Weiterbildung für die digitale Gesellschaft Eröffnung und Begrüßung Weiterbildungstag Ruhr 2018 in Schwerte am

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Transkript:

Hans-Josef Vogel Regierungspräsident Bezirksregierung Arnsberg Weiterbildung für die digitale Gesellschaft Eröffnung und Begrüßung - 19. Weiterbildungstag Ruhr 2018 in Schwerte am 04.10.2018 Sehr geehrter Herr Akademiedirektor Prälat Dr. Klasvogt schon an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für die Gastfreundschaft, sehr geehrte Frau Rösener, sehr geehrte Frau Verbandsdirektorin Kilp, sehr geehrte Frau Kollegin Nienaber-Willaredt, sehr geehrter Herr Wiebicke, sehr geehrter Herr Staatssekretär Kaiser, sehr geehrte Akteure in und der Weiterbildung, sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie alle zum 19. Weiterbildungstag Ruhr 2018 hier in der katholischen Akademie Schwerte. Sie alle stehen für die immer wichtiger werdende gemeinwohlorientierte Weiterbildung, deren Stellenwert für unsere Gesellschaft immer noch zu oft unterschätzt wird. Die Weiterbildung muss in den Mittelpunkt rücken. Es steht viel auf dem Spiel. Zu wenig Möglichkeiten zur Potentialentfaltung und Weiterentwicklung der einzelnen Menschen führt heute zu schlechten Zukunftsperspektiven des einzelnen und einer schlechten Lebensqualität für alle. I. Es sind im Wesentlichen drei große Herausforderungen, deren gesellschaftliche Gestaltung wie nie zuvor auf Weiterbildung angewiesen ist und die zu einem enormen Bedeutungs- und Aufgabenzuwachs der Weiterbildung im Sinne der Unterstützung der Potentialentfaltung der Menschen zur Gestaltung eben dieser Herausforderungen im Alltag führen. 1

- Die Herausforderungen einer Einwanderungsgesellschaft, - die Herausforderungen einer Gesellschaft im demographischen Wandel, die zahlenmäßig schrumpft, zügig altert und immer heterogener und damit auch widersprüchlicher, konfliktreicher wird und - die Herausforderungen einer digitalen Gesellschaft. Über Weiterbildung zu sprechen heißt also über unsere Gesellschaft zu sprechen, über ihren tiefgreifenden Wandel, über ihre ungenutzten Potentiale und deren Entfaltung. Nur so kann die Gesellschaft ihren eigenen Veränderungen gerecht werden und daraus Gewinn für alle ziehen. Alle drei Herausforderungen oder Gestaltungsfelder sind jeweils für sich Thema der Weiterbildung. Sie sind aber auch miteinander verbunden, was die Komplexität ihrer Gestaltung erhöht und zugleich einen unschätzbaren Vorteil darstellt. So ist die Gestaltung der einen Herausforderung jeweils für die Gestaltung der anderen hilfreich, wenn wir sie im Zusammenhang denken, sehen und angehen. Ich durfte als Bürgermeister bereits auf Ihrem Weiterbildungstag 2016 über die Weiterbildung in der Einwanderungsgesellschaft sprechen (www.bezregarnsberg.nrw.de/themen/d/d_b_leitung_rp/reden_bm/2016/16_10_27_weiterbildungmigration.pdf). Schauen wir kurz zurück: Bei der humanitären Zuwanderung ist in den letzten drei Jahren von den Akteuren in der gemeinwohlorientierten Weiterbildung vieles erfolgreich geleistet worden. Herzlichen Dank dafür. Machen Sie bitte weiter. Lassen Sie schrittweise die neue Idee Weiterbildung in der Einwanderungsgesellschaft Wirklichkeit werden. Werben wir gemeinsam dafür, dass Strukturen und Finanzierung der gemeinwohlorientierten Weiterbildung an das Thema Einwanderungsgesellschaft angepasst werden. 2

II. Erlauben Sie mir heute in Folge von 2016 einige Gedanken zu einer anderen der drei genannten Herausforderungen zu formulieren. Ich meine die Weiterbildung in der digitalen Gesellschaft. Die Digitalisierung bietet uns unendliche noch unbekannte namenlose Möglichkeiten, um zum einen Dinge einfacher zu machen und zum anderen ständig wachsende Komplexität positiv zu gestalten oder wie der Intendant des Schauspielhauses Dortmund, Kay Voges, es formuliert: Komplexität zu genießen. Wir haben die öffentliche Aufgabe, die neuen Technologien aus der Versklavung durch das rein Ökonomische und durch die rein materiellen Interessen zu befreien und für die öffentlichen Dinge, für das Immaterielle, für Bildung und Bildungschancen, für Gesundheit, für Kultur und Künste, für nachhaltige Mobilität und gesellschaftlichen Zusammenhalt, für individualisierte Gemeinschaften zu nutzen. Das muss deutlich schneller geschehen im Sinne der res publicae, die sich an der Würde jedes Menschen auszurichten haben. Auch die Digitalisierung darf den Menschen nicht zum Objekt machen. Der Zukunftsforscher Max Thinius hat uns vor einigen Tagen folgendes gesagt: Unsere digitale Zukunft besteht nicht nur aus Technik, sondern aus vielen neuen Lösungen, die unseren Alltag beeinflussen. Das war auch in der industriellen Revolution schon so. Damals hat sich unser Alltag zu 84 % geändert neue Arbeit, neue Lebensweisen, neue Mobilität, neue Bankensysteme, neue Einkaufsmöglichkeiten. Mit der Digitalisierung wird dies wieder so kommen. Allerdings hat die Digitalisierung heute erst 14 % unseres Alltags verändert. Über die Prozentangaben mag man streiten, aber das Bild stimmt. Thinius drückt nur aus, was noch vor uns liegt, was auch und gerade durch Bildung gestaltet werden muss. Ulrich Beck sprach kurz vor seinem Tod 2015 von der Metamorphose, von der 3

Verwandlung unserer Welt, die wir zu gestalten haben oder besser deren Wirkungen wir zu gestalten haben. Welch große Herausforderungen für die Weiterbildung! Der neue digitale Lebensund Arbeitsalltag darf Menschen und ganze Regionen nicht abhängen, aber auch nicht die Autonomie, die Würde des Menschen auf s Spiel setzen. Welche große Herausforderung für die gemeinwohlorientierte Weiterbildung, durch Bildung und Netzwerke die kleinen Einheiten und das Dezentrale zu stärken! Welch große Herausforderung, alles zu tun, damit sich Menschen bilden, mit dem Neuen konstruktiv umzugehen. Deshalb brauchen wir mehr Geschwindigkeit und die Überwindung der alten Strukturen, die uns lähmen oder langsam werden lassen zum Vorteil des Kommerziellen und zum Nachteil des Gemeinsamen, zum Nachteil der Kultur und des Zusammenhalts, zum Nachteil des Gemeinwohls. Wenn sich alles verwandelt, verwandeln sich auch Bildung und Weiterbildung. Und diese Verwandlung wollen wir positiv gestalten und nutzen für das Gemeinwohl. III. Schauen wir aus der Zukunft auf die B i l d u n g. Was kommt auf uns zu? Folgen wir noch einmal Max Thinius bei seinem Blick aus der Zukunft: Alle lernen heute in der Schule dasselbe Grundwissen? In Zukunft nicht mehr! In der Industrialisierung war das gleiche Grundwissen notwendig, da wir alle ein kleines Rad in einem großen System sein sollten. Wer davon abwich, gefährdete die Effizienz des industriellen Modells. In der digitalen Zeit ist das genau andersrum: Hier gibt es viel weniger große zentrale Strukturen. Wir werden also wieder viel freier und 4

selbstbestimmter leben können. Schon ab der dritten Klasse könnten Kinder individuelle Lerneinheiten je nach Begabung erhalten, um immer mehr zu einer eigenständigen Persönlichkeit zu werden. Dabei wird noch etwas anderes neu sein. Einen Abschluss, wie wir ihn heute kennen, wird es nicht mehr geben, sondern lebenslanges Weiterlernen und Entwickeln der eigenen Fähigkeiten. Das bedeutet: Weiterbildung ist vielleicht wie nie zuvor herausgefordert. Sie hat eine multisystematische Aufgabe. Weiterbildung auch und gerade in neuen digitalen Formaten hat eine neue Bedeutung in der digitalen Gesellschaft. Die digitale Gesellschaft ist Treibstoff für die Weiterbildung. Wann? Ich meine jetzt hier und heute. Allererste Schritte werden in Schulen und Weiterbildung bereits gemacht es wird aber noch gut 60 bis 120 Monate so auch Thinius dauern, bis neue Konzepte in der Breite ankommen. IV. Der Monitor Digitale Bildung 2018 enthält zum Thema Digitalisierung der Weiterbildung einige interessante weiterführende Ergebnisse: 1. Die Hälfte der Bevölkerung (46 %) lernt schon heute online. Unter Lernen versteht der Monitor daran müssen wir denken auch situatives und beiläufiges Lernen in Alltagssituationen z.b. zum Thema Kochen oder zum Thema Gesundheit. 2. Online dominiert das informelle Lernen. Etwa 80% derjenigen, die digitale Bildungsangebote nutzen, lernen vorzugsweise informell. Ihre Lernaktivitäten sind meist beruflich veranlasst. 5

Dabei werden meist Videos abgerufen, die sich auf die jeweiligen beruflichen Aufgaben beziehen. Etablierte Anbieter müssen das wissen, Formate des Lernens ändern sich. 3. Digitale Bildungsanbieter sind große Internetportale wie Google und YouTube. Der Monitor Digitale Bildung 2018 belegt, dass auch der Online-Bildungs-Bereich durch die großen Web-Portale geprägt wird. Viele der Befragten erinnerten sich nämlich nicht daran, von welchem Anbieter die jeweils abgerufenen Lern- oder Wissensinhalte stammten. Die Nutzer suchen in erster Linie themen- und problemorientiert, weniger nach Anbietern oder Bildungsmarken. Und ihr Weg dahin führt meist über Google und YouTube. Es gibt inzwischen auch einige reichweitenstarke Bildungsplattformen im Netz, wie z.b. den YouTube Kanal MrWissen2go mit aktuell über 780.000 Abonnenten. Gerade beim situativen Lernen ist es den Nutzern weitgehend egal, von wem ein Erklärvideo stammt. Wichtig für die User sind Abrufzahlen und Likes. In jedem Fall gilt, auch für Volkshochschulen und Weiterbildungsträger, was die Leiterin der Kunsthalle Mannheim, Dr. Ulrike Lorenz bei der Neueröffnung der Kunsthalle Anfang Juni 2018 gesagt hat: Museen, die den Sprung ins Digitale nicht schaffen, werden unsichtbar. Weiterbildungsträger, die den Sprung ins Digitale nicht schaffen, werden unsichtbar. Wenn die Gesellschaft sich wandelt oder genauer verwandelt und in Bewegung ist, muss es auch die gemeinwohlorientierte Weiterbildung, muss es jede Volkshochschule sein. Das heißt: VHS als Gesellschaft oder als Stadt begreifen und gestalten. Als Stadt in der Stadt. 6

4. Weiterbildungseinrichtungen kombinieren Präsenzveranstaltungen und E- Learning (Blended Learning). Auch die institutionelle Weiterbildung findet immer stärker online statt überwiegend mit Begleit- und Zusatzangeboten, seltener substitutiv oder gar disruptiv. Die im Rahmen des Monitors Digitale Bildung befragten Entscheider/innen aus Weiterbildungsorganisationen sehen übereinstimmend die Zukunft ihrer Angebote im Blended Learning, im kombinierten Lernen. Sie hoffen schon, dass traditionelle Bildungsformate ihre Bedeutung behalten. Nur 24% der befragten Einrichtungsleitungen geben dazu an, dass ihre (heutigen) Kunden digitale Lernformate explizit nachfragen. Denken und Handeln die Weiterbildungseinrichtungen damit nicht zu stark aus der Vergangenheit? So wie wir aus der Vergangenheit heraus Worte benutzen, um völlig Neues zu bezeichnen, die dann aber nicht zutreffend sind. Ein Smartphone ist nun einmal k e i n Telefon. Gerade in der W e i t e r bildung sollten wir aus der Zukunft heraus denken und handeln - also w e i t e r denken. Beginnt nicht auch die Zeit in der Zukunft, geht die Zeit nicht von dort in die Gegenwart und bleibt in der Vergangenheit liegen?!! 5. Privatwirtschaftliche Bildungseinrichtungen sind tendenziell digitaler Trotz der eher geringen Nachfrage misst die Hälfte der befragten Einrichtungsleitungen (55%) den digitalen Lernformen eine hohe strategische Relevanz zu. Bei den privat-kommerziellen Anbietern sind es sogar 67%. Zugleich räumt mehr als die Hälfte der Befragten ein, dass es an ihrer Einrichtung noch keinen systematischen Einsatz digitaler Lernmedien gibt. Offensichtlich setzen privatwirtschaftliche und größere Unternehmen generell stärker auf digitale Technologien als staatlich getragene und kleinere Organisationen, und 7

sie stufen auch die Qualität ihrer technischen Ausstattung besser ein als gemeinnützige Anbieter (67% zu 36%) oder bei Volkshochschulen 67% zu 50%. 6. Die digitale Spaltung in der Weiterbildung droht und gefährdet den sozialen Frieden. Der Monitor Digitale Bildung 2018 zeigt leider deutlich, dass Menschen mit geringerer formaler Bildung sowie Nichtberufstätige deutlich seltener zur Gruppe der digital Lernenden gehören. Dieser Digital Divide in der Weiterbildung ist jedoch keine Folge der zunehmenden Digitalisierung, sondern als Matthäus-Effekt ( Denn wer hat, dem wird gegeben werden und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Matthäus 25,29) in der Bildungsforschung bereits seit langem bekannt: Formal weniger Gebildete nutzten immer schon seltener Weiterbildungsangebote als die formal Gebildeteren. Interessant wäre es zu wissen, ob sie noch weniger Bildungsangebote nutzten, bevor es digitale Weiterbildungsangebote im heutigen Umfang frei zugänglich im Netz gab. Eine Frage, die der Monitor nicht beantworten kann. In jedem Fall besteht auch für die Weiterbildung dringender Handlungsbedarf: Mehr Bildungschancen für mehr Menschen! Wie gesagt: Es steht viel auf dem Spiel in der digitalen Gesellschaft für jede und jeden und für uns alle. V. Was ist notwendig? Ganz kurz in Anlehnung an Tobias Kollmann die Antwort: Wollen, Können, Machen. Praxis: 8

1. Wollen. Digitalisierung bedeutet Veränderung! Auch der eigenen Arbeit. Und die muss man wollen gegen den bequemen Besitzstand an Erfahrungswissen, alten Entscheidungen, erarbeiteten Positionen, gegen die Regel, dass Beweislast bei den Veränderern liegt, gegen das lineare Denken. Wollen ist gar nicht so einfach. 2. Können. Es gibt keinen technischen Knopf, den die Weiterbildung nur drücken muss. Wir müssen uns auch soziale Netzwerktheorie, akteursbasierte Modellbildung, wissenschaftliche Nutzung von Big Data und Erkenntnisse der Ungleichgewichtsökonomie aneignen, digitale Wertschöpfungsketten im Lebenslauf der Bildung kennen und verstehen und vieles mehr. Auch Können ist gar nicht so einfach. 3. Einfach machen! Entscheidend ist auf m Platz. pflegte die BVB-Fußball-Legende Adi Preißler zu sagen. Auf m Platz zählt heute schon und zukünftig auch Führen mit Daten. Und: Wie gesagt: Es steht viel auf dem Spiel in der Weiterbildung. Wir werden Sie, sehr geehrte Damen und Herren, als Akteure der Weiterbildung unterstützen, besser unterstützen im Sinne der Potentialentwicklung der Weiterbildung für die Menschen und ihren sozialen Zusammenhalt in der digitalen Gesellschaft und für die digitale Gesellschaft. VI. Und zum Schluss ein Wort von Ulrich Beck zu denen, die meinen: Früher weiß alles besser. Was ja nicht stimmt. 9

Ulrich Beck: Wir alle wissen, dass sich die Raupe in einen Schmetterling verwandeln wird. Aber weiß es die Raupe auch? Das ist die Frage, die man den Katastrophikern stellen muss. Sie gleichen Raupen, die eingepuppt im Weltbild ihrer Raupenexistenz, keine Idee von Metamorphose haben. Sie vermögen nicht zu unterscheiden zwischen Zerfall und Anders-Werden. Sie sehen die Welt und ihre Werte untergehen, wo nicht die Welt, sondern ihr Weltbild untergeht. Gestalten wir das Anders- Werden. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und viel Erfolg. Der 19. Weiterbildungstag Ruhr ist eröffnet. 10