Recherche nach vergleichbaren Projekten bezüglich der Wiedereinführung und Verarbeitung von alten Getreidesorten



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Transkript:

Recherche nach vergleichbaren Projekten bezüglich der Wiedereinführung und Verarbeitung von alten Getreidesorten 01. November 2011 1

INHALT 1. Agrobiodiverstität (ver)schwindet... 3 2. Fallbeispiel Weizen... 4 3. Die Arbeit der Stiftung Kaiserstühler Samengarten... 5 3.1. Ziele des PLENUM Projekts... 7 4. Beschreibung der genannten Projekte... 8 4.1. Getreidezüchtungsforschung Darzau... 8 4.1.1. Einkorn... 9 4.1.2. Lichtkornroggen...12 4.1.3. Die Marke Lichtkornroggen...13 4.1.4. Wie kommt die Züchtung auf den Teller?...14 4.2. IG Emmer & Einkorn...16 4.2.1. Erfolgsfaktoren...17 4.3. Keyserlingk-Institut...19 4.3.1. Das Regionalsortenprojekt...19 4.3.2. Erolgsfaktoren...20 4.4. Fernand Krust, Berrwiller...21 4.5. Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg (VERN) e.v...22 4.5.1. Label Frisches Brot aus alten Sorten...23 5. Weitere Projekte...24 5.1. Dickkopfweizen von der Alb...24 5.2. Berggetreide aus Graubünden...25 5.3. Dinkel vom Ebnerhof...25 6. Zusammenfassung...27 7. Ausblick...31 8. Quellenangaben...32 9. Anhang...34 2

1. Agrobiodiverstität (ver)schwindet Der dramatische Rückgang an Lebensformen, so beschreibt es der mit globalen Umweltveränderungen befasste Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung, könnte die letzte große Krise, bei der vor 65 Millionen Jahren unter anderem die Saurier ausstarben, an Wucht sogar noch übertreffen. Die Weltbevölkerung ernährt sich heute zum größten Teil von nur zehn Kulturpflanzenarten. Die übrigen Arten und das sind immerhin 99,6% aller essbaren Kulturpflanzen! werden dagegen nur geringfügig genutzt. Besonders gravierend ist diese Einschränkung der Kulturpflanzennutzung in den Industrieländern. In Deutschland werden kaum noch traditionelle Sorten angebaut, abwechslungsreiche Fruchtfolgen verschwinden und weichen einheitlichen Bewirtschaftungsformen. Beim Getreidebau haben sich im Zuge der Technisierung der Züchtung Hochleistungssorten durchgesetzt, die neben der Ertragshöhe und Resistenzen vorrangig an ihren Gebrauchs- und Verarbeitungseigenschaften wie Backfähigkeit und Klebergehalt gemessen werden. Bevorzugt werden helle Korn- und Mehlfarbe. Die Anbaubedingungen sind durch hohe Mineraldüngergaben und intensiven Pflanzenschutz gekennzeichnet. Die Pflanzen entwickeln kein tiefgehendes Wurzelsystem und reagieren sowohl bei Trockenheit als auch bei Nässe relativ empfindlich. Wegen der geringen Wuchshöhe der Pflanzen unterdrücken sie aufkommende Unkräuter wenig. Durch diese Ausrichtung des konventionellen Getreidebaus haben viele ältere Zucht- und Landsorten ihre einstige Anbaubedeutung verloren. Bestimmte Produkte werden im Inland nicht mehr oder kaum noch hergestellt, darunter Verarbeitungsprodukte von Einkorn und Emmer, Hartweizenmehl 1 für echte Baguette-Brote, farbige Weichweizensorten etc. Für eine am Bedarf der Verbraucher orientierte und auch Naturschutzziele berücksichtigende Getreideproduktion werden Eigenschaften gebraucht, die bei den gegenwärtigen Handelssorten 1 Die Getreidesorte ist ein sogenannter Harter Weichweizen (englisch Hard Wheat, aber nicht Hartweizen Wheat durum ), für den beim Wachstum wärmere Temperaturen nötig sind (http://de.wikipedia.org/wiki/baguette). 3

nicht zu finden sind, beispielsweise ein sortentypischer Geschmack, Gehalt an besonderen Inhaltsstoffen oder gestaffelte Reifezeiten. 2. Fallbeispiel Weizen Rudolf Vögel von der Landesanstalt für Großschutzgebiete des Landes Brandenburg hat diesen Prozess am Beispiel des Weizens nachgezeichnet. Beim Weizen hat man sich schon relativ frühzeitig im 20. Jahrhundert auf ganz wenige Arten beschränkt, die züchterisch bearbeitet wurden, erklärt Rudolf Vögel, und diese Entwicklung hat in Sprüngen mehrfach die vorhandene Sortenvielfalt reduziert. Dieser auch stark von rechtlichen Regelungen beeinflusste Prozess ist zum Beispiel durch Sortenzulassungen forciert worden. Heute werden nur noch solche Weizensorten angebaut, die industriell verarbeitet werden können: Manche alte Sorte eignet sich nicht für eine moderne Backstraße, weil sie zum Beispiel mit den Teigwerkzeugen verklebt oder nicht das gewünschte Gärverhalten zeigt. Der Verlust von Agrobiodiversität ist also zu einem erheblichen Teil ein technisches Problem, so Vögels Fazit. Welchen Formenreichtum Weizen zu bieten hatte, zeigt diese Federstrichzeichnung aus dem Handbuch des Getreidebaus, das die Botaniker Friedrich August Körnicke und Hugo Werner 1885 herausgegeben haben. Damals wurden in Deutschland noch sieben Weizenarten mit insgesamt 58 deutlich unterscheidbaren Varietäten angebaut. Ende der 1970er Jahre waren es nur noch zwei Arten mit drei Varietäten von denen eine deutlich bevorzugt wird: 4

90% der 197 in Deutschland erfassten Weichweizensorten 2 unterscheiden sich in ihrem Erscheinungsbild so unmerklich, dass sie alle einer einzigen Varietät namens Triticum aestivum lutescens zugeordnet werden. 3. Die Arbeit der Stiftung Kaiserstühler Samengarten Langfristig überleben können die vielen, heute oft vergessenen Kulturarten aber nur dann, wenn sie wieder regelmäßig verarbeitet, gekauft, gegessen oder anderweitig genutzt werden. Ansätze dazu bieten Erhaltungsgärten wie beispielsweise der Kaiserstühler Samengarten. Das Sortenspektrum an Getreide kommt im Samengarten in Eichstetten an wechselnden Getreideparzellen zum Anbau. Die Parzellen werden gleichzeitig zur Vorvermehrung der Getreide aus der regionalen Kulturpflanzensammlung der Stiftung Kaiserstühler Garten genutzt. Somit kann ein jährlich wechselndes Spektrum an Getreidearten und -sorten regeneriert und auf seine Eignung für ein on-farm-management 3 getestet werden. Hier können die Landwirte 2 Bundesministerium für Bildung und Forschung: Impulse für eine nachhaltige Tierund Pflanzenzucht, S.28 in: So schmeckt die Zukunft Sozial-ökologische Agrar- und Ernährungsforschung, Bonn/Berlin, 2005 3 Unter der "On-farm Erhaltung wird die Erhaltung und Nutzung sonst wenig angebauter Sorten oder vom Aussterben bedrohter Arten verstanden, die von landwirtschaftlichen Betrieben wieder in Anbau genommen werden. Die on-farm Erhaltung beinhaltet somit die Erhaltung und Weiterentwicklung von pflanzengenetischen Ressourcen im Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Nutzung. Als wichtige Ziele für ein On-farm-Management in Deutschland sind zu nennen: 1. die Erhöhung der Artenvielfalt durch die Bereitstellung von Saatgut von nicht oder kaum mehr angebauten Arten, 2. die Erhöhung der Sortenvielfalt durch Anbau genetisch divergenter alter Sorten, 3. die Erhöhung der kulturellen Vielfalt und der Erhalt kulturellen Erbes, 4. die standortbezogenen genetische Weiterentwicklung von Kultursorten durch fortgesetzte evolutive Prozesse, und 5. die nachhaltige Sicherung der Ernährung und Versorgung der Konsumenten mit qualitativ hochwertigen Produkten. 5

direkt vor Ort alte und moderne Getreidesorten miteinander vergleichen. Darunter sind Arten und Sorten, die seit langer Zeit nicht weiter kultiviert wurden, aber mit den Boden- und Klimabedingungen gut zurechtkommen sowie den Unkrautwuchs wirksam unterdrücken. Diese Sorten sollen wieder genutzt werden, Anbaubedeutung erlangen und das Spektrum regionaler Besonderheiten erweitern. Hier am Kaiserstuhl sind die wichtigsten Kulturen im Anbau Reben, Gemüse, Mais und Obst. Im Unterschied zum Weinbau überwiegen im Gemüse- und Getreidebau flächendeckende Monokulturen, bei denen der gesamte Boden chemisch und mechanisch unkrautfrei gehalten wird. Allerdings entwickeln sich unter diesen intensiven Anbaubedingungen einige Beikräuter zu schwer bekämpfbaren Problemunkräutern. Beim Getreideanbau hat sich das Sortenspektrum genetisch und habituell extrem verengt. Es werden im Wesentlichen niedrig wachsende, sehr homogene Hochertragssorten (F1-Hybriden) angebaut, die nur unter intensiven Anbaubedingungen die ausgewiesenen Leistungen erbringen. Zusätzlich wird mit Halmstabilisatoren zur Verbesserung der Standfestigkeit bei Starkregen und Hagel gearbeitet. Vor allem bei den modernen Weizensorten führt die Kurzstrohigkeit in Kombination mit der einseitigen Ausrichtung auf ein hohes Ertragspotential zu einem negativen Einfluss auf die Qualität. Das Sortenspektrum aus der Sortensammlung der Stiftung wird nun im Rahmen eines PLENUM Projekts zur Förderung der Getreidevielfalt durch extensiven Anbau mit Ackerbegleitflora und Entwicklung neuer Produkte aus alten Sorten durch Sorten aus insgesamt 5 Saatgutinitiativen erweitert. Dabei handelt es sich um regional angepasste Sorten, die in der jeweiligen Region mittlerweile wieder eine gewisse Marktrelevanz erlangt haben. Abbildung 2 gibt einen Überblick über die Projektpartner und die zur Verfügung gestellten Sorten. 6

Projekte Einkorn Emmer Roggen Weizen Fernand Krust, Berrwiller Hardy Getreidezüchtungsforschung Darzau - Dr. Karl-Josef Müller, Wendland IG Emmer und Einkorn - Markus Jenny, Präsident Svenskaja nicht verbürgte Schweizersorte Weißer (Sorte Brunner) Schwarzer (Sorte Brunner) Sorte Züblin Lichtkornroggen Keyserlingk-Institut Dr. Berthold Heyden, Bodensee Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg (VERN) e.v Thomas Ebel, 1. Vorsitzender Rolipa Norddeutscher Champagnerroggen Karneol Ritter Alauda Ostpreußischer Dickkopfweizen Gesamt 5 2 3 3 5 Abbildung 1: Übersicht Projektpartner und Ihre Sorten 3.1. Ziele des PLENUM Projekts Mit dem PLENUM Projekt werden drei Ziele verfolgt: Zum einen geht es um die Erweiterung des derzeitigen Arten- und Sortenspektrums der Getreide für den Anbau mit den entsprechenden Nutzungsoptionen. Zum zweiten werden Naturschutzaspekte der gegenwärtig kaum angebauten Getreide herausgearbeitet, die beispielsweise in einer Förderung der Ackerbegleitflora zur Bereicherung der Lebensräume und als Nahrungsquelle für die Tierwelt in der Agrarlandschaft liegen. Und drittens sollen neue Produkte aus dem Getreide verschiedener alter, neu eingeführter Getreidesorten entstehen. Dabei werden beispielsweise synergetische Effekte mit der Regionalmarke Kaiserlich genießen und der Produktlinie Vulkanbrot angestrebt. Die bestehende Kaiserlich genießen Bäckereiproduktlinie ist in stetiger Entwicklung, seit Ende Juni dieses Jahres arbeiten drei Bäckereien an ihrer Erweiterung (siehe laufende PLENUM Projekte) 7

4. Beschreibung der genannten Projekte Im Folgenden werden die oben genannten Projekte vorgestellt. Dabei wird soweit vorhanden - jeweils kurz auf die Entstehungsgeschichte und die Rahmenbedingungen der einzelnen Initiativen, auf einige Eigenschaften der bezogenen Sorten, sowie auf die Erfolgsfaktoren in deren Vermarktung eingegangen. 4.1. Getreidezüchtungsforschung Darzau Im nördlichen Wendland arbeiten Dr. Karl-Josef Müller und sein Team der Getreidezüchtunsforschung Darzau seit 1989 in der biologischdynamischen Züchtungsforschung an verschiedenen Getreidearten. Hinsichtlich des Versuchsanbaus kooperiert Darzau mit biologischdynamisch und ökologisch wirtschaftenden Betrieben der Region. Den Schwerpunkt bildet die Entwicklung von Zuchtzielen für Öko- Getreidesorten. Dazu zählen insbesondere erweiterte Qualitätskriterien, Beikrautregulierung durch Sorteneigenschaften, Nachbaufähigkeit der Sorten durch gesundes Saatgut sowie die Schaffung von Alternativen zur Grünen Gentechnik. Regional angepasste Sorten Die standortorientierte Züchtung ist wesentlicher Bestandteil der Arbeit von Dr. Müller, wie auch die Winterweizenzüchtung widerspiegelt. Gerade sandigere Standorte, wie sie in Niedersachsen, Mecklenburg- Vorpommern und Brandenburg häufig vorkommen, sind eine große Herausforderung für die Erzeugung von Weizen mit guten Backeigenschaften. Daher verfolgt die Getreidezüchtungsforschung Darzau mit Frohwüchsigkeit, geringem Nährstoffbedarf und guter Standfestigkeit der Sorten besondere Züchtungsziele in Kombination mit Backqualität. Die Widerstandsfähigkeit der Sorten insbesondere gegen saatgutübertragbare Krankheiten spielt in allen Projekten von Dr. Müller eine große Rolle, weshalb dazu auch sehr viel Grundlagenforschung durchgeführt wird. In der Züchtungsarbeit werden die Anforderungen an die Pflanzen unter Praxisbedingungen überprüft. Im Vordergrund stehen dabei Roggen, Einkorn, Weizen, Gerste und Hafer. 8

Im Rahmen des PLENUM Projekts kommen schließlich der Lichtkornroggen und Einkorn der Sorte Svenskaja zum Einsatz. Bezüglich Einkorn wird ein Auszug aus dem Abschlussbericht zum Forschungsprojekt Einkorn mit optimierten Qualitätsmerkmalen für Back- und Teigwaren aus ökologischem Anbau von Karl-Josef Müller wiedergegeben, der einen Einblick in die umfangreiche Arbeit der Sortenselektion als Backgetreide geben soll. Schließlich werden der Lichtkornroggen und seine Markenwerdung besprochen und abschließend die Fragegestellung behandelt, wie die Züchtung auf den Teller kommt. 4.1.1. Einkorn Einkorn (Triticum monococcum L.) ist ein dem Weizen verwandtes Urgetreide. Sein Anbau war nahezu erloschen bis vor einigen Jahren ein zunehmendes Verbraucherinteresse an Getreidearten festzustellen war, die noch nicht den konventionellen Formen der Landbewirtschaftung züchterisch angepasst worden waren. Prinzipiell eignet sich Einkorn zur Herstellung von Teig- und Backwaren, jedoch sortenabhängig in sehr unterschiedlicher Ausprägung. Bei den bisher verfügbaren Sorten sind die Klebereigenschaften 4 sehr weich. Doch bereits BORGHI et al. (1996) fanden Muster mit außerordentlich hohen Sedimentationswerten 5, die auf einen festeren Kleber schließen lassen. Eigene Erfahrungen mit der Feuchtkleberbestimmung an Einkorn zeigten eine geringe Eignung des bei Weizen eingesetzten Glutomatic-Testverfahrens 6 für die 4 Beachtenswert sind die verhältnismäßig hohen Feuchtklebergehalte beim Einkorn. Die Konsistenz der Kleber ist bei den meisten Einkornsorten extrem weich, was auf hohe Anteile von Gliadin am Eiweiß zurückgeht (http://www.darzau.de/index.php?id=78). 5 Der Sedimentationstest ist eine indirekte Methode zur Bestimmung der Glutenmenge und der Glutenqualität. Die Quellung der Glutenteilchen in Milchsäurelösung beeinflußt die Sedimentationsgeschwindigkeit einer Mehlsuspension. Der Sedimentationswert ist das nach 5 Minuten sedimentierte Volumen an gequollenen Mehlteilchen, er wird dimensionslos angegeben. Die Sedimentationswerte liegen zwischen 8 bei kleberarmen Mehlen mit niedrigem Proteingehalt und 78 bei kleberstarken Mehlen mit sehr hohem Proteingehalt. Sowohl ein höherer Glutengehalt als auch eine bessere Glutenqualität führen zu langsamer Sedimentation und folglich zu höheren Sedimentationswerten (http://www.raiffeisen.com/pflanzen/ackermanager/weizen_html). 6 Das Glutomatic System ist konzipiert um folgende Parameter der Proteinqualität zu bestimmen: Feuchtklebergehalt 9

Differenzierung von Klebereigenschaften. Mit dem Soft-Wheat-Gluten- Index, ein Verfahren mit dem Rapid Visco Analyzer 7 (Newport Scientific), war eine ausgeprägtere Differenzierung zu erwarten. Bei sehr hohen Feuchtklebergehalten mit hohen Anteilen an Gliadinen sind die Teiglinge oft sehr weich. Dies erschwert die Verwendung in Öko-Bäckereien erheblich. Die Entwicklung von Sorten mit etwas festeren Klebern könnte hier Abhilfe schaffen. Die Eignung verschiedener Sorten für Teigwaren war noch nicht untersucht worden. Hoher Gelbpigmentgehalt Für Einkorn ausgesprochen typisch ist der sortenabhängig, mehr oder weniger hohe, natürliche Gelbpigmentgehalt (Carotine) des Mehles. Carotine fördern beim Menschen die Pigmentbildung im Auge und in der Haut und sie schützen die Formkraft der Zelle. Im Vergleich zu Hartweizen kann Einkorn mit 1-2mg ß-Carotin pro 100g Trockensubstanz die zwei- bis dreifache Menge aufweisen (D`EGIDIO et al. 1993, BORGHI et al.1996). Trockenklebergehalt Wasserbindungsvermögen Glutenstärke mittels Glutenindex Das Glutomatic System hilft dem Anwender das bestmögliche Mehl auszuwählen, d.h. die beste Mehlqualität zu bestimmen, die für unterschiedliche Produkte notwendig ist. Die meisten Brot- und Pastaprodukte benötigen einen hohen Proteingehalt mit starkem Kleber, Gebäck und Kekswaren dagegen nur einen schwachen Kleber, um hochqualitative Produkte herzustellen. Das Glutomatic System ist schnell, einfach zu bedienen und die Ergebnisse leicht zu verstehen. Der Test kann problemlos bei Getreidehändlern, Mehlmühlen, Bäckereien und Pasta-Herstellern durchgeführt werden. Durch die Festlegung des Gluten Index als Spezifikation bei der Materialannahme werden konsistentere Ergebnisse erzielt. Die Gluten Qualität beeinflusst nicht nur die Produktqualität, sondern spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Prozessführung (www.perten.com/global/.../gm/gm_method_germ_20110901.pdf). 7 Für Viskositätsmessungen im Bereich der Qualitätskontrolle sowie der Forschung und Entwicklung hat sich seit mehreren Jahren der Rapid Visco Analyser (RVA) bewährt Die Messungen werden vom Gerät mit individuellen Temperatur- und Scherprofilen vollautomatisch gemessen. In einem kleinen dünnwandigen Aluminiumbehälter werden für einen Standardversuch zwei bis drei Gramm Substanz mit 25 Milliliter Wasser zu einer Suspension verrührt. Ein spezieller Flügelrotor rührt und homogenisiert die Probe. Über die Stromaufnahme des Motors, der mit einer definierten Umdrehungszahl rotiert, wird die Viskosität bestimmt. Durch das integrierte, computergesteuerte Heiz- und Kühlsystem sind Messungen mit genau reproduzierbaren Temperaturprofilen möglich. Eine Heiz- bzw. Kühlrate von bis zu 15 C/min. erlaubt die schnelle Messung kompletter Verkleisterungskurven in dreizehn Minuten(http://www.laborpraxis.vogel.de/analytik/rheologie/viskosimeter/articles/11 3869/). 10

Tabelle: ß-Carotin-Gehalte von Einkorn im Vergleich mit Weizen (Souci et al 1994) und Emmer. Mittel aus zwei Jahren. Quelle: Die Einführung von Einkorn (Triticum monococcum) und Emmer (Triticum dicoccum) in den Ökologischen Landbau - Anbau, Ertrag, Qualität, Jantsch, Peter und Dieter Trautz, Osnabrück, 2003 Ein entsprechender Gehalt verleiht den Back- und Teigwaren ein gelbliches Aussehen, wodurch sich Einkornprodukte ohne Farbstoffzusätze und auch ohne Verwendung von Eigelb von anderen Getreideprodukten abheben. Dies erfordert aber Sorten mit hohen Gelbpigmentgehalten. Anbaueigenschaften und Verarbeitung Um auf ökologischen Anbauflächen einen zufrieden stellenden Ertrag zu realisieren, bedarf es einer frühen Aussaat vor Winter. Dies fördert die Bestockung, erfordert allerdings auch winterharte Formen. Die Entwicklung im Frühjahr bis hin zum Ährenschieben vollzog sich bei den meisten Einkornsorten mit einer anfänglichen Verzögerung. Hierdurch ergab sich eine geringere Beschattung des Bodens und somit eine geringere Konkurrenzkraft gegenüber Ackerwildkräutern. Sorten mit etwas früher einsetzendem Schossen wären dem ökologischen Anbau förderlicher. Für Böden mit hoher Nährstoffversorgung bedarf es allerdings auch sehr standfester Pflanzen. In der Getreidezüchtungsforschung Darzau waren bereits drei Sorten entwickelt worden, die an verschiedenen Orten in Deutschland angebaut wurden. Sie waren in agronomischen Eigenschaften schon weit fortgeschritten, verfügten aber noch nicht über die von den Bäckern gewünschten Kombinationen vorgenannter Eigenschaften. In Gesprächen mit Landwirten zeigte sich, dass Sorten erforderlich wären, die noch frohwüchsiger in der Frühjahrsentwicklung und standfester sein sollten. 11

Für die Verarbeitung waren deutlich festere Teige von Nöten und zur Vermittlung der Besonderheit des Einkorns sollte auch bei neuen Sorten die gelbliche Farbe der Brotkrume vom Konsumenten eindeutig bemerkt werden können. 4.1.2. Lichtkornroggen Eines der inzwischen wohl bekanntesten Beispiele für die Arbeit von Dr. Müller und seinem Team ist der Lichtkornroggen. Dabei handelt es sich um eine offenbestäubende Population, deren Pflanzen helle Körner entwickeln, die der Sorte ihren Namen gaben. Aus dem Getreide können für Roggen ungewöhnlich helle, lockere Brote von mildem Geschmack gebacken werden. Lichtkornroggen eignet sich besonders, aber nicht nur für den Anbau auf leichten bis mittleren Böden (also Böden mit höherem Sandanteil), wie sie in Roggen Roggen (Secale cereale) ist ein Getreide und gehört zu den Gräsern (bot. Poacea). Roggen ist eine einjährige Pflanze, die bis 2 m hoch wird. Seine vierkantigen Ähren werden zwischen 5 und 20 cm lang und hängen zur Blütezeit leicht über. Die Ähre ist begrannt und besteht meist aus zweiblütigen Ährchen. Roggen ist ein Fremdbefruchter. Das Roggenkorn wird bis zu 9 mm lang und schimmert bläulich grün. Reifer Roggen löst sich beim Dreschen leicht aus den Spelzen heraus. Es gibt Sommer- und Winterroggen, wobei in Mitteleuropa fast ausschließlich Winterroggen angebaut wird. Winterroggen ist ein sehr winterhartes Getreide. Der Roggen ist an kühle und trockene Klimate angepasst und ist eine anspruchslose Frucht, die auf schwächeren Standorten gute Erträge bringt. Der Großteil des Roggens wird heute als Futterroggen verwendet. Für die menschliche Ernährung dient Roggen überwiegend in Mittel- und Osteuropa als Brotgetreide. Roggenbrote trocknen im Vergleich zu anderen Broten nur langsam aus und schmecken darum länger frisch. 12

4.1.3. Die Marke Lichtkornroggen "Lichtkornroggen " ist ein beim Bundespatent- und -markenamt eingetragenes Markenzeichen (Nr. 302 17 635, eingetragen am 10. Mai 2002, zusätzlich Lichtroggen unter 305 32 705 am 11.Oktober 2005 und inzwischen als "Lichtkorn" in der EU). Markeninhaberin ist die Gesellschaft für goetheanistische Forschung e.v., vertreten durch Dr. Karl-Josef Müller, Getreidezüchtungsforschung Darzau. Der Markenschutz soll sicherstellen, dass dort wo Lichtkornroggen drauf steht, auch Lichtkornroggen drin ist. Die Bezeichnung Lichtkorn oder Lichtkornroggen darf also nur dann verwendet werden, wenn über die Lieferscheine vom letztverarbeitenden Empfänger bis zurück zur Getreidezüchtungsforschung Darzau als Erhaltungszüchter nachgewiesen werden kann, woher die Sorte ursprünglich stammt. Daher sollte bei der Weitergabe auch immer explizit Lichtkornroggen im Lieferschein gelistet werden. Bei der Sorte Lichtkornroggen handelt es sich um ein Sortengemisch 8, deren Saatgut zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen im Sinne von 3 Abs. 3 Nr. 1 lit. b) SaatG bestimmt ist (Erhaltungssorte). Lichtkornroggen befindet sich derzeit unter der BSA-Kenn-Nr. RW 1148 im Zulassungsverfahren als Erhaltungssorte. Saatgut kann aber bereits als Vorvertriebssaatgut erworben werden. Die Markenzeichenlizenz entspricht ab Kalenderjahr 2011 dem Züchteranteil im Saatgutpreis. Bei rechtmäßig erworbenem Lichtkornroggensaatgut ist das daraus erwachsende Konsumgetreide lizenzfrei. Händler oder Verarbeiter haben keine Lizenz zu entrichten, sondern müssen nur für die Echtheit sorgen, indem sie sich der Herkunft vergewissern. Sollten diesbezüglich Zweifel aufkommen, so sollte die Untersuchung einer Roggenprobe durch authorisierte Mitglieder der Gesellschaft für Bildekräfteforschung 9 in Auftrag gegeben werden. 8 Lichtkornroggen ist ursprünglich hervorgegangen aus: 1/3 Schmidt-Roggen der Linie Irion 1988/406, 1/3 Hack-Roggen des Anbaus in Wagenstatt 1988 (ein langjährig biologisch-dynamisch angebauter Roggen aus ehemals Petkuser Nomaro mit wechselvoller Geschichte), 1/3 Danko, Halo, Kustro, Carokurz und EHO-Kurz aus dem Sortenversuchsanbau in Tangsehl 1989-1992. (http://www.darzau.de/index.php?id=9) 9 Die Methode ist relativ neu. Sie wurde von Dorian Schmidt begründet. 13

Das Markenzeichen "Lichtkornroggen " darf also nur verwendet werden für Getreidepartien, die ausschließlich aus Lichtkornroggen bestehen, dessen Eigenschaften aufweisen und zumindest gemäß EU- Bio-Verordnung in ihrer jeweils geltenden Fassung produziert wurden. Die Bezeichnung "Lichtkornroggen " darf nicht mehr verwendet werden, wenn in einer Konsumgetreidepartie der Anteil der hellkörnigen Roggenkörner unter 80% liegt oder die Bildekräftekonstitution der Körner nach Verkostung nicht mehr über alle wesentlichen Grundelemente, wie Helligkeit im Kopfbereich, den Leib umfassende Wärmehülle und Spiralwirbel im Brustbereich verfügt. Ein Produkt, das Lichtkornroggen enthält, darf die Bezeichnung nur dann im Produktnamen führen, wenn der Getreideanteil zu mindestens 90% aus Lichtkornroggen besteht; die Verwendung des Markenzeichens in der Angabe der Inhaltsstoffe des Produkts ist auch bei geringeren Anteilen zulässig, wenn der prozentuale Anteil ausgewiesen wird. Die Bezeichnung "Lichtkornroggen " darf nicht benutzt werden, wenn auf Lieferschein oder Rechnung der empfangenen Sendung auf die Nutzung des Markenzeichens verzichtet wurde. Bei der Abgabe von Konsumgetreide ist dem Empfänger mit Lieferschein oder Rechnung zu versichern, dass die Markenlizenz im Saatgutpreis entrichtet wurde. 4.1.4. Wie kommt die Züchtung auf den Teller? Von dem Erfassen einer neuen Idee für die Weiterentwicklung einer Sorte, bis zum Zeitpunkt, zu dem sie erstmalig verzehrt werden kann, vergehen leicht 10 Jahre. von Karl-Josef Müller Bisher ist die Methode noch nicht nach herkömmlichen naturwissenschaftlichen Maßstäben validiert. Es ist jedoch denkbar, dass dies ähnlich wie mit der Sensorik möglich ist. Bei dieser Methode wird der Mensch zum Instrument, ähnlich wie bei der sensorischen Analyse. Es geht darum, die Wirkungen auf die eigene Lebendigkeit zu erfassen. Durch entsprechende Schulung der Aufmerksamkeit können sehr differenzierte Wirkungen von Lebensmitteln wahrgenommen werden. Im Unterschied zur sensorischen Analyse - bei der das Schmecken geschult wird - geht es bei der Bildekräfteforschung um die Schulung der Wachheit für den eigenen Leib und seine Lebendigkeit. Im Einzelnen geht es um die Schulung des Denkens, Fühlens und Wollens. Erst wenn diese uns bewusster sind, können wir sie zur Beobachtung der eigenen Lebendigkeit und der Wirkungen von Lebensmitteln auf sie gezielt einsetzen. (http://www.biodynamic-research.net/rf/meth/bikrfo) 14

Mit 4% Flächenanteil ist die Anbaufläche im ökologischen Landbau nach wie vor zu gering, um viele Sorten auf dem herkömmlichen Weg der Sortenzulassung in den Handel zu bringen und über Lizenzgebühren die übliche Zuchtarbeit zu refinanzieren. Das im Saatgutverkehrsgesetz geregelte und darauf aufbauend für den konventionellen Landbau konzipierte Sortenzulassungsverfahren ist deshalb für den ökologischen Landbau nur begrenzt sinnvoll. Zwar durchlaufen auch einige Sorten aus Darzau die Sortenzulassung beim Bundessortenamt. Die hohen Kosten des Zulassungsverfahrens sind aber für Sorten, die einer starken regionalen Begrenzung unterliegen oder einer speziellen Verwendung dienen, nicht sinnvoll. Die Refinanzierung der Zuchtarbeit die Sortenwicklung von der Kreuzung bis zur Zulassung dauert ca. 10-15 Jahre ist auf dem herkömmlichen Weg auf absehbare Zeit nicht möglich. Die Suche nach neuen Wegen ist somit auch eine politische Aufgabe, die eine Anpassung gesetzlicher Regelungen an die Gegebenheiten des ökologischen Landbaus erfordert. Der offizielle Zulassungsweg, bis eine Vermarktung auf normalen Weg möglich ist, birgt weitere Stolpersteine, die zu zusätzlichem Forschungs- und Züchtungsbedarf führen. Das in Verkehr bringen von Saatgut erfordert z.b. eine Feldanerkennung, die eine ökologische Züchtung und Saatgutvermehrung vor handfeste Probleme stellen kann. Weitere Details zu den Umständen der Nutzbarmachung alter Sorten sind nachzulesen im Projektentwicklungsbrief 2003/2004 der Getreidezüchtungsforschung Darzau (Seite 4 ff.) und in größerem Detail im Bericht In Situ On Farm Erhaltung im Sinne evolutiver Prozesse am Beispiel Lichtkornroggen von Karl-Josef Müller. Im Fazit des Berichts ist zu lesen: Aus der Intention, Roggen ursprünglichen Typs an die regionalen Bedingungen sandiger, trockenstressgefährdeter Standorte unter ökologischer Bewirtschaftung in Norddeutschland anzupassen, nutzbar zu machen und zugleich in seiner Vielfalt zu erhalten, entwickelte sich über die Jahre eine unverwechselbare Population mit einem besonderen Charakter. Die Methode der Mutterstammbaumselektion 10 unter offener Bestäubung ermöglichte es, den Grundcharakter der Sorte zu erhalten und Entwicklungen, die sich an Einzelpflanzen in der Population zeigten, sowie Anforderungen von Seiten der Landwirte und 10 Mutterstammbaumselektion bedeutet, dass sich die ausgesäten Körner über die Generationen immer eindeutig einer Mutterpflanze zuordnen lassen können. Weiterführende Informationen unter http://www.darzau.de/index.php?id=111. 15

Verarbeiter, in der Weise zu integrieren, dass sukzessive Veränderungen möglich wurden. Im Gegensatz zur konservierenden Ex-Situ-Erhaltung in Genbanken kann mit der dargestellten In-Situ- Erhaltung im Sinne evolutiver Prozesse eine Kultur an und mit der Pflanze möglich werden, die zu unvorhersehbaren Innovationen führen können. 4.2. IG Emmer & Einkorn 1995 schlossen sich auf Initiative der Schweizerischen Vogelwarte Sempach die Landwirtschaftlichen Beratungszentrale Lindau LBL (heute AGRIDEA), der WWF-Sektion Schaffhausen, die Pro Specie Rara und die Vogelwarte Sempach zu einer Projektträgerschaft zusammen. Sie verfolgten partnerschaftlich das Ziel, die uralten Getreidearten Emmer und Einkorn im schaffhausischen Klettgau wieder traditionell anzubauen und Emmer- und Einkorn-Produkte regional zu vermarkten. Gleichzeitig soll eine Ausbreitung bedrohter Tier- und Pflanzenarten auf den Anbauflächen gefördert werden. Verwirklichung einer Vision Was mit einigen Körnern und einer visionären Idee begann, entwickelte sich zu einem zukunftsträchtigen Erfolgskonzept für den Natur- und Artenschutz in der Kulturlandschaft: Eine extensive Produktion ohne Pflanzenschutzmittel, kombiniert mit ökologischen Ausgleichsflächen (Buntbrachen) und eine regionale und nationale Vermarktung exklusiver Produkte aus den beiden Urgetreiden. Der Anbau konzentriert sich auf drei Regionen (Schaffhausen, Rafzerfeld, Fricktal/Schenkenbergertal). Einerseits weil Emmer und Einkorn in diesen Gebieten früher traditionell angebaut wurden, andrerseits weil in diesen Regionen seit Jahren gezielte Massnahmen zur Förderung der Artenvielfalt umgesetzt werden (Artenförderungs-, ÖQV- Vernetzungsprojekte, Bewirtschaftungsvereinbarungen Kanton AG). Ökologische Ziele Das Projekt will über den extensiven Anbau von Emmer Lebensräume für Tiere und Pflanzen erhalten beziehungsweise neu schaffen. Im Hinblick auf die Erhaltung respektive Wiederansiedelung des Rebhuhns 16

und als eigenständiges ökologisches Ziel sollen die Ackerbegleitflora und -fauna und ihre genetische Basis erhalten und gefördert werden. Elemente des extensiven Anbaus sind: - Anlage ökologischer Ausgleichsflächen auf mindestens 5% der extensiv bearbeiteten Anbaufläche, - Verzicht auf Pestizide, - Verbesserung der Fruchtfolge, - Vernetzung wertvoller Lebensräume (Jenny et al. 2002). Starker Vorbildcharakter Eine ökonomische Fallstudie über das Projekt bestätigt eindrücklich, dass die konsequente ökologische Ausrichtung des Emmer- und Einkornanbaus ein interessantes Marktpotential hat. Partner aus Handel und Gewerbe setzen auf Produkte aus Emmer und Einkorn. Sie haben erkannt, dass eine glaubwürdige Geschichte und konsequent nachhaltig produzierte Produkte bei den Konsumenten heute viel Vertrauen genießen und sich erfolgreich vermarkten lassen. Heute ist das Emmer/Einkorn-Projekt ein weitgehend über die Wertschöpfung am Markt finanziertes Projekt. Es hat über die Landesgrenzen hinaus Beachtung gefunden und wird im Sinne der Lokalen Agenda 21 für den ländlichen Raum als beispielhaft beurteilt. 4.2.1. Erfolgsfaktoren Die oben genannte ökonomische Fallstudie über das Projekt mit dem Titel Anbau und Vermarktung alter Landsorten: Ein Fallbeispiel nennt zusammenfassend folgende Erfolgsfaktoren als die wichtigsten: - Entwicklung lokalen Wissens hinsichtlich Saatgutvermehrung, Emmeranbau und Weiterverarbeitung, - Existenz regionaler Produktions- und Weiterverarbeitungskapazitäten, - unternehmerische Initiative der Projektleiter und der Partner der kooperierenden Institutionen (inklusive der Kenntnis des sozio-ökonomischen Kontextes und der Nähe zur Region), 17

- innovative Produkte, die auf großes Interesse und breite Unterstützung stoßen; - Produktdifferenzierung und Spezialisierung als Marktstrategie. Die Politik ist gefragt Des Weiteren stellt die Studie fest, dass sich aus dem Projekt und der Identifikation von Erfolgsfaktoren verschiedene Folgerungen für die Politik ziehen lassen. So war für das Projekt das Vorhandensein von Startkapital existentiell. Die breite Herkunft des Startkapitals hat gleichzeitig eine breite institutionelle Unterstützung mit sich gebracht. Die Politik kann die Etablierung von Fonds fördern, aus denen solche Unterstützung gewährt werden kann, zum Beispiel durch Steuererleichterungen oder öffentliche Beteiligung an privatem Startkapital. Ebenso existentiell war die finanzielle Unterstützung der Landwirte. Es hat sich gezeigt, dass eine Landwirtschaft, die ökologische und kulturelle Zusatzbeziehungsweise Kuppelprodukte wie den Landschaftsschutz und den Erhalt seltener (Kultur-)Arten hervorbringt, in der Schweiz nicht ohne Kompensationen für diese Leistungen existieren kann. Professioneller Informations- und Erfahrungsaustausch nötig Dieses Projekt wird wesentlich von kleinen und mittleren lokalen Unternehmern getragen. Um weitere solcher Projekte entstehen zu lassen, bedürfen kleine und mittlere lokale Unternehmer der Ermutigung und Unterstützung. Daraus folgt, dass bestehende Plattformen zum Austausch von Erfahrung und zur Vermittlung professioneller Unterstützung (z.b. im Rahmen von RegioPlus) erhalten und ausgebaut werden sollten. Dies betrifft insbesondere den Erwerb und den Ausbau von Management- und Marketingfähigkeiten im Naturschutzbereich, wo ein großes Defizit besteht. Aus der Tatsache, dass das Projekt wesentlich von kleinen und mittleren lokalen Unternehmern getragen wird, ergibt sich für die Politik auch die Aufgabe, durch gezielte Mittelstandsförderung einer weiteren Zentralisierung der Verarbeitungsstrukturen entgegenzuwirken, gerade im Bereich der Lebensmittelindustrie. 18

Im Emmer-Projekt war es ein Forschungsprojekt, welches der auslösende Faktor war. Ein Weg zur Unterstützung solcher Projekte liegt daher auch im vermehrten Einbezug der Forschung in derartige konkrete regionale Bezüge. 4.3. Keyserlingk-Institut 1988 gründeten Dr. Bertold Heyden und Elisabeth Beringer mit Unterstützung mehrerer biologisch-dynamisch arbeitender Landwirte das J. und C. Graf Keyserlingk-Institut am Bodensee. Trägerverein des Instituts ist der Verein zur Förderung der Saatgutforschung im biologisch-dynamischen Landbau. Das Institut konzentriert seine Arbeit auf die Erhaltung und Weiterentwicklung bewährter Getreide-Hofsorten. Ein Schwerpunkt ist dabei die Entwicklung neuer Weizen- und Roggensorten für die Bodenseeregion und ähnliche Standorte. Alle bisher entstandenen Sorten wurden durch die Selektion aus langjährig biologischdynamisch gepflegten Hofsorten entwickelt. Dabei kann Dr. Heyden auf die Entwicklungsdynamik innerhalb eines Feldes setzen, wodurch im Laufe der Jahre eine neue Formenvielfalt mit Anpassung an die regionalen Anbaubedingungen zu beobachten ist. 4.3.1. Das Regionalsortenprojekt So sind eine Roggensorte und mehrere Weizensorten entstanden, die nun zusammen mit Hofsorten von Roggen und Dinkel die Grundlage für das Regionalsortenprojekt bilden. 17 Höfe bauen diese Sorten an; die Ernte wird von vier Bäckereien zu Brot verbacken. Unter dem Logo SaatGut Brot wird dieses von ca. 100 Naturkostläden in der Bodenseeregion und im weiteren süddeutschen Umkreis verkauft. 19

Wer kann sich am Regionalsortenprojekt beteiligen? Es handelt sich am Bodensee um biologisch-dynamische Höfe. Die Bauern sind Mitglieder im Verein zur Förderung der Saatgutforschung. Die Bäcker haben eine Demeter-Anerkennung. Die Zusammenarbeit in der Gemeinschaft ist durch Verträge intern geregelt (Saatgut, Verwendung der Ernte, Vermarktung der Produkte und Lizenz). 4.3.2. Erolgsfaktoren Die Vorteile dieses Projektes sind vielfältig und erreichen alle Beteiligten: Das Saatgut Basissaatgut wird vom Keyserlingk-Institut bereitgestellt und ein Jahr vorvermehrt. Einige Höfe übernehmen die weitere Saatgutvermehrung. Saatgut kann nur innerhalb der Gemeinschaft abgegeben werden. Eine Genehmigung dafür wurde vom Bundessortenamt erteilt. Die Bauern Den Landwirten stehen lokal angepasste, fruchtbare Getreidesorten zur Verfügung, deren Eigenschaften sie genau kennen. Sie sind hierfür nicht auf den Zukauf von außen angewiesen und übernehmen die Saatgutvermehrung selbst. Die Ernte Die Ernte wird von den beteiligten Bäckereien und eventuell anderen angegliederten verarbeitenden Betrieben aufgenommen. Die Bäcker Die Bäckereien bevorzugen das Getreide aus der Region. Sie können daraus qualitativ hochwertige Produkte herstellen. Langfristigere Absprachen über Preis und Qualität sind möglich. Für die Züchtung sind die unmittelbaren Rückmeldungen aus der Praxis hilfreich. Die Produkte Die Produkte werden unter einem gemeinsamen Warenzeichen in den Handel gebracht. Dies beinhaltet den regionalen Getreideanbau und 20

die regionale Verarbeitung, besonders aber die Sortenentwicklung auf biologisch-dynamischer Grundlage in der Bodenseeregion. Auch biologisch-dynamische Hofsortenpflege ist ein der Züchtung adäquates Qualitätsmerkmal. Der Handel Der Naturkosthandel unterstützt das Regionalsortenprojekt durch Angebot und sachgemäße Werbung. Der Kunde Die Kundinnen und Kunden schließlich erhalten nicht "nur" eine regionale Spezialität von hochwertiger Qualität und gutem Geschmack. Vielmehr leisten sie mit dem Erlös jedes gekauften Brotes über den "Züchter-Cent" einen kleinen finanziellen Beitrag zur weiteren Züchtungs- und Forschungsarbeit des Keyserlingk-Institutes. Folglich muss nicht länger der Bauer allein die Kosten für Saatgutkosten tragen. Lizenzen Bei der geringen Anbaufläche lässt sich die Sortenerhaltung nicht über den Saatgutpreis finanzieren, wohl aber durch einen etwas höheren Preis der Brote im Laden. Dieser wird über einen höheren Einkaufspreis des Getreides von den Bäckern vorfinanziert. 4.4. Fernand Krust, Berrwiller Dr. Bertold Heyden vom Keyserlingk-Institut hat diese Sorte empfohlen. Sie gilt als regional angepasst und verfügt über gute Backeigenschaften. Heyden und Krust attestieren ihr eine gute Standfestigkeit, laut der Eiweißanalysen braucht die Sorte bessere Böden (ab 50 Bodenpunkte aufwärts). Fernand Krust verarbeitet das Getreide in der hofeigenen Bäckerei. Der Internetauftritt der Hofbäckerei ist sehr vielversprechend. Ein Besuch vor Ort ist in Planung. 21

4.5. Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg (VERN) e.v Der Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg e.v., kurz VERN e.v., wurde 1996 gegründet. Mitglieder sind Privatpersonen, Landwirte, Gärtner und Institutionen/Vereine. Der VERN e.v. erhält ca. 2.000 alte Nutzpflanzensorten und hält sie für die Allgemeinheit einfach zugänglich. Er erhält zudem das Wissen über den Anbau, den Umgang und die Nutzung der Kulturpflanzen. Neben der Erhaltungsarbeit betreibt der VERN e.v. auch Öffentlichkeits-, Bildungs-, Beratungs- und politische Arbeit zum Erhalt alter Nutzpflanzen. Projektsorten Im Rahmen des PLENUM Projekts wird mit der Roggensorte Norddeutscher Champagnerroggen und der Weizensorte Ostpreußischer Dickkopfweizen gearbeitet. Champagnerroggen Ursprünglich aus Frankreich im frühen 19. Jahrhundert eingeführt, entwickelte sich der zum Norddeutschen umgetaufte Champagnerroggen bald zu einer der verbreitetsten Winterroggensorten Deutschlands und darüber hinaus. Einem Züchter nordwestlich Berlins, Herrn Jäger aus Könkendorf, verdankte der nach ihm benannte Jägers Norddeutscher Champagnerroggen den Anbau bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Seine Höhe bis zu 2 m wurde ihm in Kultur und Ernte immer mehr zum Nachteil. Kurzhalmroggen waren angesagt. Für einige Jahrzehnte war er im Kühllager der Gaterslebener Genbank verschwunden. Vor wenigen Jahren wurden Restbestände nach eingehender Beurteilung durch den VERN erst nach Greiffenberg und Criewen, schließlich auch auf die Betriebsflächen einiger Uckermärker Landwirte gebracht. 22

Dickkopfweizen Kuwerts Ostpreußischer Dickkopf, eine Winterweizensorte von nahezu gleichem Alter, wurde um 1900 in Versuchsberichten der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft häufig aufgeführt. Erwähnt wurden besonders die Robustheit, Kälteresistenz und Standfestigkeit dieses norddeutschen Gewächses mit besonders dicken, kompakten Ähren. 4.5.1. Label Frisches Brot aus alten Sorten Ähnlich dem Regionalsortenprojekt des Keyserlingk-Instituts lautet das Motto des VERN e.v. zur Wiedereinführung und Vermarktung alter Sorten Frisches Brot aus alten Sorten. Brandenburger Landwirte und -innen führen den Versuchs- und Feldanbau durch. Die fachliche Beratung und Betreuung erfolgt durch den VERN e.v., mit Unterstützung der Landesanstalt für Großschutzgebiete (LAGS). Finanzielle Unterstützung für Anbauflächen ausgewählter Erhaltungssorten wird im Rahmen des Kulturlandschaftsprogramms(KULAP) durch das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Raumordnung (MLUR) gewährt. Vermarktung und Qualitätskontrolle erfolgt durch die Erzeugergemeinschaft BIOKORNTAKT GmbH, Berlin. Über erste Backergebnisse mit den oben genannten Sorten ist in den Berichten On-Farm Erhaltung genetischer Ressorucen von Getreide und Ölpflanzen (S.61 ff.) und Bericht zum Bäckerworkshop - Verarbeitung seltener Getreidesorten zu Backspezialitäten nachzulesen (S. 3f., S.12 ff.). 23

5. Weitere Projekte Im Folgenden werden weitere Initiativen vorgestellt, mit denen wir uns in den kommenden Jahren besser vernetzen möchten. Dazu zählen beispielsweise das Projekt um den Dickkopfweizen von der Alb, die Gran-Alpin Genossenschaft aus Graubünden und Hans Gahleitner vom Ebnerhof aus dem Mühlviertel in Österreich. 5.1. Dickkopfweizen von der Alb "Schützen durch nützen" will das Bempflinger Bäckerhaus. Gemünzt ist dieser Slogan auf den nahezu ausgestorbenen Dickkopfweizen, der künftig wieder als Backware in die Läden kommen soll. Der Dickkopfweizen steht auf der Liste der aussterbenden Getreidesorten. Ein Bäckerhaus und ein ehemaliger Professor der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) wollen das ändern. Die Rettung des hochwertigen Brotweizens soll die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Regionalität bei der Erzeugung von Lebensmitteln unterstreichen. Vor 50 Jahren war er praktisch ausgestorben, heute ist der Dickkopfweizen von Weizen-Hochzuchtsorten fast vollständig verdrängt. Nun wurde die seltene Getreidesorte aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt. Für mich hat sich mit diesem Projekt eine ganz neue Sicht auf das Prinzip der Nachhaltigkeit eröffnet, das wir seit Jahren verfolgen, betont die Geschäftsführerin des Bäckerhaus Veit, Erdmute Veit-Murray. Denn bauen die Landwirte bestimmte Sorten nicht mehr an, sterben diese auf den Feldern aus. Und an Hochschulen oder Genbanken kann das Saatgut nur eine begrenzte Zeit keimfähig gehalten werden, so Veit-Malb. 24

5.2. Berggetreide aus Graubünden 1987 wurde die Genossenschaft Gran Alpin 11 in Tiefencastel gegründet, um den ökologischen Bergackerbau in den Bergtälern Graubündens zu fördern. Die Bevölkerung und das Gastgewerbe soll mit qualitativ hochwertigen Produkten versorgt werden. 1996 erfolgte dann die Umstellung auf den kontrolliert biologischen Anbau nach Bio-Suisse Richtlinien (Knospe). Heute produzieren an die siebzig Bio-Betriebe zwischen 300 bis 400 Tonnen Weizen, Roggen, Speisegerste, Braugerste, Dinkel, Nackthafer und Buchweizen. Die Genossenschaft übernimmt das Getreide ihrer Mitglieder, sorgt für die Weiterverarbeitung und für die Vermarktung der Gran Alpin Produkte. Gran Alpin unterstützt zusätzlich Projekte die verschiedene Getreidesorten auf ihre Eignung für das Berggebiet und speziell für den Terrassenackerbau untersucht. 2003 ist erstmals Braugerste angebaut worden - für die Herstellung eines speziellen Gran Alpin Biers. 2009 wurde erstmals Nackthafer im Münstertal angebaut. In erster Linie für die Produktion der regionalen Spezialität "Schaibiettas". Erfolgsgeschichte Cadi Roggen Seit 2010 wird die alte Landroggensorte Cadi vermehrt und angebaut, da die neueren Roggensorten sich als zu wenig winterhart im Berggebiet erwiesen haben. Daraus fertigt die Bäckerei Stgier aus Tiefencastel mit seinen 40 Mitarbeitenden das legendäre Bio-Patatti- Bergbrot 12, das in sechs eigenen Bäckereien, aber auch bei Coop verkauft wird. 5.3. Dinkel vom Ebnerhof 362 Sorten hat Hans Gahleitner mittlerweile in seiner Scheune in Erhaltungszucht - eine der größten Sammlungen Mitteleuropas. Bis seine Züchtung Ebners Rotkorn nach einem langwierigen Anerkennungsverfahren vom Österreichischen Bundesamt 1999 endlich als EU-Sorte zugelassen wurde, dauerte es zwar ganze zehn 11 http://www.granalpin.ch 12 Artikel im Anhang 25

Jahre, doch die Mühe hat sich gelohnt: Ebners Rotkorn wird heute auf 90 Prozent 13 aller biologischen Dinkelflächen in Österreich angebaut. Dinkel "Ebners-Rotkorn" Der Dinkel Ebners-Rotkorn hat gute Backeigenschaften, hohe Standfestigkeit, sehr gute Bestockungskraft, gute Schälausbeute, Winterfestigkeit, ist früh- und spätsaatverträglich, absolut striegelfest und hat sehr gute Resistenzen gegen Krankheiten. Ebners Rotkorn ist ein echter Dinkel ohne Weizengene und besitzt beste Aromaqualität. Weiters hat er einen überdurchschnittlich guten Redoxwert 14 gegenüber anderen Getreidearten. 13 Zeitschrift Bio-Nachrichten, Der Dinkel-König von Österreich, Interview mit Bio- Züchter Hans Gahleitner, S.32, April 2010 14 Der Redoxwert macht Aussagen über die Kapazität des Nahrungsmittels, Elektronen an den Körper abzugeben, d.h. über die Wirkung der gesundheitsfördernden Substanzen freie Radikale zu neutralisieren. 26

6. Zusammenfassung Ziel ist es, längerfristig im Ökolandbau eine eigenständige Züchtung von Getreidesorten zu realisieren, die nicht an den gängigen Kriterien von Massenertrag und äußerer Perfektion orientiert ist. Innere Werte wie ein hoher Gehalt an Vitaminen und Mineralien sowie ein ausgezeichneter Geschmack sind Ziele, für die sich der kostenaufwändige Aufbau eigener Züchtungslinien lohnt. Dazu muss nicht zuletzt der Endverbraucher für diese Arbeit sensibilisiert werden, oder wie es Herr Ulrich Schulze von der Landwirtschaftskammer NRW im Interview formuliert hat: Eigentlich geht s hinten los! Abbildung 3: Vereinfachte Wertschöpfungskette Brot 27

Für den Versuchsanbau im Samengarten wurde der Lichtkornroggen und Einkorn, der Sorte Svenskaja gewählt. Der Lichtkornroggen zeichnet sich durch seine helle Kornfarbe aus, was für die Verarbeitung ein Herausstellungsmerkmal sein könnte. Laut Karl-Josef Müller können aus dieser Roggensorte sehr helle, lockere Brote von mildem Geschmack gebacken werden. Einkorn der Sorte Svenskaja dagegen kann schon als funktionelles Lebensmittel (functional food) beschrieben werden, da es von Natur aus einen hohen Carotingehalt besitzt. Mit der Aufnahme von Einkorn in unseren Versuchsanbau greifen wir eine alte Tradition auf. So wurde bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts am Kaiserstuhl Einkorn angebaut. Wie kommt eine Sorte aus unserer Arbeit zum Landwirt Als einer der Erfolgsfaktoren in der Arbeit von Karl Josef Müller muss sein unermüdliches Bestreben genannt werden, die Marktzulassung für Saatgut alter, regional angepasster Sorten zu erwirken. Den Weg dahin ebnen Verträge. Den Hintergrund bildet das Saatgutverkehrsgesetz. Heute verhindert es, dass eine Sorte überhaupt zur Nutzung kommt, es sei denn, sie entspricht den Uniformitätsanforderungen des Gesetzes, hat das Potential vielerorts besser als alle anderen zu sein und zudem in großem Umfang nachgefragt zu werden. Bis zu 19.000! müssen an Gebühren allein aufgebracht werden, um eine Marktzulassung für nur eine Sorte zu erreichen. Im Gegensatz dazu steht das Anliegen, Landwirtschaft und Sorten standortbezogen auszurichten. Es kann nur überwunden werden, wenn Gemeinschaften selbst zum Eigentümer von Sorten und Saatgut werden, so dass nur noch die Konsumware im Marktgeschehen erscheint. Dann kann es vielerlei Sorten geben, die den regionalen Bedingungen entsprechen, berichtet mir Karl Josef Müller im Telefoninterview. Diesbezüglich erforscht die Getreidezüchtungsforschung in Darzau neue Vertragskonzepte und sucht die Zusammenarbeit mit Erzeugergemeinschaften. Die IG Emmer und Einkorn liefert als Initiative einen möglichen Rahmen für die weitere Entwicklung unseres Getreidevielfalt-Projektes hier am Kaiserstuhl, indem es auf eindrückliche Art und Weise vorführt, die einzelnen Interessensgruppen, wie Landwirte, 28

Verarbeiter, Verbraucher und auch die Politik, für das Projekt zu gewinnen. Es hat damit einen starken Vorbildcharakter für unser Projekt. Dabei soll die Verwendung von Emmer als Biergetreide aufgegriffen werden. Emmerbier15 ist eine spezielle obergärige Biersorte, die aus Emmer (Triticum dicoccum) gebraut wird. Es wird hergestellt aus Malz, darunter über 50 % Emmer, dazu Einkorn, Dinkel, Weizen und Gerste sowie Naturhopfen. Das Bier erhält ein bernsteinfarbenes, eher naturtrübes Aussehen und einen ausgeprägt malzaromatischen Geschmack. Geschichte Emmer wurde schon früher bis ins hohe Mittelalter angebaut und diente zusammen mit Einkorn und Dinkel als Grundnahrungsmittel, etwa wie der heutige Weizen. Auch bei vielen Ausgrabungen im Nahen Osten, in Mesopotamien und im Alten Ägypten wurden Reste von Emmer gefunden. Die Biere Ägyptens wurden schon seit mehr als 4.000 Jahren auf dieser Grundlage gebraut. Für Mesopotamien geht man sogar von einer Verwendung seit etwa 10.000 Jahren aus. Zeitgenössische Emmerbiere Das Riedenburger Brauhaus in Riedenburg und die Brauerei Hauf in Dentlein am Forst ("Dentleiner Bio Emmer") gelten als die einzigen Brauhäuser, die die Tradition der Emmerbiere fortführen. Die Brauerei Falken in Schaffhausen, Schweiz, braut ebenfalls Emmerbier mit Gerstenmalz, Schaffhauser Emmer, Hopfen und Hefe. Dieser Emmer wird im Klettgau von Landwirten der IG Emmer & Einkorn angebaut. Auch das Regionalsortenprojekt des Keyserlingk-Institutes am Bodensee nimmt Vorbildfunktion ein. Hier ist es Dr. Berthold Heyden gelungen, über eine Vermarktungsinitiative als Erhaltungszucht seine alten Hofsorten wie Rolipa (Roggen) und Karneol, Ritter und Alauda (Weizen) erfolgreich zu vertreiben. Die Produkte kommen unter einem gemeinsamen Warenzeichen auf den Markt. Um die Initiative auch finanziell zu unterstützen, wird ein sogenannter Züchtercent auf jedes verkaufte Brot erhoben und an das Keyserlingk-Institut 15 http://de.wikipedia.org/wiki/emmerbier 29