Delir beim Palliativpatienten



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Transkript:

Delir beim Palliativpatienten daniel.bueche@kssg.ch Inhalt Definition Häufigkeit Ätiologie/Differentialdiagnose Therapie Medikamente Nachsorge Prävention Zwangsmassnahmen Delir = akuter Verwirrtheitszustand ist ein Notfall Definition des Delirs Das Delir ist keine eigene Krankheit sondern vielmehr ein Syndrom. Das Delir ist ein pathologischer Bewusstseinszustand, der sich durch folgende Charakteristiken auszeichnet: Charakteristika des Delirs 1. Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit 2. Störung der Kognition und Wahrnehmung (Illusionen, Halluzinationen u.a.), Beeinträchtigung des abstrakten Denkens (Wahnideen, Inkohärenz) und der Auffassung (Kurzzeitgedächtnis bei rel intaktem Langzeitgedächtnis); Desorientiertheit (v.a. zeitlich aber auch Ort und Person) 3. Psychomotorische Störung (Hypo-, Hyperaktivität), verlängert Reaktionszeit, Redefluss, Schreckreaktionen 4. Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus 5. Affektive Störung wie Depression, Angst, Reizbarkeit...(typisch aber für die Diagnose nicht spezifisch) Beginn ist gewöhnlich akut, im Tagesverlauf wechselnd, die Gesamtdauer beträgt weniger als sechs Monate. Beteiligte Rezeptoren: Acetylcholin Dopamin Histamin Serotonin Noradrenalin 1

Erklärungsmodell Geräusche Geruch Geschmack Berührung Das Bewusstsein (Wahrnehmung von sich selbst und der Umgebung) wird als Kontroll- Filter gesehen, der die Qualität und Quantität der Stimuli reguliert, die unser Bewusstsein erreichen Sehen Schmerz Sensorik, Umwelt Körper Unbewusstes Hoffnung Atmung Erinnerungen Lagesinn Hunger Angst Arten von Delir Delir: Häufigkeit Hypoaktives Delir: vermindertes Bewusstsein, Somnolenz wird häufig verpasst, falsch interpretiert Hyperaktives Delir: Agitiertheit Halluzinationen schnell diagnostiziert 65-85% der Patienten in der terminalen Phase sind verwirrt => besser zeigen die Zeichen der akuten Verwirrtheit Einige brauchen eine Sedation Ursachen/DD des Deliriums Hirnerkrankungen: Tumor, Metastase, Bestrahlung, Demenz, Infektionen, postepileptisch, Thrombose, Blutung, Ischämie Hypoxämie: Lungenerkrankungen, Herzerkrankungen, Anämie, Hirnerkrankungen (Atemzentrum) Lebererkrankungen Niereninsuffizienz Retentionsblase Obstipation/Ileus Medikamente: Intoxikation (Alkohol u.a.), Entzugsdelir (Alkohol u.a.) Hypovolämie/Dehydratation Stoffwechselentgleisung: Hypoglycämie, Hyperglycämie, Hyponatriämie, Hypernatriämie, Hypercalcämie Infektionen, Fieber Endokrinlogische Störungen: Hypophysenerkrankungen Schilddrüsenerkrankungen: Hypo- Hyperthyreose Nebennierenrindenerkrankungen 2

Risikofaktoren für Delir beim älteren Menschen Alter Frühere Zustände mit eingeschränkter Kognition Fraktur Hospitalisation, Visusprobleme Fieber / Infekt Psychoaktive Arzneimittel Niereninsuffizienz Elektrolytverschiebung Alkohol Depression Delir vs Demenz Delir: reversibel, schwankend, gestörter Schlaf, Halluzinationen, Bewusstsein getrübt, Subtypen: Hyperaktiv, z.b. Entzugsdelir Hypoaktiv, z.b. hepatisch, metabolisch Demenz: Nicht reversibel, selten Halluzinationen, Bewusstsein klar Differentialdiag Delir Demenz Depression Psychose Beginn Fluktuation akut / plötzl. Std / Tage ja zirkadian Dauer Stunden / Tage schleichend (Monate) unterschiedl., rezidivierend unterschiedl.,r ezidivierend - Morgentief - chronisch progredient variabel variabel Auslöser ja nein nein nein Bewusstseinsstörung fluktuier quant/qual Aufmerksamkeit fluktuierend erhalten ausser in Spätstadium erst in Spätstadium gestört - - + + Gedächtnisstör. (+) (+) Orientierung - ich weiss nicht Halluzinationen Wahn + - (selten / spät) (+) - -/+ Stimmung häufig Angst labil, gereizt Affektstörung = Leitsympt. - labil Abklärung An Delir denken Anamnese: Patient bemerkt Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis, Denken, Wahrnehmung... Angehörige fragen: ist ihnen aufgefallen, dass... Beobachtung, Evaluation des Gespräches: Halluzinationen, inkohärentes Denken... Assessment-Instrumente: DOS (Delirium-Beobachtungs-Screening) CAM (Confusion Assessment Method) Für speziell Interessierte Weitere Assessments wären: Delirium Rating Scale Delirium Symptom Interview Memorial Delirium Assessment Scale Nu-DESC = NUrsing DElirium SCale *alle jedoch auf deutsch nicht erhältlich resp nicht validiert Abklärung / DD / Ursache Organsysteme durchgehen: siehe DD Neurostatus Kleines Labor: Elektrolyte, Nieren- Leberwerte, BZ, O2-Sättigung Retentionsblase, Obstipation Infekt Neue Medikamente 3

Was muss / kann ich in der Nacht tun beim Palliativpatienten? Retentionblase, Obstipation Fieber, beginnender Infekt Hypoxämie Hypoglykämie, Alkohol... Neue Medikamente? => Der Rest kann bis zur Tagesschicht warten 1. Muss medikamentös behandelt werden? Cure oder care? Indikation zur Behandlung eines Delirs Patient leidet unter Delir hyperaktives Delir (muss meist behandelt werden) Agitation aggressives Verhalten Weglauftendenz Selbst- oder Fremdgefährdung allenfalls auch mit Patienten vorbesprechen 2. Ziele der Therapie Leiden mindern Schlaf verbessern Denkstörung /Halluzinationen mindern Agitiertheit reduzieren 3. Ursache suchen und behandeln allenfalls auch probatorische Hydratation 4. Nicht medikamentöse Massnahmen 1. Kommunikation 2. Orientierungshilfen 3. Familie mit einbeziehen 4. Nicht ins System mit einsteigen 5. Nacht beachten, sedierende Neuroleptika zur Nacht 6. Sicherheit / Schutz 5. Medikamentöse Therapie Haloperidol (Haldol) = Mittel der Wahl beginnen mit 2,5-5mg (po, sc, oder iv) wiederholen nach 30 Min (iv) oder 60 Min (sc oder po) Dosis verdoppeln bei nächster Gabe (jede Gabe verdoppeln) bei starker Unruhe/Hyperaktivität, zusätzlich Temesta mit 3. Dosis (Seroquel) beginnen mit 12.5 mg 2 x/tag steigern bis max 300 mg/tag Nach dritter Dosis ohne Beruhigung: Benzodiazepin evaluieren Levomepromazin: (Nozinan) falls Patient agitiert oder nächtliche Unruhe beginnen mit 6.25 oder 12.5 mg (Dosen bis 50 mg/d) sc oder iv (falls Patient schlucken kann 7 Tropfen = 7 mg) Olanzapin: (Zyprexa) 1. Wahl bei Parkinsonismus oder Kontraindikation von typischem Neuroleptikum Benzodiazepine: 1. Wahl bei Entzugsdelir Zusätzlich zu Neuroleptika, falls nach 3 Dosen weiterhin Aggitation im Vordergrund 4

Delir: Nachsorge Patienten, die ein Delir haten, haben ein erhöhtes Risiko wieder ein Delir zu erleiden Dem nächsten Netzwerkpartner mitteilen (Austritts- Übertrittsberichte) Delir: Prävention Regelmässiges Assessment Genügend Sauerstoff Stress reduzieren: Sicherheit, Kontinuität, Orientierung, angemessene Aktivität, Einflüsse reduzieren, auf Medikamente achten Wahrnehmung fördern Delir: Prävention Orientierung geben Rhythmus geben Kommunikation ermöglichen Auf Ausscheidung achten Angehörige einbeziehen Delir: Zwangsmassnahmen Freiheitseinschränkende Massnahmen stellen in jedem Fall einen schweren Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf persönliche Freiheit eines Menschen dar. Sind somit Ausnahmesituationen vorbehalten Stellen einen Konflikt medizin-ethischer Prinzipien dar: Dilemma-Situation Dazu gehören: Zewi-Decke, Bettgitter, Fixationen der Hände etc Delir: Zwangsmassnahmen 7 Schritte-Modell Analyse der Ausgangssituation Interprofessionelle Entscheidungsfindung Information der betroffenen Person Information der Angehörigen Überwachung und Betreuung Dokumentation Neubeurteilung der Situation 5