Eine Million Greifvögel



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Transkript:

62. Jahrgang Juli 2015 D: 4,95 A: 5,00 CH: CHF 8,20 07 2015 Georgien: Eine Million Greifvögel Windkraft und Vogelschutz Europäisches Highlight: Trondheimsfjord in Norwegen

Liebe Leserinnen und Leser, Windenergie ist seit vielen Jahren eines der am heftigsten diskutierten Themen im Natur- und Vogelschutz in Deutschland. Einerseits besteht eine breite Zustimmung zur Energiewende und zur Abkehr von Kohle, Öl, Gas und Atomkraft, andererseits wissen wir alle sehr genau, dass regenerative Energien negative Auswirkungen auf unsere Natur haben können. Denken Sie an endlose Maisäcker für Biogas, Photovoltaikanlagen in der freien Landschaft, die Anstauung unserer letzten naturnahen Bach- und Flussabschnitte durch Wasserkraftanlagen oder eben die Beeinträchtigung von Landschaften und die Vertreibung und Tötung von Vögeln und Fledermäusen durch Windkraftanlagen. Im vorliegenden Heft greifen wir dieses Thema gleich in zwei Beiträgen auf, um zu einer Versachlichung der Diskussion beizutragen. Schwarzstorch. Foto: T. Krumenacker. Viele von uns haben Vogelhäuschen in ihren Gärten, ich auch. Dabei sollten wir niemals vergessen, dass Nistkästen für Höhlenbrüter eigentlich nur ein zweitklassiger Ersatz sind für natürliche Baumhöhlen. Unbestritten, Vogelhäuschen haben sich seit über hundert Jahren bewährt. Zunächst wurde als Baumaterial Holz, später auch Holzbeton verwendet. Die Firma Emsa vertreibt seit einiger Zeit Vogelhäuschen, die vollständig aus Plastik sind. Das sogenannte original Landhaus wird in den Farben hellgrün, gelb, türkis und pink angeboten. Die Kästen sind leicht, wohl weitgehend unverwüstlich, können vermutlich sogar mit dem Gartenschlauch gereinigt werden. In der Produktbeschreibung weist die Firma darauf hin, dass die Nistkästen mit Ornithologen entwickelt wurden. Wir haben die Firma Emsa angeschrieben und gefragt, wer die Ornithologen sind und welche Erfahrungen bisher mit den Kästen gemacht wurden. Eine Antwort haben wir leider nicht erhalten und nochmals eine Erinnerung geschickt. Da beispielsweise Blau- und Kohlmeisen selbst in Briefkästen brüten, kann ich mir gut vorstellen, dass auch Vollplastikkästen von diesen Höhlenbrütern angenommen werden. Ich sage Ihnen aber ganz ehrlich: Ich finde es einen schlichtweg widerwärtigen Gedanken, mir ein Stück Plastik in den Garten zu hängen, wohlgemerkt als Ersatz für eine natürliche Baumhöhle, in der Hoffnung, dass darin Vögel ihre Jungen aufziehen. Wieder ein Stück Plastik mehr in einer Welt, die mehr und mehr nur noch aus Plastik zu bestehen scheint. Schauen Sie sich einfach einmal in Gärten in Ihrer Nachbarschaft um, wie viel Natur dort bereits von Plastik ersetzt ist: Plastik- Störche, Plastik-Frösche, Plastik-Igel, Plastik-Gänse, ja sogar Plastik-Kletterpflanzen an einem Maschendrahtzaun alles gesehen innerhalb eines Sonntagspaziergangs. Natur durch Plastik zu ersetzen, kann nicht die Lösung für verloren gegangene Natur vor der Haustür sein. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir Ihre Meinung zu diesem Thema mitteilen (falke@aula -verlag.de). Ich wünsche Ihnen, dass Sie den Sommer genießen und gerade, wenn es in unserer Vogelwelt wieder ruhiger wird, die Zeit haben, sich einmal ein paar Vögel länger und genauer anzusehen und seien es Haussperlinge in einem Biergarten! Beste Grüße, Ihr Dr. Norbert Schäffer Ornithologie aktuell Neue Forschungsergebnisse 2 Beobachtungstipp Christian Wagner, Christopher König, Christoph Moning, Felix Weiß: Der Salzige See in Sachsen-Anhalt artenreiche Kulturlandschaft in einem ehemaligen Seebecken 5 Vögel des Offenlandes Anita Schäffer: Staubbäder und Synchronschlupf: Wachtel 9 Europäische Highlights Heiko Liebel: Wo sich Wasser und Land begegnen: Trondheimsfjord in Mittelnorwegen 12 Vogelschutz Jasper Wehrmann, Johannes Jansen, Wouter Vansteelant: Das kaukasische Mysterium: Eine Million Greifvögel in Batumi 18 Inhalt Thomas Krumenacker: Abstandsempfehlungen der Vogelschutzwarten: Neue Leitplanken im Konflikt zwischen Windkraft und Vogelschutz 23 Klaus Richarz: Neue Risiken für Vögel, Fledermäuse und andere Tierarten?! Windenergieanlagen über Wald 26 Thomas Krumenacker: Rote Liste der europäischen Vogelarten: Wenig Licht, viel Schatten 33 Leute & Ereignisse Termine, TV-Tipps 35 Bild des Monats Rätselfoto und Auflösung 38 Veröffentlichungen Neue Titel 40 Bitte beachten Sie die Beilage von Humanitas Buchversand in einer Teilauflage. Der Falke 62, 7/2015 1

Vogelschutz Abstandsempfehlungen der Vogelschutzwarten: Neue Leitplanken im Konflikt zwischen Windkraft und Vogelschutz Im Dauerkonflikt zwischen dem Ausbau der Windenergie und einem Mindestmaß an Vogelschutz gibt es nach langem Ringen nun wieder eine wissenschaftlich abgesicherte Entscheidungsgrundlage. Bei ihrer Sitzung am 22. Mai billigten die Staatssekretäre der Landesumweltministerien und daraufhin auch die Umweltministerkonferenz die Neufassung des sogenannten Helgoländer Papiers. Um die Aktualisierung der Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten aus dem Jahr 2007 hatte es ein zähes Ringen mit harten Bandagen gegeben. Vor allem grün-geführte Umweltministerien standen dabei immer wieder auf der Bremse und blockierten im Sinne der Windkraftbetreiber. Die Verzögerung hat der Windkraftlobby mehrere Jahre Zeit verschafft, Anlagen dort zu bauen, wo sie nach einstimmiger fachlicher Überzeugung schon seit Jahren nicht hätten gebaut werden dürfen, hatte ein Insider aus einer Landesregierung in unserem Journal bereits im März mit Blick auf die in der Aktualisierung empfohlenen Erweiterung des Mindestabstands zwischen Windrädern und Rotmilanhorsten beklagt. Mit seiner Veröffentlichung zunächst auf der Internetseite der staatlichen Vogelschutzwarten (www. vogelschutzwarten.de) und in Kürze in den Berichten zum Vogelschutz sind die neuen Abstandsempfehlungen nun aber in Kraft und ein genauerer Blick in das Papier lohnt sich für alle Seiten: Einsichtige Windkraftplaner können teure Investitionen in Standorte frühzeitig vermeiden, wenn sie in der Nähe sensibler Vogelvorkommen liegen. Artenschützer haben mit dem Papier eine vor Gericht belastbare Argumentationshilfe, um den Bau von Windrädern unterhalb der empfohlenen Distanz zu verhindern. In der Vergangenheit wurde das Helgoländer Papier vor Gerichten immer wieder als fachlich-neutrale Richtschnur bei Entscheidungen herangezogen. Dies steht auch mit der Neufassung zu erwarten, die sich gegenüber dem dreiseitigen Vorgänger von 2007 zu einer fast dreißig Seiten starken Konvention gemausert hat. Das liegt vor allem an den detaillierten Zusammenstellungen des bisherigen Kenntnisstandes zur Kollisionsgefährdung einzelner Arten und einem ausführlichen Literatur- und Quellenverzeichnis. Sehr wertvoll sind die aktualisiert zusammengestellten Erkenntnisse der sogenannten Schlagopferkartei, in der die Vogelschutzwarte Brandenburg durch Windräder getötete Vögel bundesweit dokumentiert. Damit stehen die Empfehlungen auf einer noch solideren Basis als die im Vorgängerpapier ausgesprochenen.» Das Beispiel Rotmilan Auf Basis neuer Forschung werden die empfohlenen Mindestabstände für einige Arten gesenkt, für andere bleiben sie gleich und lediglich für den Rotmilan werden sie erhöht. Für diese Art empfehlen die Vogelschutzwarten eine Ausweitung des Abstands zwischen Brutplatz und nächstgelegenem Windrad auf einen Trügerische Idylle: Raps und Windräder prägen weite Teile der Agrarlandschaft in Nordostdeutschland. Für anspruchsvolle Vogelarten wie Schwarzstorch oder Schreiadler wird der Lebensraum knapp. Brandenburg, 20.5.2015. Der Falke 62, 7/2015 23

Vogelschutz Kämpfen nicht nur gegeneinander, sondern vor allem um das Überleben in einer mit Windrädern vollgestellten Agrarlandschaft: zwei Rotmilane im Streit über Futter. Mecklenburg-Vorpommern, 8.5.2015. Radius von 1500 Metern gegenüber bislang 1000 Metern. Die Umsetzung dieser Empfehlung scheint besonders wichtig, weil Deutschland zum einen als Heimat von mehr als 50 % des Weltbestandes eine besondere Verantwortung für diese Art hat und Rotmilane zugleich durch den Ausbau der Windenergie besonders stark gefährdet sind. Dies belegen Schätzungen von mehr als 300 Kollisionsopfern jährlich allein in Brandenburg. Da die meisten Schlagopfer Altvögel während der Brut sind, ist zusätzlich mit einer erheblichen Zahl von Brutverlusten zu rechnen. Dabei lägen bereits allein die (direkten) Verluste durch Windenergieanlagen im Grenzbereich einer Populationsgefährdung auf Landesebene, heißt es in dem Papier. Grund für die Ausweitung des empfohlenen Mindestabstands beim Rotmilan sind auch neue Telemetrie-Untersuchungen aus Thüringen, die belegen, dass nur 40 % der Flugaktivitäten in einem Radius von 1000 Metern um den Brutplatz stattfinden, also der bisher empfohlenen windkraftfreien Zone. Der neue Mindestabstand von 1500 Metern deckt immerhin rund 60 % der Flugaktivitäten ab. Das Beispiel Rotmilan illustriert auch, dass es den Vogelschutzwarten nicht per se um eine Blockade der Windkraft geht: Denn der Prüfbereich um einen Neststandort innerhalb dessen geprüft werden soll, ob es dort geeignete Nahrungshabitate gibt, die zu verstärkter Frequentierung durch die Vögel führen wurde gegenüber der Vorgängerversion von einem Radius von 6000 Metern auf 4000 Meter abgesenkt, weil dieser bereits einen Großteil der Flugaktivitäten abdeckt. Für den Schwarzstorch bleiben die Empfehlungen von 2007 gültig, ein Mindestabstand von 3000 Metern und ein Prüfbereich von 10 000 Metern. Diese Art zeigt auch, wie schwierig es ist, überhaupt handhabbare Empfehlungen abzugeben, denn Schwarzstörche legen in der Zeit der Jungenaufzucht oft sehr große Strecken auf der Nahrungssuche zurück und wechseln dabei oft vom eher unbedenklich hohen Thermiksegeln in den mit Höhenverlust verbundenen Gleitflug. Schlussfolgerung der Autoren: Für den Schwarzstorch müssen bevorzugte Flugrouten im Prüfbereich abgegrenzt und von Windrädern freigehalten werden. Erhebliche Verbesserungen im Sinne der Windkraftbetreiber dürften die geänderten Empfehlungen dagegen mit Blick auf den Weißstorch bringen. Hier bleibt zwar der für erforderlich gehaltene Mindestabstand von 1000 Metern um ein Nest erhalten, der Prüfbereich wird aber stark von 6000 auf 2000 Meter abgesenkt. Erstmals werden Mindestabstände für Wespenbussard (1000 Meter), Steinadler (3000 Meter, Prüfbereich 6000 Meter), Waldschnepfe (500 Meter um Balzreviere), Ziegenmelker (500 Meter um regelmäßige Brutvorkommen) und Wiedehopf (1000 Meter, Prüfbereich 1500 Meter um regelmäßige Brutvorkommen) empfohlen. Die empfohlene Schutzzone um Kranichbruten wird abgesenkt, von bislang 1000 Metern auf 500 Meter. Gleiches gilt für den Wachtelkönig, wo nun ein Mindestabstand von 500 Metern um regelmäßige Brutvorkommen gegenüber zuvor 1000 Metern für ausreichend gehalten wird. Ganz aus der Liste fallen Kormorane, für die 2007 eine Schutzzone um Windräder von 1000 Metern und ein Prüfbereich von 4000 Metern für angemessen gehalten wurde. 24 Der Falke 62, 7/2015

Keine wesentlichen Änderungen ergeben sich für bedeutsame Vogellebensräume, wie Vogelschutzgebiete, Rastplätze oder Schlafplätze: Hier wird in der Regel eine 10-fache Anlagenhöhe, mindestens aber 1200 Meter als ausreichend angesehen. Kranichschlafplätze sollen im Radius von 3000 Metern windkraftfrei bleiben.»»empfehlungen und die Realität Angesichts des boomenden Ausbaus der Windenergie in Deutschland allein im vergangenen Jahr wurden 1766 Windkraftanlagen an Land neu errichtet sind die Abstandsempfehlungen ein wichtiger Beitrag zum Artenschutz. Doch der Druck auf die verbliebenen Naturflächen ist wegen des Ziels, 2030 die Hälfte und bis 2050 sogar 80 % des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, enorm. Und so werden die empfohlenen Mindestabstände in der Realität oft mit behördlichem Segen erheblich unterschritten. Ein Großräumig unzerschnittene Lebensräume finden Schreiadler in Deutschland fast nur noch in Großschutzgebieten. Doch auch dort wächst der Druck durch Windräder unablässig. Mecklenburg-Vorpommern, 13.5.2015. Neu auf der Liste der Vogelschutzwarten: Um Wiedehopfvorkommen soll nach den neuen Expertenempfehlungen ein 1000-Meter-Radius frei von Windrädern gehalten werden. Brandenburg, Juni 2012. Alle Fotos: T. Krumenacker. besonders erschütterndes Beispiel liefert ausgerechnet der seltenste Adler Deutschlands, der Schreiadler. Hier gibt es die paradoxe Situation, dass ausgerechnet die einzigen beiden Bundesländer, in denen die Art überhaupt noch vorkommt, in eigenen Landesverordnungen die Vogelschutzwarten-Empfehlung aufweichen und nur halb so große Abstände, nämlich 3000 Meter, vorsehen. Entsprechend wurden im Schwerpunktgebiet seiner deutschen Verbreitung in Mecklenburg-Vorpommern mehrere Windparks genehmigt, die teilweise nicht einmal die Hälfte des empfohlenen Mindestabstands von 6000 Metern um einen Brutplatz einhalten. In einem Fall, dem Windpark Jördenstorf klagt mittlerweile der NABU. Ein Erfolg hier könnte ein Meilenstein für die künftige Anwendung der 6000-Meter-Grenze sein. Ein noch krasseres Beispiel betrifft einen Windpark in einem anderen Schreiadler-Schwerpunktgebiet in Mecklenburg-Vorpommern (das hier aus Schutzgründen nicht namentlich genannt wird): Dort wurden neue Windräder in einem Gebiet genehmigt, in dem sich in völlig inakzeptablen Abständen von nur 2500 bis 4300 Metern nicht weniger als sieben Schreiadler-Brutvorkommen befinden, fünf davon sogar unterhalb der in der Landesverordnung vorgesehenen 3000-Meter-Zone. Die Unterschreitung der Empfehlungen an diesem und weiteren Orten wiegt umso schwerer, als bislang sieben nachgewiesene Kollisionen (davon fünf in Deutschland) zeigen, wie gefährdet Schreiadler durch Windkraft sind. Zudem belegen Untersuchungen, dass die Reproduktion von Schreiadlern mit Windrädern in einem Umkreis von 3000 Metern um den Horst herum signifikant abnimmt. Im erwähnten Windpark kam es bereits zu abrupten Aufgaben von Bruten. Der Konflikt zwischen dem Ausbau der erneuerbaren Energien und den damit verbundenen enormen finanziellen Anreizen für Landbesitzer, Investoren und Gemeinden einerseits und der Bewahrung der Artenvielfalt auf der anderen Seite wird auch mit den neuen Abstandsregeln nicht beendet. Zumindest gibt es nun aber wieder gültige fundierte Grundlagen, auf deren Basis die vermeintlich grüne Energiewende ein wenig grüner wird und der Artenschutz vielleicht nicht wie der Romanheld Don Quijote als Ritter von der traurigen Gestalt in einen aussichtslosen Kampf gegen Windmühlen zieht. Thomas Krumenacker Thomas Krumenacker arbeitet als Journalist in Berlin und ist Mitglied der Fachredaktion von Der Falke. www.krumenacker.de Der Falke 62, 7/2015 25

Im 61. Jahrgang www.falke-journal.de Monat für Monat lesen Sie...» Vorstellungen interessanter Beobachtungsgebiete» Neues zur Biologie und Ökologie der Vögel» Was sich im nationalen und internationalen Vogelschutz tut» Hilfe bei kniffligen Bestimmungsfragen» Reise- und Freizeittipps» Kurzberichte über bemerkenswerte Beobachtungen von Lesern» Veranstaltungen, Kontakte, Besprechungen und Kleinanzeigen Poster Vögel 1. im Wald als Dankeschön für die Anforderung eines unverbindlichen Probeheftes. Zusätzlich das 2. Merk- und Skizzenbuch für Vogelbeobachter, wenn Sie sich für ein Test-Abo zum Preis von nur 9,95 für 3 Hefte (incl.versand) entscheiden. Preisstand 2014 Änderungen vorbehalten Wenn Sie sich zu einem Abonnement entschließen, erhalten Sie als Begrüßungsgeschenk ein Original Schweizer Armeemesser und Sofort- 3. Abonnenten erhalten dazu noch den praktischen Sammelordner für einen Jahrgang! Der Falke erscheint 12 x im Jahr mit je 44 Seiten, durchgehend farbig, immer am Monatsanfang. 54, (Schüler/innen, Studenten/innen, Azubis 39,50, Bescheinigung erforderlich) zzgl. Versandkosten. Verlagsanschrift: AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim, Tel.: 06766/903-141, Fax: -320, E-Mail: vertrieb@aula-verlag.de Abonnementservice: Frau Britta Knapp, Tel.: 06766/903-206 www.falke-journal.de Absender Name: Straße/Nr.: PLZ/Ort: Tel.: E-Mail: Ja, ich möchte den FALKEN kennen lernen! Bitte schicken Sie mir ein unverbindliches Probeheft. Ich bestelle ein Test Abonnement zum Preis von 9,95. Wenn ich den FALKEN anschließend im Abonnement zum Preis von 54,-- (ermäßigt 39,50 Bescheinigung erforderlich) für 12 Monate zuzügl. Versand beziehen möchte, brauche ich nichts zu tun. Al s Begrüßungsgeschenk erhalte ich ein Original Schweizer Armeemesser! Sollte ich kein Interesse haben, teile ich Ihnen dies innerhalb von 14 Tagen nach Eingang des Probeheftes bzw. des letzten Testheftes mit (Post, Fax, Mail). Ich möchte alle Geschenke sofort und habe mich deshalb gleich für ein Abonnement entschieden. Ich erhalte als Zusatzgeschenk den Sammelordner! Bitte ziehen Sie den Rechnungsbetrag bis auf Widerruf von folgenden Konto ein: AULA-Verlag GmbH Abonnentenservice DER FALKE z. Hd. Frau Britta Knapp Industriepark 3 56291 Wiebelsheim Fax: 06766/903-320 Geldinstitut: IBAN: Datum: BIC: Unterschrift: Garantie: Ich habe das Recht, diese Bestellung innerhalb von 14 Tagen (Poststempel) schriftlich beim Verlag zu widerrufen. Zeitschriften-Abonnements können jederzeit zum Ende der Abonnementlaufzeit, spätestens jedoch 2 Monate vorher (Datum des Poststempels), gekündigt werden. Die Kenntnisnahme bestätige ich mit meiner: 2. Unterschrift: