Liquid-biopsy-Analysen mithilfe zellfreier DNA (cfdna)



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Transkript:

Pathologe DOI 10.1007/s00292-015-0078-z Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Schwerpunktherausgeberin R. Knüchel-Clarke, Aachen E. Dahl 1,2,3 V. Kloten 1 1 Arbeitsgruppe Molekulare Onkologie, Institut für Pathologie, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Deutschland 2 Molekularpathologische Diagnostik, Institut für Pathologie, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Deutschland 3 RWTH zentralisierte Biomaterialbank (RWTH cbmb), Institut für Pathologie, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Deutschland Liquid-biopsy-Analysen mithilfe zellfreier DNA (cfdna) Möglichkeiten und Grenzen Hintergrund Die detaillierte histopathologische Gewebediagnostik mit anschließender molekularpathologischer Analyse der aufgearbeiteten Tumorzell-DNA ist der etablierte Goldstandard zur Bestimmung onkologischer Treibermutationen zum Zeitpunkt der Diagnose oder im Zuge eines progressiven Krankheitsverlaufs. Diese Verfahren haben sich bei der Versorgung onkologischer Patienten bestens bewährt und ermöglichen eine optimale Therapiewahl im Rahmen der personalisierten Krebsmedizin. Allerdings kann auch die Gewebebiopsie in gewissen Fällen an Grenzen stoßen, z. B. wenn das gewonnene Biomaterial von der Menge oder Qualität unzureichend ist (geschätzt in 2 3 % aller Fälle), oder auf eine Biopsie wegen erwarteter möglicher Komplikationen durch die invasive Entnahme ganz verzichtet wird. Letzteres ist bei Patienten in fortgeschrittenem, metastasiertem Zustand sehr häufig der Fall. Daher ist der Nachweis erworbener Resistenzmutationen im Verlauf gerichteter Therapien über wiederholte Gewebebiopsien kaum zu bewerkstelligen. Liquid biopsy Die blutbasierte Nukleinsäureanalytik, die in der Literatur mittlerweile fast ausschließlich fälschlich vereinfacht und überhöht als liquid biopsy bezeichnet wird, kann möglicherweise genutzt werden, um die Evolution des Tumors über die Zeit zu charakterisieren. Ein zentrales klinisches Ziel wird dabei die frühzeitige Identifizierung von Resistenzmutationen in Patienten unter Behandlung mit zielgerichteten Therapeutika sein. Darüber hinaus eignet sich die liquid biopsy möglicherweise als Ergänzung zu bestehenden bildgebenden Verfahren, um die Tumorlast minimal-invasiv zu bestimmen. Schließlich sind potenzielle Anwendungsgebiete der liquid biopsy die Früherkennung von Tumoren und der primäre Nachweis onkologischer Treibermutationen bei fehlender Primärbiopsie. Für den Pathologen heißt dies, dass sich die liquid biopsy zu einem sinnvollen ergänzenden Werkzeug zur qualitätsgesicherten molekularpathologischen Analyse des vom Patienten gewonnenen Biomaterials (Tumorgewebe und Blut) entwickeln könnte. Der Boom in der Liquid-biopsy-Analytik seit wenigen Jahren beruht v. a. auf der rasanten technologischen Entwicklung neuer Verfahren zum hochsensitiven und exakten Nachweis von Nukleinsäuren, wie der digital droplet PCR (ddpcr, PCR Polymerasekettenreaktion [17, 19]) oder dem next generation sequencing (NGS [23, 26]), da die im Blut vorhandenen Analyte dort nur in kleinsten Mengen vorkommen. So gibt es im Blut zwei wesentliche Quellen von Tumor-DNA, die sich einer molekularen Analyse erschließen. Dies sind die zirkulierenden Tumorzellen ( circulating tumor cells, CTCs) und die zellfreie DNA ( cell-free DNA, cfdna), deren aus Tumorzellen stammende Anteil korrekter auch zirkulierende Tumor-DNA (ctdna) genannt wird. Der Begriff cfdna wird jedoch oft synonym zu der eigentlich gemeinten ctdna verwendet. In diesem Beitrag werden wir uns auf die cfdna/ ctdna konzentrieren. Für das Potenzial der zirkulierenden Tumorzellen in der Krebsdiagnostik sei auf hervorragende Originalarbeiten und Übersichtsartikel z. B. der Arbeitsgruppe um Prof. Klaus Pantel verwiesen [2, 3, 32]. Aus Sicht der Pathologen ist der Begriff liquid biopsy ein Fehlbegriff, da eine reine Nukleinsäureanalyse (wie bei der cfdna gegeben) nicht mit dem Informationsgehalt einer echten Gewebebiopsie (Mustererkennung durch den Pathologen nach HE- bzw. Immunofärbung und molekularpathologische Analyse) verglichen werden kann und darf: Molekulare Analysen an cfdna sind rein analytische Verfahren und keine Biopsie. Trotzdem ist die Erwartungshaltung an die liquid biopsy mittlerweile riesig: Führende Wissenschaftler erklären quasi ein goldenes Zeitalter der blutbasierten Diagnostik für gekommen. So postuliert zum Beispiel Eric Topol, Genetik- Professor am Scripps Forschungsinstitut, dass diese neue Technologie das Stethoskop der nächsten 200 Jahre darstellen wird [18]. Dementsprechend hat der zukünftige Wettstreit um die beste blutbasierte Diagnostik bereits begonnen. Viele große kommerzielle Diagnostikentwickler positionieren sich, indem sie technologisches know how über Entwicklungsallianzen oder den Kauf innovativer kleiner Biotechfirmen im Bereich liquid biopsy akquirieren. 1

Kopienzahl mutierter ctdna Prozentsatz der Patienten mit nachweisbarer ctdna 100 150000 100000 50000 1500 1000 500 80 60 40 20 0 0 Harnblase (n=3) Harnblase (n=3) Kolon (n=14) Kolon (n=14) Magen (n=7) Magen (n=7) Ovar (n=7) Entitäten mit hoher ctdna-nachweisbarkeit Pankreas (n=34) Ovar (n=7) Melanoma (n=13) Pankreas (n=34) Entitäten mit mittlerer ctdna-nachweisbarkeit Melanoma (n=13) Leber (n=4) Brust (n=6) Medulloblastom (n=14) Leber (n=4) Prostata (n=5) Brust (n=6) Medulloblastom (n=14) Niere (n=5) Entitäten mit niedriger ctdna-nachweisbarkeit Prostata (n=5) Schilddrüse (n=4) Niere (n=5) Gliom (n=23) Schilddrüse (n=4) Gliom (n=23) Abb. 1 8 Starke Heterogenität der Nachweisbarkeit von zirkulierender zellfreier Tumor-DNA (ctdna) zwischen verschiedenen Tumorentitäten (oben) und dramatische Schwankung der nachweisbaren mutierten Fragmente innerhalb einer Tumorentität (unten). Horizontale Linien (unten) Median Wissenschaftliche Grundlagen zur zellfreien DNA (cfdna) im Blut Zirkulierende zellfreie DNA (cfdna) wurde erstmals im Jahr 1948 von Mandel u. Metais [25] im Blut gesunder Individuen beschrieben. Die cfdna rückte aber erst ca. 30 Jahre später (1977) in den Fokus der onkologischen Forschung, als erstmalig erhöhte cfdna-konzentrationen im Serum von Tumorpatienten in Abhängigkeit vom Tumorstadium nachgewiesen werden konnten [22]. In dieser Arbeit wurden in Abhängigkeit von der Tumorentität cfdna-konzentration zwischen 0 und 5000 ng/ml im Blutserum von Krebspatienten gemessen, während gesunde Individuen nur geringe cfdna-konzentrationen (25 50 ng/ml Serum) aufwiesen. Bis heute haben zahlreiche weitere Studien [1, 5, 6] diese signifikanten Konzentrationsunterschiede an cfdna bei Tumorpatienten in Abhängigkeit von Tumorentität und -stadium und gegenüber gesunden Individuen belegt. So zeigt auch eine Studie aus 2015 von Agassi et al. [1] signifikante Differenzen der cfdna-konzentration in Mammakarzinompatientinnen vor Operation (1010 ± 642 ng/ml Serum) verglichen mit dem postoperablen Zustand (398 ± 162 ng/ ml Serum) sowie Kontrollen gesunder Probandinnen (395 ng/ml ± 248 ng/ml). Eine bzgl. dem Nachweis onkologischer Treibermutationen wegweisende Arbeit war die Studie von Bettegowda et al. [6]. Diese belegte die Nachweisbarkeit von zellfreier Tumor-DNA (ctdna) in mehr als 75 % der Patienten im Zustand der metastasierten Tumorerkrankung, wobei die Nachweisbarkeit der ctdna bei bestimmten Tumorerkrankungen (z. B. Prostata- und Nierenkarzinomen) auch in diesem fortgeschrittenen Stadium erstaunlich gering (< 50 %) war (. Abb. 1). Obgleich über alle Entitäten betrachtet, Stadium-IV-Tumoren eine gute ctdna- Detektionsrate von 82 % aufwiesen, betrug die Detektionsrate bei Stadium-I-Tumoren lediglich 47 % (. Abb. 1; [6]). Wenngleich sich seit Beginn der klinischen cfdna-forschung die Technologien zum Nachweis onkologisch relevanter Aberrationen rasant entwickelt haben, bleibt die Herkunft der cfdna we- 2

Zusammenfassung Abstract nig verstanden. In gesunden Individuen stammt die cfdna nach der Ansicht einiger Autoren primär von apoptotischen Zellen, hauptsächlich hämatopoetischen Ursprungs, aber auch eine aktive Freisetzung der cfdna wird diskutiert [33]. Dagegen werden sowohl nekrotische als auch apoptotische Prozesse als mögliche Mechanismen der cfdna-freisetzung in der Blutbahn von Tumorpatienten betrachtet [20, 33]. Eine weitere Hypothese vermutet die Lysis disseminierter Tumorzellen als potenzielle Quelle der cfdna im Blut, wobei die geringe Anzahl zirkulierender Tumorzellen inadäquat scheint, um die ermittelten cfdna-konzentrationen in Serum- und Plasmaproben zu erklären [33].. Abb. 2 veranschaulicht schematisch die diskutierten Ansätze der cfdna-freisetzung und deren potenziellen Einsatz in der Liquid-biopsy-Analytik. Nachweis onkologischer Treibermutationen in der cfdna In den letzten Jahren hat eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeitsgruppen das mögliche Potenzial der cfdna für die Genotypisierung von Tumoren aufgezeigt. In einer Studie, die sich auf den Nachweis der anti-egfr-therapieresistenz im Kolonkarzinom fokussierte, wiesen die Forscher erworbene KRAS-Mutationen als Grund der klinischen Resistenz gegenüber EG- FR-Inhibitoren nach. Interessanterweise konnten diese KRAS-Mutationen in der cfdna bereits 10 Monate vor der radiologisch evidenten Tumorprogression nachgewiesen werden [27]. EGFR-Mutationen Pathologe DOI 10.1007/s00292-015-0078-z Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 E. Dahl V. Kloten Liquid-biopsy-Analysen mithilfe zellfreier DNA (cfdna). Möglichkeiten und Grenzen Zusammenfassung Molekularbiologische Analysen von Nukleinsäuren im Blut oder anderen Körperflüssigkeiten (sog. Liquid-biopsy-Analysen) könnten in den nächsten Jahren die Diagnostik des Pathologen sinnvoll ergänzen v. a. in der personalisierten Krebsmedizin. Bei den onkologischen Erkrankungen wird das Potenzial der liquid biopsy insbesondere darin gesehen, die Tumorlast nichtinvasiv zu bestimmen und entstehende Resistenzen gegen spezifische Therapien bei Patienten mit metastasierten Tumoren frühzeitig zu erkennen. Aber auch der primäre Nachweis onkologischer Treibermutationen mithilfe der Blutanalyse wird zunehmend diskutiert und ist zum Nachweis von Epidermal-Growth-Factor- Liquid biopsy analysis using cell-free DNA (cfdna). Opportunities and limitations Oxnard et al. [31] konzentrierten sich auf den Nachweis von EGFR-Mutationen vor und während der Behandlung mit Erlotinib beim Lungenkarzinom. Es zeigte sich, dass die cfdna-mutationen mit der Tumorlast korrelierten und die EG- FR-T790M-Resistenzmutation im weiteren Verlauf der Therapie messbar wurde. Dabei erfolgte der Nachweis dieser Resistenzmutation in der cfdna bereits 3 Monate vor der radiologisch gesicherten Krankheitsprogression. Mit der fortlaufenden klinischen Entwicklung selektiver EGFR-Kinase-Inhibitoren der dritten Generation (wie AZD9291 und CO-1686 [8]), die auch gegen T790M mutiertes EG- FR-Protein wirken, könnte der Nachweis dieser Resistenzmutation in naher Zukunft eine große Bedeutung gewinnen. Erwähnt werden muss, dass in den aufgeführten Studien die zur Primärdiagnostik untersuchte Gewebebiopsie die nachgeschaltete cfdna-analytik bestimmt hat. In den meisten Studien bleibt daher die Bedeutung der cfdna-analysen in Verlaufsproben hinsichtlich Resistenzmutationen und möglicher Therapiestratifizierung ungeklärt, da z. B. bekannte Resistenzmutationen bereits im Tumorgewebe Receptor(EGFR)-Mutationen beim Lungenkarzinom bei fehlender Biopsie bereits zugelassen. Insgesamt betrachtet erscheint die blutbasierte DNA-Analytik aufgrund vieler offener Fragen und beträchtlicher Unsicherheiten aber noch nicht einsatzbereit für einen routinemäßigen Einsatz in der Krebsdiagnostik. Der vorliegende Artikel möchte den Stand der Entwicklung aus Sicht eines molekularpathologischen Labors darlegen. Schlüsselwörter Personalisierte Medizin Zielgerichtete Therapien Treibermutationen EGFR- Mutationen Response-Monitoring Abstract Molecular biological analysis of nucleic acids in blood or other bodily fluids (i.e. liquid biopsy analyses) may supplement the pathologists diagnostic armamentarium in a reasonable way particularly in cancer precision medicine. Within the field of oncology, liquid biopsy can potentially be used to monitor tumor burden in the blood and to early detect emerging resistance in the course of targeted cancer therapies. An already approved application of liquid biopsy is the detection of epidermal growth factor receptor (EGFR) driver mutations in blood samples of lung cancer patients in those cases where no tissue biopsy is available. However, there is still currently considerable insecurity associated with blood-based DNA analytic methods that must be solved before liquid biopsy can be implemented for broader routine application in the diagnosis of cancer. In this article, the current state of development of liquid biopsy in molecular diagnostics from a pathology point of view is presented. Keywords Precision medicine Targeted therapy Driver mutations EGFR mutations Response monitoring der Primärdiagnostik vorlagen [31] oder mögliche neue Resistenzmarker nachgewiesen wurden [29], die keinen unmittelbaren klinischen oder therapeutischen Nutzen haben. Klinische Anwendung Einige Arbeitsgruppen konzentrieren sich auf den Nachweis primärer Treibermutation für die klinische Anwendung in der Tumordiagnostik mit einer möglichen prognostischen und prädiktiven Relevanz. Die Arbeitsgruppen um Nitzan Rosenfeld aus Cambridge konnten zeigen, dass PI3KCA- und TP53-Mutationen 3

im Blut abhängig von der Tumorentität und 55technische Faktoren wie die Komplexität der nachgewiesenen Mutationen und den dazu verwendeten Technologien. Abb. 2 8 Potenzielle Mechanismen der Freisetzung zirkulierender zellfreier DNA (cfdna) aus Tumorund Normalzellen (links) und mögliche Applikationen der cfdna in der molekularpathologischen Analyse mittels Flüssigbiopsie (rechts) bei Mammakarzinompatientinnen in der cfdna messbar sind und sich die Menge der mutierten cfdna im Verlauf unterschiedlicher Chemotherapien parallel zur Tumorlast verändert [11, 14]. Im Vergleich zum Biomarker CA-15-3 und zirkulierenden Tumorzellen wies die mutierte cfdna dabei einen besseren prädiktiven Wert auf. Im Rahmen der FASTACT-2 Studie (Erlotinib interkaliert mit Chemotherapie vs. Chemotherapie) wurden begleitend EGFR-Mutationen mit dem in Entwicklung befindlichen cobas -4800-Bluttest gemessen [28]. Dabei sollte in erster Linie die diagnostische Eignung einer blutbasierten EGFR-Mutationsdetektion und in zweiter Linie der prädiktive Wert des cfdna-egfr-mutationsstatus vor und während der Behandlung mit Erlotinib evaluiert werden. Für 238 Patienten konnte der EGFR-Mutationsstatus der wichtigsten TKI-sensitiven Mutationen sowohl im Tumorgewebe als auch im Blutplasma erhoben werden. Dabei wies die EGFR-ctDNA-Mutationsdetektion eine Sensitivität von 75 % und eine Spezifität von 96 % auf. Die Konkordanz zum Tumorgewebe betrug 88 %. Diese Studie bildete die Grundlage für den Zulassungsantrag des cobas -EGFR-Bluttests (Roche Molecular Systems). Qiagen hat kürzlich als erste Firma in Deutschland einen Liquid-biopsy-basierten Assay (Therascreen EGFR Plasma-Kit) zur Diagnose des nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) vorgestellt. Dieser Assay ermöglicht, ähnlich wie das cobas-system, die Detektion der TKI-sensitiven Exon- 19-Deletionen/L858R-Mutation und der T790M-Resistenzmutation. Somit liegen von Seiten der Diagnostikindustrie erste innovative kommerzielle Ansätze vor, deren diagnostische und klinische Wertigkeit sich aber noch erweisen muss. Konkordanz Zunehmend gibt es gut geplante Studien zur blutbasierten cfdna-analytik, welche die Konkordanz der Mutationsdetektion zwischen Tumorgewebe und cfdna bestimmen und bewerten.. Tab. 1 fasst wichtige Liquid-biopsy-Studien der Jahre 2013 2015 bzgl. ermittelter Konkordanzwerte sowie Sensitivität und Spezifität zusammen. Die sehr variablen Konkordanzen in den unterschiedlichen Studien sollten nach den bisherigen Beobachtungen bedingt sein durch: 55biologische Faktoren wie die unterschiedliche Verfügbarkeit der ctdna Bis dato scheinen, was die Sensitivität angeht, NGS-basierte Verfahren [10] den PCR-basierten Verfahren unterlegen. Die Ergebnisse von. Tab. 1 weisen darauf hin, dass für jede Liquid-biopsy-Analytik eine umfangreiche entitäts- und assayspezifische Validierung des Nachweissystems nötig ist. Die Konkordanz ist auch nur ein schwaches Maß, um die Übereinstimmung von Tumorgewebs- und Blutplasmaanalytik zu bewerten, wie das Beispiel in. Tab. 2 erläutern soll: Ist ein Gen relativ selten mutiert in einer Tumorentität, wie z. B. BRAF im kolorektalen Karzinom (der Einfachheit halber wurde die Mutationsrate gleich 10% gesetzt), fallen alle Wildtypfälle (damit 90 %) der Konkordanz zugute. Im fiktiven Beispiel von. Tab. 2 werden nur 10 der 20 erwarteten BRAF-Mutationen im Blut wiedergefunden, also lediglich 50 %! Die errechnete Konkordanz erscheint mit 95 % aber trotzdem sehr beeindruckend, denn sie berechnet sich aus den beiden Übereinstimmungen der. Tab. 2 (beide nicht mutiert/beide mutiert) durch die Gesamtzahl der Proben, hier also (10 + 180)/200 = 95 %. Im Sinne einer Real-world -Analyse war die kürzlich erschiene Liquid-biopsy-Analyse im Rahmen der BIOCAST/ IFCT-Studie (einer französischen prospektiven Lungenkrebsstudie [8, 9]) wegweisend. Hier erfolgte ein NGS-basierter Vergleich aller lungenkrebsrelevanter Hotspotregionen der Gene EGFR, KRAS, BRAF, HER2 und PIK3CA für 68 Fälle an gepaarter Tumorgewebs- und cfdna. Die Tumor-DNA wies in 50 von 68 Fällen, also 74 %, eine der genannten Treibermutation auf. Unter diesen kliniknahen Echtbedingungen betrug die Sensitivität der blutbasierten Analyse zunächst nur 14 % (7/50), nach Optimierung des NGS-Auswerteverfahrens (Anpassung des variant callers ) immer noch nur 56 % (28/50). Da in dieser Studie fast drei Viertel der Tumoren eine Treibermutation aufwiesen, war die Konkordanz zwischen Tumor-DNA 4

Tab. 1 Zusammenfassung wichtiger Liquid-biopsy-Studien der Jahre 2013 bis 2015 Mutation Tumorentität Kollektiv Sensitivität (%) Spezifität (%) Konkordanz (%) Referenz KRAS (Kodon 12/13) Kolonkarzinom 206 KRAS+ 128 KRAS 87,2 99,2 95 Bettegowda et al. [6] KRAS (Kodon 12/13) BRAF V600E Kolonkarzinom 39 KRAS+ 56 KRAS 5 BRAF+ 90 BRAF BRAF V600E Melanom 72 BRAF+ 69 BRAF BRAF V600K 19 BRAF+ 69 BRAF U. a. PIK3CA, RB1 EGFR, KRAS, BRAF, HER2, PIK3CA 98 92 96 Thierry et al. [34] 100 100 100 57 100 84 Ascierto et al. [4] 89 99 97 Mammakarzinom 9 (von 2 Patienten) 62 Murtaza et al. [29] Ovarialkarzinom 6 (von 2 Patienten) 19 Lungenkarzinom 50 Mutation+ 18 Mutation 56 68 Couraud et al. [10] Tab. 2 Fiktive Konkordanzanalyse (z. B. BRAF im kolorektalen Karzinom) mit 200 Patientenproben a BRAF-Mutationen Blut, mutiert Blut, nicht mutiert Gesamt Gewebe, mutiert 10 10 20 Gewebe, nicht mutiert 0 180 180 Gesamt 10 190 200 a Die erwartete Mutationsrate im Gewebe wurde hier gleich 10 % gesetzt. Erläuterung s. Text. und ctdna über alle analysierten Amplikons mit 68 % sehr gering [9]. Liquid biopsy als mögliche Ergänzung gewebebasierter Tumordiagnostik Durch die Verfügbarkeit neuer hochsensitiver DNA-Analyseverfahren wie der digitalen PCR und dem NGS wurde ein Vorstoß in neue Grenzbereiche der Analytik ermöglicht. Die liquid biopsy, besonders in der Form der cfdna-analyse, lässt tatsächlich für die Zukunft ein großes, ergänzendes Potenzial zur gesicherten molekularpathologischen Diagnostik an Tumorgeweben erkennen. Weitere prospektive Studien mit größeren Fallzahlen zum Vergleich von gewebe- und blutbasierter molekularer Diagnostik sind jedoch nötig. Dabei sollte nicht primär auf die aussageschwache Konkordanz abgehoben, sondern ermittelt werden, welcher Prozentsatz der im Tumorgewebe gefundenen Mutationen sich in der ctdna wiederfinden lässt und weiter, wie hoch der Prozentsatz der Mutationen (bezogen auf die Mutationsfrequenz im Tumorgewebe = 100 %) ist, der im Blut neu gefunden wird. Die Bedeutung dieser diskordanten Mutationen, die ausschließlich im Blut gefunden werden, ist noch völlig offen und sollte in Studien untersucht werden. Sicherlich lassen sich solche Blutalleine -positiven Fälle durch Tumorheterogenität oder -evolution erklären [12]. Lässt sich deren Bezug zum Therapieansprechen eindeutig klären, wäre eine blutbasierte Analyse, zusätzlich zur gewebebasierten Analyse als weiter bestehendem Goldstandard, eine sinnvolle Ergänzung zur Optimierung der personalisierten Krebstherapie. Die blutbasierte Analyse tumorspezifischer Treibermutationen wird zunehmend auch außerhalb von Pathologie und Gewebediagnostik attraktiv, da das Blut relativ einfach verfügbar und die prinzipiellen Methoden automatisierbar erscheinen. Es ist daher anzunehmen, dass erhebliche Anstrengungen von hochspezialisierten Diagnostikfirmen unternommen werden, diese Analytik breiter auszurollen nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen. Allerdings ist dieser rasche Vorstoß kommerzieller Anbieter von Liquidbiopsy-Analysemethoden aus Sicht der Molekularpathologen derzeit eher kritisch zu bewerten. Die ctdna kann zwar schon derzeit in extremer Sensitivität analysiert werden, jedoch weiß man noch zu wenig über ihre Pathobiologie, da eine präzise Korrelation von spezifischer ctdna-basierter Mutationen zur pathologisch klassifizierten und gesicherten Erkrankung noch aussteht. Auch müssen kritische Fragen der ctdna-biologie zugrunde liegender komplexer Prozesse geklärt werden: Welche zelluläre Quelle ist verantwortlich für die Freisetzung der ctdna, und haben Zeitpunkt der Blutentnahme, Quellen des Blutes (Serum oder Plasma) und folgende Abbauprozesse einen Einfluss auf den Nachweis onkologischer Treibermutationen. Welches Tumorkompartiment (prämaligner Zustand, Primärtumor, Metastase, Zweittumor, Krebsstammzelle) durch die ctdna erfasst wird, kann ohne vorhergehende Gewebediagnostik nur unzureichend geklärt werden. Hinzu kommt, dass viele Tumoren für eine Liquid-biopsy-Diagnostik nicht geeignet sind, z. B. aufgrund einer hohen Last an prämalignen Läsionen. Aber auch die technische Durchführung von Liquid-biopsy-Analysen in der Breite einer klinischen Versorgung weist noch Unwägbarkeiten auf, insbesondere durch eine noch fehlende Standardisierung bestehender cfdna-isolationsund -Analysetechnologien. Zudem ist das Qualitätsmanagement der Probenbearbeitung sehr schwierig, da entspre- 5

chende Blutproben innerhalb kurzer Zeit verarbeitet oder adäquat gelagert werden müssen. Obgleich bereits Systeme für eine Stabilisierung von Blutproben entwickelt werden [30], bleibt die Frage nach einer klinisch-standardisierten Anwendung solcher Systeme noch offen. Damit erscheint auch der generelle Einsatz solcher Technologien für die Krankenversorgung derzeit noch nicht gerechtfertigt. Ausblick: cfdna- Hypermethylierung in der Tumorfrüherkennung Die Analyse von DNA-Hypermethylierungsmustern zentraler Tumorsuppressorgene stellt neben dem Nachweis onkologischer Treibermutationen ein weiteres klinisch relevantes Potenzial der liquid biopsy dar. In der onkologischen Forschung wird die DNA-Hypermethylierung in erster Linie bzgl. der Früherkennung von Tumoren, aber auch im Hinblick einer prognostischen Relevanz oder therapiebegleitenden Verlaufskontrolle evaluiert. Das spezifische Methylierungsprofil eines Tumors spiegelt sich in der cfdna im Blut wider [16] und bildet auf diese Weise eine Grundlage u. a. in der blutbasierten Früherkennung von Tumoren. Lofton-Day et al. [24] beschrieben 2008 erstmalig das Tumorsuppressorgen Septin 9 (SEPT9), welches anhand seines differenziellen Methylierungsprofils zwischen dem Gewebe von Kolonkarzinompatienten und angrenzendem Normalgewebe sowie weiteren nichtpathologischen Kontrollgeweben differenzieren kann. Aufbauend auf diese erste Identifikationsstudie konzentrierten sich Grutzmann et al. [15] in retrospektiven Studien auf das klinische Potenzial von SEPT9 für die blutbasierte Früherkennung des Kolonkarzinoms: Vielversprechende Ergebnisse mit Sensitivitätswerten zwischen 72 und 90 % im Plasma von Kolonkarzinompatienten kombiniert mit einer hohen Spezifität (88 90 %) in Kontrollkohorten führten zur Aufstellung der PRESEPT-Studie [7], einer prospektiv durchgeführten klinischen Studie mit insgesamt 7900 Teilnehmern. Das Beispiel des SEPT9-Tests verdeutlicht, dass die Etablierung putativer Methylierungsbiomarker für einen robusten Einsatz in der klinischen Früherkennung nicht zuletzt aufgrund der komplexen Biologie humaner Tumoren eine enorme Herausforderung darstellt. Basierend auf dem größten derzeitig beschriebenen Serumkollektiv (n = 604) in der blutbasierten Brustkrebsfrüherkennungsforschung mithilfe von Methylierungsbiomarkern konnten in der Studie von Kloten et al. [21] die Promotermethylierung der putativen Tumorsuppressorgene DKK3 und ITIH5 als hochspezifische Biomarker identifiziert werden. Die kumulative cfdna-methylierung des DKK3-ITIH5-Biomarkerdupletts erzielte in einem unabhängigen Validierungskollektiv eine Sensitivität von 40 % bei einer Spezifität von 94 % ( are under the curve [AUC] 0,673, p < 0,0001) in der blutbasierten Brustkrebsfrüherkennung. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei Positivität des Tests tatsächlich eine Erkrankung vorliegt (positiver Vorhersagewert [PPV]) betrug 85 %, während die Wahrscheinlichkeit, bei Negativität des Tests an einem Mammakarzinom erkrankt zu sein, bei 34 % (negativer Vorhersagewert [NPV] 66 %) lag. Neben der putativen klinischen Relevanz der DNA-Hypermethylierung als Screeningbiomarker untersuchten einige Arbeitsgruppen den möglichen Wert der DNA-Hypermethylierung zur Bestimmung der Tumorlast und der therapiebegleitenden Verlaufskontrolle. Fackler et al. [13] analysierten in einer aktuellen Studie den Nachweis tumorspezifischer cfdna in metastasiertem Brustkrebs. Tumorspezifische methylierte cfdna wurde anhand eines 10-Gen-Panels mit einer Sensitivität von 92 % und einer nahezu maximalen Spezifität (96 100 %) in 2 unabhängigen Kollektiven bestätigt. Des Weiteren zeigte sich eine signifikante Reduktion der cfdna-methylierung mit therapeutischem Ansprechen der Patientinnen, während im Falle eines progressiven Krankheitsverlaufs diese Reduktion nicht festgestellt werden konnte. Fazit für die Praxis 55Molekulare Analysen an freier Tumor- DNA aus dem Blut sind rein analytische Verfahren und keine Biopsie. 55Die Analyse der cfdna kann die diagnostische Tumorbiopsie nicht ersetzen. 55Die sogenannte liquid biopsy ist derzeit für diagnostische Anwendungen in der Breite noch nicht einsatzbereit. 55Offene Fragen nach Herkunft, Stabilität und Degradation der cfdna müssen geklärt werden. 55Die angewendeten cfdna-isolationsund -Analysetechnologien müssen standardisiert werden. 55In der Krebsdiagnostik wird die blutbasierte Detektion tumorspezifischer Treibermutationen mittelfristig eine ergänzende diagnostische Anwendung darstellen, z. B. für Responsemonitoring und Therapiewahl. Korrespondenzadresse Univ.-Prof. Dr. E. Dahl Molekularpathologische Diagnostik Institut für Pathologie Uniklinik RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen edahl@ukaachen.de Dr. V. Kloten Arbeitsgruppe Molekulare Onkologie Institut für Pathologie Uniklinik RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen vkloten@ukaachen.de Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. V. Kloten und E. Dahl geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. Literatur 1. Agassi R, Czeiger D, Shaked G et al (2015) Measurement of circulating cell-free DNA levels by a simple fluorescent test in patients with breast cancer. Am J Clin Pathol 143:18 24 2. Alix-Panabieres C, Pantel K (2013) Circulating tumor cells: liquid biopsy of cancer. Clin Chem 59:110 118 3. Alix-Panabieres C, Pantel K (2014) Challenges in circulating tumour cell research. Nat Rev Cancer 14:623 631 6

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