Zum Zusammenhang von privatem Reichtum und öffentlicher Armut

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Transkript:

Zum Zusammenhang von privatem Reichtum und öffentlicher Armut Einleitung Auch wenn dies in öffentlichen Debatten hin und wieder bestritten wird: In Deutschland hat Ungleichheit zu- und Verteilungsgerechtigkeit abgenommen. 1 Besonders ungleich verteilt sind die Vermögen in Deutschland. Nach Angaben von Stefan Bach, Wissenschaftler am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, besitzen die 45 reichsten Deutschen so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. 2 Dabei hat sich die Anhäufung von Vermögen an der Spitze nach Überwindung der Weltwirtschaftskrise in Deutschland merklich erhöht Vermögenszuwächse waren insbesondere hier zu verzeichnen. Diese Konzentration von privatem Reichtum geht einher mit öffentlicher Armut: Der Staat ist auf allen Ebenen finanziell unterfinanziert. Dies hat zur Folge, dass die deutschen Bildungsausgaben im Vergleich der OECD-Länder relativ gering ausfallen, und unter anderem deshalb der Bildungserfolg in Deutschland besonders stark von der sozialen Herkunft abhängt. Die Verteilung der Vermögen in Deutschland Die aktuellste und genaueste Schätzung zur Verteilung des Haushaltsnettovermögens in Deutschland ist in diesem Jahr von Wirtschaftswissenschaftlern des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) publiziert worden. 3 Die Zahlen beruhen zum einen auf einer Erhebung der Bundesbank aus dem Jahr 2014 und den Angaben des Manager Magazins zu den reichsten Personen in Deutschland. Auf dieser Basis ermitteln die DIW-Wissenschaftler für Deutschland ein Nettovermögen in Höhe von insgesamt knapp 9,5 Billionen Euro. Damit ist das gesamte Nettovermögen, das sich wie in Abbildung 1 dargestellt verteilt, gegenüber der ersten Erhebung in den Jahren 2010/11 um immerhin fast 900 Millionen Euro (elf Prozent) gestiegen. 1 Vgl. dazu die Beiträge in Eicker-Wolf, Kai/Truger, Achim (Hg.) (2017): Ungleichheit in Deutschland ein gehyptes Problem? Über die Verteilungsrealität und Möglichkeiten ihrer Gestaltung, Marburg. 2 So Stefan Bach in einem Interview mit dem SPIEGEL am 26.01.2018, http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/vermoegen-der-superreichen-das-verhoehnt-diechancengleichheit-a-1189919.html (abgerufen am 31.10.2018 um 13 Uhr). 3 Vgl. Bach, Stefan/Thiemann, Andreas/Zucco, Aline (2018): Looking for the Missing Rich: Tracing the Top Tail oft he Wealth Distribution, DIW Discussion Papers 1717, Berlin. 1

Abbildung 1: Die Verteilung des Vermögens in Deutschland in den Jahren 2010/11 und 2014 70 60 2010/11 62,8 63,8 50 2014 50,6 51,1 Prozent 40 30 33,1 31,4 20 10 0 Quelle: Bach u.a. (2018). Mit Blick auf die Verteilung des Vermögens in Deutschland fällt die die hohe Konzentration im oberen Bereich auf, die sich erstaunlicher Weise in dem doch vergleichsweise kurzen zeitlichen Abstand zwischen den beiden Befragungen merkbar erhöht hat. So besitzen im Jahr 2014 die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung fast 64 Prozent des gesamten Vermögens ihr Vermögensanteil ist gegenüber der ersten Erhebung um einen Prozentpunkt gewachsen. Noch stärker fällt die Konzentration des reichsten Prozent aus: Dieses verfügt 2014 über ein Drittel des gesamten Vermögens und verzeichnet einen Anteilsgewinn gegenüber 2010/11 in Höhe von 1,7 Prozentpunkten. Besonders hoch konzentriert ist das Vermögen an der Spitze: die reichsten 0,1 Prozent verfügen nach den aktuellen Zahlen für das Jahr 2014 über 17,4 Prozent des gesamten Nettovermögens. 2,6 2,3 3,4 3,5 1.-5. Zehntel Leider sind keine Zahlen zur Vermögensverteilung auf der Ebene der Bundesländer verfügbar. Aber in Hessen dürfte sich ein großer Anteil der Hochvermögenden befinden, da hohe Vermögen mit hohen Einkommen einhergehen. 4 So liegt Hessen bei der Anzahl der Millionäre pro 100.000 Einwohnern im Jahr 2014 auf einem der vorderen Plätze (vgl. Tabelle 1). 5,8 5,9 9,8 9,4 15,6 15,0 6. Zehntel 7. Zehntel 8. Zehntel 9. Zehntel 10. Zehntel Top 5% Top 1% Top 0,1% 16,1 17,4 4 Miriam Ströing/Markus M. Grabka/Wolfgang Lauterbach (2016): Hochvermögende in Deutschland unterscheiden sich nicht nur anhand ihres Vermögens von anderen Bevölkerungsgruppen DIW-Wochenbericht 42-2016). 2

Tabelle 1: Einkommensmillionäre in Deutschland im Jahr 2014* Bundesland Millionäre pro Hundertausend Millionäre Gesamteinkommen der Millionäre Pro Kopf- Einkommen der Millionäre Einwohner im Bundesland Hamburg 54,8 961 2.439.974.758 2.538.996 1.754.600 Bayern 33,6 4.255 11.936.017.941 2.805.175 12.647.900 Baden-Württemberg 30,5 3.255 9.321.339.646 2.863.699 10.674.000 Hessen 26,8 1.624 4.401.859.176 2.710.504 6.069.700 Bremen 25,8 170 545.589.405 3.209.349 659.600 Nordrhein-Westfalen 25,2 4.443 11.916.429.272 2.682.068 17.605.000 Schleswig-Holstein 20,9 590 1.446.111.968 2.451.037 2.823.400 Niedersachsen 19,8 1.549 3.917.973.844 2.529.357 7.808.600 Berlin 19,0 655 1.620.629.973 2.474.244 3.445.800 Rheinland-Pfalz 16,6 664 1.528.944.977 2.302.628 4.003.000 Saarland 8,5 84 149.822.516 1.783.601 989.900 Mecklenburg-Vorpommern 7,3 117 211.560.042 1.808.205 1.597.800 Brandenburg 6,9 168 330.199.406 1.965.473 2.453.500 Sachsen 6,2 251 459.849.129 1.832.068 4.050.800 Sachsen-Anhalt 5,0 112 173.101.504 1.545.549 2.240.100 Thüringen 4,7 101 322.612.228 3.194.180 2.158.800 *Das Einkommen eines Durchschnittsmillionärs in Deutschland beträgt etwa 2,7 Millionen Euro. Quelle: Statistisches Bundesamt. Die Situation der öffentlichen Haushalte Zwar scheint sich die Lage der öffentlichen Haushalte aufgrund der guten Konjunkturentwicklung nach Überwindung der Weltwirtschaftskrise recht entspannt darzustellen, und es ergeben sich zur Zeit auch gewisse haushaltspolitische Spielräume. Allerdings besteht aufgrund der Konsolidierungspolitik, die vor dem Hintergrund massiver Steuersenkungen ab dem Jahr 2001 und der Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz erfolgte, ein sehr hoher Ausgabenbedarf in wichtigen Bereichen auszumachen. 5 So ist bei den traditionellen öffentlichen Investitionen ein sinkender Trend auszumachen; aufgrund vieler Jahre mit negativen Nettoinvestitionen ist der öffentlichen Kapitalstock deutlich geschrumpft. Bei den Bildungsausgaben hinkt Deutschland im internationalen Vergleich hinterher und erfüllt bei sachgerechter Messung die vor mehr als zehn Jahren aufgestellten Ziele nicht. Die Situation der öffentlichen Haushalte in Hessen fügt sich in das für Deutschland insgesamt kurz skizzierte Bild ein. 6 In kleinerem Rahmen besteht im hessischen Landeshaushalt bei ähnlich gut 5 Vgl. hierzu Eicker-Wolf, Kai (2017): Wirtschaftswunderland. Eine Abrechnung mit der Wirtschaftspolitik von Gerhard Schröder bis heute, Marburg. 6 Eine ausführliche Darstellung und Bewertung der Entwicklung der öffentlichen Haushalte und der Finanzpolitik des Landes ist zu finden in Eicker-Wolf, Kai/Truger, Achim (2018): Investitionsstau trotz Einnahmesegens Bilanz und Perspektiven der hessischen Landesfinanzen unter Schwarz-Grün, in: Liv 3

laufender Konjunktur wie in den vergangenen Jahren ein gewisser Spielraum für zusätzliche Ausgaben. Hieran knüpft auch das 500 Millionen Euro sofort Programm der GEW an, das in den folgenden Jahren problemlos aus dem laufenden Haushalt zu finanzieren wäre. 7 Dieser Ausgabenspielraum ist auch bei weiterhin günstig laufender Konjunktur allerdings nicht geeignet, den erheblichen Ausgabenbedarf etwa im Bereich der staatlichen Infrastruktur komplett zu bedienen. Hier ist die Steuerpolitik gefragt: Zwar hat die Landesregierung hier kaum eigene Kompetenzen, aber sie könnte über den Bundesrat aktiv werden. Zum Aufkommenspotential der seit Ende der 1990er Jahre ausgesetzten Vermögensteuer liegen aktuelle Berechnungen von Wissenschaftlern des DIW vor, die das Vermögensteueraufkommen für verschiedene Modellannahmen berechnen. 8 Als Freibetrag werden ein oder zwei Millionen Euro unterstellt; berücksichtigt wird ferner, dass der Freibetrag auf 500.000 Euro abschmelzen kann. Zusätzlich wird berechnet, wie hoch das Aufkommen mit oder ohne einen Freibetrag für Betriebsvermögen in Höhe von fünf Milliarden Euro ausfällt. Dieses liegt bei einem Steuersatz in Höhe von einem Prozent und je nach persönlichem Freibetrag bei knapp 11 bis 22,6 Milliarden Euro. Das Aufkommen steigt auf bis zu 25 Milliarden Euro im Falle eines progressiven Tarifs: Unterstellt wird ein Grenzsteuersatz in Höhe von 1,25 Prozent ab 10 Millionen Euro und von 1,5 Prozent ab 20 Millionen Euro. Das Aufkommen aus der Vermögensteuer in Hessen würde sich nach Länderfinanzausgleich auf dieser Grundlage jährlich zwischen knapp 1 und 2 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen bewegen. Dizinger/Kai Eicker-Wolf/Michael Rudolph (Hg.), Verlässlich gestaltet Perspektiven eröffnet? Bilanz und Aussicht der Landespolitik in Hessen, Marburg. 7 Vgl. dazu Eicker-Wolf, Kai/Truger, Achim (2018a): Finanzpolitische Spielräume nutzen und erweitern, in: HLZ 4/2018. 8 Bach, Stefan/Beznoska, Martin/Thiemann, Andreas (2016): Aufkommens- und Verteilungswirkungen einer Wiedererhebung der Vermögensteuer in Deutschland. DIW Berlin: Politikberatung kompakt 108, Berlin und Bach, Stefan/Thiemann, Andreas (2016): Hohes Aufkommenspotential bei Wiedererhebung der Vermögensteuer, in: DIW Wochenbericht 4/2016. 4

Wiedererhebung der Vermögensteuer nicht nur ökonomisch sinnvoll Vorarbeiten zum letzten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung haben gezeigt, dass wohlhabende Personen erheblichen gesellschaftlichen Einfluss ausüben. Je größer das Vermögen ist, desto häufiger sind Verbindungen in Wirtschaft und Politik. 9 Zwar befürworten laut einer repräsentativen Befragung im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung 68 Prozent der Bevölkerung die Wiedererhebung der Vermögensteuer. 10 Trotzdem sind in den vergangenen Jahren keine ernstzunehmenden entsprechenden politischen Initiativen erfolgt. Der entscheidende Grund hierfür dürfte sein, dass Vermögende in der Politik die Richtung vorgeben. So ist der Bundestag in seinen Entscheidungen viel stärker den Interessen derjenigen gefolgt, die höhere Einkommen beziehen und höheren Berufsgruppen angehören. Und die Anliegen derjenigen, die wenig Geld haben oder unteren sozialen Gruppen angehören, finden systematisch weniger Beachtung. 11 Ein Beispiel ist die Vermögensteuer: Je höher das Einkommen ist, desto skeptischer wird die Wiedererhebung der Vermögensteuer gesehen. 9 Vgl. Rövekamp, Marie (2016): So ticken Deutschlands Superreiche, DER TAGESSPIEGEL vom 20.02.2017, https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/das-millionaers-gen-so-ticken-deutschlandssuperreiche/19410774.html, abgerufen am 25.10.2018 um 14.40 Uhr 10 Mau, Steffen/Heuer, Jan-Ocko (2016): Wachsende Ungleichheit als Gefahr für nachhaltiges Wachstum Wie die Bevölkerung über soziale Unterschiede denkt, Bonn. 11 So die empirischen Befunde von Elsässer, Lea/Hense, Svenja/Schäfer, Armin (2017): Dem deutschen Volke? Die ungleiche Responsivität des Bundestags, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft 27, S. 161 180 (online: http://www.armin-schaefer.de/wp-content/uploads/2014/05/els%c3%a4sser-hense-sch%c3%a4fer-17-1.pdf, abgerufen am 25.10.2018 um 15.05 Uhr). 5