Evaluierung Messestadt Riem Nachhaltige Stadtentwicklung in München Ergebnisband



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Transkript:

Evaluierung Messestadt Riem Nachhaltige Stadtentwicklung in München Ergebnisband

Impressum Herausgeber Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung vertreten durch MRG - Maßnahmeträger München Riem GmbH Paul-Henri-Spaak-Straße 5 D 81829 München Konzeption und Bearbeitung BPW Hamburg Bahrenfelder Chaussee 49 22761 Hamburg Prof. Dipl. Ing. Elke Pahl Weber Dipl. Ing. Jan Abt Cand. Geogr. Rebecca Schade BulwienGesa AG Nymphenburger Straße 5 80335 München Dr. Heike Piasecki Dipl. Geogr. Sonja Hampe Fachliche Betreuung Titelbild Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung Walter Wesinger HA II/5 Alexander Lang HA I/24 Ramón Arndt HA I/23 Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung Helga Zellerhoff HA I/02 Stand: April 2005 2

Vorwort Die Messestadt Riem ist ein Leitprojekt der PERSPEKTIVE MÜNCHEN. Seit Beginn der Planung wurde die Nachhaltigkeit des Geplanten und Gebauten als Ziel formuliert. Zur Halbzeit der Realisierung stellt sich die Frage, welche Planungsziele erfüllt wurden und welche Ziele zukünftig doch noch stärker beachtet werden müssen. Mit der "Evaluierung der Messestadt Riem" betritt die Landeshauptstadt München Neuland. Es gibt bislang keine Vorbilder für Untersuchungen und Bewertungen von Stadterweiterungen in dieser Größenordnung mit einem so umfassenden Ansatz während ihrer Realisierung. Trotz der Schwierigkeiten, die sich aus teilweise fehlenden oder unzureichenden Daten zum Stadtteil ergeben, was am Umgriff des neuen Stadtteils ebenso liegt wie an seinem "halbfertigen Zustand", liegt eine große Chance in der Evaluierung. Sie ermöglicht schon heute eine Zwischenbilanz über die erreichten Qualitäten und eröffnet die Chance, die weitere Planung gezielt und effektiv zu einem wirklich nachhaltigen Stadtteil zu steuern. Die gleichrangige Beschäftigung mit Bereichen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft bietet für die Evaluierung eine integrative Sichtweise, deren Wirkung auch im Informations- und Wissenstransfer zwischen den städtischen Referaten einerseits und den politischen Entscheidungsträgern anderseits liegt. Der Nachhaltigkeitsbericht bietet aber insbesondere jederfrau und jedermann die Möglichkeit sich über den Entwicklungsstand und die Perspektiven des neuen Stadtteils zu informieren. Die Ergebnisse der Evaluierung werden dem Riem-Auschuss am 27. April 2005 bekannt gegeben und während einer Fachtagung auf dem BUGA Symposiums "Perspektive Nachhaltiges Wirtschaften" am 10. und 11. Mai 2005 dem Stadtrat, dem Bezirksausschuss, der Fachöffentlichkeit, sowie den bürgerschaftlichen Vereinigungen der Messestadt Riem zur Diskussion gestellt. Ich hoffe auf großes Interesse auch bei den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie eine rege Beteiligung an der Diskussion. Prof. Christiane Thalgott Stadtbaurätin

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Inhaltsübersicht 1 Einleitung 7 2 Messestadt Riem 8 2.1 Planungsgeschichte...9 2.2 Planungsgrundsätze und städtebauliche Struktur...11 2.3 Fachplanungskonzepte...13 2.4 Trägermodell...15 3 Nachhaltigkeit als Grundgedanke der Messestadt Riem 16 3.1 Sustainable Development...16 3.2 Nachhaltige Stadtentwicklung...17 4 Grundlagen und Methodik der Evaluierung 18 4.1 Ziele für die Messestadt Riem...18 4.2 Indikatoren als Anzeiger auf dem Weg zur Zielerreichung...18 4.3 Besonderheiten der Evaluierung der Messestadt Riem: Maßstab und Zeitpunkt...19 5 Ergebnisse der Evaluierung der Messestadt Riem 20 5.1 Themenbereich Ökologie...20 5.2 Themenbereich Ökonomie...24 5.3 Themenbereich Soziales...27 6 Zusammenfassung 31 6.1 Bewertung der Messestadt...31 6.2 Stadtstruktur und Nachhaltigkeit...34 6.3 Empfehlungen...37 7 Abbildungsverzeichnis 39 8 Literatur- und Quellenverzeichnis 40 5

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1 Einleitung Die Entwicklung des Stadtviertels Messestadt Riem auf dem Gelände des ehemaligen Münchner Flughafen stand von Anfang an für ein sorgfältig geplantes, in vielen internationalen und nationalen Gremien mit Preisen versehenes Planungswerk. Für ihre Gesamtkonzeption erhielt die Messestadt Riem Auszeichnungen, z. B. auf der 17. internationalen Konferenz Making Cities Livable (Freiburg 1995) und der Weltsiedlungskonferenz Habitat II (Istanbul 1996) für herausragende Qualitäten in den Bereichen Freiraum, Nachbarschaft und Urbanität. Mit der Durchführung einer Evaluierung, und zwar zur Halbzeit der Planungs- und Realisierungsphase, stellt sich die Landeshauptstadt München der Frage, in wie weit es bisher gelingen konnte, ihre preisgekrönten Konzeptionen in der Realisierung tatsächlich zu verwirklichen und die daran geknüpften Hoffnungen einzulösen. Hierfür wurde ein Auftrag unter dem Titel Evaluierung der Nachhaltigkeit der Messestadt Riem an die Büros BPW Hamburg und BulwienGesa AG vergeben. Inhalt der Untersuchung ist die Evaluierung des Stadtteils Messestadt Riem vor dem Hintergrund des Konzeptes der Nachhaltigkeit und der Erreichung der selbst gestellten Ziele. Um eine Evaluierung vornehmen zu können, werden die vorgegebenen, in detaillierten Konzepten entwickelten Ziele benannt und operationalisiert. Die daraus sich ergebende Auswahl von Teilzielen für die Themenbereiche Ökologie, Ökonomie und Soziales für ein indikatorengestütztes Bewertungssystem bezieht sich auf das städtebauliche Gesamtkonzept, das hier als zentrales, ganzheitliches Moment betrachtet wird. Aufgrund der Komplexität des Themenfeldes Städtebau wird dieser nicht in einen Indikator sondern als Klammer für den gesamten Bericht betrachtet. Zentrales Instrument für die Evaluierung ist die datengestützte Auswertung von Einzelindikatoren. Neben der quantitativen Auswertung stehen zusätzlich qualitative Informationen zur Verfügung, die in Form von Exkursen und Zitaten in den Bericht eingespeist werden. Im Rahmen der Untersuchung wird dabei auch deutlich, für welche wichtigen Themenfelder bislang keine Daten zur Verfügung stehen und wo durch weitergehende Studien und Erhebungen sinnvolle Erweiterungsmöglichkeiten bestehen. Der Bericht erhält eine Zweiteilung: Der Ergebnisband gibt zusammenfassend Auskunft über die Messestadt, die ihr zugrunde liegenden Planungen und Ziele, Ergebnisse aus den Themenbereichen Ökologie, Ökonomie, Soziales und eine abschließende Bewertung und Einfügung in den städtebaulichen Kontext. Die Ausführungen zu den einzelnen Indikatoren stehen im Anlagenband zur vertiefenden inhaltlichen Beschäftigung bereit. 7

2 Messestadt Riem Das rund 555 Hektar große Gebiet der Messestadt Riem liegt im Münchner Osten in nur sieben Kilometern Entfernung von der historischen Altstadt. Auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens München Riem, entsteht seit der Verlagerung des Flughafens am 17.05.1992 ins Erdinger Moos ein neuer Stadtteil. Abbildung 1: Verkehrsanbindung 2005 Das städtebauliche Konzept sieht eine Kombination von Wohnen und Arbeiten im Grünen vor. Den Namen Messestadt Riem erhielt das Projekt durch die Entscheidung, den Standort der Messe München von der There- sienhöhe in der Innenstadt nach Riem zu verlagern. Bis zur endgültigen Fertigstellung des Ge- im Jahr 2013 sollen nach Plan insgesamt samtprojekts Messestadt Riem voraussichtlich 13.800 Arbeitsplätze geschaffen und ca. 6.100 Wohnungen für rund 14.500 Menschen auf dem Gelände gebaut werden. 8

Basisdaten Messestadt Riem Messestadt Riem Aktueller Stand Messestadt Riem Endausbauzustand 2013 Finanzierungsvolumen LHM Einwohner Arbeitsplätze Wohneinheiten 3.259 (31.08.2004) 4.318 (31.10.2004, Schätzung) 1.231 (31.04.2004) Abbildung 2: Basisdaten Messestadt Riem Quelle: Planzahlen des Referates für Stadtplanung und Bauordnung, Februar 2004 ca. 500 Mio. Euro 14.500 13.800 6.100 2.1 Planungsgeschichte Die Entwicklung der Messestadt Riem begann bereits 1987 mit vorbereitenden Untersuchungen und der darauf folgenden Umweltverträglichkeitsprüfung. Ein städtebaulicher und landschaftsplanerischer Ideenwettbewerb mit vertiefender Messeplanung Künftige Nutzung Flughafengelände München Riem wurde im Jahr 1990 ausgelobt und durchgeführt. Als erster Preisträger ging die Arbeitsgemeinschaft Frauenfeld und Partner aus diesem Wettbewerb hervor; ihr Plan diente als Grundlage für alle weiteren Planungen. Vertiefende fachliche Konzepte wie beispielsweise das ökologische Rahmenkonzept, Energiekonzept, Spielraumkonzept oder Parkraumkonzept wurden darauf folgend vorbereitend und begleitend zur Realisierung der Messestadt Riem erstellt. In weiteren Ideen- und Realisierungswettbewerben wurde u.a. über das städtebauliche Konzept des Zentrums und des 1. Bauabschnitts Wohnen, den Bau der neuen Messe München" sowie die Gestaltung des ca. 200 Hektar großen Landschaftsparks mit Badesee (im Süden des Stadtteils) entschieden. Im April 1997 erfolgte die erste Baumpflanzung im Landschaftspark durch Oberbürgermeister Ude. Den Zuschlag als Veranstaltungsort der Bundesgartenschau (BUGA) 2005 erhielt die Messestadt Riem im Dezember 1997. 3: Luftbild 1991 Abbildung 4: Luftbild 2003 9

Am 12. Februar 1998 wurde die Neue Messe mit einer Hallengrundfläche von ca. 140.000 m² (1. Bauabschnitt) feierlich eingeweiht. Bereits im Winter 1998-99 bezogen die ersten Einwohner der Messestadt Riem ihre neuen Wohnungen. Am 29. Mai 1999 wurde die verlängerte U- Bahn-Linie 2 eröffnet, welche die Messestadt Riem mit der Münchner Innenstadt verbindet und durch die beiden neuen Haltestellen Messestadt Ost und Messestadt West erschlossen wird. An der Haltestelle Messestadt West befindet sich das Einkaufszentrum RiemArcaden, das seit März 2004 eröffnet ist. 1987 Beschluss der Verlagerung der Messe nach Riem 1990 Der Wettbewerb für Neu-Riem wird angenommen 1992 Ende des Flugbetriebs in München-Riem 1993 Gründung der MRG (Maßnahmeträger-München-Riem GmbH) 1994 Spatenstich für die neue Messe in Riem und Beginn des Wohnungsbaus 1997 Erste Baumpflanzung im Landschaftspark durch Oberbürgermeister Ude 1998 Eröffnung der Neuen Messe Riem 1998 Beginn der Vermarktung der Grundstücksparzellen im Gewerbepark Nordwest 1999 Zuzug der ersten Bewohner der Messestadt 1999 Eröffnung der U-Bahnlinie 2 Ost zur Messestadt 1999 Beginn der Vermarktung der Grundstücksparzellen im Gewerbepark Nordost 2004 Eröffnung des Einkaufszentrums RiemArcaden 2005 Messestadt Riem ist Veranstaltungsort der BUGA. 2013 Voraussichtlich: Endgültige Fertigstellung der Messestadt Riem. Abbildung 5: Zeitlicher Ablauf 10

2.2 Planungsgrundsätze und städtebauliche Struktur Grundsätzliche Basis für die Planungen in München und damit auch für Realisierung der Messestadt Riem bildet die PERSPEKTIVE MÜNCHEN als Stadtentwicklungskonzeption der Landeshauptstadt. Die PERSPEKTIVE MÜNCHEN beschreibt die Zielorientierung für die wirtschaftliche, soziale, räumliche und regionale Entwicklung der Stadt in bisher zehn Leitlinien, deren gemeinsamer Grundgedanke sich aus dem Zusammenspiel dreier zentraler Begriffe entwickelt: kompakt (flächensparendes Bauen und standortgerechte Dichte), urban (vielfältige Nutzungsmischung und kurze Wege), grün (wohnungsnahe Grün- und Spielflächen sowie Sicherung wertvollen Freiflächenbestands). Die Messestadt Riem ist ein Leitprojekt der PERSPEKTIVE MÜNCHEN, das heißt, sie bildet einen Anwendungsfall in dem die Ziele der Perspektive wegweisend verwirklicht und mit Hilfe innovativer Methoden und Projekte umgesetzt werden sollen. Bereits in der vorbereitenden strategischen Strukturplanung wurde der Grundgedanke der PERSPEKTIVE MÜNCHEN durch die Flächenausweisung in Form der so genannten Drittellösung zu berücksichtigen versucht: Ein Drittel der Fläche sollte für die Neue Messe und Gewerbe, ein Drittel für Wohnen und ein Drittel für Grünflächen Verwendung finden. Durch diese Aufteilung entsteht eine Konzentration bebauter Gebiete im Norden und freier Landschaftsfläche im Süden, die den Charakter der Messestadt prägt. Abbildung 6: Städtebaulicher Konzeptplan 2004 11

Die städtebauliche Grundstruktur der Messestadt Riem basiert auf dem Ergebnis des Ideenwettbewerbs aus dem Jahr 1990 und seiner weiteren Überarbeitung. Sie legt der Messestadt Riem ein klares räumliches Gesamtkonzept zugrunde, wobei die beiden Haupterschließungsachsen (Ost-West-Achse und Nord-Süd-Achse), über die zugleich die Erschließung des Stadtteils erfolgt, die Messestadt in drei Siedlungsbereiche mit unterschiedlichen Nutzungsschwerpunkten gliedern: Nord-westlicher Bereich: Büro- und Verwaltungsnutzungen sowie ein Gewerbepark für höherwertiges Gewerbe Nord-östlicher Bereich: Neue Messe München und ein klassisches Gewerbegebiet als Standort für verarbeitendes Gewerbe und Handwerk Südlich der Ost-West-Achse: Büro- und Einzelhandelsflächen, Mischgebiete, Wohnquartiere, sowie Landschaftspark. In der Messestadt Riem soll sich der Wohnungsbau im Sinne der stadtweit verfolgten Münchner Mischung gestalten (28% geförderter Mietwohnungsbau 9 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG), 14% geförderter Mietwohnungsbau für mittlere Einkommensgruppen, 30% Münchner Modell (kommunale Förderung mittlerer Einkommensgruppen bis 9 WoFG + 60% + Kinderkomponente) und 28% freifinanzierter Wohnungsbau), um so eine ausgewogene Bevölkerungsstruktur zu erreichen Abbildung 7: Flächennutzungsplan mit integrierter Landschaftsplanung 12

Zwischen den Bereichen wurden gemischte Strukturtypen als Übergangszonen vorgesehen, denen die Aufgabe zufällt, einen Bezug zwischen den unterschiedlichen Nutzungen herzustellen und fließende Übergänge in Nutzung und baulicher Struktur zu schaffen. Gebiete mit hohem Verkehrsaufkommen und Lärmbelastung an der Autobahn werden durch Gewerbe und Messe besetzt, während die Wohnbereiche zu den landschaftlichen Freiflächen orientiert sind. Südlich des Siedlungsbereiches schließt der ca. 200 Hektar große Landschaftspark mit Rodelhügel und Badesee an. Als Übergang in die Landschaft sind die Wohngebiete kammartig mit dem Landschaftspark verwoben. Die Gestaltung des Parks wurde 1995 im Rahmen eines internationalen freiraumplanerischen Wettbewerbs entschieden. Die Planungen für den Landschaftspark sehen ihn nicht nur als Ort der Erholung, sondern durch seinen hohen Anteil an naturnahen Flächen ebenso als wichtigen ökologischen Funktionsträger und als Frischluftschneise für das Stadtgebiet. Durch den Riemer Friedhof und den Riemer Wald wird er nach Nordwesten und Nordosten erweitert. 2.3 Fachplanungskonzepte Die Planung für die Messestadt Riem verfolgt das Ziel zwischen der Großstadt München und der Region ein in seiner Nutzung vielfältiges, in seiner Versorgung weitgehend eigenständiges und in seiner Gestaltung attraktives Stadtgebilde entstehen zu lassen (LHM 1996a, 4). Dazu wurden die grundsätzlichen Planungsziele Identität und Stadtgestalt, Ökologische Stadtentwicklung und Vollständige Infrastruktur definiert, welche dem Grundgedanken der PERSPEKTIVE MÜN- CHEN ( kompakt-urban-grün ) Rechnung tragen. Bereits 1993 wurde das Ökologische Rahmenkonzept Messestadt-Riem in Auftrag gegeben, das die Themen Klima, Baustruktur, Verkehr, Grün- und Freiflächen, Boden und Altlasten, Wasser und Abwasser, Energie, Lufthygiene, Abfall sowie Baustoffe behandelt, Zielkonflikte thematisiert und Zielprioritäten bildet. Zu diesem ökologischen Rahmenkonzept sowie bestehender wirtschaftlicher und sozialer Grundkonzepte konkretisieren vertiefende Fachkonzepte die Ziele und formulieren Maßnahmen zur Umsetzung bei der Realisierung der Messestadt Riem (Auswahl): Freimachungskonzept (1992) Ziel des Freimachungskonzeptes ist es, das (ehemalige) Flughafengelände für die neue Nutzung vorzubereiten und hierbei und während der Realisierung Stoffströme zu minimieren. Insbesondere bedeutet dies den Schutz bestehender Böden und die Wiederverwendung von Material vor Ort (z.b. Abbruchmaterial für die Gestaltung der Rodelhügel). (siehe auch Bayerisches StMLU 1997) Altlastenerkundungs- und Sanierungskonzept (1993) Im Rahmen der Altlastenerkundung wurden geringe Verunreinigungen vornehmlich durch Kerosin und Öl festgestellt. Kontrollierte Wiederverwendung, Abdeckung, Bodensanierung oder Entsorgung sollten den verantwortlichen Umgang in den betroffenen Bereichen festlegen. 13

Erschließungskonzept (seit 1992) Inhalt des Erschließungskonzepts ist die zeitgerechte und abgestimmte Umsetzung des Planungsziels der Stadt der kurzen Wege durch eine koordinierte Planung der Erschließungs- und Baumaßnahmen. Parkraumkonzept (1995) Der öffentliche Raum sollte mit Hilfe des Parkraumkonzepts nach Möglichkeit von ruhendem Verkehr freigehalten werden. Die notwendigen Stellplätze sollten in Form eines rollierenden Systems in Tiefgaragen untergebracht werden. Abfallwirtschaftskonzept (1993) Themen sind Abfallvermeidung und Abfallverwertung. Diese soll dabei sowohl bei der Produktion und beim Gebrauch als auch bei der Bauausführung (z.b. über Zwischenlager) gleichermaßen stattfinden. Für die Verwertung von Abfall soll das Sammelsystem haushaltsnah über ein 3-Tonnensystem bzw. im Rahmen des Gewerbemüllkonzepts der Stadt München erfolgen. Für die Messe wurde ein gesondertes Konzept erstellt. Energiekonzept (1994) Energieerzeugung und -verbrauch werden einerseits durch die Fachkapitel Energie innerhalb des ökologischen Rahmenkonzeptes und in den Ökologischen Bausteinen behandelt, andererseits durch ein siedlungsbezogenes Ingenieurgutachten Energieversorgungskonzept für die Messestadt Riem. Ersteres umfasst die Einsparung durch Maßnahmen in Planung und Bau (Sonnenausrichtung, Dämmung) und Einfluss auf das Nutzerverhalten Letzteres die Optimierung der Energieerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung in einem gasbetriebenen BHKW. Die vertiefende Planung führte dann zur Einspeisung von Geothermie (ins Nahwärmenetz). Für die Messe wurde ein gesondertes Konzept erstellt. Soziales Nutzungs- und Versorgungskonzept (1992) Für die Bereitstellung einer vollständigen sozialen Infrastruktur beschreibt es die voraussichtlich notwendigen Einrichtungen und berücksichtigt die Realisierungsnotwendigkeiten in Zusammenhang mit dem Baufortschritt. Spielraumkonzept (1993) Das Spielraumkonzept versucht, durch eine vernetzte räumliche Abfolge und der Einbeziehung aller Freiräume abwechslungsreiche Spiel- und Erlebnisräume im Stadtteil zu schaffen. Für Kinder aller Alterklassen sollen formelle Spielangebote (Spielplätze) dabei informellen Spielangeboten (Erlebnisräume, Streifräume) gleichberechtigt gegenüberstehen. Freiflächenrahmenplan (1997) Für den 1. Bauabschnitt Wohnen wurde mit Hilfe des Freiflächenrahmenplans versucht, eine ansprechende Freiraumabfolge und Wegeverbindung im Gebiet zu realisieren. Wiederkehrende Gestaltungs- und Vegetationselemente (siehe z.b. Leitbaum- Konzept ) sollen Orientierung und Charakter des Gebiets erkennbar machen. Leitlinien zur Gestaltung (1996) Durch Festsetzungen in den Bebauungsplänen und Satzungen versucht die Stadt München nach Maßgabe dieser Leitlinien steuernden Einfluss auf die Gestaltung der Gebäude und Freiflächen zu nehmen. Informelle Absprachen, Leitfäden und Anreize (z.b. Bauherrenpreise für gelungene Realisierungen) ergänzen diese hoheitlichen Vorgaben. Besonders öffentliche Gebäude wurden und werden in Form von Wettbewerben entschieden. 14

2.4 Trägermodell Für die Realisierung des Projektes Messestadt Riem wurde ein privatrechtliches Trägermodell entwickelt. Nach einer europaweiten Ausschreibung der Maßnahmeträgerschaft München Riem seitens der Landeshauptstadt München erhielt eine Bietergruppe um die Bayerische Landesbank den Zuschlag. Im Oktober 1993 wurde der Rahmenvertrag mit der MRG (Maßnahmeträger- München-Riem GmbH) unterschrieben und am 1. August 1994 nahm die MRG ihre Arbeit auf. Zu den Aufgaben der MRG zählen insbesondere die Erschließung sowie die Herstellung der technischen, sozialen und kulturellen Infrastruktur. Durch die MRG findet eine Vorfinanzierung der durchgeführten Maßnahmen statt, die durch die Landeshauptstadt München mit Hilfe von Grundstückserlösen und staatlichen Zuwendungen während der Projektdauer refinanziert werden sollen. Die Wahrung städtischer Interessen bei den Maßnahmen der MRG erfolgt durch den Riembeirat als Aufsichtsrat der MRG, der überwiegend mit städtischen Vertretern besetzt ist. Bei der Landeshauptstadt München selbst bleibt die Planungshoheit und die Grundstücksvermarktung verortet. 15

3 Nachhaltigkeit als Grundgedanke der Messestadt Riem Das Prinzip der Nachhaltigkeit bildet für die Landeshauptstadt München einen Grundpfeiler der Stadtentwicklung und spiegelt sich in den Leitlinien der PERSPEKTIVE MÜN- CHEN wider: Die PERSPEKTIVE MÜNCHEN ist zwei Grundsätzen verpflichtet: Zum einen der Nachhaltigkeit das heißt, nicht heute auf Kosten der kommenden Generation gut zu leben, sondern die Qualität der Stadt auch für die Zukunft zu sichern. Zum anderen der Urbanität dem, was im positiven Sinn als typisch städtisch gilt, als soziale und kulturelle Vielfalt, Toleranz, wirtschaftliche Chancen und Kreativität, die nur aus Dichte und Mischung entstehen kann. (LHM 2003d, o.s.). Die Begriffskombination kompakt-urban-grün stellt dabei schlaglichtartig das Leitmotiv nachhaltiger Stadtentwicklung für München dar. Als Leitprojekt der PERSPEKTIVE MÜN- CHEN und als Münchner-Agenda21-Projekt ist der Gedanke der Nachhaltigkeit in Planung und Realisierung der Messestadt Riem als Kernziel verankert. Dies erlaubt es, die Evaluierung der Ziele für die Stadtentwicklung Münchens und für die Entwicklung der Messestadt Riem auch als Evaluierung des Erreichungsgrades von Nachhaltigkeit aufzugreifen. 3.1 Sustainable Development Was ist Nachhaltigkeit? Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Zukunftsfähig wirtschaften bedeutet also: Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. (Rat für Nachhaltige Entwicklung 2004) Das Leitbild für nachhaltige Entwicklung wurde erstmals 1987 im Abschlussbericht der Brundtland-Kommission Unsere gemeinsame Zukunft formuliert. Damit wurde die Grundlage für eine neue, integrative und weltweite Politikstrategie geschaffen. Das Besondere an diesem Bericht war, dass es auf ein Wirkungsgefüge zwischen den verschiedenen Problemfeldern aufmerksam machte: Umweltverschmutzung, Schuldenkrise, Bevölkerungsentwicklung und Wüstenbildung wurden nicht mehr isoliert betrachtet, sondern in Verbindung gebracht und damit die gemeinsame Problembewältigung als erforderlich gesehen. Der Begriff des Sustainable Development wurde 1992 auf der Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro in den Sprachgebrauch der Weltgemeinschaft aufgenommen. Auf der UN-Konferenz haben 178 Staaten akuten Handlungsbedarf festgestellt und für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien die Agenda 21 beschlossen. Darin verpflichten sie sich, in ihrem Land Nachhaltigkeit zu thematisieren und anzutreiben sowie generell ressourcenverantwortlich zu handeln. 1990 wurde die Alianza del Clima e.v. (Klima-Bündnis) von Vertretern europäischen Kommunen und indigenen Völkern der Regenwälder gegründet. Als Handlungsfelder wurden Energie, Verkehr, Tropenholz und Entwicklungszusammenarbeit festgelegt. Die Landeshauptstadt München ist seit 1991 Mitglied des Klima-Bündnisses. Der Stadtrat der Landeshauptstadt München hat sich in diesem Kontext zu den weitreichenden Zielen des Klimabündnisses verpflichtet - bis 2005 25% (bzw. bis 2010 50%) des CO 2 Ausstoßes zu reduzieren. 16

3.2 Nachhaltige Stadtentwicklung Einige der in der UN-Agenda behandelten Themen wurden auf Nachfolgekonferenzen vertieft. Das Handlungsfeld Siedlungsentwicklung wurde im Juni 1996 auf der 2. Konferenz der UN über Wohnen und Siedlungswesen (Habitat II) behandelt. Als Ausgangspunkt für eine nachhaltige Stadtentwicklung steht die These, dass die Welt des 21. Jahrhunderts eine verstädterte Welt sein wird, in der die Menschen nicht in einem globalen Dorf leben, sondern in einer globalen Agglomeration, wo nicht allein ökologischer Raubbau gestoppt, sondern auch räumliche und soziale Barrieren beseitigt werden müssen, um so die traditionelle Rolle der Städte neu zu definieren (Klaus Töpfer, High Level Segment, Rede Habitat II, 14. Juni 1996). Der Ansatzpunkt stellt die Entwicklung von Leitlinien nachhaltiger Stadtentwicklung in den Mittelpunkt: die Versorgung mit Wohnungen für Alle und die nachhaltige Planung menschlicher Siedlungen. Dabei wurde die Bedeutung von Siedlungen und Wohnen für eine nachhaltige Entwicklung in vielfältiger Hinsicht thematisiert: Stoffströme, Transportaufwendungen, Schadstoffproduktion, Flächeninanspruchnahme, Gleichwertigkeit von Lebensbedingungen, mitwirkungsorientierte Planungsprozesse, Eigentum an Wohnungen und Boden, Finanzierung von Siedlungen und Überprüfung der gesetzten Ziele durch Nachhaltigkeitsindikatoren (vgl. UN-Habitat; 1996). Die Habitat Agenda geht in ihren Zielen und Prinzipien weit über die Balance ökonomischer, ökologischer und sozialer Faktoren hinaus und bezieht auch räumliche und ästhetische Aspekte ein, denn die Lebensqualität der Menschen hängt, neben ökonomischen, sozialen, ökologischen und kulturellen Faktoren, auch von den physischen Bedingungen und der räumlichen Gestaltung unserer Städte ab (vgl. UN-Habitat 1996, Paragraf 30, frei übersetzt). Mit dem Städtebaulichen Bericht zur nachhaltigen Stadtentwicklung präzisierte das Bundesbauministerium Herausforderungen, Ziele und Wege der nachhaltigen Stadtentwicklung in Deutschland (vgl. BBR; 1996) und ergänzte dies durch eine Sammlung guter Beispiele. Diese Bemühungen fanden ihre Fortsetzung im Weltstädtebaukongress UR- BAN 21 in Berlin im Jahr 2000 und in Ex- WoSt-Forschungsprogrammen (z.b. Städte der Zukunft 1996-2003). Die Landeshauptstadt München war an dieser Entwicklung als Stadt, mit guten Beispielen und über einzelne Akteure beteiligt. Die Münchner Grundsätze nachhaltiger Stadtentwicklung sind in der PERSPEKTIVE MÜNCHEN für die Stadt formuliert. So werden die Prinzipien nachhaltiger Siedlungsentwicklung ortsbezogen angewendet, sie sollen nicht als Rezept verstanden werden, vielmehr als generelle Haltung, als Impetus, der die künftige Siedlungsund Stadtentwicklung tragen soll. Mit der Evaluation der Nachhaltigkeitsziele für die Messestadt Riem beschreitet München einen konsequenten Weg der nachhaltigen Stadtentwicklung, bei der sich die Stadt auch der Überprüfung ihrer Umsetzungsbestrebungen stellt. 17

4 Grundlagen und Methodik der Evaluierung Das Ziel der vorliegenden Evaluierung ist es, die Erreichung von Planungszielen für die Messestadt Riem bereits während des Realisierungsprozesses zu überprüfen. Im Rahmen der Evaluation wurde im Vorfeld auch aus pragmatischen Erwägungen eine Auswahl von Zielen getroffen, die in unterschiedlichen Handlungsfeldern betrachtet werden sollen. Dazu zählen neben den Bereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales auch städtebauliche Zusammenhänge, die sich aufgrund ihrer Struktur allerdings als übergeordnete Klammer betrachten lassen. 4.1 Ziele für die Messestadt Riem Welche Ziele und konkreten Zielwerte liegen der Planung und Realisierung der Messestadt Riem zugrunde und wie können sie für eine Evaluierung operationalisiert werden? Die Untersuchung soll Gewissheit über bereits erfüllte Ziele geben und über Ziele, denen im weiteren Prozess verstärktes Augenmerk gewidmet werden soll. Die Identifikation der selbst gestellten Ziele für die Messestadt Riem, die auch im Zusammenhang mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung bedeutsam sind, erfolgt anhand der Analyse von Publikationen und öffentlich verfügbarem Material. Dies bildet die Ausgangslage für eine Evaluierung der Messestadt, die sich damit auch am eigenen Anspruch messen lässt. Als Quelle der Zielaussagen stehen daher insbesondere die Broschüren über die Messestadt Riem zur Verfügung, die im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit erstellt wurden, sowie öffentliche Beschlüsse der kommunalen Gremien. Die für die Evaluation zusammengefassten Ziele für die Messestadt sind somit für die interessierten Leserinnen und Leser selbst überprüfbar und stellen für die kommunalen Planungsbeteiligten Elemente der Selbstbindung bei der Realisierung der Messestadt Riem dar. 4.2 Indikatoren als Anzeiger auf dem Weg zur Zielerreichung Geeignete Messgrößen ermöglichen eine Erfolgskontrolle einer nachhaltigen Stadtentwicklung und sind ein Instrument zur Überprüfung eines eingeschlagenen Kurses. Sie geben zugleich Auskunft über zwischenzeitlich eingetretene Abweichungen und können Anlass für notwendige Änderungen sein. Ausgewählte Indikatoren bilden den Anzeiger der Zielerreichung und umfassen sowohl quantitative als auch qualitative Merkmale. In zahlreichen Städten werden (Nachhaltigkeits-)Indikatoren zur Steuerung von Stadtentwicklung bereits eingesetzt. Die Erhebung von Messgrößen in den Handlungsfeldern Ökonomie, Ökologie und Soziales/ Kultur soll qualifizieren und Entscheidungsgrundlagen versachlichen. Indikatoren verbessern die Chancen von Politik und Verwaltung, auf Problemkonstellationen zeitnah und ortsbezogen reagieren zu können. Mit Indikatoren können auch die Wirkungen von Maßnahmen und Projekten der Stadtentwicklung effektiv überprüft werden, um das verwendete Instrumentarium hinsichtlich Effizienz und Effektivität an die festgestellten Erkenntnisse anzupassen. Dabei sind die Indikatoren aus politisch vereinbarten Zielen abzuleiten, denn nur dann ist eine indikatorengestützte Kontrolle des erreichten Erfolgs möglich. 18

Im Rahmen der Evaluierung der Messestadt Riem bilden die Ziele für die Münchner Stadtentwicklung und die Projektziele für die Entwicklung des neuen Stadtteils selbst die Grundlage der Indikatoren, dabei sind besonders zu benennen: PERSPEKTIVE MÜN- CHEN, Ökologische Bausteine für die Messestadt Riem und das Gewerbeflächenentwicklungsprogramm Standortperspektiven für die Wirtschaft der Landeshauptstadt München, sowie das Soziale Nutzungs- und Versorgungskonzept. 4.3 Besonderheiten der Evaluierung der Messestadt Riem: Maßstab und Zeitpunkt Von besonderer Bedeutung im Rahmen der vorliegenden Evaluierung ist die Auswahl von Maßstabsebene und Zeitpunkt. Die Evaluierung der Messestadt Riem verfolgt einen innovativen Ansatz, der gleichzeitig strategische Vorteile wie auch methodische Probleme beinhaltet. Räumliche Bezugsebene der Untersuchung ist die Messestadt Riem, als Stadterweiterungsgebiet Münchens. Somit stehen weder die Entwicklung der Gesamtstadt im Fokus des Interesses, noch einzelne Gebäude oder Freiflächen. Die Wahl des mittleren Maßstabs stellt für die Evaluierung dabei sowohl einen Vorzug wie einen Nachteil dar: Einerseits ermöglicht die Betrachtung auf Stadtteilebene die festgestellten Erfolge und Probleme konkret in ihren jeweiligen Ursachen zu verorten, andererseits stehen verschiedenste Daten auf Ebene des Stadtteils nicht oder nur in unzureichender Aussagekraft zur Verfügung. Eine besondere Herausforderung stellt die Beurteilung von sowohl stadtteil- als auch gesamtstädtischer Funktionen dar. Zudem erfolgt die Evaluierung bereits zur Halbzeit der Planungs- und Umsetzungsphase der Messestadt Riem. Da die Realisierung der Messestadt Riem bis zum Jahr 2013 projektiert ist, bieten sich Möglichkeiten, die Evaluierungsergebnisse funktionell nicht nur als Erfolgskontrolle, sondern ebenso als Entscheidungshilfen zukünftiger Planungen in der Messestadt zu verwenden. Gleichzeitig sind Ergebnisse und Bewertungen jedoch auch als vorläufig zu betrachten. Die Messestadt Riem ist noch ein junger Stadtteil: Zukünftige Entwicklungen können neue Untersuchungselemente bedingen und daher neue Bewertungen notwendig machen. Weitere Evaluationen im Realisierungsverlauf bzw. zum Abschluss der Messestadt Riem werden daher empfohlen. Dadurch, dass sie sich gleichrangig sowohl mit Umweltthemen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekten des Stadtteils befasst, stellt die Evaluierung jedoch bereits jetzt eine integrative Maßnahme dar, deren wesentliche Wirkung im Informations- und Wissenstransfer zwischen den verantwortlichen kommunalen Stellen und den politischen Entscheidungsträgern liegt. Zugleich soll eine Selbstkontrolle ermöglicht werden, in wie weit es der Landeshauptstadt gelungen ist, ihr Ziel der Entwicklung eines nachhaltigen Stadtteils Messestadt Riem zu erreichen und welche Wege notwendig sind, um dieses Ziel weiter zu verfolgen. 19

5 Ergebnisse der Evaluierung der Messestadt Riem Als Grundlage der Bewertung der Zielerreichung der Messestadt Riem dienen elf Themenfelder, die mit Hilfe von 32 Indikatoren sowie zusätzlichen Bewohner- und Nutzerurteilen beschrieben werden. Die Bewertung bezieht den Halbzeitstand ein und umfasst die Bereiche von Ökologie, Ökonomie und Soziales/Kultur. Die ausführliche Darstellung der einzelnen Themenfelder erfolgt im Anhang. 5.1 Themenbereich Ökologie Zentrale Ziele für die Messestadt Riem beziehen sich auf bewussten und schonenden Umgang mit den Ressourcen der Natur. Einleitung In den Leitlinien der PERSPEKTIVE MÜN- CHEN finden diese Ziele insbesondere in der Leitlinie Ökologie und Erhalt und Verbesserung der Mobilität für alle Verkehrsteilnehmer stadtverträgliche Verkehrsbewältigung ihren Niederschlag. Für die Messestadt Riem sind diese Leitlinien über die ökologischen Bausteine Teil I bis III formuliert und weiter konkretisiert. Ein wichtiges Augenmerk liegt dabei auf der begrenzten Ressource Boden, deren Umgang im Rahmen des Freimachungskonzepts sowie innerhalb der Ökologischen Bausteine I durch das Freiraumkonzept festgesetzt wird. Ziele sind die Schonung erhaltenswerter Strukturen und die Wiederverwendung von Materialien vor Ort, den Ausgleich zwischen Belangen von Erholung und Naturschutz sowie ökologischer Wertigkeiten (z.b. Frischluftschneise) und ein sparsamer Verbrauch von Boden durch Flächeneinsparung und angepasster Baustruktur. Die Ziele im Umgang mit weiteren natürlichen Ressourcen wie Wasser oder Luft sind in den Ökologischen Bausteinen in Form eigenständiger Konzepte behandelt, beispielsweise den Wasser- und Energiekonzepten, welche für die Messestadt die Einsparung dieser Ressourcen einerseits direkt beim Verbraucher thematisieren, andererseits versuchen, durch planerische Maßgaben und Konzepte (z.b. Regenwassernutzung, Versickerung, umweltfreundliche Energieerzeugung) bereits im Vorfeld einen ökologisch tragfähigen Weg zu beschreiten. Ressourcenschonung auf mehreren Ebenen zugleich soll zudem durch ein stadt- und umweltverträgliches Verkehrskonzept für die Messestadt Riem erreicht werden, welches in den Ökologischen Bausteinen I formuliert ist. Die Verkehrsverlagerung und Stärkung des Umweltverbundes (ÖPNV, Fahrrad, zu Fuß) im Gebiet der Messestadt sollen dazu beitragen, Emissionen zu vermeiden und Freiraumqualitäten in Natur- und Erholungsräumen gleichermaßen zu stärken. Um die Zielerreichung dieser Vorgaben zu überprüfen, werden die Themen Bodenschutz, Arten- und Biotopschutz, Umgang mit Wasserhaushalt und Klimaschutz sowie stadtverträgliche Verkehrsbewältigung mit Hilfe geeigneter Indikatoren untersucht und bewertet. 20

Bewertung Der verantwortungsvolle Umgang mit der Ressource Boden entscheidet sich in erster Linie in der Wiedernutzung bereits genutzter Siedlungsflächen und dabei maßgeblich durch die Verteilung der Nutzung auf der Fläche und der Intensität der Nutzung (Dichte). Die Nutzungsverteilung der Messestadt zeigt neben der Konzentration von Siedlungs- und Verkehrsflächen im Norden und dem damit einhergehenden geringeren Zerschneidungsgrad von naturnahen Flächen, sowie einer geringstmöglichen Neuversiegelung einen hohen Anteil an Grünflächen, der mehr als 50 Prozent der Fläche der Messestadt einnimmt. Die angestrebte Drittellösung, die sich ursprünglich auf das Gebiet des ehemaligen Flughafens Riem bezog, hat sich durch die Hinzunahme von Freiflächen im Süden und Westen zu Gunsten des Grünanteils verschoben. Der Anteil der naturschutzfachlich wertvollen Flächen (extensive, landschaftsgerechte Flächen und Ausgleichsflächen) beträgt mit 133,5 Hektar knapp die Hälfte der Grünflächen der Messestadt Riem. Der Großteil der Naturschutzflächen liegt dabei im Landschaftspark, dem eine stadtweite Bedeutung für die Belange des Naturschutzes und der Erholung zukommt. Die Dichte im Siedlungsgebiet selbst nimmt ausgehend vom Landschaftspark im Süden nach Norden hin kontinuierlich zu und schafft damit eine insgesamt hohe bauliche Dichte auf einem abgegrenzten Siedlungsgebiet. Gemessen an der gegenwärtigen Dichte ist für den Endausbauzustand 2013 von einer Einwohner- und Arbeitsplatzdichte von mehr als 13.500 Einwohnern+Arbeitsplätzen pro km² Siedlungs- und Verkehrsfläche auszugehen. Trotz des hohen Anteils an Grünfläche liegt die Dichte in der Messestadt somit höher als der Mittelwert der Gesamtstadt München (12.000 Einwohnern + Arbeitsplätzen pro km² Siedlungs- und Verkehrsfläche) und übertrifft damit auch die Planwerte, die gegenwärtig für den Endbauzustand angestrebt werden um etwa 30 Prozent. Dies bedeutet einen geringen Bodenverbrauch pro Kopf, wie es als ökologisches Ziel der Messestadt angestrebt wurde. Der Verbrauch an Trinkwasser und Energie in der Messestadt kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden, da durch den kontinuierlichen Zuzug neuer Bewohner Verbrauchsdaten pro Kopf nicht verlässlich ermittelt werden können. Anhand einer Untersuchung für (ökologisch) als herausragend betrachtete Objekte im Rahmen des Bauherrenpreises konnten jedoch technische Maßnahmen zur Wasser- und Energieeinsparung nur in geringem Maße festgestellt werden: Regenwassernutzung als Ersatz für Trinkwasser findet kaum statt, sondern wird in der Regel lediglich versickert. Photovoltaik- Anlagen wurde nur bei einem privaten Objekt in der Messestadt installiert. Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung bleiben die Ausnahme und hinsichtlich des ökologischen Bauens finden sich nur wenige herausragende Beispiele. Durch den zukünftigen Einsatz von Geothermie für das Nahwärmenetz der Messestadt kann jedoch ein vergleichsweise geringer spezifischer Gesamt- CO 2 -Ausstoß für die Energieversorgung in der Messestadt Riem angenommen werden. Für die Nutzung von Verkehrsmitteln liegen keine kleinräumigen Nutzungserhebungen vor. Es lässt sich jedoch feststellen, dass die Haushalte in der Messestadt geringfügig weniger private Kraftfahrzeuge besitzen als der durchschnittliche Haushalt in München. Die Haushalte sind jedoch größer, woraus eine höhere Mitfahrerdichte resultiert bzw. die Nutzung anderer Verkehrsmittel durch die Haushaltsmitglieder erfolgt. Eine dementsprechend stärkere Nutzung des MVV lässt sich anhand des Anteils an Abo-Zeitfahrkarten des ÖPNV gegenwärtig nicht nachweisen. Ebenfalls unklar ist, ob der Verzicht auf PKW 21

ökologisch oder ökonomisch motiviert ist. Der hohe Anteil an staatlich und kommunal geförderten Wohnungen und Personen mit geringem Einkommen macht eine ausschlaggebende ökonomische Motivation wahrscheinlich. Als, für die Interpretation einschränkend, ist grundsätzlich die noch geringe Wohndauer und spezifische Haushaltsstruktur der Messestädter zu beachten, so dass hinsichtlich der PKW-Nutzung noch Verschiebungen möglich sind. Dem Ziel der Förderung des Umweltverbundes gegenüber dem motorisierten Individualverkehr wird planerisch durch die fast vollständige Abdeckung des Siedlungsgebietes durch den ÖPNV positiv Rechnung getragen. Der gute Anschluss der Messestadt an das ÖPNV-System wird auch von den Bewohnern als Zuzugsgrund angegeben. Nicht umgesetzt werden konnte das Kernziel des Parkraumkonzepts, das eine reduzierte Anzahl an Stellplätzen mit Hilfe eines rollierenden Systems (nicht fest zugewiesene Bewohnerparkplätze) realisieren sollte. Es scheiterte am Widerstand der Bewohner und wurde für die folgenden Bauabschnitte nicht weiter verfolgt. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, dass Konzepte und Planungen für einen nachhaltigen Stadtteil von allen Akteuren getragen werden müssen, wenn sie die beabsichtigte Wirkung entfalten sollen. Dies ist beim Parkraumkonzept nicht gelungen. Für zukünftige Planungen ist der Aspekt der Kommunikation zur Herstellung der Akzeptanz daher stärker zu berücksichtigen. Schlussfolgerungen Der hohe Erreichungsgrad der gestellten ökologischen Ziele kann auf drei maßgebliche Ursachen zurückgeführt werden: Die bauliche Dichte und Anordnung des Siedlungskörpers, die Entscheidung für die Anlage eines Landschaftsparks im Münchner Osten sowie die gute ÖPNV-Anbindung, die durch die Verlängerung der U-Bahnlinie 2 erreicht werden konnte. Baustruktur, Anordnung der Siedlungsflächen und in besonderem Maße der Landschaftspark führen gemeinsam zu einer punktuell hohen Dichte und damit zu einer insgesamt guten Freiflächenbilanz. Die Anlage des Landschaftsparks ist somit ein Schlüsselelement für den Erfolg auf dem Weg zu einem nachhaltigen Stadtteil, die Entscheidung, seine Fläche nicht als Siedlungsfläche zu verwenden ist von hoher ökologischer Wertigkeit. Seine Wirkung beschränkt sich nicht nur auf die Messestadt, sondern erstreckt sich durch sein Flächenangebot und seine klimatischen Funktionen auf die Gesamtstadt. Er hat zu den ökologisch positiven Effekten zudem noch Auswirkung auf die Versorgung mit Erholungsflächen, die sich ebenfalls in einem, für Münchner Verhältnisse, überdurchschnittlich hohem Angebot zeigt. Eine hohe Dichte (und damit Nutzungsintensität der verfügbaren Siedlungsfläche) aufgrund von Baustruktur und Belegung sollte jedoch nicht per se als nachhaltig beurteilt werden. Dem geringeren Flächenverbrauch und der unter ökologischen Gesichtspunkten sinnvollen, hohen Dichte steht eine hohe Einwohnerdichte gegenüber, die auch soziale Konflikte begünstigen und die Lebensqualität der Bewohner beeinträchtigen kann. Jedoch finden sich auch weitere positive Effekte, wie beispielsweise die Begünstigung der Tragfähigkeit von Infrastruktureinrichtungen durch eine 22

hohe Dichte. Hier sind mögliche Zielkonflikte zwischen den ökologischen und sozialen Zielen der Nachhaltigkeit abzustimmen. Die gute Anbindung an das Schnellbahnnetz der Stadt München ist ebenfalls von hoher ökologischer Bedeutung. Die Entscheidung hierfür ist jedoch nicht primär dem ökologischen Nachhaltigkeitsgedanken geschuldet, sondern der Realisierung der Neuen Messe München in Riem und der hierfür benötigten Infrastruktur. Ohne die Anlage der Messe wäre ein U-Bahnanschluss für das Wohn- und Gewerbegebiet der Messestadt möglicherweise nicht oder nicht frühzeitig erfolgt. Die ökologische Bedeutung der U-Bahnanbindung ist als ein Zusatznutzen zu der ökonomischen Wertigkeit zu begreifen. Ungeachtet der Gründe der Realisierung entfaltet sie jedoch ihre positive Wirkung auf das Ziel der Verlagerung von Verkehrsströmen auf umweltverträglichere Verkehrsmittel, da sie für die Bewohner die Anbindung an die Innenstadt sichert. Ökologisches Bauen im Sinne von geringer Ressourcenbelastung während der Nutzungsphase ist für die Messestadt nicht als Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Stadterweiterungen zu sehen. Das Mittel der Bauherrenpreise bietet für ökologisches Bauen einen nur geringen Anreiz. Es ist nicht davon auszugehen, dass durch den Bauherrenpreis eine Verbesserung der Bauqualität erreicht wurde. Der Preis ist somit eher als Außenwirkungseffekt (Image) und nicht als Innenwirkungseffekt (Förderung ökologischen Bauens) zu betrachten. Weitere Anreiz- Instrumente für ökologisches Bauen wurden nicht eingesetzt. Mit zunehmender Realisierung der Messestadt ist hinsichtlich der Themenfelder Wasserhaushalt und Klimaschutz zu denen nur unsichere Daten vorliegen, aber auch Abfallaufkommen (zu dem zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Daten vorhanden sind), zukünftig mit einer Verbesserung der Aussagekraft zu rechnen. Stabile Daten sind zu erwarten, sobald ein Bauabschnitt vollständig ist und die Bewohner einige Jahre dort gewohnt haben. Ebenfalls wird mit höherer Einwohnerzahl und längerer Wohndauer das Themenfeld stadtverträgliche Verkehrsbewältigung genauere Aussagen zum Nutzungsgrad des ÖPNVs erlauben. Eine Überprüfung der Belegungsdichte und der Nutzungsintensität sollte kontinuierlich erfolgen, denn Veränderungen in der Belegungsdichte haben direkten Einfluss auf die ökologische Bewertung des Flächenverbrauchs. Hier sind im weiteren Realisierungsverlauf der Messestadt Veränderungen möglich und zu erwarten. 23

5.2 Themenbereich Ökonomie Die Entwicklung des neuen Stadtteils soll den Wirtschaftsstandort München stärken ohne dabei einen negativen Einfluss auf den kommunalen Haushalt auszuüben. Einleitung Die Leitlinie der PERSPEKTIVE MÜN- CHEN Sicherung und Förderung von Beschäftigung und wirtschaftlicher Prosperität wird auch mit der Realisierung der Messestadt verfolgt. Um dies zu erreichen, ist es innerhalb Münchens wichtig, Unternehmen am Standort München zu halten oder neu anzusiedeln. Das Gewerbeflächenentwicklungsprogramm der Landeshauptstadt München führt als Ziel weiter aus, die Bereitstellung geeigneter Standorte für das klassische Gewerbe gleichzeitig mit der Schaffung räumlicher Entwicklungspotentiale für neue Technologien und Produktionsformen zu verfolgen. Hierfür sind in der Messestadt die Flächen der beiden Gewerbegebiete Nordwest und Nordost vorgesehen, und zwar mit zwei unterschiedlichen Schwerpunkten: Im Gewerbegebiet Nordwest ist die Förderung von Unternehmen mit Schwerpunkt Neue Technologien vorgesehen. Mit büroorientierten Nutzungen sollen, sowohl Eigennutzer als auch Mieter der Gebäude, nicht-störende Betriebe angesiedelt werden. Anders sind die Strukturen im Gewerbegebiet Nordost: Hier ist das produzierende, durchaus auch mit Emissionen verbundene Gewerbe zu Hause. Beide Gebiete umschließen die Neue Messe Riem und sind an der Autobahn ausgerichtet. Die Leitlinie Sicherung und Förderung von Beschäftigung und wirtschaftlicher Prosperität der PERSPEKTIVE MÜNCHEN bedeutet für die Messestadt Riem zum einen die Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten für bestimmte Bevölkerungsgruppen (insbesondere Teilzeitarbeitsplätze), die besonders für Frauen mit Familienbindung wichtig sind, die damit die Arbeit in Familie und Beruf verbinden können. Zum anderen soll im Rahmen der Beschäftigung auch die räumliche Verzahnung von Wohnen und Arbeiten gefördert werden. Die enge räumliche Verbindung von Wohnen und Arbeiten ist ein übergeordnetes Planungsziel für die Messestadt, das ein verändertes Planungsverständnis beschreibt. Damit wird versucht, Wege in der Stadt zu verringern, monostrukturierte Standorte aufzubrechen und die Stadtviertel langfristig lebendiger zu gestalten. Ökonomisch gesehen ist es aus städtischer Sicht ebenfalls wichtig, die Entwicklungsmaßnahme Messestadt haushalterisch sinnvoll zu betreiben. Eine Realisierung der Messestadt hätte aufgrund der Größenordnung der Maßnahme den kommunalen Haushalt überfordert. Trotz der Ausgliederung der Haushaltsmittel in ein Maßnahmeträgermodell ist ein langfristiges Ziel, die Entwicklung haushaltsneutral zu realisieren, so dass Einnahmen und Ausgaben für die grundsätzlich von städtischer Seite vorzunehmenden Aufgaben ausgeglichen sein sollen. 24

Bewertung Die Bewertung der Zielerreichung hinsichtlich der Beschäftigungssituation erfolgt durch Daten, die einer Erhebung im Rahmen der Untersuchung entnommen wurden, da keine kleinräumigen Beschäftigungsdaten für die Messestadt innerhalb der amtlichen Statistik vorliegen. Wichtig ist hierbei die Gesamtzahl aller Beschäftigten, sowie die damit in Verbindung stehende Teilzeitquote und die Anzahl der Beschäftigten, die in der Messestadt wohnen. Alle im Rahmen der Erhebung ermittelten Werte wurden aufgrund von Angaben in den Gesprächen mit Unternehmern und anderen Akteuren auf die gesamte Messestadt geschätzt und zum derzeitigen Stand ermittelt, der keine Entwicklungslinie beinhaltet. Es wird deutlich, dass die Beschäftigungssituation in der Messestadt von den angestrebten Zielwerten abweicht. Aufgrund des gegenwärtigen Flächenbedarfs pro Arbeitsplatz, der von den Planwerten abweicht (Planwert 55 qm im Verhältnis zu real 29 qm BGF/ Arbeitsplatz), kann bei vollständiger Realisierung für den Endausbauzustand von einer Gesamtzahl von knapp 21.000 Beschäftigten gegenüber den Plandaten von 14.000 ausgegangen werden. Zum derzeitigen Stand liegen die Beschäftigtendaten jedoch noch ca. 50 Prozent hinter den Plandaten zurück. Hierbei muss zwischen den beiden Gewerbegebieten unterschieden werden: Das Gewerbegebiet Nordwest am Eingang der Messestadt wirkt unfertig. Einige wichtige Grundstücke sind noch nicht bebaut, die Realisierung somit noch nicht abgeschlossen. Dies wird im Allgemeinen durch das vorherrschende Überangebot an Büroflächen in München und im Speziellen durch die geringe Vermietungsquote in der Messestadt verursacht. Langfristig ist davon auszugehen, dass sich der Büroflächenmarkt Messestadt innerhalb der Stadt München als Teilmarkt etablieren wird. Erste Hinweise in diese Richtung ergeben sich aufgrund der steigenden Vermietungsleistung in einzelnen Gebäuden (u.a. Cityquartier, Wappenhalle). Die Situation im nord-östlichen Teil stellt sich deutlich anders dar: Hier sind die Beschäftigungszahlen erreicht und eine Ausweitung des Flächenangebots auf den 2. Teil des Gewerbegebiets für weitere produzierende Unternehmen wird empfohlen. Die Erhebung ergab keine Hinweise auf besondere, ökonomisch-nachhaltige Wirtschaftsweisen, die in der Messestadt eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang ist die Teilzeitquote zu nennen, die in der Messestadt derzeit nicht signifikant über den durchschnittlichen Verhältnissen in Deutschland liegt. Die unterdurchschnittliche Arbeitslosendichte der Bewohner der Messestadt ist jedoch ein Zeichen einer guten Integration in den Arbeitsmarkt, trotz des hohen Anteils an Empfängern von Transferleistungen. Die grundlegende städtebauliche Struktur der Messestadt will dazu einladen, Wohnen und Arbeiten in räumlicher Nähe zueinander ohne weite Wege in Kauf nehmen zu müssen stattfinden zu lassen. Um keine wesentlichen Beeinträchtigungen der Wohnlagen durch gewerbliche Unternehmen entstehen zu lassen, hat man die Standorte voneinander getrennt, so dass in der räumlichen Vorstellung von Bewohnern und Unternehmern jeweils die Messestadt an der Willy-Brandt- Allee endet. Eine wirkliche Integration dieser beiden Funktionen hat auch aufgrund der kurzen Zeit, die die Messestadt bislang besteht, nicht stattfinden können, auch längerfristig ist dies fraglich; außerdem passen Qualifikationsniveau und -anforderungen gegenwärtig nicht zueinander. 25