LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 15. Wahlperiode Drucksache 15/2494 04. 08. 2008 Kleine Anfrage des Abgeordneten Erwin Rüddel (CDU) und Antwort des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen Rehabilitation in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 1604 vom 9. Juli 2008 hat folgenden Wortlaut: Ich frage die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die aktuelle wirtschaftliche Situation von Einrichtungen der Rehabilitation in Rheinland-Pfalz? 2. Wie hat sich die Zahl der Anträge auf Rehabilitation in Rheinland-Pfalz zwischen 2004 und 2007 entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)? 3. Wie viele Anträge hiervon wurden zwischen 2004 und 2008 abgelehnt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)? 4. Gibt es Unterschiede in den Genehmigungsmodalitäten bei den verschiedenen Krankenkassen? 5. Wie sieht nach Kenntnis der Landesregierung das Verhältnis Anträge zu Genehmigungen im Vergleich zu anderen Bundesländern aus? 6. Wie steht die Landesregierung der Frage einer Einrichtung einer Schlichtungsstelle gegenüber? 7. Wann könnte eine solche Schlichtungsstelle für den Bereich der Rehabilitation in Rheinland-Pfalz eingerichtet werden? Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 30. Juli 2008 wie folgt beantwortet: Die Rehabilitation umfasst alle Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, die Folgen einer Krankheit, eines Unfalls oder einer angeborenen oder drohenden Behinderung soweit möglich zu beseitigen, abzuwenden, zumindest auszugleichen oder den Folgen einer Krankheit vorzubeugen. Unter den gemeinsamen Oberbegriff Rehabilitation gehören vor allem die medizinische Rehabilitation, die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und den Unterhalt sichernde und ergänzende Leistungen. Der konkrete Leistungsanspruch ergibt sich aus den jeweils für die einzelnen Versicherungsträger geltenden Vorschriften. Für Personen im arbeitsfähigen Alter ist zahlenmäßig am häufigsten ein Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zuständig. Die Zuständigkeit der Krankenkasse besteht in der Regel nachrangig gegenüber den Leistungen anderer Sozialversicherungsträger, besonders der Rentenversicherung (zum Beispiel Deutsche Rentenversicherung Bund, Regionalträger). Das gilt auch für sogenannte Anschlussrehabilitationen, die im Anschluss an eine stationäre Akutbehandlung durchgeführt werden. Die Antwort der Landesregierung bezieht sich aufgrund der Fragestellungen auf die medizinischen Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung. Zu 1.: Die Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung werden nach 125 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch von Regionalträgern und Bundesträgern wahrgenommen. Länderspezifische Zahlen liegen nicht vor. Die nachstehenden Angaben beziehen sich daher auf die bearbeiteten Anträge der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz. Mit rund 35 200 durchgeführten medizinischen und beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen im Jahr 2007 ist die Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz der größte Rehabilitationsträger in Rheinland-Pfalz. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 29. August 2008
Drucksache 15/2494 Landtag Rheinland-Pfalz 15. Wahlperiode Die wirtschaftliche Situation der rheinland-pfälzischen Rehabilitationseinrichtungen bewertet die Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz überwiegend positiv. Eine konkrete Betrachtung der trägereigenen oder von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz federführend belegten Rehabilitationskliniken in Rheinland-Pfalz zeigt für das Jahr 2006 eine durchschnittliche Gesamtauslastung von rund 93 Prozent. Erste Erhebungen für das Jahr 2007 weisen auf eine ähnliche durchschnittliche Auslastungsquote und auf einen deutlichen Zuwachstrend bei psychosomatischen Erkrankungen hin. In diesem Indikationsbereich werden Rehabilitationsleistungen derzeit verstärkt nachgefragt, sodass die psychosomatischen Fachkliniken nicht nur gut belegt sind, sondern sogar Wartezeiten haben. Weiter wird unter Berücksichtigung der zukünftigen demographischen und arbeitsmarktbezogenen Veränderungen die medizinische Rehabilitation in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen stehen. So ergab eine Berechnung der Deutschen Rentenversicherung Bund einen Anstieg des Rehabilitationsbedarfs bei älteren, chronisch kranken Versicherten bis zum Jahr 2011 um neun Prozent. Der sich daraus ableitende Anstieg der Antragszahlen führt in Verbindung mit den von der Deutschen Rentenversicherung gezahlten kostendeckenden Vergütungssätzen (durchschnittliche Erhöhung der Vergütungssätze 2007: + 3,5 Prozent) zu einer weiteren Sicherung der Auslastung und Wirtschaftlichkeit der rheinland-pfälzischen Rehabilitationseinrichtungen. Zu 2.: Bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz stellt sich die Antragsentwicklung wie folgt dar: Jahr Für die gesetzliche Krankenversicherung weist die Landesregierung darauf hin, dass seit 1. April 2007 gemäß 23 Abs. 4 Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und 40 Abs. 2 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) für alle medizinischen Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen statistische Erhebungen über Antragstellung und Leistungsbewilligung vorzunehmen sind. Die Krankenkassen haben gemäß 7 Abs. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Statistik in der gesetzlichen Krankenversicherung (KSVwV) die Daten bis zum 30. April des dem Berichtsjahr folgenden Jahres vorzulegen. Aufgrund der unterjährigen Einführung der Pflicht zur Erhebung statistischer Daten zur Antragstellung und Leistungsbewilligung medizinischer Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen wird als erstes Berichtsjahr das Kalenderjahr 2008 herangezogen. Aus diesem Grund ist mit einer ersten Datenerhebung frühestens zum 30. April 2009 zu rechnen. Eine vergangenheitsbezogene Betrachtung der Jahre 2004 bis 2007 ist demnach nicht möglich. Selbst wenn die Daten für das Jahr 2008 vorliegen, ist aufgrund der heterogenen Krankenkassenstruktur mit bundesunmittelbaren und landesunmittelbaren Krankenkassen auch zukünftig eine Auswertung auf Länderebene kaum leistbar. Zu 3.: medizinische Leistungen zur Rehabilitation 2004 35 516 2005 34 735 2006 35 226 2007 38 566 Die Ablehnungsquote bei medizinischen Rehabilitationsleistungen der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz stellt sich wie folgt dar: Medizinische Anträge davon erledigte Anträge Leistungen Bewilligung Ablehnung Sonstige *) Summe 2004 35 516 20 332 11 399 3 659 35 390 57,5 % 32,2 % 10,3 % 100 % 2005 34 735 23 539 7 723 3 631 34 894 67,5 % 22,1 % 10,4 % 100 % 2006 35 226 23 710 6 928 4 793 35 431 66,9 % 19,6 % 13,5 % 100 % 2007 38 566 27 413 5 668 5 446 38 527 71,2 % 14,7 % 14,1 % 100 % Januar bis 22 193 16 054 2 701 3 159 21 914 Juni 2008 73,3 % 12,3 % 14,4 % 100 % *) z. B. Weiterleitung an zuständigen Träger. Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass die Zahl der Ablehnungen von 2004 bis 2007 um mehr als 50 Prozent gesunken ist. Zu den Ablehnungsquoten der gesetzlichen Krankenversicherung wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 2
Landtag Rheinland-Pfalz 15.Wahlperiode Drucksache 15/2494 Zu 4.: In der gesetzlichen Krankenversicherung besteht gemäß 40 und 41 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch eine Leistungspflicht der Krankenkassen für medizinische Leistungen zur Rehabilitation. Dabei sind die Krankenkassen in gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei der Erbringung von Leistungen eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversiche - rung einzuholen. Bei bestimmten Leistungen, zu denen auch Rehabilitationsmaßnahmen zählen, haben die Krankenkassen gemäß 275 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung zu veranlassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichproben und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; das gilt besonders für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung (Anschlussheilbehandlung). Diese Regelungen betreffen alle Krankenkassen gleichermaßen und sind von ihnen bei der Genehmigung zu beachten. In Rheinland-Pfalz können derzeit zirka 70 gesetzliche Krankenkassen gewählt werden. Von diesen 70 Krankenkassen unterliegen nur fünf der Aufsicht der rheinland-pfälzischen Landesregierung. Eine aussagekräftige Auskunft, ob sich die Genehmigungsmodalitäten bei den einzelnen Krankenkassen unterscheiden, ist der Landesregierung deshalb nicht möglich. Zu 5.: Ein trägerspezifischer Vergleich der gesetzlichen Rentenversicherung für die Jahre 2004 bis 2007 ist der Anlage zu entnehmen. Für die gesetzliche Krankenversicherung wird auf die Antworten zu den Fragen 2 und 4 verwiesen. Zu 6. und 7.: Im Falle einer abgelehnten Maßnahme zur Rehabilitation können Versicherte verlangen, dass ihnen die Behörde die Entscheidung in einem schriftlichen Bescheid mitteilt. Können die Meinungsverschiedenheiten nicht ausgeräumt werden, besteht die Möglichkeit, den Bescheid im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens überprüfen zu lassen. Das Widerspruchsverfahren ist für die Versicherten kostenlos. Wenn Widerspruch eingelegt wird, überprüft die Behörde ihre Entscheidung und berücksichtigt dabei die vom Antragsteller vorgetragenen Argumente. Oft werden dabei Missverständnisse bereits geklärt und Meinungsverschiedenheiten beseitigt. Dann ändert die Behörde, wenn es nötig ist, den Bescheid. Kommt es zu keiner Einigung, steht dem Versicherten der Klageweg zu den Sozialgerichten offen. Auch dieses Verfahren ist für ihn kostenfrei. Das Widerspruchsverfahren ist ein Vorverfahren, das der Selbstkontrolle der Verwaltung dient und Rechtsstreitigkeiten vor dem Sozialgericht vermeiden soll. Deshalb muss es durchgeführt werden, bevor Klage erhoben werden kann. Da der Versicherte aber ein großes Interesse an einer abschließenden Entscheidung über seinen Rehabilitationsantrag hat, sieht die Landesregierung in einem Schlichtungsverfahren, das dem Widerspruchsverfahren noch vorgeschaltet wird, keinen weiteren Nutzen, sondern nur eine Verzögerung. Eine Einigung kann bereits im Widerspruchsverfahren herbeigeführt werden. Hinsichtlich der Unterstützung der Versicherten zur Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen weist die Landesregierung auf die gemeinsamen Servicestellen gemäß 22 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch hin. Je nach Zuständigkeitsbereich sind Rehabilitationsträger nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch ( 6 Abs. 1) die Bundesagentur für Arbeit, die Träger der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung, die Träger der Kriegsopferversorgung und Kriegsopferfürsorge und die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und der (öffentlichen) Sozialhilfe (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch). Alle Rehabilitationsträger und damit auch die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, behinderte und von Behin derung bedrohte Menschen umfassend über die möglichen Rehabilitationsmaßnahmen zu informieren und zu beraten. Für eine trägerübergreifende Beratung im Antrags- und Leistungsverfahren wurden deshalb die gemeinsamen Servicestellen nach 22 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch geschaffen. 22 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch verlangt von den Rehabilitationsträgern ein trägerübergreifendes Vorgehen in der Beratung und Unterstützung der behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen. In gemeinsamen örtlichen Servicestellen haben sie den Betroffenen Beratung und Unterstützung anzubieten. Zu ihren Aufgaben gehören auch die Vorbereitung von und das Hinwirken auf zeitnahe Entscheidungen und Leistungen und die Einhaltung der Bearbeitungsfristen nach 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Mit der Einführung des 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch verfügen alle Rehabilitationsträger über ein Instrument zur raschen Klärung von Zuständigkeiten, um den Versicherten einen schnellen Zugang zu den entsprechenden Leistungen zu ermöglichen. Innerhalb von zwei Wochen entscheidet der Rehabilitationsträger über seine Zuständigkeit. Gibt er den Antrag weiter, muss der nachfolgende Träger die Leistungen zeitnah erbringen. Die beteiligten Rehabilitationsträger klären anschließend die Zuständigkeiten und die Kostenübernahme untereinander ab. So erhalten die Versicherten unbürokratisch die erforderlichen Leistungen. Für eine qualifizierte, trägerübergreifende und anbieterneutrale Beratung der behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen haben die Spitzenverbände der Kranken-, Renten- und Unfallversicherung und die Bundesanstalt für Arbeit am 24. April 2001 3
Drucksache 15/2494 Landtag Rheinland-Pfalz 15. Wahlperiode auf der Ebene der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine Rahmenempfehlung zur Einrichtung trägerübergreifender Servicestellen für Rehabilitation erarbeitet. Die überarbeitete Fassung der Rahmenempfehlung ist am 1. Januar 2008 in Kraft getreten. Damit sollen bundeseinheitliche Standards und Strukturen für die Einrichtung trägerübergreifender Servicestellen unter Nutzung vorhandener Strukturen gewährleistet werden. In Rheinland-Pfalz sind in 20 Städten und Gemeinden 36 Gemeinsame Servicestellen für Rehabilitation mit barrierefreiem Zugang vorhanden. Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Rheinland- Pfalz haben sich die Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation bewährt. Zur Koordination der Leistungen oder Schlichtung von Problemfällen in Rheinland-Pfalz stehen außerdem folgende weitere Institutionen zur Verfügung: Die Gemeinsame Clearingstelle des Ärztlichen Dienstes der Deutschen Rentenversicherung und des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen bei sozialmedizinischen Problemfällen mit ärztlichem Abstimmungsbedarf, die gemeinsame Prüfungskommission der Kranken- und Rentenversicherungsträger in Rheinland-Pfalz bei der ambulanten Rehabilitation, der Fachausschuss bei der Rehabilitation psychisch Kranker und die Zusammenarbeit der Krankenkassen und der Deutschen Rentenversicherungsträger mit Arbeitgebern beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement, bei dem die Versicherten durch eine Fallbegleitung bei der Umsetzung ihrer Rehabilitationsplanung individuell unterstützt werden. Regelmäßig finden Austausch- und Informationsveranstaltungen zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung und der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz statt, bei denen aktuelle Probleme besprochen oder gemeinsame Projekte geplant werden. Vor diesem Hintergrund sieht die Landesregierung derzeit keinen Handlungsbedarf für die Einrichtung von Schlichtungsstellen. Malu Dreyer Staatsministerin 4
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