Haftpflichtrecht Versicherungsrecht Herausgegeben von Stephan Fuhrer und Stephan Weber Bernhard Stehle Der Gegenstand der Betriebshaftpflichtversicherung Mit besonderem Augenmerk auf dem Begriff des Sachschadens EDITIONHAVE
7 Haftpflichtrecht Versicherungsrecht Herausgegeben von Stephan Fuhrer und Stephan Weber Bernhard Stehle Der Gegenstand der Betriebshaftpflichtversicherung Mit besonderem Augenmerk auf dem Begriff des Sachschadens
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, vorbehalten. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme. Schulthess Juristische Medien AG, Zürich Basel Genf 2016 ISBN 978-3-7255-7573-2 www.schulthess.com
Inhaltsverzeichnis Literaturverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Einleitung 1 I. Auf gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen beruhende Haftpflicht 3 A. Gesetzliche Haftpflichtbestimmungen 3 1. Ausservertragliche Ansprüche 5 2. Vertragliche Ansprüche 6 a) Erfüllungsansprüche und Ansprüche aus Vertragsverletzung 6 b) Abgrenzung der beiden Anspruchsarten 8 c) Ansprüche aus Vertragsverletzung und Vertragserfüllungsklausel 11 d) Zusammenfassung 17 3. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag 17 B. Vertragliche Haftungserweiterungen 18 1. Erweiterung dispositiver Haftpflichtbestimmungen 19 2. Kausalität zwischen Haftungserweiterung und Haftpflichtanspruch 22 II. In der Police bezeichneter Betrieb 27 A. Anlagerisiko 27 B. Betriebsrisiko 28 1. Eigenständige Tätigkeit? 29 2. Branchenübliche Tätigkeit? 38 3. Funktioneller Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Betrieb? 40 C. Produkterisiko 45 III. Personen- und Sachschäden 47 A. Personenschäden 47 B. Sachschäden 49 1. Substanzbeeinträchtigung 52 a) Umschreibung und Abgrenzung von der reinen Funktionsbeeinträchtigung 52 b) Mengensachen und zusammengesetzte Sachen 58 c) Mangelhafte Entwicklung von Tieren und Pflanzen 2. Eigentumsverletzung 60 64 a) Drei Regeln zur Eigentumsverletzung 65 b) Lieferung/Herstellung einer mangelhaften Sache und weiterfressender Mangel (Verhältnis der Regeln 1 und 2) 70 c) Weiterfressender und übergreifender Mangel (Verhältnis der Regeln 2 und 3b) 71 d) Folgen der Lieferung/Herstellung einer mangelhaften Sache oder der Verbindung mit einer mangelhaften Sache und Folgen eines übergreifenden Mangels (Verhältnis der Regeln 1 und 3) e) Anwendung der Regeln zur Eigentumsverletzung auf Mithersteller 77 99 f) Zusammenfassung 3. Zusammenfallen von Eigentumsverletzung und Schaden 103 105 IV. Prüfschema 111 VII XIII V
IV. Prüfschema Wie in der Einleitung bereits erwähnt (Rz. 1), lässt sich der Gegenstand der Betriebshaftpflichtversicherung in einem Satz formulieren: Die Betriebshaftpflichtversicherung versichert die auf gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen beruhende Haftpflicht aus dem in der Police bezeichneten Betrieb wegen Personen- und Sachschäden. Die Beurteilung, ob ein Anspruch nun Gegenstand der Betriebshaftpflichtversicherung ist oder nicht, bedarf aber mehr als der Lektüre eines Satzes. Wie der vorliegende Beitrag zeigt, lässt sich über diesen einen Satz ein kleines Buch schreiben. Der Teufel steckt im Detail und auf dem Weg zur Antwort sind zahlreiche zum Teil schwierige Unterscheidungen vorzunehmen. Das nachfolgende Prüfschema bietet einen Überblick über diese Unterscheidungen und fasst das voranstehend Geschriebene zusammen. Damit hilft es, die Frage nach dem Gegenstand der Betriebshaftpflichtversicherung zu beantworten. 111
Prüfschema Die Betriebshaftpflichtversicherung versichert... Beruht der Anspruch gegen den VN auf einem vorwerfbaren Verhalten? Gegeben für: Nicht gegeben für: die auf gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen beruhende Haftpflicht Art. 41 ff. OR und Gesellschaftsrecht Kausalhaftungstatbestände des ZGB und der Spezialgesetze Staatshaftungsnormen Vertrauenshaftung Vertragsverletzungen GoA: Art. 420 und Art. 423 OR gesetzeskonforme Enteignungen öffentlich-rechtliche Kostenauflagen ohne eigenes Fehlverhalten (s. z.b. Art. 32d USG) Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche ohne eigenes Fehlverhalten (s. z.b. Art. 28 ff. ZGB) Vertragliche Erfüllungsansprüche GoA: Art. 422 OR Ist der Anspruch auf Wiedergutmachung der Folgen dieses Verhaltens gerichtet? Gegeben für: Restitution und Kompensation: Schadenersatz, Genugtuung, Beseitigungs-, Unterlassungs-, Gegendarstellungs-, Vindikationsansprüche, Ansprüche auf Wandlung, Minderung, Ersatzleistung, Nachbesserung Nicht gegeben für: Geldstrafen und Bussen Besteht der Anspruch nur aufgrund einer vertraglichen Haftungserweiterung? Nicht Gegenstand der Betriebshaftpflichtversicherung Haftungserweiterung: Vertragliche Vereinbarung, die dazu führt, dass eine Regel der Nicht- oder Schlechterfüllung oder eine Beweisregel zum Nachteil des Versicherers verändert oder ausgeschlossen wird. Kausalität: Soweit die Ansprüche auch ohne Haftungserweiterung entstanden wären, besteht Deckung 112
Prüfschema Hat sich das Anlage-, Betriebs- oder Produkterisiko verwirklicht? Anlagerisiko Produkterisiko aus dem in der Police bezeichneten Betrieb Schädigungen aus Eigentum oder Besitz von Grundstücken, Gebäuden, Räumlichkeiten und Anlagen, die vorwiegend dem versicherten Betrieb dienen. Betriebsrisiko Schädigungen aus der Herstellung und Lieferung von auf den Markt gebrachten Produkten und Arbeitsleistungen Schädigungen aus betrieblichen Vorgängen und Arbeitsabläufen auf dem Betriebsareal oder auf externen Arbeitsstätten, d.h. Schäden aus Betriebstätigkeit Keine Betriebstätigkeit Ist die Tätigkeit eigenständig? Ist die Tätigkeit branchenüblich? Betriebstätigkeit Nicht Gegenstand der Betriebshaftpflichtversicherung Besteht ein funktioneller Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Betrieb? wegen Personenschäden Ist der Schaden Folge einer Verletzung (d.h. Störung der physischen oder psychischen Integrität mit Krankheitscharakter) oder Tötung einer Person? Gegenstand der Betriebshaftpflichtversicherung 113
Prüfschema Wurde die Sache körperlich verändert und ist diese Veränderung nicht unerheblich (Substanzbeeinträchtigung)? Gegeben für: Nicht gegeben für: und Sachschäden. direkten Einwirkungen, z.b. durch Schläge, Stösse, Verformung, Flüssigkeiten, Feuer, Wellen (Druck, Schall, Licht, radioaktive Strahlung), Hitze, Kälte, etc. Entzugs einer solchen Einwirkung (z.b. aufgrund des Entzugs von Sonnenlicht) Beeinträchtigung der Menge einer Mengensache Beeinträchtigung einer zusammengesetzten Sache auf der Ebene ihrer Bestandteile Unerwünschte Einwirkung auf Lebewesen Reine Funktionsbeeinträchtigungen, z.b. Anlagestillstand, Kabelbruchfälle, Blockadefälle Wurde durch diese körperliche Veränderung das Eigentum an der Sache verletzt? Ist der Schaden Folge einer Eigentumsverletzung? Gegeben: Der Schaden ist Folge eines über die gelieferte oder hergestellte (mangelhafte) Sache hinausgreifenden Mangels; einer unfreiwilligen Verbindung mit einer Sache. Nicht gegeben: Der Schaden ist Folge der Lieferung oder Herstellung einer mangelhaften Sache; eines sich innerhalb dieser Sache weiterfressenden Mangels; der freiwilligen Verbindung von Sachen. Nicht Gegenstand der Betriebshaftpflichtversicherung Beispiele Falls die Sache durch die Verbindung mit der mangelhaften Sache wertlos wurde und sich die Nachbesserung oder Auftrennung nicht lohnt: Nur der Vergeudungsschaden In den anderen Verbindungsfällen: Folgen des Übergriffs, Vergeudungsschaden bei bleibendem Minderwert Verschmutzungen (unfreiwillige Verbindungen). Beispiele Falls die Sache durch die Verbindung mit der mangelhaften Sache wertlos wurde und sich die Nachbesserung oder Auftrennung nicht lohnt: Alle Schäden ausser der Vergeudungsschaden In den anderen Verbindungsfällen: Entgangener Gewinn, Kosten der Nachbesserung des ursprünglichen Mangels, Auftrennungskosten (Falls der Schaden dem Eigentümer entstanden ist) Gegenstand der Betriebshaftpflichtversicherung 114