstellend war. Trotz allem waren seine Noten weiterhin gut. Mit der Zeit gab es Rangeleien und Auseinandersetzungen in der Klasse. Das lag an der fehlenden Kommunikation, Fabian verstand die Anderen nicht, weil sie keinen Blickkontakt mit ihm hatten. Also unterhielt er sich immer öfter mit Erwachsenen, die Pausenaufsicht hatten. Die sozialen Kontakte, die so wichtig sind, fehlten ihm. In dieser Zeit war ein gehörloser Freund in München in der SHR-Schule zum Probeunterricht. Fabian erfuhr davon und informierte sich bei ihm genau. Dann kam er mit der Bitte zu uns, auch dort Probeunterricht machen zu können. Da spürten wir, dass der Zeitpunkt gekommen war. Also machten wir mit der Schule einen Termin für den Probeunterricht aus und fuhren mit Fabian nach München. Das war das Beste, was ihm passieren konnte. Es gefiel ihm so gut dort, dass er den Wunsch äußerte, auch dort in die Schule gehen zu dürfen. Daraufhin setzten wir alle Hebel in Bewegung, stellten Anträge, um die Übernahme der Kosten dafür zu beantragen. Wir lernten ein Mädchen aus Saarbrücken kennen, die zu diesem Zeitpunkt auch schon diese Schule besuchte. Sie bot sich an, Fabian während der Zugfahrt zu sich zu nehmen. Wir waren erleichtert. Von Trier nach München ist es weit, er musste anfangs 2x umsteigen und dann noch mit der Tram vom Hbf zum Internat fahren. Später hat sich die Zugverbindung nach München etwas geändert, er musste nur noch 1x umsteigen. Für uns war das eine Erleichterung. Fabian hatte das Zugfahren und Umsteigen schnell gelernt und er wurde dadurch früh sehr selbständig. Der Anfang war nicht einfach, denn er musste dann schon bald auch mal alleine diese Strecke fahren. Da hatten wir Eltern ganz schön Herzklopfen, aber er ist immer angekommen. Er lernte dort neue Mitschüler kennen, alle konnten gebärden. Er konnte sich mit ihnen unterhalten, es gab keine Kommunikationsprobleme. Vom Unterrichtsstoff war einiges nachzuholen. Der Unterschied zwischen den Bundesländern machte sich bemerkbar. Auch die sogenannte Studierzeit war für ihn neu. 2 Stunden, in denen er seine Hausaufgaben machen musste, Unterrichtsstoff nacharbeiten und lernen musste. Das fiel ihm schwer, da er das von Trier nicht so gewohnt war. Und dann fuhr er jedes Wochenende nach Hause. 6-7 Stunden am Freitag nach Trier und dann am Sonntag wieder nach München zurück. Im Internat wollte er nicht bleiben. Öfters kam es vor, dass der Zug Verspätung hatte und wir hatten Sorge, ob alles klappt. Ja, so war das, aber die Schule in München war das Beste, was Fabian passieren konnte. Es gab Skiwochenenden, Freizeiten, Ausflüge und sie gingen zum Oktoberfest. Er konnte seine Freunde dort besuchen und auch mal übers Wochenende bleiben. Er hat sich wohl gefühlt. Zu Beginn seiner Zeit in München war er einige Monate im Verein und hat Leichtathletik trainiert. Dann wechselte er zum GBF München um Fußball zu spielen. Das Problem waren nur immer die Spiele. Er musste dafür in München bleiben, aber das war immer schwierig, irgendwo unterzukommen, um dann mit den anderen zum Spiel zu fahren. Im letzten Jahr dann, das er in München verbrachte, wechselte er noch einmal und spielt jetzt für den GSV-Trier. Er lernt immer mehr Menschen kennen und gewinnt Freunde.
2016 reiste er in den Sommerferien mit anderen Gehörlosen für 2 Wochen nach Schweden. Ein super Erlebnis für ihn. In diesem Jahr dann, 2018, machte er seinen Realschulabschluß. Er hat gekämpft und gelernt, um guten Noten zu haben, und er war und ist immer noch stolz darauf, es geschafft zu haben. Mit Tränen verließen wir München, den Ort, der ihm 6 Jahre lang ein Zuhause war.
Nach den Ferien hat er in seiner alten Schule hier in Trier sein FSJ angefangen. Bis jetzt gefällt es ihm dort sehr gut. Für die 5 Seminarwochen, die Fabian in der Zeit machen muss, haben wir Dolmetscher beantragt und sie auch bekommen. So hat er die Chance, von all den Themen etwas zu verstehen. Fabian ist sehr zufrieden und es gefiel ihm bei der ersten Seminarwoche sehr gut. Die Person, die die Seminarwochen organisierte, sprach ihn darauf an, ob er etwas zum Thema Gehörlosigkeit und Gebärdensprache für die Hörenden erzählen kann. Das macht ihn stolz, er fühlt sich angenommen. Vor nicht allzu langer Zeit kam dann ein Gespräch mit Fabian auf, in dem er seinen Werdegang hinterfragte. Warum habe ich ein CI? Warum habe ich kein Hörgerät bekommen, um erst mal Hörerfahrungen zu sammeln? Warum sprach uns die Schule damals nicht auf Gebärdensprache an? Warum habt ihr Eltern nicht geschaut, was auf dem Eingangsschild der Schule steht: Landesschule für Gehörlose und Schwerhörige Fragen über Fragen, die oft schwer zu beantworten sind. Wir Eltern haben damals keine Unterstützung bekommen, es wurde nur nach dem Kind geschaut, dass ihm die bestmögliche Behandlung zukommt. Wir Eltern blieben auf der Strecke, konnten uns selbst um Informationen und Hilfe kümmern. Fabian ist dabei, diese Zeit seiner Kindheit aufzuarbeiten. Wenn Fabian sein FSJ fertig hat plant er, nach Essen in die Schule zu gehen, um dort sein Abitur zu machen.