Digitalisierung: Viel Lärm um nichts oder kommt da noch was? Studie KfW Research zentrale Ergebnisse Autor: Martin Müller März 2019
Digitalisierung: Grund zur Sorge? Aufsehenerregende Thesen prägen die öffentliche Diskussion KfW Research-Faktencheck: Was stimmt an diesen populären Thesen? 1. Für die Hälfte der Arbeitsplätze besteht ein hohes Risiko, dass sie in naher Zukunft wegfallen (Auslöser der Debatte: Oxford-Studie). 2. Die Arbeitseinkommen brechen weg und damit die Finanzierungsbasis für die Sozialversicherungen. 3. Digitalisierung und Globalisierung beschleunigen den Strukturwandel zunehmend, das überfordert immer mehr Beschäftigte und Unternehmen. 2
Digitalisierung: Wie viele Arbeitsplätze fallen weg? Die negativen Arbeitsmarktwirkungen werden übertrieben Renommierte Forschungsinstitute geben Entwarnung ZEW-Studie: für weniger als 12 % der Beschäftigten in Deutschland besteht ein hohes Risiko (> 70 %), dass ihr Arbeitsplatz in naher Zukunft automatisiert wird. Bonin, H., Gregory T. und U. Zierahn (2015): Übertragung der Studie Frey/Osborne (2013) auf Deutschland, ZEW Kurzexpertise Nr. 57, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Forschungsbericht 455. IAB-Studie: Bis 2035 könnten 1,5 Mio. Arbeitsplätze durch Digitalisierung wegfallen (= 3 % aller Erwerbstätigen) und genauso viele neu geschaffen werden. Zika, G. et al.: Regionale Branchenstruktur spielt eine wichtige Rolle, IAB-Kurzbericht 9/2018, http://doku.iab.de/kurzber/2018/kb0918.pdf. 3
Von einem Wegbrechen der Arbeitseinkommen keine Spur Eine Notwendigkeit zum Umbau der Sozialversicherung folgt daraus nicht Die Lohnquote steigt seit 10 Jahren wieder und ist höher als Anfang der 70er-Jahre Lohnquote in Prozent 75 73 71 9 7 5 3 1970 1971 1972 1973 1974 1975 197 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 198 1987 1988 1989 1990 1991 1992 2000 2001 2002 2003 2004 2005 200 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 201 2017 4
Digitalisierung schafft Jobs mit höherer Bezahlung Sie lässt allerdings Einkommensunterschiede wachsen Bruttomonatsverdienste nach Leistungsgruppen in Deutschland Bruttomonatsverdienst in Euro 8.000 7.000.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 27,9 % Inflation 1. Vj. 2008 bis 1. Vj. 2018: +12,7 % 25,1 % 24,3 % 21, % 18,1 % 21,7 %.93 4.549 3.15 2.53 2.185 3.808 LG1 LG2 LG3 LG4 LG5 Insgesamt 1. Vj. 2008 1. Vj. 2018 Anmerkungen Leistungsgruppe: LG1: Arbeitnehmer in leitender Stellung (inkl. Hochschulabsolventen mit umfassenden kaufmännischen oder technischen Kenntnissen, 10,4 % der Beschäftigten), LG2: Herausgehobene Fachkräfte (komplexe Tätigkeiten, i. d. R. abgeschlossene Berufsausbildung, mehrjährige Berufserfahrung, auch mit Führungsaufgaben, 21,9 % der Beschäftigten), LG3: Fachkräfte (schwierige Fachtätigkeiten, Berufsausbildung, 44,9 % der Beschäftigten), LG4: Angelernte Arbeitnehmer (überwiegend einfache Tätigkeiten, spezielle Branchentätigkeiten mit Anlernzeit von bis zu 2 Jahren, 14,9 % der Beschäftigten), LG5: Ungelernte Arbeitnehmer (einfach, schematische Tätigkeiten, Anlernzeit von bis zu 3 Monaten, 7,9 % der Beschäftigten). Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen. 5
Die Einkommensspreizung setzt Anreize zur Weiterbildung Digitalisierung erhöht Bedarf an Hochqualifizierten, und ihre Zahl steigt Millionen Erwerbstätige 20,7 20,1 20,8 13,3 8, 9,5 4,9 7,0 7,2 Abschluss an beruflicher Fachschule, Meisterschule, Hochschule 1995 2005 201 Betriebliche Ausbildung, Berufsfachschule Ohne Ausbildung bzw. ohne Angabe
Der sektorale Strukturwandel verlangsamt sich Umfragen lassen zunehmende Anforderungen nur bei Weiterbildung erkennen Sektoraler Strukturwandelindikator für die Beschäftigung 10 Kumulierte Änderung gegen Vj. in Prozent 8 4 2 0 1971 197 1981 198 1991 199 2001 200 2011 201 Anmerkung: Der sektorale Strukturwandelindikator berechnet sich hier wie folgt: Zunächst werden die Anteile der Erwerbstätigen in jedem Wirtschaftsbereich der VGR an der gesamten Erwerbstätigkeit für ein Jahr ermittelt. Dann wird die jeweilige Veränderung dieser Anteile zum Vorjahr ermittelt. Schließlich werden die Beträge dieser Differenzen aufsummiert. 7
Produktivitätsschub durch Digitalisierung bleibt leider auch aus Für die demografische Herausforderung wäre dieser jedoch wünschenswert Arbeitsproduktivität und BIP / Kopf wachsen langsamer Veränderung in Prozent 4 2 0 1971-2 1981 1991 2001 2011-4 Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigenstunde 4 2 0-2 1971 1981 1991 2001 2011-4 - BIP pro Einwohner (real) 8
Ursachen für schwaches Produktivitätswachstum Digitalisierung und Demografie erfordern mehr Innovatoren und Investitionen Die Innovatorenquote im Mittelstand sinkt Die Investitionsquote bei Ausrüstungen sinkt Anteil der Innovatoren in Prozent 0 Anteil der Ausrüstungsinvestitionen (Maschinen und Anlagen) am BIP in Prozent 10 50 40 43 9 30 20 10 29 22 27 8 7 7,9,7 0 Quelle: KfW-Innovationsbericht Mittelstand, VGR Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen. 9