Larvalökologie und Habitatbindung des Großen Waldportiers Hipparchia fagi Scopoli 1763 (Nymphalidae: Satyrinae) in den Rebböschungen des Kaiserstuhls

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Transkript:

Larvalökologie und Habitatbindung des Großen Waldportiers Hipparchia fagi Scopoli 1763 (Nymphalidae: Satyrinae) in den Rebböschungen des Kaiserstuhls Grundlagen für eine naturschutzfachliche Bewertung des Brandmanagements Verena Möllenbeck

Westfälische Wilhelms-Universität Münster Institut für Landschaftsökologie Robert-Koch-Straße 26 48149 Münster Larvalökologie und Habitatbindung des Großen Waldportiers Hipparchia fagi Scopoli 1763 (Nymphalidae: Satyrinae) in den Rebböschungen des Kaiserstuhls Grundlagen für eine naturschutzfachliche Bewertung des Brandmanagements Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Diplom-Landschaftsökologin vorgelegt von VERENA MÖLLENBECK aus Oberhausen im Juli 2006 Gutachter: Dr. Thomas Fartmann (Westfälische Wilhelms-Universität, Münster) Gabriel Hermann (Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung, Filderstadt)

Verzeichnisse Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung... 1 2 Grundlagen zu Untersuchungsraum und Untersuchungsgebieten...3 2.1 Naturräumliche Gegebenheiten des Kaiserstuhls...3 2.2 Winterlicher Böschungsbrand und Ökologisches Monitoring...4 2.3 Untersuchungsgebiete...5 2.4 Vegetationsstruktur der Böschungen...7 3 Artcharakterisierung des Großen Waldportiers Hipparchia fagi... 10 3.1 Systematik...10 3.2 Verbreitung und Bestandesentwicklung, Gefährdung und Schutz...10 3.3 Morphologie...11 3.4 Biologie...12 3.5 Ökologie und Habitatansprüche...14 4 Larvalökologie... 17 4.1 Methoden...17 4.1.1 Erfassung von Präimaginalstadien...17 4.1.2 Habitatcharakterisierung und Analyse von Strukturpräferenzen der Präimaginalstadien...18 4.1.3 Methodenkritik...20 4.2 Ergebnisse...20 4.2.1 Erfassungserfolg...20 4.2.2 Wirtspflanzen und Eiablage...21 4.2.3 Habitatcharakterisierung und Strukturpräferenzen der Präimaginalstadien...23 4.2.4 Ergänzende larvalökologische Beobachtungen...28 4.3 Diskussion...29 4.3.1 Larvalhabitat und Wirtspflanze...29 4.3.2 Mikrohabitat...31 4.3.3 Sonstige larvalökologische Beobachtungen...33 5 Imaginalökologie...34 5.1 Methoden...34 5.1.1 Erfassung...34 5.1.2 Auswertung...35 5.1.3 Methodenkritik...35 5.2 Ergebnisse...36 5.2.1 Beobachtungen und Phänologie...36 5.2.2 Verhaltensweisen und Verhaltensökologie...37 5.2.3 Strukturpräferenzen...39 5.2.4 Aufenthaltsverteilung in den Untersuchungsgebieten...39 5.2.5 Ergänzende Beobachtungen außerhalb der Untersuchungsgebiete...41 I

Verzeichnisse 5.3 Diskussion...41 5.3.1 Phänologie und Flugaktivität...41 5.3.2 Anmerkungen zu den Verhaltensbeobachtungen...42 5.3.3 Strukturpräferenzen und Habitatkomponenten...43 5.3.4 Unterschiede zwischen den Untersuchungsgebieten...44 6 Auswirkungen von winterlichem Böschungsbrennen auf Hipparchia fagi...45 6.1 Methoden...45 6.2 Ergebnisse...46 6.3 Diskussion...46 7 Zusammenfassende Diskussion...49 8 Zusammenfassung... 51 9 Literaturverzeichnis...52 10 Glossar und Abkürzungen...57 Anhang A (Untersuchungsgebiete und Karten) Anhang B (Strukturtypeneinteilung) Anhang C (Ergebnisse und Ergänzungen) Anhang D (Art- und Habitatbilder) II

1 Einleitung 1 Einleitung Dem Großen Waldportier Hipparchia fagi SCO- POLI 1763 (Nymphalidae: Satyrinae) kommt in den Böschungskomplexen der Rebgebiete des Kaiserstuhls eine wesentliche Bedeutung für den Artenschutz zu. Die Art hat im Naturraum Kaiserstuhl ihr bundesweit letztes bekanntes Vorkommen und ist hier, wie auch in anderen Teilen des Areals, stark gefährdet (EBERT & RENNWALD 1991b, PRET- SCHER 1998, EBERT et al. 2005, vgl. Kap. 3.2). Die Böschungen der Rebterrassen sind ein charakteristisches Element der Kaiserstühler Kulturlandschaft. Sie dienen aus naturschutzfachlicher Sicht nicht nur der Vernetzung von Habitaten (insbesondere von Magerrasen), sondern stellen auch einen eigenständigen Lebensraumkomplex dar (BUCHWEITZ et al. 2006). Nutzungs- oder Pflegemaßnahmen, wie das in den Böschungen probeweise durchgeführte kontrollierte winterliche Brennen (vgl. Kap. 2.2), sind unter Berücksichtigung verschiedener Zielarten auf ihre Naturverträglichkeit hin zu überprüfen. H. fagi ist daher eine der untersuchten Arten in dem das Brennen begleitenden Ökologischen Monitoring zum Feuer-Management auf Brandböschungen im Kaiserstuhl (vgl. BUCHWEITZ et al. 2006, Kap. 6). Grundlagen für den effektiven Schutz von Arten und eine naturschutzfachliche Beurteilung der Auswirkungen von Maßnahmen sind das Wissen über die Verbreitung und Häufigkeit der Art im Untersuchungsraum sowie detaillierte aut- und synökologische Kenntnisse (SHREEVE et al. 2004, WALLISDE- VRIES 2004, DENNIS et al. 2006). Für Tagfalter ist neben Isolation und Flächengröße die Habitatqualität entscheidend für das Überleben in der Kulturlandschaft (DENNIS & EALES 1997, THOMAS et al. 2001, ANTHES et al. 2003, WALLISDEVRIES 2004). Habitatqualität beinhaltet dabei zum einen die Qualität des Imaginalhabitats, in dem artspezifische Ressourcen (wie z.b. Orte zur Thermoregulation oder zur Geschlechterfindung) bereit stehen müssen (DENNIS et al. 2003, DENNIS 2004a, b, SHREEVE et al. 2004, DENNIS et al. 2006), und zum anderen die Qualität des Larvalhabitats. Aufgrund ihrer geringen Mobilität und langen Entwicklungsdauer haben die Larvalstadien dabei oft die weitaus spezifischeren Ansprüche als die Imagines (FARTMANN 2004, FARTMANN & HERMANN 2006, GARCÍA-BARROS & FARTMANN 2006). Im Kontext des winterlichen Böschungsbrennens sind die Eigenschaften des Larvalhabitats von H. fagi zudem von besonderer Bedeutung, da die Art zum Zeitpunkt eines möglichen Brandereignisses (Dezember bis Februar) im Raupenstadium überwintert, eine Beeinträchtigung also vorrangig im Larvalhabitat zu erwarten wäre. Obgleich larvalökologische Fragestellungen zunehmend Gegenstand von Untersuchungen werden (z.b. BERGMAN 1999, BERGMAN 2000, LORITZ & SETTELE 2002, ANTHES et al. 2003, FARTMANN 2004, FARTMANN 2006, LEOPOLD 2006), ist der Kenntnisstand zum Wirtspflanzenspektrum und den larvalökologischen Ansprüchen zu vielen Tagfalterarten und dabei insbesondere zu den Augenfalterarten noch gering (BINK 1985, BERGMAN 2000, FARTMANN & HERMANN 2006, DENNIS et al. 2006). So sind auch für H. fagi die Bedürfnisse der Präimaginalstadien zwar in den Grundzügen bekannt, aber nicht detailliert untersucht (EBERT & RENNWALD 1991b, BENEŠ & KONVIČKA 2002, FARTMANN & HERMANN 2006). Auch zur Nachweisbarkeit der Art im Freiland über Präimaginalstadien gibt es bisher kaum Erfahrungen (HERMANN 1999, FARTMANN & HERMANN 2006). Aus dem Kaiserstuhl liegen zudem nur wenige Artnachweise von H. fagi vor (z.b. EBERT & RENNWALD 1991b). Im Rahmen des Ökologischen Monitoring der Brandböschungen bot sich zugleich die Notwendigkeit und Gelegenheit, die Habitatansprüche von H. fagi detailliert zu untersuchen. Die folgenden Fragestellungen werden im Rahmen dieser Arbeit bearbeitet: Welche Verbreitung und Häufigkeit hat H. fagi in den Rebböschungen des Kaiserstuhls? Welche Habitatansprüche haben die Imagines? Wie lassen sich die Larvalhabitate (meso- und mikrostandörtlich) charakterisieren? 1

1 Einleitung Wie lässt sich die Betroffenheit der Imaginal- und insbesondere der (potenziellen) Larvalhabitate und damit der Populationen von H. fagi durch winterliches Böschungsbrennen beurteilen? Inwieweit sind die verschiedenen Erfassungsmethoden zum Nachweis der Art geeignet? Daneben wurden weitere Daten zu Imaginal- und Larvalökologie und zum Lebenszyklus der Art gesammelt. Die Untersuchungen fanden auf zwei räumlichen Ebenen statt: auf Landschaftsebene lassen Lebensraum- und Imaginal-Kartierungen Aussagen über Verbreitung, Häufigkeit und Habitatansprüche der Falter zu (Kap. 5). Auf Ebene des Meso- und Mikrohabitates wird der Lebensraum der Präimaginalstadien 1 charakterisiert und Präferenzen analysiert (Kap. 4). Damit lassen sich neben Aussagen zur Betroffenheit von H. fagi durch das Böschungsbrennen (Kap. 6) auch allgemeine Aussagen, z.b. zur Nachweisbarkeit der Art (Kap. 7), machen. Einleitend gibt Kapitel 2 eine Überblick über den Untersuchungsraum und die Ausgangssituation und Vegetation in den Böschungen, und Kapitel 3 stellt den Literaturund Wissensstand zu H. fagi in Europa zusammenfassend dar. 1 Der Begriff Präimaginalstadien wird im Folgenden synonym mit dem Begriff Larvalstadien für die drei Entwicklungsstadien Ei, Raupe und Puppe verwendet. 2

8 Zusammenfassung 8 Zusammenfassung Der Große Waldportier Hipparchia fagi hat nach aktuellem Kenntnisstand sein deutschlandweit letztes Vorkommen im Kaiserstuhl. Auch in anderen Teilen des Areals ist die Art gefährdet, dennoch fehlen detaillierte Untersuchungen ihrer ökologischen Ansprüche. Insbesondere zu den Larvalhabitaten besteht wie bei den meisten Augenfalterarten hoher Forschungsbedarf. Die vorliegende Untersuchung stellt die Verbreitung und Häufigkeit von H. fagi in charakteristischen Ausschnitten der Reblandschaft des Zentralen Kaiserstuhls dar und zeigt die Habitatnutzung der Imagines auf. Auf Ebene des Meso- und Mikrohabitates werden die spezifischen Ansprüche der Präimaginalstadien als Schlüsselfaktoren herausgearbeitet. Die Anwendung in der Praxis finden die Ergebnisse in der naturschutzfachlichen Bewertung des im Kaiserstuhl versuchsweise praktizierten winterlichen Böschungsbrennens in Bezug auf die Art. Daneben werden Aussagen zur Nachweisbarkeit von H. fagi gemacht und ergänzende verhaltens- und larvalökologische Beobachtungen dargelegt. In allen vier Untersuchungsgebieten ist H. fagi verbreitet. Unterschiede zwischen den Gebieten und eine höhere Dichte in den Altgebieten entsprechen der Verteilung potenzieller Larvalhabitate. Die Imagines von H. fagi weisen eine Bindung an Böschungen mit lückiger Vegetation auf. Sie zeigen eine geringe Aktivitätsdichte und halten sich bevorzugt ruhend in Böschungen oder auf Wegen mit offenem Boden, Fels, Stein oder Schotter auf, sowie an Rebstämmen und -pfosten und, soweit vorhanden, auch an Bäumen und Sträuchern. Ruhende Verhaltensweisen, d.h. Ruhen, Sonnen und Ansitzen, sind bei Begehungen zudem vermutlich unterrepräsentiert. Bei den Männchen konnte sowohl Ansitzund Territorialverhalten als auch patrouillierendes Verhalten am Waldrand festgestellt werden. Durch Raupenfunde und Eiablagebeobachtungen konnte nachgewiesen werden, dass in den Rebböschungen wesentliche Larvalhabitate von H. fagi liegen. Die schwerpunktmäßig genutzten, klassischen Habitate sind Bromus erectus-dominanzbestände und fragmentarische Ausbildungen von Meso- und Xerobrometen. Darüber hinaus werden auch deren Versaumungsstadien sowie vereinzelt Lössböschungen mit lückiger, halbruderaler Vegetation besiedelt. Auf der Meso- und Mikroebene sind die Larvalhabitate neben der klimatisch besonders begünstigten Lage auf süd- bis südwestexponierten Böschungen insbesondere durch eine lückige Vegetationsstruktur mit geringer horizontaler wie vertikaler Krautschichtdeckung, einem entsprechend hohen Anteil offenen Bodens bzw. Bodenskelett und einer relativ hohen Streudeckung charakterisiert. Bevorzugt werden kräftige und streureiche Horste der im Naturraum einzig bedeutenden Wirtspflanzenart Bromus erectus (Aufrechte Trespe). Der Grashorst bietet den überwinternden und im (Früh-)Sommer nachtaktiven Raupen am Tage einen gegen Umwelteinflüsse gepufferten Lebensraum. Die Eier werden von den Weibchen einzeln an die Wirtspflanze Bromus erectus oder anderes trockenes Substrat angeheftet. Abhängig vom jeweiligen mikrostrukturellen Aufbau der Krautschicht erfolgt die Eiablage so, dass das Ei den größtmöglichen Strahlungsgenuss erfährt. Da Bromus erectus das einzige in dieser Form lückig-bestandsbildende, horstförmige Gras im Untersuchungsraum ist, ergibt sich aus der vegetationsstrukturellen und mikroklimatischen Präferenz eine Bindung von H. fagi an Bromus erectus als Wirtspflanze. Die Larvalhabitate von H. fagi und damit auch die Populationen der Art in den Böschungskomplexen sind nicht wesentlich vom kontrollierten winterlichen Böschungsbrennen betroffen. Aufgrund der lückigen Vegetation sind die Larvalhabitate strukturell nicht brennbar, zugleich unterliegen sie als Trocken- und Magerrasen weitgehend gesetzlichem Schutz ( 32 NatSchG BW). Eine Beeinträchtigung der Art durch das Böschungsbrennen im Rahmen der Allgemeinverfügung ist somit auszuschließen. Zur Erbringung des Artnachweises auf einer Fläche hat sich die nächtliche Raupensuche zwischen Mitte April und Mitte Mai als am besten geeignete Nachweismethode für H. fagi herausgestellt. 51